3 Steuerliche Betrachtung einer Europa-Holding
3.1 Steuerliche Motive für eine Europa-Holding
Die steuerliche Motivation wird auch nach Einführung des SEStEG im großen Umfang mitbestimmend für eine grenzüberschreitende Holdinggestaltung sein, solange innerhalb der EU kein einheitliches Steuersystem und somit ein zwischenstaatliches Steuergefälle existiert.[71] Laut einer Unternehmensbefragung des Ruding-Kommitees 1992 spielte „die Besteuerung […] immer oder regelmäßig eine entscheidende Rolle“ für internationale Unternehmensaktivitäten.[72] Jedoch sollte auch berücksichtigt werden, dass eine zusätzliche Gesellschaft in einer Beteiligungskette, nämlich die Holding, z. B durch den sogenannten Kaskadeneffekt das Risiko der Mehrfachbesteuerung mit sich bringt.[73]
3.1.1 Steuerliche Besonderheiten bei Holdinggesellschaften
Zu den spezifischen Regelungen für nationale und internationale Holdinggesellschaften zählen insbesondere die,[74]
die steuerrechtliche Organschaft betreffenden §§ 14 ff. KStG, § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG, § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, die durchweg Holdings als Organträger akzeptieren,
des § 8a KStG zur Regelung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung, nach dem besondere Vorschriften zur Eigenkapitalberechnung für die Fremdfinanzierung von Holdinggesellschaften durch Anteilseigner (§ 8a Abs. 5 KStG) und für den konzerninternen fremdfinanzierten Erwerb von Beteiligungen (§ 8a Abs. 7 KStG) gelten,
die zu den Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung der §§ 7-14 AStG gehörenden §§ 8 Abs. 1 Nr. 8 und 9 AStG, wonach Gewinnausschüttungen und Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen von der Hinzurechnungsbesteuerung ausgenommen werden, da sie unter bestimmten Voraussetzungen als aktive Einkünfte qualifiziert werden,
der abkommensrechtlichen und unilateralen Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, wonach Beteiligungserträge und Gewinne aus der Veräußerung von ausländischen Kapitalgesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen nicht versteuert werden (§ 8b KStG und § 9 Nr. 7 GewStG)[75] oder wonach die ausländische Körperschaftsteuer angerechnet werden kann (§ 26 KStG).
3.1.2 Steuerliche Standortkriterien
Die steuerliche Motivation bei der Auswahl eines Holdingstandortes überwiegt häufig.[76] Das vorrangige Ziel der Steuerminimierung, neben dem der langfristigen Gewinnmaxiierung, kann bei internationaler Steuerplanung und Steuergestaltung durch die Zwischenschaltung einer Holdinggesellschaft im Wesentlichen in viererlei Hinsicht erreicht werden:[77]
1. Die Holding bietet die Möglichkeit, Gewinne in anderen Staaten als dem Ansässigkeitsstaat der operativen Gesellschaften anfallen zu lassen (Umleiten von Einkünften). Abhängig von vorhandenen oder nicht vorhandenen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)[78] können hierdurch positive, aber auch negative Effekte erzielt werden.[79] Die Gestaltungsbemühungen zum Erlangen von Vergünstigungen durch ein Doppelbesteuerungsabkommen („Treaty Shopping“) oder durch eine EU-Richtlinie („Directive Shopping“) zielen schwerpunktmäßig auf die Senkung der Quellensteuerbelastung bei Dividenden, Zinsen und Lizenzen ab.
2. Die Holding kann zur Umqualifizierung von Einkünften verwendet werden, um Steuerbelastungen, die nach dem jeweiligen nationalen Steuerrecht an eine bestimmte Art von Einkünften geknüpft sind, zu umgehen. Denkbar wäre z.B. eine Umwandlung von Dividenden, die die Holding aus ihren Beteiligungen erhält, in Darlehenszinsen an Ihre Gesellschafter für von diesen zur Verfügung gestelltes Fremdkapital.
3. Das sogenannte „temporäre Abschirmen“[80] von Einkünften kann ebenfalls ein mögliches Ziel der Holdinggestaltung sein. Die gegebenenfalls in deren Staat steuerlich negativ belasteten Gewinnausschüttungen der operativen Gesellschaften können bei der Holding thesauriert und für Finanzierungen, z.B. weiterer Beteiligungen, genutzt werden, wenn in dessen Ansässigkeitsstaat keine solchen steuerlich negativen Belastungen vorliegen.
4. Schließlich besteht die Möglichkeit der Verlagerung der Einkünfteerzielung von den Grundeinheiten auf die Holding („bottom-up“). Dies erfordert jedoch spezielle Rechtsgrundlagen, z.B. die der Möglichkeit zur Organschaftsbildung[81], die eine Saldierung der Gewinne und Verluste der beteiligten Gesellschaften auf Holdingebene ermöglicht. Dies ist jedoch häufig, bis auf wenige Ausnahmen[82], auf Unternehmensgruppen begrenzt, dessen Organgesellschaften in demselben Staat ansässig sind.[83]
Die internationale Standortwahl für eine Holding ist von individuellen Gewichtungen und Kombinationen von Faktoren geprägt und daher eine Einzelfallentscheidung. In der Literatur finden sich klassische steuerliche Standortkriterien, die der Zwecksetzung von Holdinggesellschaften entsprechen:[84]
Steuerliche Behandlung von Errichtung, Umstrukturierung und Auflösung
Dividendenbesteuerung
Veräußerungsgewinnbesteuerung und –verlustberücksichtigung
Besteuerung des holdingspezifischen Leistungsaustausches zwischen den Einheiten, insbesondere Finanzierung und Lizenzen
Steuerliche Konsolidierung/ Organschaft
Kapitalverkehr-/ Substanzsteuern
Steuerniveau
3.1.2.1 Gründung, Umstrukturierung und Auflösung
Die steuerliche Behandlung von Vorgängen des Hinein- beziehungsweise Hinausverbringens und des Reorganisierens (z.B. Einbringen, Entnehmen, Veräußern) von Beteiligungen im Zuge der Gründung, Umstrukturierung oder Auflösung ist ein wichtiger steuerlicher Holdingaspekt. Eine spätere Neuordnung oder ein Austritt aus dem Holdingkonstrukt sollte, vor dem Hintergrund eines sich schnell ändernden nationalen und internationalen Steuerrechts, in die steuerplanerischen Überlegungen bereits bei Errichtung einbezogen werden.
3.1.2.2 Dividenden
Die doppelte Besteuerung von Dividenden zum einen in Form von ausgeschütteten Gewinnen der operativen Gesellschaften auf der Holdingebene und zum anderen in Form von Gewinnausschüttungen der Holding auf der Ebene ihrer Gesellschafter gilt es zu vermeiden. In der Regel gelingt dies zumindest bei der Holding durch die Steuerfreistellungsmethode (Schachtelprivileg) oder durch die Steueranrechnungsmethode.[85]
3.1.2.3 Veräußerungsgewinne und -verluste
Das Besteuerungsrecht von Gewinnen aus der Veräußerung von Beteiligungen steht grundsätzlich dem Wohnsitzstaat des Anteilseigners zu.[86] Die Steuerfreistellung von Veräußerungsgewinnen ist für die jeweiligen Holdingstandorte zu überprüfen. Für eine Holdinggestaltung vorteilhaft ist zudem eine Berücksichtigung von Veräußerungsverlusten oder Wertminderungen, jedoch ist diese nur wirkungsvoll, wenn andere Einkünfte der Holding zur Kompensation vorliegen (sog. „tax capacity“).[87]
3.1.2.4 Leistungsaustausch zwischen den Einheiten, insbesondere Finanzierung und Lizenzen
Zu prüfen ist, ob beteiligungsbezogene Finanzierungsaufwendungen (Zinsen) vom sonstigen steuerpflichtigen Einkommen (z.B. Lizenzgebühren) der Holding abziehbar sind. Gesellschafterfremdkapital kann zur Refinanzierung der Holding genutzt werden, um das steuerliche Ergebnis der Gesellschaft durch Zinsaufwand zu senken und Gewinn in Zinsen umzuwandeln. Voraussetzung ist ein nicht ausschließlich schachtelprivilegiertes Einkommen, wie bei der reinen Beteiligungsgesellschaft, da sonst die steuerlich abziehbaren Refinanzierungskosten keine Auswirkungen hätten.[88]
3.1.2.5 Konsolidierung/ Organschaft
Die Möglichkeit zur grenzüberschreitenden, steuerlichen Konsolidierung von positiven und negativen Ergebnissen auf Ebene der Holding (steuerliches Organschaftskonzept) besteht nur vereinzelt. Nur Dänemark, Frankreich, Italien und Österreich bieten derzeit die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Organschaft.[89] Es würde so eine Nutzung von Verlusten ausgeweitet werden.[90]
3.1.2.6 Kapitalverkehr-/ Substanzsteuern
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