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E-Book

Still und Stark

Die Kraft introvertierter Kinder und Jugendlicher

AutorSusan Cain
VerlagGoldmann
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl304 Seiten
ISBN9783641207137
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Als Susan Cain ein Teenager war, wurde sie oft gefragt, warum sie so still ist. Daraufhin zwang sie sich jahrelang, im Unterricht das Wort zu ergreifen und auf Partys zu gehen, auch wenn sie ihre freie Zeit lieber mit einer guten Freundin verbracht hätte. Im Laufe der Jahre erkannte Susan, dass ihre Introvertiertheit keine Schwäche, sondern eine Stärke war. Sie nahm sich Zeit zum Nachdenken, war ausgeglichen und eine gute Zuhörerin. Ihr erstes Buch »Still« wurde ein weltweiter Erfolg und ermutigte viele Introvertierte, zu sich selbst zu stehen. In ihrem zweiten Buch dreht sich alles um die Welt von Kindern und Jugendlichen. Sie 'sind oft talentiert, einzigartig und liebevoll. Und trotzdem denken sie, dass etwas mit ihnen nicht stimmt. Das muss sich ändern', beschreibt Susan Cain ihr Anliegen, das hinter diesem wichtigen Buch steckt.

Susan Cain studierte an der Harvard Law School und der Princeton University und arbeitete danach als Anwältin für Körperschaftsrecht in einem Wall-Street-Unternehmen, wo sie Kunden wie Goldman Sachs und GE Capital vertrat und die Verhandlungen für Milliarden-Dollar-Geschäfte führte. Seit über zehn Jahren ist sie als Trainerin für Verhandlungsführung tätig und hat eine eigene Beratungsfirma, The Negotiation Company. Humanistisch-ethische Prinzipien sind ihr wichtig in ihrer Arbeit, und sie geht davon aus, dass das Gelingen von Verhandlungen Selbsterkenntnis voraussetzt.

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Leseprobe

Einleitung

»Warum bist du immer so still?«

Freunde, Lehrer, Bekannte, sogar Leute, die ich kaum kenne, haben mich das schon gefragt. Die meisten meinen es ja gut. Sie wollen wissen, ob bei mir alles in Ordnung ist oder ob es einen Grund dafür gibt, dass ich so zurückhaltend bin. Manche fragen dies in einer Art, die vermuten lässt, dass sie es etwas seltsam finden, dass ich eine Weile nichts gesagt habe.

Ich habe nicht immer eine eindeutige Antwort auf diese Frage. Manchmal bin ich still, weil ich mitten in einem Gedanken oder einer Beobachtung bin. Manchmal konzentriere ich mich stärker auf das Zuhören als auf das Reden. Oft jedoch bin ich still, weil ich einfach so bin. Still.

In der Schule schien es immer das größte Kompliment zu sein, das man bekommen konnte, wenn es hieß, man könne »aus sich herausgehen«. Meine Lehrer forderten mich im Unterricht häufig auf, ich solle mich öfter melden. Bei Tanzveranstaltungen in der Schule ging ich mit meinen Freundinnen auf die Tanzfläche, aber wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir nur bei einer von uns zu Hause gechillt. Während des Studiums besuchte ich laute Partys mit vielen Leuten, konnte jedoch nie das Gefühl abschütteln, es gefiele mir eigentlich besser, mit ein oder zwei Freunden irgendwo zu essen und ins Kino zu gehen. Ich habe mich aber nie darüber beklagt. Ich dachte, es würde von mir erwartet, diese Dinge zu tun, um als »normal« zu gelten.

Während all dieser Zeit hatte ich ein kleines, aber inniges Netzwerk enger Freunde und Kollegen aufgebaut. Ich habe mich nie darum gekümmert, ob jemand beliebt war oder nicht, daher waren einige meiner Freunde »cool« und andere überhaupt nicht. Dank meiner Vorliebe für vertraute Gespräche waren meine Freundschaften aufgebaut auf gegenseitigem Vertrauen, Freude daran, jeweils in Gesellschaft des anderen zu sein, und Zuneigung. Sie hatten wenig mit Cliquenbildung oder Wettstreit um besondere Beliebtheit zu tun. Die Leute fingen an, mich für meine einfühlsamen Fragen zu loben, für meine Fähigkeit, selbstständig zu denken, und für mein ruhiges Herangehen an angespannte Situationen. Sie machten mir Komplimente dafür, tiefsinnig nachzudenken und eine großartige Zuhörerin zu sein. Sie fingen auch an, mir zuzuhören. Sie stellten fest, dass, wenn ich etwas sagte, dies gut durchdacht war. Und als ich in die Arbeitswelt eintrat, boten mir die draufgängerischen unverblümten Typen, die mich früher eingeschüchtert hatten, Jobs an!

Mit der Zeit merkte ich, dass meine stille Art, ans Leben heranzugehen, die ganze Zeit über eine große Kraft gewesen war. Sie war ein Werkzeug, dessen Gebrauch ich nur erst hatte lernen müssen. Ich schaute mich um und sah, dass die Welt viele großartige Beiträge – vom Apple-Computer bis zu Der Kater mit Hut – von Introvertierten erhalten hatte, und zwar wegen, nicht trotz deren stillem Temperament. Ich sammelte meine Gedanken in einem Buch für Erwachsene und nannte es Still. Die Kraft der Introvertierten. Das Buch schaffte es auf die Bestsellerliste der New York Times, hielt sich dort jahrelang und wurde in vierzig Sprachen übersetzt. Viele tausend Menschen erzählten mir, einfach nur dieser eine Gedanke – dass ihr stilles Herangehen bei richtiger Nutzung eine starke Kraft darstellt – habe ihr Leben tatsächlich verändert. Das berührte sie auf eine Weise, die ich mir nie hätte vorstellen können.

Schon bald fing ich an, Dinge zu tun, die mir unmöglich erschienen waren, als ich jünger war. Als ich beispielsweise in der Middle School war, versetzte es mich in Angst und Schrecken, wenn ich vor anderen sprechen sollte. Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, wenn ich am nächsten Tag ein Buch vorstellen musste. Einmal war ich so eingeschüchtert, dass ich vor der Klasse wie gelähmt dastand und den Mund nicht aufbekam. Heute erscheine ich auf Bildschirmen in aller Welt als Fürsprecherin für introvertierte Menschen und halte Vorträge vor mehreren tausend Leuten. Ich habe Vorträge über Introvertiertheit gehalten, die mit vielen Millionen Aufrufen zu den am häufigsten gesehenen TED-Talks aller Zeiten wurden (TED steht für »Technology, Entertainment and Design« und ist der Name einer Organisation, die Konferenzen veranstaltet, bei denen die Leute wichtige Ideen teilen).

Von diesen Erfahrungen angeregt, wurde ich Mitbegründerin von Quiet Revolution, einem Unternehmen mit der klar definierten Mission, Introvertierte aller Altersstufen zu stärken. Ich möchte, dass wir Stillen das Gefühl haben, überall wir selbst sein zu können – in der Schule, bei der Arbeit und in der gesamten Gesellschaft. Quiet Revolution setzt sich für eine Veränderung ein und verschafft den Stimmen von uns Introvertierten mehr Gehör. Es ist eine inklusive Bewegung – jeder kann sich uns anschließen, egal wie still oder extrovertiert er ist. Ich ermuntere alle, sich unter Quietrev.com zu engagieren!

Ich werde häufig gefragt, ob ich mich in einen extrovertierten Menschen verwandelt habe, seit ich so ungezwungen in der Öffentlichkeit sprechen und Kommentare in den Medien abgeben kann. Ich habe mich jedoch über die Jahre hinweg nicht grundlegend verändert. Noch immer bin ich gelegentlich schüchtern. Und ich liebe mein stilles, nachdenkliches Selbst. Ich habe die Macht der Stille akzeptiert – und ihr könnt das auch.

Viele meiner Leser haben mir gesagt, sie wünschten, sie hätten schon als Kinder oder Jugendliche etwas über die Quiet Revolution gehört, oder als Eltern von introvertierten Kindern. Und ich habe auch von jungen Leuten gehört, dass sie sich eine Version von Still nur für sich wünschen.

So entstand dieses Buch.

Was ist überhaupt ein introvertierter Mensch?

Es gibt in der Psychologie einen Begriff für Menschen wie mich. Wir werden als Introvertierte bezeichnet – und es gibt nicht nur eine Definition, um uns zu beschreiben. Wir genießen die Gesellschaft anderer, haben aber auch gerne Zeit für uns alleine. Wir können sehr gute soziale Fähigkeiten haben, ziehen uns aber auch gerne zurück. Wir sind gute Beobachter. Wir hören lieber zu und reden weniger. Introvertiert zu sein bedeutet, ein Innenleben mit Tiefgang zu haben und dieses Innenleben auch wichtig zu nehmen.

Während ein Introvertierter jemand ist, der nach innen schaut, ist ein Extrovertierter genau das Gegenteil. Extrovertierte blühen in einer Gruppe auf und beziehen Energie aus dem Umgang mit anderen.

Auch wenn ihr selbst nicht introvertiert seid, gibt es vielleicht einige Introvertierte in eurer Familie oder eurem Freundeskreis.1 Introvertierte machen ein Drittel bis die Hälfte der Bevölkerung aus – das ist jeder Zweite oder Dritte von den Leuten, die ihr kennt. Manchmal sind wir leicht zu erkennen. Wir sind diejenigen, die es sich mit einem Buch oder einem iPad auf dem Schoß auf dem Sofa bequem machen, anstatt von Leuten umgeben zu sein. Auf Partys mit vielen Leuten könnt ihr uns vielleicht im Gespräch mit wenigen Freunden finden – aber sicher nicht auf dem Tisch tanzend. Im Unterricht schauen wir manchmal woandershin, wenn der Lehrer Freiwillige aufruft. Wir passen schon auf – wir würden nur lieber allem still folgen und uns erst melden, wenn wir bereit dazu sind.

Bei anderen Gelegenheiten sind wir Introvertierten ziemlich gut darin, unsere wahre Natur zu verbergen. Wir können in Klassenzimmern und in der Schulkantine unentdeckt bleiben und im Lärm überleben, während wir es tief in unserem Inneren kaum erwarten können, der Menge zu entkommen und Zeit für uns selbst zu haben. Seit mein erstes Buch erschienen ist, habe ich mich immer wieder darüber gewundert, wie viele scheinbar extrovertierte Menschen – Schauspieler, Politiker, Unternehmer und Sportler – mir »gebeichtet« haben, dass auch sie introvertiert sind.

Introvertiert zu sein bedeutet nicht notwendigerweise, schüchtern zu sein. Es ist wichtig, zwischen beidem zu unterscheiden. Introvertierte können natürlich schüchtern sein, aber es gibt auch schüchterne Extrovertierte. Schüchternes Verhalten kann wie Introvertiertheit wirken – es lässt die Menschen still und reserviert werden. Das Gefühl von Schüchternheit ist genau wie die Introvertiertheit kompliziert und vielschichtig. Es kann von Nervosität oder der Unsicherheit herrühren, ob die anderen einen auch akzeptieren. Es kann in der Angst begründet sein, etwas falsch zu machen. Im Unterricht meldet sich ein schüchterner Schüler nicht, weil er Sorge hat, eine falsche Antwort zu geben und sich zu blamieren. Das introvertierte Mädchen neben ihm wird sich vielleicht ebenfalls nicht melden, aber aus anderen Gründen. Sie empfindet vielleicht einfach nicht das Bedürfnis, etwas beizutragen. Oder sie ist zu sehr damit beschäftigt, zuzuhören und das Gehörte zu verarbeiten, um reden zu wollen. Schüchternheit hat genau wie Introvertiertheit Vorteile. Studien zeigen, dass schüchterne Kinder eher loyale Freundschaften haben und gewissenhaft, empathisch und kreativ sind. Beide, Schüchterne wie Introvertierte, können sehr gut zuhören. Und durch Zuhören werden wir häufig gut im Beobachten, Lernen und Reifen.

Dieses Buch beschäftigt sich mit beidem, mit Introvertiertheit und Schüchternheit – und mit den Vorteilen, die ihr daraus jeweils ziehen könnt. Ich bin zufälligerweise introvertiert und von Natur aus schüchtern (auch wenn ich mit der Zeit dahin gekommen bin, mich weniger schüchtern zu fühlen). Ihr seid vielleicht nur das eine oder das andere....

Blick ins Buch

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