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E-Book

Stoppt die Banken!

Wie Finanzinstitute unsere Zukunft verzocken

AutorEsther Mitterstieler
VerlagBraumüller Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783991001300
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis18,99 EUR
TOO BIG TO FAIL: BANKEN ZOCKEN. WIR ZAHLEN. Warum holt man sich, wenn es mit dem Bargeld knapp wird, nicht einfach immer mehr Cash vom Geldautomaten? Das fragten sich auch internationale Banker in den Jahren vor und nach der Pleite der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers und stellten sich beim Staat um Geld an. Die Folgen sind bekannt: Bankenkrise, Rettungsschirm und ein europäisches Finanzsystem, das auf der Kippe stand und noch lange nicht über den Berg ist. Wie ist dieses Szenario in Zukunft zu verhindern? Was können wir aus dem Fehlverhalten der Banker und Politiker lernen? Und wieso werden die Banken weiter spekulieren und wir weiter zahlen, bis wir tatsächlich am Abgrund stehen, wenn sich nichts ändert?

Esther Mitterstieler, geboren 1968 in Völs am Schlern, ist seit 1994 Journalistin für zahlreiche Zeitungen und Magazine in Italien, Österreich und Deutschland. Sie war Redakteurin bei den 'Dolomiten' in Bozen, beim 'Standard' in Wien und Chefredakteurin beim 'WirtschaftsBlatt'. Außerdem schrieb sie für die deutsche 'Börsen-Zeitung' und die renommierte italienische Wirtschaftszeitung 'Il Sole 24 Ore' und berichtete einige Jahre für den Nachrichtensender 'n-tv' über das Börsengeschehen in Wien.

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Leseprobe

II.


WARUM BANKEN
ZOCKEN
MÜSSEN


„The winner takes it all“: Es war im Jahr 1980, als die schwedische Band Abba mit diesem vielsagenden Titel durch die Lande zog. Der Song erlebte ein Revival und die Kernaussage trifft den Zustand der Wirtschaft punktgenau.

Was Ende der 1980er-Jahre galt, hat bis heute traurige Gültigkeit und beschreibt nicht nur die Finanz-, sondern die gesamte Wirtschaftswelt. Egal welches Unternehmen, egal welche Bank: Alle streben nach wie vor nach dem maximalen Profit, nach dem höchstmöglichen Gewinn. Um Geschäfte zu machen, ist jede Bank im Wettbewerb mit anderen Banken. Um Kunden zu generieren bzw. zu behalten, steigert so manche Bank die Risiken. Das führt letztendlich zu einem unsicheren System. Um die Lage der Banken beschreiben zu können, muss dieses System im Ganzen betrachtet werden.

Überlegen Sie kurz, welches Bild von Unternehmen im Allgemeinen und Banken im Speziellen Sie durch die Medien vermittelt bekommen. Nicht nur auf den Wirtschaftsseiten der Zeitungen oder Magazine, auch im Radio, TV und allen voran im Internet werden Sie mit Informationen überschüttet, die unübersehbar Ausdruck des in Schieflage geratenen Wirtschaftssystems sind. Diese Informationen sind ein Spiegel, in dem man sieht, wie Wirtschaft derzeit funktioniert. Unternehmensmeldungen sind umso mehr „Wert“, je mehr der Vorstand das Ergebnis und den Aktienkurs gesteigert hat, gewissermaßen die Hauptingredienzien des äußerlichen Erfolgs eines Unternehmens. Es liegt auf der Hand, dass der Abbau von Arbeitsplätzen nach demselben System funktioniert. Je mehr, desto besser, lautet auch hier die zynische Formel.

Man kann sich ausmalen, was Investoren serviert bekommen wollen. Die Meldung über maximalen Gewinn bei minimalem Kapitaleinsatz. Die Mitarbeiter binden viel Kapital. Sprich: Mitarbeiter sind Jobs, sind Fixkosten, sind Klötze am Bein der (Kosten-)schlank orientierten Vorstände und Investoren.

Hier mangelt es am Grundverständnis für gutes Wirtschaften: Plötzlich sehen sich Vorstände in der Rolle, ganz viel sparen zu müssen. Leider missverstehen sie ihre Rolle heute genauso wie vor dem Fall von Lehman. Nur an Mitarbeitern und Jobs zu sparen, ist ein ebenso billiges wie kurzfristiges, kurzsichtiges Befriedigen der immer noch rein Kapitalmarkt-getriebenen Investoren und Aufsichtsräte. Es dient in erster Linie der Sicherstellung der eigenen Vorstands-Boni. Die Medien spielen unbewusst oder bewusst mit.

Der Druck auf die Topmanager nach Gewinn um fast jeden Preis ist seit Lehman keineswegs kleiner geworden. Im Gegenteil. Nicht zuletzt infolge der Finanzkrise entwickelte sich ein ebenso unverkennbarer Trend, Finanzvorstände zu Vorstandsdirektoren (CEO) zu ernennen. Hauptsache die Rendite stimmt und die Fixkosten sinken. Zu diesen Fixkosten zählen vor allem Jobs. Die Menschen dahinter sind den unter Druck stehenden Managern relativ egal, die Zahlen müssen passen.

Das hat einen weiteren Nebeneffekt, der leider immer noch zu gerne in Vergessenheit gerät: Reines Erbsenzählen mag kurzfristig Bilanzen schöner aussehen lassen, langfristig wird dieser zwischenzeitliche Verzicht auf jegliche Strategie böse enden, schlimmer als beim vergangenen Mal. Und es wird auf jeden Fall ein nächstes Mal geben.

Und hier liegt schon die Antwort auf die Frage, warum Banken zocken müssen: weil ihnen gar nichts anderes übrig bleibt – wie den anderen Unternehmen weltweit im Übrigen auch. Natürlich können wir über die Gier der Banker lamentieren, besser wäre es, hier von der Gier der Menschen zu sprechen. Wenn es um Geld geht, ist vielen Menschen jedes Mittel recht. So schaut auch unser Wirtschaftssystem aus. Es ist ein Spiegel der Gesellschaft, ob wir wollen oder nicht.

Es ist ein System des totalen Drucks und der totalen Vernetzung. Das macht die Lage so gefährlich: Einerseits bringt der Druck nach dem maximalen Gewinn die Banken dazu, oft mehr Risiko einzugehen, als ihnen guttut. Das gilt auch für andere Unternehmen. Andererseits ist es gerade im Fall der Banken extrem schwierig, einzugreifen, weil sie wiederum als wichtige Mittler und Vermittler viele Wirtschaftszweige im Sog mit sich nach unten ziehen könnten. So geschehen im Fall Lehman, den wir im nächsten Kapitel noch näher betrachten.

Warum können sich die Banken als wichtige Spieler im Wirtschaftsleben diesem gewinnorientierten Sog nicht entziehen? Die Antwort ist schlicht und einfach: Wer sein Geschäft als guter Bankkaufmann wirklich ernst nimmt, hat keine Chance, am Markt zu bestehen. Denn eine Bank muss sich refinanzieren, sie braucht also viele verschiedene Geldquellen. Das unterscheidet sie grundlegend von einem anderen Unternehmen, das meist lediglich eine Handvoll Geldgeber hat.

Will eine Bank Geld am Kapitalmarkt aufnehmen, benötigt sie ein bestimmtes Gütesiegel, das ihr eine Ratingagentur verpasst. Die Ratingagenturen untersuchen, wie gut ein Unternehmen oder eine Bank wirtschaftet, wie viel Polster das Unternehmen für schlechte Zeiten auf die Seite gelegt hat, wie seine Prognose für die Zukunft aussieht. Hat die Agentur das geprüft, gibt sie ihre Stellungnahme und Benotung dazu ab. Nur wer in der Meinung einer der drei marktbeherrschenden Ratingagenturen – Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch Ratings – alle Voraussetzungen erfüllt, bekommt überhaupt Geld am Markt, um sich zu refinanzieren. Dazu gehören neben vielen anderen Kriterien der Aktienkurs ebenso wie der Gewinn.

„Eine Bank muss sich refinanzieren“ heißt nichts anderes als: sie muss sich Geld beschaffen, um Kredite vergeben zu können, also die Wirtschaft am Laufen zu halten.

Da ist kein Platz für dürftige Erträge. Der Markt ist immer und überall. Und der Markt – oft wird mit Blick auf die Börsen auch der Plural Märkte verwendet – hat immer recht: So hat Wirtschaft vor dem Fall von Lehman funktioniert und so funktioniert sie leider immer noch.

Das System muss geändert werden. Dann können auch die Banken wieder ihr ureigenes Geschäft erledigen und kalkulierbare Risiken eingehen, aber eben nicht solche, die nur am Spieltisch Gewinn versprechen und häufig nicht erzielen.

Stichwort Versprechen. Aus solchen bestehen viel zu oft nicht nur die bilanziellen Ausblicke der Firmen und Banken, Versprechen lassen auch die Wirtschaftsprüfer, Politiker sowie Mitarbeiter von Ratingagenturen und Behörden agieren. Das Kartenhaus ist auf dem Versprechen aufgebaut, dass es nicht zusammenbricht.

Bemerkenswert ist etwa, dass seit den 1980er-Jahren Unternehmen nach der Methode des Shareholder Value bewertet werden und wir davon noch immer nicht abgekommen sind. Das bedeutet in der Praxis: Bewertet werden vor allem potenzielle künftige Erträge. Ich erhebe also, was ich in den nächsten Jahren verdienen könnte, und dementsprechend setze ich mir meine Ziele. Je höher ich meine Ziele setze, umso mehr Interesse wecke ich bei den Geldgebern, sprich Investoren. Was liegt näher, als meine Ziele immer höher zu schrauben, bis sie zur Illusion verkommen? Und wie überall wirkt auch hier der Herdentrieb.

Wenn mein Mitbewerber sich das Ziel von 20 Prozent mehr Gewinn für das nächste Jahr setzt, warum sollte ich das dann nicht auch? Vielleicht weil ich gerade hohe Investitionen plane oder noch nicht genügend Aufträge in den Büchern habe? Die Welt mag sich im Fluss befinden, aber alles kann auch in die Gegenrichtung fließen. Am besten bleibt man mit beiden Beinen auf dem Boden.

Immer schneller, immer höher soll die Kurve steigen. Und das auf der Grundlage Hoffnung. Und die kann trügerisch sein. Das System ist geradezu pervers. Hier gilt es anzusetzen: Früher wurde die Substanz stärker bewertet. Jahre vor der Einführung des Eigenkapitalregelwerks Basel I im Jahr 1988 hatten Banken üblicherweise noch Eigenkapitalquoten von mehr als 20 Prozent. Da sie aber zunehmend an Eigenkapital verloren, wurde Basel I installiert. Ein schillerndes Beispiel für den Schwund von Eigenkapitalkraft war der Zusammenbruch der Kölner Herstatt-Bank, die 1974 pleiteging, weil sie sich mit Devisen verspekuliert hatte.

2007 passte Basel II das Regelwerk stärker den tatsächlichen Risiken an. Jetzt soll Basel III das Finanzsystem insgesamt stabiler machen. Wenn Wirtschaftswissenschaftler wie die Professoren Anat Admati und Martin Hellwig heute eine Eigenkapitalquote von 25 bis 30 Prozent fordern, ist das unter den gegebenen Umständen schlicht unmöglich. Längerfristig jedoch sollten 20 Prozent möglich sein, glaubt auch Ewald Nowotny, Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB).

Nach Basel I gab es also Basel II. Mit Basel II verkehrten sich einige Regeln und wirkten statt risikodämpfend in die Gegenrichtung. Um mehr Eigenkapital zu sammeln, haben Banken intransparente und risikobehaftete Geschäfte in Zweckgesellschaften, die sogenannten Special Purpose Vehicles (SPV), ausgelagert und sie somit aus der Bilanz verschwinden lassen. Das machten die Finanzinstitute auch, um die neuen Eigenkapitalregeln einzuhalten.

Diese...

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