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E-Book

Strafen, prügeln, missbrauchen

Gewalt in der Pädagogik

AutorBenno Hafeneger
VerlagBrandes & Apsel Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl148 Seiten
ISBN9783860999325
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Sexuelle, psychische und körperliche Gewalt, die von Erwachsenen in pädagogischen Einrichtungen ausgeht, war in Deutschland ein Tabuthema. Erst mit der Berichterstattung über die Skandale in katholischen Internaten, in Reformschulen, in Jugendchören, bei Freizeiten und erneut über die Heimerziehung gerät auch die professionelle Pädagogik in den Fokus der Öffentlichkeit. Der Marburger Jugendforscher Benno Hafeneger plädiert dafür, sich systematisch mit Gewalt als tradiertem Erziehungsmittel auseinanderzusetzen. Seine differenzierte Studie entlarvt die kultur- und erziehungshistorischen Ideologien einer Pädagogik, die züchtigt, straft und sexuell misshandelt. Vor diesem Hintergrund lassen sich vielfältige Einsichten und Erkenntnisse für die aktuelle Gewalt- und 'Missbrauchs'-Debatte gewinnen. Das Buch regt dazu an, auch aus dieser Perspektive über Konsequenzen nachzudenken und Forderungen für strukturelle Veränderungen zu profilieren.

Der Autor: Benno Hafeneger, geb. 1948, Professor für Erziehungswissenschaft im Bereich 'Jugend- und Erwachsenenbildung' an der Philipps-Universität Marburg; Forschungsschwerpunkte: Jugendarbeit/-bildung, Jugendkulturen, Jugend - Gewalt - Rechtsextremismus. Zahlreiche Publikationen. Bei Brandes & Apsel: Zivilgesellschaftliche Strategien gegen die extreme Rechte in Hessen.

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Leseprobe
Die vielen Berichte in den Jahren 2009 und 2010 über die strafende, prügelnde und missbrauchende Pädagogik in Schulen, Internaten und kirchlichen Erziehungseinrichtungen, vereinzelt auch in der Kinder- und Jugendarbeit, Vereinen und Knabenchören, zeigen Gewalt- und Machtverhältnisse in pädagogischen Einrichtungen in den letzten Jahrzehnten. Welche "Reste" davon es heute noch gibt und welche neuen, anderen Formen subtiler Gewalt, der Demütigung und Missachtung sich entwickelt haben und nach wie vor zum pädagogischen Verhalten gehören, das werden die weitere Aufklärung, die öffentliche Diskussion und empirische Forschung zeigen.
Vor allem das 2010 bekannt gewordene Ausmaß von Gewaltanwendung in der Heimerziehung in den 1950er und 60er Jahren sowie von sexueller Gewalt war erschreckend. Die Berichterstattung über die Skandalserie von sexueller Gewalt war aufgeregt und folgte der medialen Logik, in der politische, pädagogische, moralische und rechtliche Argumentationen eine Rolle spielten. Gleichzeitig wurde die Öffentlichkeit durch die Missbrauchsdebatte sensibilisiert, und die Aufmerksamkeit für das Thema hat zugenommen; Teile der seriösen Presse haben wiederholt über den "Stand" der Entwicklungen berichtet.
Über Gewalt, die von Jugendlichen ausgeht, ist wiederholt diskutiert worden, und sie gehört zu den politischen und gesellschaftlichen Dauerthemen. Politik, Gesellschaft und Wissenschaft beschäftigen sich - seit es Jugend gibt - mit den zeitgenössischen Gewaltphänomenen der jungen Generation. Sie ist mit Abstand die am besten überwachte Gruppe der Gesellschaft. Auch die häusliche Gewalt gegen Kinder (und Frauen) ist seit einiger Zeit in der Diskussion und hat zu zahlreichen rechtlichen und pädagogischen Maßnahmen geführt. Demgegenüber ist die sexuelle, psychische und körperliche Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, die von der Gesellschaft und auch der institutionellen Pädagogik ausgeht, bisher kaum ein Thema gewesen. Erst durch die aktuellen Enthüllungen und Skandale hat sich der Blick auch auf die Pädagogik gerichtet, und es ist transparent geworden, wie mit Kindern und Jugendlichen umgegangen wurde. Im öffentlichen Bewusstsein und auch in pädagogischen Einrichtungen war Gewalt bis in die 1960er Jahre ein Mittel der Erziehung.
Die Auseinandersetzung mit der Pädagogik ist Gegenstand der vorliegenden Publikation. Der Untersuchung liegen historische und aktuelle Veröffentlichungen sowie Materialien zugrunde, und der Schwerpunkt liegt auf professionalisierten pädagogischen Einrichtungen. Dazu zählen Heime, Schulen, Internate, kirchliche Einrichtungen, dann auch Sport-, Musik- und andere Freizeitaktivitäten, die mit Professionen wie Lehrer, Erzieher, Priester, Diakon oder auch ehrenamtlichen Übungsleitern und Betreuern verbunden sind.
Die Studie ist als Versuch zu verstehen, einen eher knappen und im Umfang beschränkten Überblick zu geben; der kundige Leser wird merken, wo ich mich beschränkt habe und wo Auslassungen vorgenommen wurden, wo Differenzierungen fehlen und Lücken sind. Die Konzeption des Buches kann als das Ergebnis meiner Annäherungen an das Thema verstanden werden. Wenn man die Berichte und die aktuelle Diskussion über Gewalt und "Missbrauch" in schulischen und außerschulischen pädagogischen Einrichtungen verstehen will, dann lohnt ein Blick in die Geschichte der Pädagogik bzw. des pädagogischen und auch rechtlichen Umgangs mit Kindern und Jugendlichen. Sie kultur- und erziehungshistorisch einzuordnen, kann dazu anregen, auch aus dieser Perspektive über Konsequenzen nachzudenken und Forderungen zu profilieren.
Ich will zum Verständnis des Buches eine Erläuterung geben und zwei Einschränkungen anmerken: Das Material identifiziert erstens mehr generelle kulturelle Muster und Blicke auf Erziehungseinrichtungen im Umgang mit der jungen Generation. Es bezieht sich mit dem Sammelbegriff Jugend - eine "Erfindung" in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (vgl. Roth 1983) - hier vor allem auf die männliche Kindheit und Jugend; wenn auch die weiblichen Kinder und Jugendlichen einbezogen sind, dann wird dies ausdrücklich erwähnt. Die Publikation bezieht sich vor allem auf die Wilhelminische Zeit, die Weimarer Republik und dann die Geschichte der Bundesrepublik. Nicht einbezogen wird zweitens die NS-Zeit; hier sei auf die umfänglich vorliegenden Studien zur NS-Erziehung und die Dimension einer formativen, strukturell gewaltförmigen ideologischen und körperlichen Erziehung (Ertüchtigung) hingewiesen. Auch die DDR-Erziehung wird nicht thematisiert, sie wäre empirisch noch genauer zu untersuchen. Drittens wird schließlich nicht auf die Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie und des Jugendstrafvollzugs, auf den Zusammenhang von Freiheitsstrafe und Gefängniserziehung - die mit repressiven und strafenden, kontrollierenden und helfend-erzieherischen Momenten versehen sind - eingegangen.
Zu danken ist Thorsten Gräbe für die vielen Hinweise und Angelika Hufnagl für die Schreibarbeiten; ohne ihre Mitarbeit hätte das Buch nicht im Frühjahr erscheinen können.
Benno Hafeneger, Februar 2011
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