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Strategieprozesse an Universitäten

Eine explorativ-deskriptive Untersuchung von Prozessdimensionen auf Basis zweier Fallstudien

AutorAnike von Gagern
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl194 Seiten
ISBN9783170294554
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis48,99 EUR
Universitäten agieren auf zunehmend weltweiten Bildungsmärkten. Mit Strategien erarbeiten Universitäten Ansätze, um in wettbewerbsintensiveren Märkten erfolgreich zu sein. Nicht die Inhalte solcher Strategien, sondern die Prozesse, mit denen Strategien erarbeitet werden, stehen im Fokus der Arbeit. Anhand von zwei Fallstudien (Universität Graz und University of Michigan) werden auf Basis des 'Grounded theory'-Ansatzes typische Muster in Strategieprozessen an Universitäten herausgearbeitet. Als Muster der beiden untersuchten Strategieprozesse ergeben sich die Dimensionen Steuerung, Partizipation und Engagement, punktuell auch formale und informelle Kommunikation. Diese Dimensionen werden ausführlich analysiert und beschrieben. Darauf aufbauend werden Idealtypen von Strategieprozessen ('partizipativ-operativ' und 'konsultativ') entwickelt, die Zuspitzungen der Beobachtungen in Graz und Michigan darstellen. Dieses Buch erhalten Sie als BonD-Ausgabe. Dabei handelt es sich um einen Nachdruck des vergriffenen Originaltitels - hergestellt auf Bestellung, mit einem hochwertigen Digitaldruckverfahren.

Dr. Anike von Gagern ist Diplom-Ökonomin und als Beraterin bei einer strategischen Unternehmensberatung tätig.

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Leseprobe

2 Forschungslücke und Eingrenzung der Arbeit


In dem folgenden Abschnitt werden die theoretischen Grundlagen der Arbeit erläutert. Zunächst werden bestehende organisationstheoretische Konzepte von Hochschulen daraufhin untersucht, welche Ansätze sich für die Untersuchung von Strategieprozessen aus ihnen ziehen lassen. Basierend auf diesen Erkenntnissen sowie auf den Ergebnissen einer Literaturanalyse, die reflektiert, inwiefern das Thema der Strategieentwicklung an Universitäten praxisnah in nationalen und internationalen Zeitschriften aufbereitet ist, wird die bestehende Forschungslücke beschrieben. Anschließend wird spezifiziert, auf welche Art die Forschungslücke durch vorliegende Arbeit fokussiert wird und welche Eingrenzungen getroffen werden.

Dazu werden zum einen die Art der Strategieprozesse (Zielgruppe der Hochschulen, Verständnis von Strategie und Strategieprozess) definiert, die im Zentrum der Arbeit stehen, zum anderen die relevanten Variablen innerhalb dieser spezifischen Strategieprozesse (betrachtete Phasen, Zielgruppen und Dimensionen). Vor diesem Hintergrund werden die Forschungsfragen präzisiert.

2.1 Darstellung der Forschungslücke


Dass das Thema der Strategieentwicklung in Universitäten und insbesondere die genannten zwei Fragenkomplexe eine hohe theoretische wie praktische Relevanz haben, zeigt sich in zwei Bereichen. Zum einen wird durch die Analyse von bestehenden organisationstheoretischen Konzepten, die zumindest teilweise mit Blick auf Universitäten entwickelt worden sind, deutlich, dass diese nur unzureichende Ansätze für das Thema Strategieentwicklung bieten. Zum anderen wird durch eine Literaturanalyse von relevanten deutschsprachigen wie auch internationalen Hochschulzeitschriften deutlich, dass das Thema Strategieentwicklung auch im Hinblick auf die Analyse inhaltlicher, insbesondere aber prozessualer Besonderheiten unterrepräsentiert ist.

2.1.1 Organisationstheoretische Blickwinkel auf Universitäten und ihre Bedeutung für das Forschungsvorhaben


In der Verwaltung von Universitäten finden ausgewählte Instrumente der betriebswirtschaftlichen Praxis, z. B. Controllingstrukturen, Globalbudgetierung oder auch Organisations- und Personalentwicklungsmaßnahmen, durchaus Anwendung in der Literatur wird dies unter dem Stichwort „New Public Management“ ausführlich diskutiert30. Gleichzeitig wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass die Gleichsetzung von Universitäten und Unternehmen nicht möglich ist. In der Tat: „Die notwendige Freiheit zur eigenständigen Bestimmung der Inhalte von Forschung und Lehre verträgt sich nur schwer mit der marktorientierten Entwicklung und Vertreibung [sic!] von Produkten“31. Daher wurden für Universitäten32 eine Vielzahl spezifischer Organisationskonzepte entwickelt, die diese von anderen Organisationen (wie z. B. Unternehmen) unterscheiden33. Ihre spezifische Relevanz für das Thema der vorliegenden Arbeit, den Strategieprozess einer Universität, zu untersuchen, ist Thema der folgenden Ausführungen.

Grundsätzlich lassen sich, basierend auf der vorgenommenen Literaturanalyse, zwei Typen von Organisationskonzepten, unter die Universitäten subsumiert werden, unterscheiden. Zum einen handelt es sich um zwei Organisationskonzepte, in denen Universitäten als spezifische Organisationen des tertiären Sektors im Mittelpunkt stehen: die Universität als Nonprofit-Organisation (NPO) und als Professional Service Firm (PSF). Durch die Konzepte wird die Erstellung von Dienstleistungen als Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit fokussiert. Zum zweiten handelt es sich um Organisationskonzepte, die auf spezifische Charakteristika von Prozessen innerhalb der Organisation eingehen, unabhängig von einer sektoralen Zugehörigkeit. Dabei überwiegen in der Rezeption die Referenzen auf Universitäten als organisierten Anarchien, lose gekoppelten Systemen und Profibürokratien34. Beide Organisationskonzepte werden im Folgenden detailliert und ihre Bedeutung für das Forschungsvorhaben diskutiert.

2.1.1.1 Universitäten als Organisationen des tertiären Sektors

Universitäten werden als NPO wie auch als PSF beschrieben, die beide dem tertiären Sektor zugeordnet werden35. Die Gründe für diese Zuordnung liegen in der Zielstellung, nicht gewinn-, sondern gemeinwohlorientiert zu arbeiten36, bzw. an den vergleichbaren kollegialen Entscheidungsstrukturen37. Beide Modelle werden trotz interessanter Parallelen im Rahmen der vorliegenden Forschungsarbeit nicht weiter vertieft, was im Folgenden erläutert wird.

2.1.1.1.1 Universitäten als NPOs

NPOs werden sowohl von profitorientierten Unternehmen wie auch von rein staatlich-gemeinwohlorientierten Aktivitäten unterschieden. Schwerpunkt der Aktivitäten sind Dienstleistungen, beispielsweise im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswesen. In Bezug auf den Finanzierungszusammenhang sind die Herausforderungen, vor denen Universitäten und NPOs grundsätzlich stehen, durchaus vergleichbar. Exemplarisch seien der Rückzug der öffentlichen Hand aus der Finanzierung38 und die damit zunehmende Bedeutung des Marketings bei relevanten Zielgruppen39 genannt.

Für die Untersuchung von Strategieprozessen, die im Fokus der vorliegenden Arbeit stehen, sind diese Aspekte allerdings von untergeordneter Relevanz. Demgegenüber lassen sich Charakteristika benennen, die bei NPOs, nicht jedoch bei Universitäten, eine erhebliche Rolle spielen und u. a. auf Strategieprozesse einwirken. Beispiele dafür sind zum einen Personal-, zum anderen Strukturen der inhaltlichen Arbeit. So ist ein wichtiger Aspekt von NPOs das Vorhandensein von ehrenamtlichen Mitarbeitern neben den bezahlten Kräften40. Das Management dieser ehrenamtlichen Mitarbeiter unterliegt spezifischen Restriktionen. Sie stehen außerhalb der Hierarchie der Organisation; zusätzlich kommt erschwerend hinzu, dass das Management keine herkömmlichen Beeinflussungsmöglichkeiten hat, u. a. wegen des Nichtvorhandenseins monetärer Incentivierungsmöglichkeiten. Gleichzeitig ist das zeitliche Engagement des einzelnen ehrenamtlichen Mitarbeiters limitiert (z. B. auf wenige Stunden pro Woche) und von großer Eigenmotivation (aufgrund des mit der Arbeit in der NPO verbundenen Reputationsgewinns41) getragen. Im Gegensatz dazu spielt das Ehrenamt in Universitäten eine unerhebliche Rolle (zu den durchaus vorhandenen Spezifika der Organisationsmitglieder einer Universität vgl. Kap. 2.2.2.2).

Zum anderen sind NPOs grundsätzlich projektorientierte42 und damit flexible und in kurzen Zyklen funktionierende Organisationen. Projekte bieten die Möglichkeit, in immer neuen Konstellationen zusammenzuarbeiten und das jeweils spezifisch erforderliche Fachwissen heranzuziehen, ohne feste Strukturen zu schaffen43. Im Gegensatz dazu sind Universitäten Organisationen, deren Strukturen durch Konservativismus und Langlebigkeit gekennzeichnet sind (z. B. im Vergleich zu Unternehmen und zu Freiwilligenorganisationen lange Verweildauern der Führungskräfte wie z. B. von Institutsleitungen, Dekanen oder Rektoren, über Jahre stabile Zusammensetzung der Kollegialorgane wie z. B. des Senats etc.).

Aufgrund dieser erheblichen Abweichungen wird das NPO-Modell nicht als Referenzrahmen für vorliegende Forschungsarbeit herangezogen. Nichtsdestotrotz kann das NPO-Modell durchaus interessante Ansatzpunkte für weitere Forschungsarbeit bieten (vgl. Kap. 5.2).

2.1.1.1.2 Universitäten als PSFs

PSFs sind Unternehmen des tertiären Sektors. Ihre Produkte, nämlich Dienstleistungen, unterscheiden sich von Industriegütern durch zwei Merkmale: Immaterialität des Produzierten und Integration des Kunden in den Prozess der Leistungserstellung44. Die Differenz zwischen PSF und anderen Unternehmen des tertiären Sektors liegt in der Spezifizität der Dienstleistungen: Es handelt sich um die Beantwortung unstrukturierter, komplexer und vertraulicher Fragestellungen45, die ein hohes Maß an Wissen und Beziehungskompetenz auf der Seite der Dienstleister sowie ein hohes Maß an Ressourceneinsatz und Vertrauen (wegen der nicht sofort messbaren Produktqualität) auf Seiten des Dienstleistungsempfängers erfordern. Beispiele für solche Formen von Dienstleistungen lassen sich bei Kanzleien, Unternehmensberatungen oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften finden.

Die von einigen Autoren46 erfolgende Zuordnung von Universitäten zu PSFs basiert weniger auf genannten Merkmalen, sondern hauptsächlich auf der Ähnlichkeit der Führung von Professoren bzw. Partnern einer PSF („Kultur der Partnerschaft“47). Partner operieren aufgrund ihres hochspezifischen Expertenwissens48 in großer Unabhängigkeit voneinander („independent nature of the 'prima donnas'“49). Die Rolle der Führung beschränkt sich daher auf das Setzen von Rahmenbedingungen50 und das Fruchtbarmachen von Ideen über unterschiedliche Bereiche der PSF hinweg51. Entsprechend dezentral ist Strategieentwicklung angelegt: „In a world of autonomous partners, each with his or her own differing kind of practice, 'bottom-up' strategy development is the only way to go.“52

Eine ähnliche Unabhängigkeit und Unverbundenheit lässt sich auch bei Professoren unterschiedlicher Disziplinen an Universitäten beobachten, weswegen die Art der Organisation eines Strategieprozesses in Universitäten und PSFs durchaus vergleichbar sein wird. Die Gründe dafür sind jedoch unterschiedlich, genauso wie die den Systemen unterliegende Anreizstruktur.

Partner sind üblicherweise Anteilseigner der PSF und daher...

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