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Südostasien im Umbruch

Eine Reise durch die Vergangenheit und Gegenwart einer Weltregion

AutorGerhard Berka
VerlagMorawa Lesezirkel
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl Seiten
ISBN9783990702543
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Reiseprospekte verkünden ein idyllisches Bild Südostasiens, ein idealer Ort für einen Traumurlaub. Die Realität gestaltet sich aber anders. Auch diese Region wird mit Krieg, Terror, Krise und Umweltzerstörung konfrontiert. Dieses Buch will hinter die Kulissen blicken und über die Geschichte, Probleme und Entwicklungen Südostasiens berichten.

Lebt und arbeitet in Mödling. Nach dem Studium an der Universität Wien war er langjährig als internationaler Projektmanager tätig. Danach folgten Aufenthalte in Südostasien und Australien.

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Leseprobe

Erstes Kapitel


Der Beginn einer Reise - Hongkong


Dunkel und schwer hängen die Regenwolken über der Skyline von Hongkong. In der Ferne kann man undeutlich und grau regenverhangen die Hügel von Kowloon erkennen, die wie eine Barriere zu dem fernen oder doch nicht so fernen China wirken. Es ist November und ich stehe in einer lange Schlange am Taxistand des Hongkong International Airports. Gelegenheit genug mich zu fragen, was ich um Gottes Willen hier denn tue. Immerhin kann man Hongkong beim besten Willen nicht als Teil Südostasiens zählen. Das Schicksal in Form der Tarifgestaltung der Fluggesellschaften brachte mich hierher an diesen Taxistand. Der Flugpreis überzeugte, Hongkong klang exotisch genug und die Reise kann man in Hongkong so gut wie an jedem anderen Ort beginnen.

Aber nicht nur am Himmel, auch in den Straßen braut sich Ungemach zusammen. Es ist die stürmische Zeit der Umbrella-Revolution (Umbrella = Regenschirm, der gelbe Regenschirm als Symbol passend zum trüben Wetter), eine Bürger-Protestbewegung gegen Eingriffe der chinesischen Regierung in die Selbstverwaltung der Stadt, die seit September die Innenpolitik Hingkongs gefangen nimmt. Vor der Tür des kleinen, bescheidenen Hotels am Fuße des Peaks, des Hügels auf der Insel Hongkong, betreiben die Demonstranten ein Protest-Camp. Dieser Stadtteil wird nach der britischen Tradition Admiralty genannt, wobei nach einem Blick in den Stadtplan auffällt, dass man die britischen Bezeichnungen für die verschiedenen Vierteln der Hauptinsel weitgehend beibehalten hatte.

Es ist einfach, mit den Studenten im Camp ins Gespräch zu kommen. Bereitwillig erzählen mir die Studenten in einem ausgezeichneten Englisch den Beginn dieser Protestbewegung. Die Ursache findet sich in der komplexen Wahlstruktur der Sonderverwaltungszone. Das Stadtoberhaut, Chief Executive genannt, wird gewöhnlich von einem Wahlkomitee von 1200 sorgfältig ausgesuchten Mitgliedern gewählt. Das soll sich 2017 ändern, aber quasi als Vorbereitung dazu erließ die Regierung in Peijing eine „Reform“, durch die nur vom Komitee abgesegnete Kandidaten antreten dürfen. Das betrachten die Bürger-rechtler und Intellektuellen Hongkongs als Einmischung Pekings und Bruch der Selbstverwaltung und marschieren seitdem in den Straßen auf.

Abseits vom Protestcamp versammeln sich gelangweilt Polizisten, mehr an ihren Smartphones interessiert als an den Demonstranten. Das macht Konfrontationen schwierig, ein englischer Professor für Anthropologie der Hongkong-University berichtete im Hongkong-TV, wie sehr er sich bemühte, verhaftet zu werden. Es gelang ihm einfach nicht. Selbst nach Provokationen weigerten sich die Polizisten, ihn zu verhaften. Dieser Professor ist keine Einzelerscheinung in der Umbrella-Bewegung, in den Protestcamps (wie ich erfahre, gibt es auch in Mong Kok in Kwoolong eines) sammeln sich jeden Abend Studenten und Intellektuelle und veranstalten Diskussionsrunden und andere Events. Eine Beziehung zu den weniger privilegierten Schichten Hongkongs scheint kaum zu bestehen. Es fällt auf, dass außer Studenten und akademischen Lehrern sich kaum andere Personen im Camp aufhalten. Das wirkt umso erstaunlicher, da in Hongkong deutliche Einkommensunterschiede herrschen und die Stadt mit hohen Wohnkosten und Inflation zu kämpfen hat. Nicht zu vergessen die Kriminalität, die als Problem wahrgenommen, aber nicht angesprochen wird. Bedingt durch den fehlenden Raum konzentriert sich die Wohnbevölkerung in dreißig- bis vierzigstöckige Wohntürme, die mehrfach durch Alarmanlagen gesichert sind. Selbst die Wohnungstüren weisen mehrere Schlösser und Gitter auf. Der Wohnungseinbruch ist ein beliebtes Thema in den Fernsehsendungen und Videoclips.

Schließlich nutzt die Regierung in Peijing die die schwache (oder fehlende) Verankerung der Umbrella-Bewegung in der Bevölkerung und das Abflauen des Interesses der internationalen Medien und läßt eine Woche nach meinem Abflug die Camps dann doch gewaltsam von der Polizei räumen. Es gelang den Aktivisten nicht, ihr Anliegen so in der Bevölkerung zu verankern, das eine Volksbewegung entstehen konnte. Aber wie auch, selbst die Briten vermieden es, die Bevölkerung in einen demokratischen Prozess einzubeziehen. Nur rund ein Prozent der Hongkonger (eine ausgewählte Elite) konnten sich in den Stadtratswahlen unter britischer Herrschaft beteiligen, wodurch sich aus der Sicht des gewöhnlichen Hongkongers ändert sich nichts. Ob die geeigneten Wahlkandidaten der unergründlichen Weisheit der britischen Kolonialbeamten oder der chinesischen Regierungsbeamten in Peijing entspringen, erscheint ihm gleich. Dies fällt dem Durchschnitts-Hongkonger umso leichter, da ihm die Chance der Emigration weitgehend verschlossen bleibt, während die Oberschicht sich weitgehend mit fremden Reisepässen versorgte (Größte Beliebtheit erfreute sich der Reisepass des Königreichs Tonga mit der amtlichen Eintragung: „Gültig für alle Staaten, ausgenommen dem Königreich Tonga“). Erst der letzte britische Governor Christopher Patten führte ab 1992 umfangreiche demokratische Reformen durch, aber da war es für eine Formung einer demokratischen Kultur in Hongkong zu spät. So findet die Umbrella-Bewegung ein eher unauffälliges Ende ohne besondere Proteste aus der Bevölkerung.

Eines ist aber unbestritten, Chinesen verstehen sich auf Inszenierung. Das Protestlager wirkt kriegerisch mit Barrikaden und flatternden Fahnen (Chinesen lieben Banner), aber gleichzeitig werden die Gehsteige sorgfältig freigehalten, um die Geschäfte der vielen kleinen Shops und Restaurants nicht zu stören. Auch das Camp selbst wurde so gewählt, dass der Verkehr im Zentrum der Metropole möglichst wenig gestört wird. Keine leichte Aufgabe, denn zwischen dem Peak und dem Hafen verlaufen höchstens vier bis fünf Straßenzüge.

Vieles an Hongkong wirkt wie eine Inszenierung. Vielleicht kann man die „Sonderverwaltungszone der Volksrepublik China“ (wie Hongkong offiziell heißt) als eine einzige große Inszenierung sehen. Als die Briten (konkret eine Gruppe von Opium-Händlern) 1843 die Kronkolonie gründeten, meinten sie es jedenfalls todernst. Sie blickten nach Norden auf das altehrwürdige chinesische Reich und benötigten einen Stützpunkt, um diesen riesigen Markt zu erschließen. Denn die Aufhebung der strikten Zugangskontrolle der chinesischen Zentralregierung zum Inlandsmarkt betrachteten die Briten als zivilisatorischen Auftrag, die Chinesen sollen in die internationale Gemeinschaft von freien Produzenten und Konsumenten eingebunden werden (Globalisierung ist keine Erfindung des zwanzigsten Jahrhunderts). Die Herrschaft über die Insel Hongkong befreite sie von der Kontrolle der chinesischen Zentralgewalt und brachte über die Konstruktion sogenannter Vertragshäfen britisches Recht bis tief ins chinesische Festland hinein (Kurioserweise besaß der Governor von Hongkong keine Zuständigkeit für die chinesischen Vertragshäfen. Dies behielt sich London vor.)

Jetzt nutzen die Chinesen diese Stadt, um weit nach Süden zu blicken. Ihr Trachten ist auf die Erschließung des südostasiatischen Marktes und, wenn es geht, nach Europa gerichtet. Einen ähnlichen Gedanken pflege auch ich, nämlich Hongkong als Tor zu Südostasien zu nutzen. Zunächst gilt es aber, in die nicht so lange Geschichte Hongkongs einzudringen. Als die britischen Truppen die Insel Hongkong besetzten, lebten auf dieser Insel (einer der vielen vor der Küste) nur rund 7500 bescheiden dahin lebende Menschen in zwanzig Dörfern. Diese Insel erschien so bedeutungslos, dass die Briten kurzzeitig sogar die Rückgabe an China erwogen. Letzten Endes bauten sie Hongkong zu einem bedeutenden Handelszentrum für den asiatischen Raumaus. Handel war die Ursache der Gründung der Stadt, Handel bildet bis heute die Existenzgrundlage. So erscheint es gerechtfertigt, Hongkong über den Handel zu erkunden und der beste Weg dazu scheinen die vielen Einkaufsmalls zu sein..

Nicht weit von meinem kleinen Hotel, nur ein paar Blocks entfernt, befindet sich eine luxuriöse Einkaufsmall, “The Landmark” genannt. Diese Mall richtet sich an Einkaufsschichten, deren Budget weit oberhalb meiner finanzieller Möglichkeiten angesiedelt ist. Vor 150 Jahren stand an dieser Stelle ein nicht besonders beeindruckendes Bürogebäude, der Hauptsitz des ehrwürdigen Handelshauses Dent und Co, welches mit dem China-Handel groß wurde (Tee, Seide, Indigo und vor allem Opium) und zu den drei wichtigsten Handelshäusern (hong) in Hongkong zählte. Der Gründer Thomas Dent zählte zu den wenigen europäischen Händler, die mit China Handel betrieben. China reglementierte seinen Außenhandel strickt und beobachtete die ausländischen Händler mit größtem Mißtrauen. Die Europäer durften nur über Kanton (dem heutigen Guanzhou) als Hafen ihre Geschäfte abwickeln und das nur mit einer ausgewählten Gilde chinesischer Kaufleute („Hongs“). Es war den Europäern untersagt, in Kanton u leben und mussten regelmäßig nach Macao auspendeln.

Dent löste 1839...

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