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Suizid im Jugendalter

AutorStefanie Gast
VerlagDiplomica Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl171 Seiten
ISBN9783836615020
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis43,00 EUR
Täglich sterben drei Jugendliche in Deutschland durch Suizid, mehr als zehn Jugendliche begehen einen Suizidversuch. Damit stellen Suizide, neben Unfällen, die häufigste Todesursache bei Jugendlichen dar. Eine erschreckende Zahl und Grund genug, sich mit diesem Thema zu befassen.

Suizide und Suizidversuche sind Verhaltensweisen, die den verzweifelten Versuch einer Konfliktbewältigung darstellen. Durch die suizidale Handlung beendet der Jugendliche eine für ihn unerträgliche Situation. Suizid und Suizidversuch werden daher als misslungene Bewältigung von Belastungen angesehen. Sie sind das Ergebnis einer Eskalation am Ende einer langandauernden Problemgeschichte. Daraus folgt, dass ein Suizid nie aus heiterem Himmel geschieht. Er hat immer eine Vorgeschichte. Die Ursachen und auslösenden Momente für den Suizid und Suizidversuch sind sehr vielfältig und in einigen Fällen nur schwer transparent zu machen.

"Warum?" ist die erste Frage, die wir uns stellen, wenn ein junger Mensch sich das Leben genommen hat oder einen Suizidversuch beging.

In diesem Buch möchte ich dieser Frage nachgehen und möchte mögliche Antworten auf das "Warum" geben, denn die Beantwortung dieser Frage liefert den Schlüssel zur Therapie der Suizidanten. Das Buch erklärt den Suizid, indem es Ursachen und Hintergründe aufdeckt. Ferner macht dieses Buch auf Anzeichen aufmerksam, die ein erhöhtes Suizidrisiko bedeuten. Wenn wir die Anzeichen wahrnehmen und richtig deuten, können wir die Anzahl der jungen Menschen, die sich das Leben nehmen, reduzieren. Denn die wenigsten Jugendlichen wollen wirklich sterben, sie wollen nur nicht mehr weiterleben wie zuvor. Und wir können ihnen helfen.

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Leseprobe
Kapitel 4, Soziodemographische Risikofaktoren:

Die soziale Bevölkerungswissenschaft lässt uns erkennen, dass die nachfolgenden Faktoren, wie Religionszugehörigkeit, klimatische Einflüsse und Verstädterung, Einfluss der Jahreszeiten, Arbeitslosigkeit, Schichtzugehörigkeit, bedrohliche Lebensumstände, Heredität sowie neuropsychische Persönlichkeitsfaktoren wesentliche Bestandteile der Suizidrate darstellen können. Sie sind auch für die Beantwortung meiner eingangs gestellten Frage nach dem „Warum“ suizidalen Verhaltens Jugendlicher von Bedeutung.

Religionszugehörigkeit:

Die Ergebnisse der WHO – Multicentre – Studie zu suizidalem Verhalten, die Wunderlich in ihrem Buch leider nur erwähnt, ohne sie zu definieren und zu konkretisieren, machen deutlich, dass Religion offensichtlich keine allgemeine Schutzfunktion mehr hat, sondern diese eher nur für bestimmte Altersgruppen zutrifft. Ich habe mich bemüht, Wunderlichs Aussagen evident zu untermauern, indem ich versucht habe, Informationen über die genannte Studie zu bekommen, was mir aber nicht gelungen ist.

Es kommt offensichtlich auch weniger auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion und den damit verbundenen Normen an, als vielmehr auf die Geborgenheit bzw. Verbundenheit, die der Einzelne in einer bestimmten Gemeinschaft verspürt.

In der aktuellen Shell Studie wird berichtet, dass die Religionsferne der ostdeutschen Jugend aber auch die religiöse Einstellung vieler westdeutscher Jugendlicher dazu führe, dass das Wertesystem der Jugend immer schwächer werde. Die Jugendlichen trauen den Kirchen in wichtigen Lebensfragen nicht die nötige Kompetenz zu. Die aktuelle Studie zeigt aber auch, dass das Wertesystem der Jugendlichen über die Zeit stabil und positiv eingeschätzt wird. Besonders der Fall der religionsfernen Jugendlichen macht deutlich, dass solche der Kirche am fernsten stehenden jungen Menschen über ein Wertesystem verfügen, dass sich kaum von dem der anderen Jugendlichen unterscheidet. Ein Werteverlust kann dementsprechend nicht bestätigt werden. Eine Untersuchung zeigt, dass in dieser religionsfernen Gruppe die Familie und der Freundeskreis die stützende Funktion von Religion und Kirche übernommen haben. Ein Zusammenhang zwischen der Religionszugehörigkeit und der Suizidalität Jugendlicher kann also in der heutigen Zeit nicht vermutet werden.

Klimatische Einflüsse und Verstädterung:

Neben der Religionszugehörigkeit wird nun der Einfluss von klimatischen Verhältnissen und der Verstädterung auf suizidales Verhalten hin erforscht.

So ist z.B. nachgewiesen, dass sich in sonnenärmeren Staaten höhere Suizidraten als in den sonnenreicheren Staaten finden lassen.

Diese Feststellung lässt sich auch mit meinen Ausführungen aus Punkt 3.3 „Internationaler Vergleich“ bestätigen, denn die Durchschnittswerte der Suizidzahlen in sonnenreicheren Ländern sind niedriger als in den sonnenärmeren Ländern. Statistischen Daten, die dieser Arbeit als Anlage beigefügt sind, belegen diese Aussage nachhaltig.

Grund für diese Tatsache könnte einerseits die nachgewiesene positive Wirkung von Sonnenlicht auf die Stimmung und andererseits auch die stärkere Zunahme an Industrialisierung und einer damit verbundenen größeren Verstädterung in den nordischen Staaten sein.

Eine zusammenhängende Betrachtung von Religionszugehörigkeit, klimatischen Einflüssen und Stadt – Land Verteilung lässt es schwierig erscheinen, den Einfluss jedes einzelnen Faktors auf die Suizidziffer zu beurteilen. In der Regel lässt sich eine Proportionalität zwischen der Suizidrate und der Größe der betreffenden Städte beobachten. Vermutlich lässt sich die höhere Anzahl der Suizide in Großstädten mit Stressfaktoren wie anonymeren Lebensbedingungen und damit verbundener größerer Isolierung, erhöhter Arbeitslosigkeit und Kriminalität sowie einer erhöhten Lärm- und Umweltbelastung begründen.

Einfluss der Jahreszeit:

Entgegen landläufiger Meinung, werden im Dezember die wenigsten Suizide verübt. Die Kurve der Suizidrate beginnt im März zu steigen und hat ihren Gipfel im Juni erreicht. Anschließend ist die Suizidrate wieder fallend.

Anzumerken ist, dass ein Gipfel im Oktober / November nicht so große Ausmaße annimmt wie der im Juni. Das Frühjahr erfordert neben den Klimaveränderungen erhebliche soziale und psychologische Umstellungen. Über andere Deutungen wird noch diskutiert.

Auch erwartete Krisen oder Depressionen an Fest- oder Feiertagen scheinen nebensächlich. Vermutlich trägt die Kommunikation mit der Familie und den Freunden, sowie Bekannten ihren Teil dazu bei, wenn sie nicht sogar als ursächlich bezeichnet werden könnte.

In den Monaten Mai und Juni werden sich die Menschen angeblich ihrer Isolation besonders bewusst, daher stellen diese Monate ein erhöhtes Risiko für suizidgefährdete Menschen dar. Zudem führt der frühjährliche Stimmungsaufschwung wohl auch zu einer erhöhten Entschlusskraft, Suizid zu begehen.

Arbeitslosigkeit:

Arbeitslosigkeit gilt gemeinhin als Ursache für ein erhöhtes Suizid- bzw. Suizidversuchsrisiko. Auch birgt Arbeitslosigkeit die Gefahr der Anfälligkeit psychischer Störungen, besonders der Major Depression, die wiederum für suizidales Verhalten verantwortlich sein kann.

Eine angespannte wirtschaftliche Lage macht es für psychisch Belastete schwierig, eine Arbeit zu finden. Der Faktor Arbeitslosigkeit spielt bei dieser Personengruppe eine noch größere Rolle für die Entwicklung von Suizidtendenzen als bei psychisch Unbelasteten.

Außerdem gibt es einen Zusammenhang zwischen erhöhter Arbeitslosigkeit bei Männern und einer erhöhten Suizidrate der Ehepartnerinnen. Begründet werden kann dieser Zusammenhang mit dem negativen Einfluss der Arbeitslosigkeit des Mannes auf das gesamte Familienleben.

Des weiteren steigt das Suizidrisiko mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit.

Trotz allem sollte Arbeitslosigkeit nicht als Auslöser von suizidalem Verhalten betrachtet werden, sondern vielmehr als ein suizidbegünstigender Faktor. Und zwar deshalb, da es dadurch zu vermehrten familiären Spannungen, zu Depression und Hoffnungslosigkeit, größerer sozialer Isolierung und einer Dezimierung des Selbstvertrauens kommen kann.

Daneben scheint die Arbeitslosigkeit der Eltern für das Suizidrisiko von Jugendlichen bedeutsam zu sein. Dies bestätigte eine Untersuchung Garfinkels, die besagt, dass Väter von Kindern und Jugendlichen, die aufgrund eines Suizidversuchs in die Notaufnahme einer Kinderklinik aufgenommen wurden, deutlich häufiger arbeitslos waren als Väter von Kindern mit körperlicher Erkrankung oder psychischer Störung und ohne Suizidversuch.

Der aktuellen 15. Shell Jugendstudie ist zu entnehmen, dass die Mehrzahl der Jugendlichen ihre Zukunft als sehr unsicher betrachten. Die berufliche Entwicklung, die Chancen auf einen sicheren Arbeitsplatz und damit auf einen Platz in der Gesellschaft werden als sehr besorgniserregend empfunden. Dem begegnen sie durch hohe Anforderungen an sich selbst. Sie versuchen die Dinge zu ändern, auf die sie direkt Einfluss nehmen können. Das wichtigste stellt die eigene Ausbildung dar. Auf die anderen Dinge, die sie nicht beeinflussen können, reagieren sie mit Anpassung an die Bedingungen und mit einer ausgesprochenen Leistungsorientierung.

Die eben beschriebenen veränderten Lebens- und Umweltbedingungen stellen für die Jugendlichen Beeinträchtigungen dar, die ihre Lebensqualität und Leistungsfähigkeit erheblich negativ beeinflussen, was sich in körperlichen, psychischen und sozialen Befindlichkeitsstörungen äußert.
Inhaltsverzeichnis
Danksagung3
Inhaltsverzeichnis5
1. Einleitung9
1.1 Überblick11
1.2 Begriffsbestimmungen13
1.3 Allgemeine Erläuterungen zum Thema „Suizid im Jugendalter“16
1.4 Lebensphase Jugend17
2. Ursachen der Suizidalität20
2.1 Neuropsychische Grundlagen von Depressionen20
2.1.1 Menschliche Grundbedürfnisse20
2.1.1.1 Das Bindungsbedürfnis22
2.1.1.2 Das Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle27
2.1.1.3 Das Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz30
2.1.1.4 Das Bedürfnis nach Lustgewinn und Unlustvermeidung34
2.2 Depressive Störungen im Jugendalter36
2.2.1 Begriffsbestimmung der Depression37
2.2.2 Klassifikation der Depression37
2.3 Relation zwischen psychischen Erkrankungen undSuizidalität50
2.4 Neuronales Netzwerk52
2.4.1 Der Präfrontale Cortex (PFC)53
2.4.2 Der Anteriore Ciculare Cortex (ACC)56
2.4.3 Der Hippocampus58
2.4.4 Die Amygdala61
3. Epidemiologie63
3.1 Probleme bei der Erfassung statistischer Daten64
3.2 Die Häufigkeit von suizidalem Verhalten65
3.3 Internationaler Vergleich66
3.4 Geschlechtsspezifität des Suizidgeschehens68
3.4.1 Der „weibliche Suizidversuch“71
3.4.2 Der „männliche Suizid“72
3.5 Suizidmethoden74
4. Soziodemographische Risikofaktoren76
4.1 Religionszugehörigkeit76
4.2 Klimatische Einflüsse und Verstädterung77
4.3 Einfluss der Jahreszeit78
4.4 Arbeitslosigkeit78
4.5 Schichtzugehörigkeit80
4.6 Bedrohliche Lebensumstände81
4.7 Heredität81
4.8 Neuropsychische und Persönlichkeitsfaktoren82
5. Das präsuizidale Syndrom88
5.1 Einengung90
5.1.1 Situative Einengung91
5.1.2 Dynamische Einengung91
5.1.3 Wertmäßige Einengung92
5.1.4 Zwischenmenschliche Einengung94
5.2 Aggressionshemmung95
5.3 Suizidphantasien97
6. Hintergründe der Suizidalität100
6.1 Suizidtheorien100
6.1.1 Die soziologische Suizidtheorie100
6.1.2 Die psychoanalytischen und psychodynamischen Theorien102
6.2 Ungünstige Lebensbedingungen106
6.2.1 Ungünstige familiäre Bedingungen106
6.2.1.1 Familienarten, die ein Suizidrisiko begünstigen106
6.2.1.2 Beziehungsstrukturen und Familienklima113
6.2.2 Schule als Belastungsfaktor119
6.2.3 Freundschaftsbeziehungen125
7. Ansätze der empirisch–psychologischenForschung129
7.1. Kritische Lebensereignisse129
7.2 Daily Hassles133
7.3 Kognitiver Ansatz135
7.4 Imitationshypothese136
8. Auf Suizid hinweisende Botschaften139
8.1 Auffälliges Verhalten139
8.1.1 Schuleschwänzen139
8.1.2 Weglaufen140
8.1.3 Auf Trebe gehen141
8.1.4 Rückzug141
8.1.5 Veränderung der Essgewohnheiten142
8.1.6 Alkohol-, Drogen- und Medikamentenmissbrauch143
8.1.7 Verwahrlosungstendenzen144
8.1.8 Gewalttätigkeit144
8.2 Sprachliche und bildliche Ebene145
8.2.1 Verbale Äußerungen145
8.2.2 Philosophisches Interesse146
8.2.3 Schriftliche Äußerungen146
8.2.4 Zeichen bildlicher Art147
9. Schlussbetrachtungen148
10. Literatur- und Quellenverzeichnis154
Anhang165

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