Sie sind hier
E-Book

Suppenintelligenz (TELEPOLIS)

Die Rechenpower aus der Natur

AutorChristian J. Meier
VerlagHeise Verlag
Erscheinungsjahr2017
ReiheTelepolis 
Seitenanzahl246 Seiten
ISBN9783957889904
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,90 EUR
Nach Jahrzehnten des Immer-schneller, Immer-kleiner, Immer-billiger stößt der herkömmliche Computerchip an seine Grenzen. Forscher entwickeln stattdessen neue Computer, die ganz anders arbeiten als der klassische Rechner. Die neuen Konzepte basieren auf intelligenten Prozessen, die in der Natur - häufig im flüssigen Milieu - stattfinden. Diese 'Suppenintelligenz' kommt daher gerade rechtzeitig: Sie erntet die Rechenkräfte der Natur. Die Suppenintelligenz erscheint in vielen Gestalten. Unser Begriff von 'Computer' wird sich stark erweitern. Computer, die verdrahtet sind wie das Gehirn, werden atemberaubend schnell lernen, Muster erkennen und möglicherweise kreativ sein. Molekulare Rechner und Quantencomputer werden unbegreiflich komplexe Aufgaben lösen. Biocomputer werden in der Lage sein, im menschlichen Körper diffizile Diagnosen vorzunehmen, oder Ökosysteme im Gleichgewicht zu halten. Die Suppenintelligenz wird die nächste Stufe des Informationszeitalters zünden. Der Journalist und Physiker Dr. Christian J. Meier berichtet anschaulich von seinen Besuchen bei den Entwicklern der Suppenintelligenz in Deutschland, der Schweiz, Großbritannien und USA. Das Buch erklärt verständlich, warum klassische Rechner zwar sehr mächtig sind, aber dennoch an ihre Grenzen stoßen, und wie es die neuen Naturcomputer besser machen wollen.

Christian J. Meier (geb. 1968), promovierter Physiker und freier Journalist, beschäftigt sich mit den Themen Quantencomputer und Quantentechnologie seit mehreren Jahren und berichtet darüber für verschiedene Medien, unter anderem für die Neue Zürcher Zeitung, bild der wissenschaft, Berliner Zeitung, Frankfurter Rundschau, Spektrum.de und VDI nachrichten. Er hat viele der führenden Köpfe auf dem Gebiet interviewt, darunter Anton Zeilinger (Spitzname 'Mr. Beam'), Scott Aaronson, Rainer Blatt, Immanuel Bloch oder Ignacio Cirac, und verfügt daher über ein umfassendes Wissen aus erster Hand. Ein Sachbuch hat er bereits verfasst: 'Nano - wie winzige Technik unser Leben verändert' (über Chancen und Risiken der Nanotechnologien, erschienen im primus-Verlag).

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

2 Das fruchtbare Scheitern der Wahrheitsmaschine


Mit Gottesbeweisen ist das so eine Sache. Manche davon klingen zwar richtig logisch. Nicht religiöse Eiferer haben sie sich ausgedacht, sondern kühle Denker, Speerspitzen des Intellekts ihrer Zeit. Leute wie der griechische Philosoph Aristoteles, Erfinder des logischen Denkens, Thomas von Aquin, führender Kirchenlehrer des Mittelalters, oder der französische Philosoph René Descartes, einer der Vorkämpfer des rationalen Denkens schlechthin.

Gott ist trotzdem eine Glaubensfrage geblieben.

Man könnte den Kopf schütteln über die Geistesgrößen. Ähnelt der Versuch, ein übernatürliches Wesen mit wissenschaftlichen Mitteln nachzuweisen, nicht demjenigen, die verstorbene Oma mit dem Smartphone anzurufen?

Vielleicht. Aber es gab vor Jahrhunderten auch Leute, die sich mit nachgebauten Vogelflügeln von Türmen stürzten. Die Flugfähigkeit des Menschen war für sie eine Frage der Technik. Und sie behielten Recht. Die genannten Abenteurer des Geistes taten Ähnliches. Sie testeten, wie weit die Flügel des Denkens trugen, indem sie sich in waghalsige Denkexperimente warfen.

Ihre Gottesbeweise zeugen weniger von der Existenz Gottes als von der Idee, dass Erkenntnis eine Frage der Technik ist.

Technik? Das klingt nach Maschine. Wir sind doch keine Computer, oder? Das nicht, aber die Methode der großen Denker war oft Logik. Logisches Denken funktioniert in der Tat wie eine Maschine, in der man von Prämissen ausgeht, diese schrittweise verarbeitet, und aus der hinten eine neue Aussagen herauskommen, die eindeutig als »wahr« oder »falsch« etikettiert sind.

Die Frage ist nur, wie viel Realität sich durch Logik erschließen lässt. Was wahr ist oder falsch, darüber lässt sich in einer komplexen Welt oft trefflich streiten. Wobei der Austausch von Argumenten der günstige Fall ist, wie ein flüchtiger Blick in die Tageszeitung bestätigt. Kaum ein Tag vergeht, an dem Islamisten nicht versuchen, ihre Version der Wahrheit in die Köpfe zu bomben.

Im Mittelalter wollte auch der katalanische Franziskanermönch Ramon Llull die aus seiner Sicht Ungläubigen, die Muslime, von der Richtigkeit der christlichen Lehre überzeugen. Dabei griff er zu deutlich zivilisierteren Mitteln als religiöse Fundamentalisten das heute tun. Mittel, die er als zwingender erachtete als rohe Gewalt.

Llull war einer der exzentrischsten Gelehrten des Mittelalters, für die einen ein Erleuchteter, für andere ein Narr, von einem Papst als Ketzer verdammt, von einem anderen selig gesprochen.

Der Sohn eines katalanischen Ritters, um 1232 in Palma de Mallorca geboren, lebte zunächst wenig bettelmönchisch: Prinzenerzieher, Lebemann, Troubadour, verheiratet, zwei Kinder. Dann, mit 30, ein mystisches Erlebnis: Der gekreuzigte Jesus erschien Llull auf einem einsamen mallorquinischen Berg. Es folgte eine 180-Grad-Wende im Lebensstil. Der Bonvivant schaltete auf geistig und trat dem franziskanischen Orden bei.

Auf Mallorca lebte Llull an einer Schnittstelle der Religionen. Kurz vor seiner Geburt hatte Jakob I., König von Aragón, die Insel von den Mauren zurückerobert, dort bleibende Muslime wurden versklavt. Von einem dieser Sklaven lernte Llull arabisch. Die islamische Welt war damals führend in Mathematik, Philosophie und Logik. Schon um 800 importierte der arabische Gelehrte al-Chwarizmi die Null vom indischen in das arabische Zahlensystem und damit auch das Rechnen im Dezimalsystem, das wir heute noch nutzen. Der Universalgelehrte beschrieb systematischlogische Rechenverfahren. Die Römer nannten den Mathematiker »Algoritmi«. Davon rührt der Begriff Algorithmus, den wir heute landläufig mit Computerprogramm übersetzen. Die Bedeutung ist allerdings breiter: Jedes eindeutige Rezept aus aufeinanderfolgenden, klar definierten Schritten ist ein Algorithmus, zum Beispiel eine Wegbeschreibung: da vorne links, dann an der Ampel rechts, an McDonalds vorbei …

Ramon Lull sog das orientalische Wissen auf. Sein erstes Buch (es folgten ca. 260 weitere) handelte von der Logik des persischen Gelehrten Abu Hamid al-Ghazali.

Aber warum taucht ein Mystiker so tief in die Methodik vernunftgeleiteten Schlussfolgerns ein? Hat er nicht Gott, sozusagen auf direktem Weg, in einer Vision gesehen? Llull betrachtete die menschliche Denkfähigkeit als Hilfsmittel der Theologie. Er glaubte, durch folgerichtiges Denken lasse sich die Richtigkeit der christlichen Lehre beweisen.

Die Idee der friedlichen Missionierung der islamischen Völker lag nahe. Wörter statt Schwerter war sozusagen Llulls Devise. Ein Verfahren, das er auf Reisen nach Nordafrika an den dort lebenden Muslimen testete.

Um sich beim Kombinieren theologischer Begriffe mühsame Gedankenarbeit zu sparen, konstruierte Llull eine Art frühen Computer. Drei runde Scheiben, unterschiedlich groß, an einer Achse drehbar befestigt. Wie Zifferblätter zeigen sie Symbole. Die Idee dahinter: Dreht man Schritt für Schritt die Scheiben, wobei die nächst größere Scheibe erst beim Volldurchlauf der unteren um einen Schritt weitergedreht wird, erhält man alle möglichen Kombinationen der Symbole.

Llull hatte eine Art Code entwickelt, der jedem Symbol eine klare, eindeutige Bedeutung zuwies. Darunter waren etwa die Eigenschaften Gottes wie Güte, Größe oder Ewigkeit. Durch die Kombination der Räder konnten, so der nicht unbescheidene Anspruch, alle Aussagen über Gott auf mechanischem Wege produziert werden. Freilich sagt das noch nichts darüber, ob die jeweilige Aussage wahr oder falsch ist.

Die von ihm gewünschte Vereinigung von Christentum, Judentum und Islam gelang Llull zwar nicht. Doch seine Grundidee war mächtig. Er versuchte als einer der Ersten, logisches Denken durch eine Maschine zu unterstützen, die einen Algorithmus ausführt. Seit Llull kann der Mensch Wissen auch außerhalb seines Gehirns produzieren. Der Franziskaner gilt als einer der Vorväter der Informatik.

Maschinen für das schnöde Zahlenrechnen


Doch die nächsten 400 Jahre lebte die Idee vom maschinellen Denken nur in einer Art Sparversion weiter, reduziert auf das bloße Zahlenrechnen.

Dafür gab es auch vor Llull schon mechanische Vorrichtungen. Man wollte sich damit einfach den Handel mit Waren erleichtern oder das Verwalten von Gütern. Unsere Worte »rechnen« und »kalkulieren« kommen von diesen Mechanismen, unsere Sprache birgt also die maschinelle Natur des Zahlenrechnens. »Ordnen und sortieren« wurde im Mittelhochdeutschen mit »rechen« bezeichnet, was sich auf das Ordnen von Zählsteinen bezieht, die die Römer »calculi« nannten, wovon wiederum sich »kalkulieren« ableitet.

Die Mesopotamier nutzten schon vor Jahrtausenden solche Zählsteine, um Waren zu verwalten und Ähnliches. Durch ihre Form oder darauf eingravierte Symbole stellten sie Zahlen dar, ein konisches Steinchen zum Beispiel die Zahl eins. Die Römer legten Zählsteine in Kerben auf einer postkartengroßen Kupfertafel, den so genannten Abakus. Durch Verschieben der Steinchen in den Kerben zählte man die Einer, Zehner etc. und führte Additionen und Subtraktionen aus.

Es dauerte dann eine Weile für die nächsten größeren Schritte, mit denen sich der Mensch der lästigen Rechenarbeit entledigen wollte. Neuzeitliche Tätigkeiten wie Landvermessung, Steuereintreibung oder Wissenschaft, das Berechnen von Planetenbahnen etwa, trieben die Entwicklung voran. Gottfried Wilhelm Leibniz, der alles unter der Sonne erforschte, hoffte dabei auf maschinelle Hilfe: »Es ist ausgezeichneter Menschen unwürdig, gleich Sklaven Stunden zu verbringen mit Berechnungen«, meinte der Universalgelehrte des 17. und frühen 18. Jahrhunderts.

Vor Leibniz entwarf schon Wilhelm Schickard eine Rechenmaschine, von der nur Konstruktionszeichnungen und Beschreibungen übrig sind. Der Tübinger Astronom und Mathematiker berichtete, sie auch gebaut zu haben. Dass sie funktioniert haben konnte, beweist ein Nachbau. Etwas später, um 1650, baute der Franzose Blaise Pascal ebenfalls eine Rechenmaschine, Pascaline genannt. Damit wollte er seinem Vater, ein Steuereintreiber des Königs, die Arbeit erleichtern.

Die zentralen Bauteile der Pascaline und von Schickards Maschine sind Zahnräder, deren Zähne die Zahlen darstellen. Beide Maschinen konnten addieren und subtrahieren. Eine Art Uhrwerk wandelt die Eingabe, etwa die beiden zu addierenden Summanden, in eine Ausgabe um, die Summe oder Differenz. Die Mechanismen der beiden frühen Informatiker waren so ausgeklügelt, dass sie den Zehnerübertrag automatisch ausführten, also das »eins gemerkt« oder »zwei gemerkt«, wie es bei Additionen und Subtraktionen auftritt.

Welch eine Banalisierung im Vergleich zum Anspruch von Ramon Llull, oder? Der wollte mit einer Maschine Gott erklären! Nun sollten Maschinen helfen,...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Hardware - Rechnerarchitektur - Softwaresysteme

SAP für Java-Entwickler

E-Book SAP für Java-Entwickler
Konzepte, Schnittstellen, Technologien Format: PDF

Seit kurzem forciert SAP die Verbreitung der Netweaver-Technologie und initiiert damit eine Gleichstellung von Java und ABAP als Sprachen zur SAP-Programmierung. Dieses Buch leistet einem erfahrenen…

SAP für Java-Entwickler

E-Book SAP für Java-Entwickler
Konzepte, Schnittstellen, Technologien Format: PDF

Seit kurzem forciert SAP die Verbreitung der Netweaver-Technologie und initiiert damit eine Gleichstellung von Java und ABAP als Sprachen zur SAP-Programmierung. Dieses Buch leistet einem erfahrenen…

SAP für Java-Entwickler

E-Book SAP für Java-Entwickler
Konzepte, Schnittstellen, Technologien Format: PDF

Seit kurzem forciert SAP die Verbreitung der Netweaver-Technologie und initiiert damit eine Gleichstellung von Java und ABAP als Sprachen zur SAP-Programmierung. Dieses Buch leistet einem erfahrenen…

SAP für Java-Entwickler

E-Book SAP für Java-Entwickler
Konzepte, Schnittstellen, Technologien Format: PDF

Seit kurzem forciert SAP die Verbreitung der Netweaver-Technologie und initiiert damit eine Gleichstellung von Java und ABAP als Sprachen zur SAP-Programmierung. Dieses Buch leistet einem erfahrenen…

SAP für Java-Entwickler

E-Book SAP für Java-Entwickler
Konzepte, Schnittstellen, Technologien Format: PDF

Seit kurzem forciert SAP die Verbreitung der Netweaver-Technologie und initiiert damit eine Gleichstellung von Java und ABAP als Sprachen zur SAP-Programmierung. Dieses Buch leistet einem erfahrenen…

Sicheres Netzwerkmanagement

E-Book Sicheres Netzwerkmanagement
Konzepte, Protokolle, Tools Format: PDF

Die Administration komplexer Rechnernetzwerke verlangt durch die ständige Weiterentwicklung etablierter Standards und die Integration gänzlich neuer Technologien ein umfassendes technisches Know-how…

Sicheres Netzwerkmanagement

E-Book Sicheres Netzwerkmanagement
Konzepte, Protokolle, Tools Format: PDF

Die Administration komplexer Rechnernetzwerke verlangt durch die ständige Weiterentwicklung etablierter Standards und die Integration gänzlich neuer Technologien ein umfassendes technisches Know-how…

Sicheres Netzwerkmanagement

E-Book Sicheres Netzwerkmanagement
Konzepte, Protokolle, Tools Format: PDF

Die Administration komplexer Rechnernetzwerke verlangt durch die ständige Weiterentwicklung etablierter Standards und die Integration gänzlich neuer Technologien ein umfassendes technisches Know-how…

Sicheres Netzwerkmanagement

E-Book Sicheres Netzwerkmanagement
Konzepte, Protokolle, Tools Format: PDF

Die Administration komplexer Rechnernetzwerke verlangt durch die ständige Weiterentwicklung etablierter Standards und die Integration gänzlich neuer Technologien ein umfassendes technisches Know-how…

Softwareentwicklung eingebetteter Systeme

E-Book Softwareentwicklung eingebetteter Systeme
Grundlagen, Modellierung, Qualitätssicherung Format: PDF

Eingebettete Systeme übernehmen komplexe Steuerungs- und Regelungsaufgaben für technische Systeme. Ihre Funktionalität wird durch das Zusammenspiel von Spezialhardware, Standardprozessoren,…

Weitere Zeitschriften

Menschen. Inklusiv leben

Menschen. Inklusiv leben

MENSCHEN. das magazin informiert über Themen, die das Zusammenleben von Menschen in der Gesellschaft bestimmen -und dies konsequent aus Perspektive der Betroffenen. Die Menschen, um die es geht, ...

BIELEFELD GEHT AUS

BIELEFELD GEHT AUS

Freizeit- und Gastronomieführer mit umfangreichem Serviceteil, mehr als 700 Tipps und Adressen für Tag- und Nachtschwärmer Bielefeld genießen Westfälisch und weltoffen – das zeichnet nicht ...

BONSAI ART

BONSAI ART

Auflagenstärkste deutschsprachige Bonsai-Zeitschrift, basierend auf den renommiertesten Bonsai-Zeitschriften Japans mit vielen Beiträgen europäischer Gestalter. Wertvolle Informationen für ...

Eishockey NEWS

Eishockey NEWS

Eishockey NEWS bringt alles über die DEL, die DEL2, die Oberliga sowie die Regionalligen und Informationen über die NHL. Dazu ausführliche Statistiken, Hintergrundberichte, Personalities ...

building & automation

building & automation

Das Fachmagazin building & automation bietet dem Elektrohandwerker und Elektroplaner eine umfassende Übersicht über alle Produktneuheiten aus der Gebäudeautomation, der Installationstechnik, dem ...