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Zwischen Tabubruch und Zensur

Gesetzliche, religiöse und gesellschaftliche Zensurmaßnahmen in der Zeichentrickserie 'South Park'

AutorReinhard Presslaber
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl156 Seiten
ISBN9783656523031
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Filmwissenschaft, Note: 1,0, Universität Wien (Theater-, Film- & Medienwissenschaft), Sprache: Deutsch, Abstract: Der Begriff Zensur scheint in modernen und offenen Gesellschaften, die sich häufig durch eine gesetzlich abgesicherte Presse- und Meinungsfreiheit definieren, nur noch eine untergeordnete Rolle zu spielen. Aber ist dem auch wirklich so? Die vorliegende Arbeit geht dieser Frage auf den Grund und versucht anhand der US-amerikanischen Zeichentrickserie South Park gegenwärtige Formen von Zensur aufzuspüren und deren Hintergründe und Ursachen näher zu beleuchten. Dabei stehen drei große Themenkomplexe im Mittelpunkt. Bei der gesetzlichen Ebene liegt der Fokus zunächst auf den 'klassischen' Jugendschutzthemen Sexualität, Gewalt sowie einem vulgären Sprachgebrauch. Bei der religiös motivierten Zensurebene wird anschließend der Frage nachgegangen, ob religiöse Institutionen auch heute noch die notwendige Macht haben um Zensurmaßnahmen durchzusetzen. Hier bietet die bildliche Darstellung des muslimischen Propheten Mohammed, die in einigen Teilen des Islams verboten ist, ein sehr anschauliches Beispiel dafür, wie sich religiöse Tabus auch in säkularisierten Ländern manifestieren können. Abschließend werden gesellschaftlich relevante Tabuthemen thematisiert, die speziell unter dem Stichwort Political Correctness zur Geltung kommen und so den kulturellen Aspekt von Zensur offenbaren. Anhand aktueller Beispiele bei der Zeichentrickserie South Park zeigt sich dabei, welche Relevanz und Brisanz diese drei Zensurebenen auch in der heutigen Gesellschaft nach wie vor haben.

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Leseprobe

3 Zensur – Ein Begriff im Wandel der Zeit


 

Censorship is an enormous, wide-ranging topic, far more complex than simply cutting the ‘naughty bits’ out of movies, shutting down adult bookshops, or muzzling civil service whistling-blowers.[71]

 

(Jonathan Green, Encyclopedia of Censorship)

 

Der zentrale Begriff dieser Arbeit ist Zensur. Doch was verbirgt sich eigentlich hinter diesem Ausdruck? Welche Bedeutung hat er für unsere Gesellschaft und in welchen Bereichen findet Zensur statt? Diese Fragen sind unabdingbar, wenn wir uns im weiteren Verlauf dieser Arbeit mit Zensurfällen bei South Park auseinandersetzen wollen. Eine allgemeingültige Begriffserklärung zu finden ist jedoch alles andere als einfach, denn das Phänomen Zensur hat im Laufe der Jahrhunderte immer komplexere Ausmaße angenommen und sich in den einzelnen Gesellschaften, Kulturen und Epochen unterschiedlich entwickelt. Wie vielschichtig der Begriff mittlerweile geworden ist, stellt u.a. auch Ulla Otto fest:

 

Die Verwirrung, die sich allerorts in der Argumentation über das Thema Zensur bemerkbar macht, […] belegt, wie wenig scharf umrissen und wie klärungsbedürftig der Fragenkomplex im Zusammenhang mit diesem Phänomen im Grunde noch ist.“[72]

 

In den letzten Jahrzehnten hat sich das Problemfeld Zensur durch die Etablierung neuer Medien, wie z.B. durch das Internet, sogar noch einmal rasant verändert und weiterentwickelt. Mittlerweile ist es für jeden leicht möglich, Neuigkeiten, Nachrichten, Informationen oder seine eigenen Gedanken über das Internet zu verbreiten und mit der Welt zu teilen. Und natürlich gibt es unter diesen Massen an Aussagen auch viele Inhalte, die für bestimmte Personen oder Gruppen ein Ärgernis darstellen und dementsprechend unterdrückt werden sollen. Wie schwer dieses Unterfangen jedoch inzwischen geworden ist, zeigt sich am Beispiel der Internetseite WikiLeaks.org, auf der Ende 2010 tausende von vertraulichen Dokumenten der US-Regierung veröffentlicht wurden und deren Publikation, trotz der Mittel und Möglichkeiten der amerikanischen Behörde, nicht verhindert werden konnte. In einer Welt, in der praktisch jeder Daten und Informationen veröffentlichen kann und gleichzeitig auch jeder Zugriff auf diese Informationen hat, scheint eine Zensur beinahe unmöglich geworden zu sein. Aber nur beinahe, denn wie sich in dieser Arbeit noch zeigen wird, gibt es nach wie vor Mittel und Wege, um unerwünschte Medieninhalte zu unterdrücken und zu verhindern.

 

Neben der technologischen Entwicklung gibt es eine Reihe weiterer Faktoren, die zur Komplexität des Themenbereichs Zensur beitragen. So muss auch die kulturelle Variable miteinbezogen werden, denn Zensurmaßnahmen sind stets auch durch ihre gesellschaftlichen Rahmenbedingungen geprägt und können von Land zu Land stark variieren. Und natürlich muss auch ein zeitlicher Wandel berücksichtigt werden. Aussagen und Themen, die gestern noch tabu waren, können bereits morgen erlaubt bzw. üblich sein. So hält auch Ulla Otto in ihrer Zensurdefinition fest, dass das Phänomen Zensur „immer nur in Relation zu einer konkreten sozialen Ordnung, die in bestimmter Weise etabliert ist und sich durch diese Äußerungen bedroht fühlt“ betrachtet und analysiert werden kann.[73] Diese Grundprämisse sollte man in Anbetracht der technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte stets im Hinterkopf behalten, wenn im Folgenden versucht wird, den Themenkomplex Zensur theoretisch aufzubereiten.

 

3.1 Definition von Zensur


 

Bei einer Begriffsdefinition ist es zunächst sinnvoll sich der Wortherkunft zu widmen. Seinen Ursprung hat Zensur im lateinischen Wort Censura, das mit Prüfung und Beurteilung übersetzt werden kann – es ist also kein Zufall, dass im deutschen Sprachraum Zensur auch als Synonym zur Beurteilung von schulischen Leistungen verwendet wird.[74] Etymologisch wurde der Begriff jedoch in erster Linie zur Bezeichnung eines hohen altrömischen Amtes benutzt. Etwa 400 v. Chr. wurden diese Censores zum ersten Mal primär mit der Aufgabe betraut, den Zensus abzuhalten, worunter die Erstellung einer Bürgerliste zu verstehen ist, die u.a. für steuerliche und militärische Zwecke verwendet wurde. Darüber hinaus fungierten die Zensoren aber auch als „Sittenwächter“, wobei sie Bürgern eine Rüge aussprechen konnten, wenn diese unsoziales Verhalten an den Tag legten oder vorherrschende Sitten verletzten. In Anlehnung an diese moralische Prüfungsinstanz wurde der Begriff über viele Jahrhunderte hinweg vor allem dafür herangezogen, um die Unterdrückung und das Verbot von gefährlichen bzw. moralisch bedenklichen Büchern und Aussagen durch die katholische Kirche zu beschreiben. [75] So findet sich eines der ältesten Relikte systematischer Zensur im Index Librorum Prohibitorum wieder. Dabei handelt es sich um eine Liste, die 1559 von Papst Paul IV eingeführt wurde und in der jene Bücher katalogisiert und verboten wurden, die sich für eine gesellschaftliche Reformation eingesetzt haben. Wurde man mit einem dieser Bücher erwischt, drohte dem „Sünder“ die Exkommunikation. Das Verzeichnis hatte in der katholischen Kirche lange Zeit Bestand und wurde erst 1966 aufgrund mangelnder Durchsetzungskraft wieder aus den römisch-katholischen Statuten entfernt.[76] Bereits in dieser ersten historischen Betrachtung kann man also einige Elemente erkennen, die auch das heutige Verständnis von Zensur prägen: Sitte und Moral spielen dabei eine ebenso wichtige Rolle wie die Kontrolle durch autoritäre Mächte.

 

Die zeitgenössische wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Zensur ist jedoch geprägt durch eine Vielzahl unterschiedlichster Ansätze, die versuchen, das breite Spektrum des Begriffes zu erfassen. Dabei bewegen sich die Definitionen, je nach wissenschaftlichem Interessensgebiet, zwischen einem eng ausgelegten, rechtsstaatlichen Begriff von Zensur und solchen Auslegungen, die sämtliche Formen und Ausprägungen zensorischer Maßnahmen beschreiben wollen. So definiert der Brockhaus Zensur z.B. folgendermaßen:

 

1) eine von zuständiger Stelle, i.d.R. staatl. Stelle vorgenommene Überprüfung und Kontrolle von Druckwerken und audiovisuellen Produktionen auf ihre polit., gesetzl., sittl. und religiöse Konformität und

 

2) die ggf. daraufhin erfolgende Unterdrückung bzw. das Verbot der unerwünschten Veröffentlichung. […] Im wesentlichen Sinne erfasst der Begriff Zensur darüber hinaus die Kontrolle jegl. Form von Meinungsäußerung in autoritären und totalitären Staaten sowie auf nichtstaatl. Ebene.[77]

 

Der Zensurprozess ist auf den ersten Blick also zweigeteilt und liegt einerseits in der Kontrolle der medialen Inhalte und andererseits in deren Unterdrückung bzw. Verbot. Zwar wird mit dem Zusatz „auf nichtstaatlicher Ebene“ eingeräumt, dass es neben einer staatlich geregelten Zensurpraxis auch andere Instanzen gibt, die Inhalte unterdrücken wollen, dennoch konzentrieren sich viele Begriffsauslegungen in erster Linie auf eine rechtswissenschaftliche Betrachtung und in weiterer Folge auf behördlich durchgeführte Maßnahmen.[78] Man muss sich jedoch im Klaren sein, dass eine Unterdrückung medialer Inhalte nicht nur von staatlicher Seite aus vorgenommen werden kann, sondern von den verschiedensten Stellen und aus den unterschiedlichsten Gründen erfolgen kann. So kann Zensur u.a. auch durch gesellschaftliche Normen und Werte motiviert sein und von den Medienschaffenden selbst durchgeführt werden, oder sie wird von gesellschaftlichen Interessensgruppen angestrebt, die versuchen, durch geeignete Druckmittel Einfluss auf die Produzenten und somit auf die Medieninhalte zu nehmen.[79]

 

Ulla Otto greift diesen Grundgedanken auf und definiert den Zensurbegriff etwas allgemeiner, indem sie einräumt, dass Zensur im heutigen Verständnis vorwiegend durch den Faktor des Verbots bestimmt ist und somit als „Freiheitsbeschränkung durch eine kirchliche, staatliche oder andere Macht im Geistesleben der menschlichen Gesellschaft“ zu verstehen ist.[80] Mit dieser Auslegung trifft sie meiner Meinung nach sehr schön das zeitgenössische Verständnis von Zensur. Denn während sich „klassische“ Definitionen in erster Linie auf eine autoritäre und vorwiegend staatliche Prüfung konzentrieren, sollte Zensur vielmehr als Vorgang betrachtet werden, der von nahezu jeder Stelle durchgesetzt werden kann, „denn nicht nur die politischen Regime in Vergangenheit und Gegenwart haben sich als Zensoren betätigt, auch die verschiedensten anderen gesellschaftlichen Gruppen haben ihre Autorität zu demselben Zweck eingesetzt.“[81]

 

Diese Zweiteilung an möglichen Zensurstellen findet sich auch in der häufig vorgenommenen Differenzierung zwischen einem formellen und einem informellen Zensurbegriff wieder. Dabei ist das spezifische Merkmal des formellen Zensurbegriffs, wie der Name schon sagt, die Form des staatlichen Einschreitens, also das Kontroll- und Unterdrückungsverfahren an sich....

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