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Taiwan und die ausgesetzte Ratifizierung des Cross-Strait Service Trade Agreements

Eine Untersuchung des Einflusses gesellschaftlicher Gruppen Taiwans auf Handelsabkommen in der Taiwan Straße auf Grundlage des Neoliberalismus

VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl68 Seiten
ISBN9783668617148
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2015 im Fachbereich Politik - Internationale Politik - Region: Ferner Osten, Note: 1,5, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie), Sprache: Deutsch, Abstract: Insgesamt fanden in den letzten Jahren enorme Veränderungen im Ostasiatischen Raum statt und nicht zuletzt die gestiegene wirtschaftliche und militärische Bedeutung Chinas sorgte fu?r eine Verschiebung der Machtverhältnisse. Den Beziehungen zwischen Taiwan und China kommt dabei eine wichtige Rolle zu, sorgten Spannungen zwischen beiden Parteien in der Vergangenheit doch für ernsthafte Krisen. Nach dem Abschluss des Economic Cooperation Framework Agreement (ECFA) im Jahr 2010 wurde im Juni 2013 ein weiteres Abkommen - das Cross-Strait Service Trade Agreement (CSSTA) - unterzeichnet und sollte nach dem Willen der Regierung schnellstmöglich ratifiziert werden. Dieses Abkommen würde - im Falle einer Ratifizierung - zu einer noch weitreichenderen wirtschaftlichen Annährung zwischen Taiwan und China führen, da darin vorgesehen ist, weite Teile des Service-Sektors zu liberalisieren. Davon wäre ein Großteil der taiwanesischen Bevölkerung direkt betroffen, da etwa 60% der arbeitenden Bevölkerung im Dienstleistungssektor beschäftigt ist. Dass Teile der taiwanesischen Gesellschaft zunehmend versuchen, Einfluss auf das Abkommen - und damit auch auf die Beziehungen zu China - zu nehmen, zeigte sich eindrucksvoll an den Protesten im März und April 2014, bei denen zeitweise mehrere hunderttausend Menschen in Taipeh gegen die von der Regierung angesetzte Ratifizierung demonstrierten und der Legislative Yuan (LY) über drei Wochen besetzt wurde.

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Leseprobe

3 Theoretische Grundlage: Der Neoliberalismus in den Internationalen Beziehungen


 

Der Begriff Neoliberalismus ist in den Internationalen Beziehungen nicht einheitlich definiert. Vielmehr wurden verschiedenste Denkansätze, die sich von der Realistischen Schule absetzten, zum Teil pauschal als Neoliberalismus zusammengefasst.[17] Hinzu kommt eine Überschneidung mit dem Begriff des „Institutionalismus“, was darauf zurückzuführen ist, dass eine Vielzahl, insbesondere amerikanischer Wissenschaftler, dazu neigen, die Herausforderer des Neorealismus undifferenziert als neoliberal Institutionalists zu bezeichnen.[18] Eine Trennung von Institutionalismus und Neoliberalismus ist jedoch vertretbar, da sich diese insbesondere in ihren core assumptions unterscheiden.[19] Besonders relevant für diese Arbeit sind die Grundannahmen der Neoliberalen Theorie nach Andrew Moravcsik. Daher gilt es zunächst, den theoretischen Ansatz genauer zu definieren und abzugrenzen.

 

3.1 Ursprung und Abgrenzung zum Klassischen Liberalismus


 

Auch wenn der Neoliberalismus als eine erweiterte und tiefergehende Version des Klassischen Liberalismus angesehen werden kann, unterscheidet sich die Theoriebildung deutlich.[20] Im Klassischen Liberalismus, der nicht zuletzt in der Idee des Ewigen Friedens von Immanuel Kant seine Ursprünge hat, steht die Theorie des Demokratischen Friedens und die damit verbundene Frage nach dem demokratischen Separatfrieden im Vordergrund.[21] Anders ist es im Neoliberalismus. Mit Hilfe des Neoliberalismus wird versucht, eine darüber hinausgehende und allgemein gültige Theorie der Internationalen Beziehungen zu kreieren.[22] Weiterhin ist der Neoliberalismus, in Abgrenzung zum Klassischen Liberalismus, stärker auf methodische und forschungsorientierte Aspekte liberalen Denkens fokussiert.[23]

 

Ein entscheidender Aspekt der liberalen theoretischen Vorläufer findet sich jedoch auch im Neoliberalismus. Denn schon im Klassischen Liberalismus wird angenommen, dass außenpolitische Handlungen und das außenpolitische Verhalten auf innerstaatliche Strukturen und Umstände zurückgeführt werden kann.[24]

 

3.2 Der Neoliberalismus nach Andrew Moravcsik


 

„For liberals, the configuration of state preferences matters most in world politics – not, as realists argue, the configuration of capabilities and not, as institutionalists (that is, functional regime theorists) maintain, the configuration of information and institutions.“[25]

 

Im Unterschied zum Institutionalismus und Realismus, die die Machtverteilung zwischen Staaten und internationalen Institutionen in den Fokus der Betrachtung stellen, stehen im Neoliberalismus nach Moravcsik (NL) die Zusammensetzung der Staatspräferenzen im Vordergrund. Weiterhin stellt er einen kausalen Zusammenhang zwischen dem außenpolitischen Verhalten des Staates und der Gesellschaft her.[26] Diese Annahme ist von zentraler Bedeutung im Hinblick auf die nachfolgende Analyse dieser Arbeit. Das zugrunde liegende Menschenbild Moravcisks gleicht dem des homo oeconomicus – allerdings mit der Einschränkung, dass das Individuum nur gemäß dem eigenen Kenntnisstand rational entscheiden kann (bounded rationality).[27] Demnach ist das Individuum bemüht, den höchstmöglichen individuellen Eigennutz zu erzielen. Allerdings tut es das nicht um jeden Preis, da es insgesamt das verteidigt, was es bereits erreicht hat und somit tendenziell risikoscheu ist.[28] Um dies zu erreichen, schließen sich Individuen mit korrespondierenden Interessen zu gesellschaftlichen Gruppen wie Parteien, Gewerkschaften oder auch Protestbewegungen zusammen. Eine wichtige Annahme in dem Zusammenhang ist auch, dass staatlich aggregierte Präferenzen sich mit der Zeit verändern können und sich zudem nicht ausschließlich aus materiellen Nutzen-Präferenzen zusammensetzen.[29] Auch ideelle Interessen sowie die Beschaffenheit des politischen Systems spielen eine zentrale Rolle.

 

3.3 Core Assumptions


 

Moravcsik definiert seine liberale Theorie anhand von drei fundamentalen Grundannahmen.

 

„The fundamental actors in international politics are individuals and private groups, who are on the average rational and risk-averse and who organize exchange and collective action to promote differentiated interests under constraints imposed by material scarcity, conflicting values, and variations in societal influence.“[30]

 

Mit der ersten Grundannahme zeigt Moravcsik auf, dass nach seiner Theorie die Individuen und gesellschaftlich organisierten Gruppen die zentralen gestaltenden Akteure der internationalen Politik sind. Der Staat repräsentiert und handelt nach deren Interessen auf der Internationalen Ebene. Das Individuum ist, wie bereits dargelegt, risikoscheu und sozial organisiert.

 

Moravcsik nimmt weiterhin an, dass innerhalb der Gesellschaft keine Harmonie vorherrscht, sondern die verschiedenen Gruppen im Wettbewerb stehen, ihre jeweiligen Interessen durchzusetzen. Dieser Wettbewerb wird durch die Globalisierung und die daraus entstehenden Einflüsse noch verschärft.[31] Die Definition der Interessen der einzelnen sozialen Akteure stellt dabei ein zentrales Element der Theorie dar.[32]

 

„States (or other political institutions) represent some subset of domestic society, on the basis of whose interests state officials define state preferences and act purposively in world politics.“[33]

 

Die zweite Grundannahme konzentriert sich damit auf die Ebene des Staates. Dieser repräsentiert einen Teil der Interessen der innerstaatlichen Gesellschaft. Dabei ist entscheidend, in welcher Form der Staat und dessen politisches System es den gesellschaftlichen Gruppen ermöglicht, ihre Interessen zu äußern und als Staatspräferenzen zu verwirklichen.

 

„The configuration of interdependent state preferences determines state behavior.“[34]

 

Mit der dritten Annahme hebt Moravcsik seine Theorie auf die internationale Ebene und fragt nach dem Verhalten der Staaten im internationalen System. Nach seiner Auffassung können Staaten ihre Präferenzen zwar unabhängig voneinander aufstellen, inwieweit diese durchzusetzen sind, hängt jedoch von den Präferenzen anderer Staaten ab – sie sind also Interdependent.[35] Moravcsik differenziert dabei drei verschiedene Konfigurationen der außenpolitischen Präferenzen aus. Eine mögliche Konfiguration ist demnach, dass die Präferenzen kompatibel sind (also für die andere Seite entweder optimal oder auch unbedeutend), was zu einem geringen Potenzial von Konflikten führt. Die zweite Variante ist, dass die Staatspräferenzen komplementär konfiguriert sind. Das ist der Fall, wenn sich die Interessen der einzelnen Staaten ergänzen und politische Kompromisse mehr Erfolg versprechen als einseitige Handlungen. Das erhöht die Attraktivität von Kooperation oder koordiniertem Handeln.[36]

 

Die dritte Möglichkeit der Konfiguration der Präferenzen ist, dass diese gegensätzlich sind. Das liegt vor, wenn die Interessen der dominierenden Gruppen eines Staates unausweichlich hohe Kosten für die dominierenden Gruppen eines anderen Staates nach sich ziehen.[37] Bei einer derartigen Konstellation ist, im Sinne Moravcsiks, keine Kooperation zu erwarten. Stattdessen führen die zugrunde gelegten Staatspräferenzen in eine Sackgasse und es ist mit einem hohen Potenzial von Spannungen und Konflikten zu rechnen.[38]

 

3.4 Operationalisierung


 

Mit Bezug auf die Untersuchung soll nun die theoretische Grundlage operationalisiert und die zu prüfende Hypothese erläutert werden.

 

Um die Forschungsfrage mit einem neoliberalistischen Ansatz zu untersuchen, werden – basierend auf den ersten beiden core assumptions des Neoliberalismus nach Moravcsik – demnach zunächst die in handelspolitisch aktiven Interessensgruppen identifiziert und deren Interessen ermittelt. Daraufhin soll analysiert werden, wie „offen“ das politische System Taiwans gegenüber den Interessen von organisierten gesellschaftlichen Interessen ist und wie weit es einen bottum-up-approach im Sinne des NL zulässt.[39] Im nächsten Schritt sollen Hinweise und Indizien herausgearbeitet werden, die auf eine Einflussnahme gesellschaftlicher Gruppen hindeuten. Auf die dritte core assumption kann dabei nicht abschließend eingegangen werden, da dies den Umfang dieser Arbeit bei weitem übersteigt.

 

Bei außenpolitischen Vorgängen wie der Verhandlung, Unterzeichnung und Ratifizierung eines Handelsabkommens wie dem CSSTA gibt es eine Vielzahl von möglichen Akteuren – wie beispielsweise auch Parteien und Medien – die die Vorgänge mitbeeinflussen. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich hingegen vorwiegend auf einen Aspekt der...

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