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Taizé: Die Einfachheit des Herzens

AutorMichael Albus
VerlagTopos
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl141 Seiten
ISBN9783836750103
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Taizé - ein kleiner Ort im Burgund mit seiner ökumenischen Mönchsgemeinschaft ist seit Jahrzehnten Anziehungspunkt vor allem für junge Christinnen und Christen aus ganz Europa. Es ist ein Ort der Mystik und Anbetung, die wie selbstverständlich in tatkräftiges Engagement und einen einfachen Lebensstil münden. Auch nach dem gewaltsamen Tod des charismatischen Gründers, Frère Roger Schutz, hat Taizé nichts von seiner Strahlkraft eingebüßt. Michael Albus ist mit den Brüdern der Mönchsgemeinschaft eng verbunden und vermittelt uns den Geist von Taizé in seiner ganzen Unmittelbarkeit und Lebendigkeit.

Michael Albus, geb. 1942, Dr. theol., studierte Germanistik und Theologie; Journalist und Autor zahlreicher Bücher; langjähriger Leiter der Hauptredaktion Kinder, Jugend, Familienleben beim ZDF, zurzeit Honorarprofessor für Religionsdidaktik der Medien in Freiburg i.Br.

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Leseprobe

Was ist Mystik?


Kein Auge hat gesehen, kein Ohr hat gehört


Grundstriche einer konkreten Mystik

Seit der Mensch in der Welt ist, versucht er sich selbst zu verstehen, eine Erklärung für sein Dasein zu finden. Die Versuche hören nicht auf. Die Wege der Suche wechseln. Die Suche bleibt beständig. Sie gehört zum Menschsein. Sie macht uns aus.

Sobald der Mensch in der Welt ist, fragt er nach sich selbst. Er fragt nach sich selbst aus Angst vor dem Tode. Damit fängt alles Fragen an.

Wo komme ich her? Wo bin ich? Wo gehe ich hin?

Das sind die entscheidenden Fragen. Es sind die Grundfragen jeder Religion. Es sind religiöse Fragen. Und weil sie religiöse Fragen sind, gehen sie im Grund und im Ziel über die reinen Fakten unseres Lebens hinaus. Sie können aber auch nicht von ihnen absehen. Eine Gemengelage ist das – ineinander verschichtet und verwoben.

Mystik zu definieren macht keinen Sinn. Wie auch soll das Grenzenlose in die Schranken unseres begrenzten Denkens verwiesen werden?

Die Geschichte der Mystik ist nichts anderes als das Leben selbst und bedeutet immer neue Anläufe gegen die Festung der Fragen. Aber die Festung fällt nicht. Und dennoch hört die Belagerung nicht auf. Seltsam. Merkwürdig.

Was ist die Festung? – Ist sie ein Prinzip, das sich uns in den Weg stellt? Ist sie ein Konstrukt unseres Denkens, dem wir den Namen Religion geben oder das wir gar GOTT nennen? Ist sie ein Hindernis, das wir überwinden müssen?

Nein, die Festung ist unser Leben selbst. Unsere Zeugung, unsere Geburt, unsere Liebe, unser Glück, unser Unglück, unsere Freude, unsere Trauer, unser Sterben, unser Tod, unsere Einsamkeit, unsere Zeit und unsere Ewigkeit. Das ist die Festung. Sie ist etwas Natürliches. Etwas, das wir vorfinden. Etwas, in dem wir uns befinden, ohne je danach gefragt worden zu sein, ob wir uns darin befinden wollen oder nicht. Dass wir das als ein Geheimnis erfahren, eines mit Dunkelheiten zumal, nimmt nicht wunder. Es ist so.

Das ist der Ausgangspunkt. Dieser bestimmt jeden weiteren Weg, jeden Versuch, dahinter zu kommen oder davor oder darüber oder darunter. Der Ausgangspunkt ist die Bedingung und die Grenze der Mystik. Beide sind fließend, entziehen sich der Festlegung, flutschen wie ein Fisch aus der Hand, wenn man sie fest zu fassen versucht.

Mystik ist kein Ausnahmezustand. Wer mystisch lebt, der macht die Augen auf, öffnet die Ohren, riecht, schmeckt und spricht. Aber das ist nur die eine Seite. Die andere: Er schließt die Augen, hört nichts mehr als den Ton der Stille und verschließt seinen Mund.

Mystik ist nicht nur Ekstase, Außersichsein. Mystik ist auch Enstase, Insichsein.

Mystik ist beides. Und nur dann konkret. Sonst bleibt sie Geraune, Gemurmel, Geschwafel.

Nicht nur Meister Eckhart lässt grüßen.

Mystik ist mehr als die Mystik des Mittelalters

Das Dilemma ist offenkundig. Mystik ist im allgemeinen Verständnis und in der schwindenden Kenntnis festgelegt auf die Mystik des Mittelalters.

Ein Blick in das weit verbreitete Wörterbuch von Gerhard Wahrig zeigt das. Dort heißt es:

Mystik. Form religiösen Erlebens, in der nach vorbereitender Askese durch Versenkung oder Ekstase innige Verbindung mit dem Göttlichen gesucht wird; in Deutschland gewann die Mystik durch Seuse und besonders Meister Eckhart (1260 bis 1327) literarische und sprachschöpferische Bedeutung (zu lateinisch mysticus < griechisch mystikos „die Mysterien betreffend, geheimnisvoll, geheim“; zu griechisch myein „(Augen und Lippen) schließen“.

Mystiker. Vertreter, Anhänger der Mystik.

Mystisch. Die Mystik betreffend, zu ihr gehörig, von ihr stammend, geheimnisvoll, dunkel.

Mystizismus. Wunderglaube, schwärmerische Religiosität.

Danach ist Mystik in jedem Fall etwas Außergewöhnliches, das mit dem normalen Leben eigentlich nicht viel oder gar nichts zu tun hat. Mystik ist in diesem Verständnis etwas für Eingeweihte, für Menschen, die abgehoben haben, denen der Bodenkontakt fehlt.

Aber es gab schon vor Meister Eckhart Mystiker und nach ihm auch. Und es wird so lange Mystikerinnen und Mystiker geben, solange es Menschen gibt.

Blickt man nur auf die Mystik des Christentums, dann war der erste Mystiker niemand Geringerer als Jesus von Nazaret selber. Er hat immer wieder vom Geheimnis gesprochen, aus dem der Mensch kommt, in dem er lebt und in das er endlich und unendlich hineingeht. Alle Mystik des Christentums hat durch ihn seine Grundprägung erhalten und muss sich an ihm „messen“ lassen. Nach dem Mittelalter ist das nicht anders. Die Frage ist nur, ob wir in der Lage dazu sind, die Mystikerinnen und Mystiker, die mystischen Bewegungen unserer Zeit hinreichend wahrzunehmen, das heißt, sie für wahr zu nehmen.

Mystisch ist der Mensch, der sich auf die Suche macht nach seinem Grund und nach seinem Ziel.

Mystisch ist der Mensch, der mit ganzer Kraft und Leidenschaft versucht, dieser Suche in seinem Leben eine konkrete Gestalt zu geben, der die damit verbundene Verbindlichkeit und Entschiedenheit nicht scheut, der bereit ist, ein Risiko einzugehen.

Mystisch ist der Mensch, der das in seinem Leben Gegebene, Vorhandene, Vorgefundene nicht nur bedingt, sondern absolut ernst nimmt und ihm nicht auszuweichen versucht.

Mit anderen Worten: Mystisch lebt der Mensch, der nicht nur den großen Wurf diskutiert, sondern der, der sich nicht zu schade ist, Hand anzulegen. Und sich dabei die Hände schmutzig zu machen.

Mystisch ist der Mensch, der alles, was er hat und kann, einsetzt und dennoch ALLES von GOTT erwartet.

Schaffen und Schauen

Es ist kein Beruf in der Christenheit, der von der Gnade der Beschauung ausgeschlossen wäre. Wer immer ein Gemüt innehat, dem kann auch das Licht der Beschauung aufgehen …

Und niemand soll wähnen, er habe die Gabe des wahren Lichtes sozusagen für sich.

Wer die Burg der Beschauung zu besetzen verlangt, soll sich erst auf dem gegebenen Felde tätigen Lebens praktisch erproben.

Erst kommt die Zeit des Wirkens, und erst zuletzt kommt die Zeit der Beschauung.

Dann muss der vollkommene Mensch erst in Tugenden den Ackerboden der Seele pflegen, um nachher in die Scheunen der Ruhe zu sammeln … Aber manchmal will einer, wenn er auch nur ein bisschen göttlicher Erleuchtung verkostet, schon nicht mehr zu menschlichen Dingen zurückkehren und möchte sich davon drücken, sich mit Sorgen für die Mitmenschen zu belasten.

Wir suchen die Ruhe des beschaulichen Lebens – und möchten nichts anderes, als was uns Labung brächte, ohne dass wir uns anstrengen müssten.

Aber erst soll nach Gottes Willen die Seele ihre Kräfte aufwenden im Schaffen, um danach auch der Beschauung sich zu erfreuen.

Gregor der Große

Das Heute Gottes und das Morgen der Menschen

In diesem Abschnitt der Geschichte lädt uns das Evangelium ein, zu lieben und es durch unser Leben zu sagen. In erster Linie macht unser Leben den Glauben für unsere Umgebung glaubwürdig.

Dies gilt auch im Geheimnis der Gemeinschaft, das der Leib Christi, seine Kirche, ist. Weithin verlorene Glaubwürdigkeit kann wieder wachsen, wenn die Kirche aus dem Vertrauen, Verzeihen und Erbarmen lebt und in Freude und Einfachheit gastlich offensteht.

Dann gelingt es ihr, lebendige Hoffnung weiterzugeben.

Im schlichten Gebet begreifen viele eines Tages, dass Gott einen Ruf an sie richtet. Welchen Ruf?

Gott erwartet, dass wir uns darauf vorbereiten, Träger der Freude und des Friedens zu werden.

Hören wir auf ihn, wenn wir in uns seine Worte vernehmen: „Bleib nicht stehen, geh weiter, deine Seele lebe auf!“ Dann erkennen wir, dass wir zu etwas Unendlichem, etwas Absolutem hin geschaffen sind. Und mit einem Mal merken wir: In Grenzsituationen wird der Mensch bisweilen vollkommen er selbst.

Wenn wir einander beistehen, uns von Hindernissen nicht aufhalten lassen und es uns gelingt, stets neuen Mut für die nächsten Schritte zu finden, begreifen wir, dass es eine Freude des Herzens, ja ein Glück für jeden gibt, der auf den Ruf Gottes antwortet. Ja, Gott will, dass wir glücklich sind. Und das Unerhoffte tritt ein. Die langen, kaum erhellten Nächte liegen hinter uns. Mag uns der Weg manchmal auch durch Dunkelheit führen – es muss uns nicht schwächen, sondern kann uns innerlich aufbauen.

Es lockt uns, von einer Entdeckung zur nächsten zu gehen. Den anbrechenden Tag als Heute Gottes zu empfangen. In allem den Frieden des Herzens zu suchen. Und das Leben wird schön … und das Leben wird schön...

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