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E-Book

Taschenatlas Physiologie

AutorStefan Silbernagl
VerlagGeorg Thieme Verlag KG
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl472 Seiten
ISBN9783132410329
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
So funktioniert der menschliche Körper! In diesem Taschenatlas der Physiologie finden Sie alles, was Sie über die menschlichen Körperfunktionen und für das Verständnis der pathologischen Abweichungen wissen müssen. Freuen Sie sich auf ein Nachschlagewerk, in dem Sie das gesamte Prüfungswissen der ärztlichen Vorprüfung im Fach Physiologie rasch einsehen können. Jede Doppelseite erklärt die physiologischen Zusammenhänge prägnant in Text und Bild. Was ist neu? - Komplett überarbeitet und fachlich aktualisiert - Erweiterung um Text-Bild-Einheiten zu den Themen Alter, Neuronale Netzwerke und Diagnostische Verfahren

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Leseprobe

1 Grundlagen, Zellphysiologie


1.1 Der Körper: Ein offenes System mit innerem Milieu


„... wenn man einen lebenden Organismus auseinander nimmt, indem man seine verschiedenen Teile isoliert, tut man das nur zur Erleichterung der experimentellen Analyse und keineswegs, um sie getrennt zu verstehen. In der Tat, will man einer physiologischen Eigenschaft ihren Wert und ihre wirkliche Bedeutung zumessen, muss man sie immer auf das Ganze beziehen und darf endgültige Schlussfolgerungen nur im Zusammenhang mit ihren Wirkungen auf das Ganze ziehen.“

Claude Bernard (1865)

Leben in der einfachsten Form führt uns die Existenz eines Einzellers vor Augen. Schon für ihn gilt es, zwei für sein Überleben notwendige, aber im Prinzip gegensätzliche Forderungen zu erfüllen: Einerseits muss er sich gegen die „Unordnung“ der unbelebten Umgebung abschotten; andererseits ist er als ▶ „offenes System“ auf den Austausch von Wärme, Sauerstoff, Nahrungs- und Abfallstoffen sowie von Informationen mit seiner Umgebung angewiesen.

Das „Abschotten“ besorgt vor allem die Zellmembran, deren hydrophobe (Wasser abstoßende, meidende) Eigenschaften die wässrigen Lösungen außerhalb und innerhalb der Zelle vor der tödlichen Vermischung ihrer hydrophilen (wasserlöslichen) Bestandteile bewahren. Für die Durchlässigkeit dieser Barriere sorgen Proteinmoleküle in der Zellmembran, sei es in Form von Poren (Kanälen) oder von komplexeren Transportproteinen, sog. Carriern . Sie sind selektiv für bestimmte Stoffe, und ihre Aktivität ist meist geregelt. Für hydrophobe Moleküle (z. B. Gase) ist die Zellmembran dagegen relativ gut durchlässig. Das ist für den Austausch von O2 und CO2 und die Aufnahme lipophiler Signalstoffe von Vorteil, doch ist die Zelle damit auch giftigen Gasen (z. B. CO) und anderen lipophilen (fettlöslichen = hydrophoben) Schadstoffen, etwa organischen Lösungsmitteln, ausgeliefert. Als weitere Proteine enthält die ZellmembranRezeptoren, die dem Empfang von humoralen Signalen aus der Zellumgebung dienen und Informationen ins Zellinnere übertragen (Signaltransduktion), sowie Enzyme, die es erlauben, extrazelluläre Substrate metabolisch aufzuarbeiten.

Stellen wir uns das Urmeer als die Umgebung des Einzellers vor (.eps ▶ Abb. 1.1A), so lebt er in einem weitgehend gleich bleibenden Milieu, auch wenn er daraus Nahrung aufnimmt oder nicht mehr Verwertbares dorthin abgibt. Trotzdem ist auch der Einzeller bereits in der Lage, auf Signale aus der Umwelt, z. B. auf Änderungen der Nahrungsstoffkonzentration, mit Pseudopodien oder Geißeln motorisch zu reagieren.

Die Entwicklung vom Einzeller zum Vielzeller, die Spezialisierung von Zellgruppen zu Organen, das Auftauchen der Zweigeschlechtlichkeit und des Zusammenlebens in sozialen Gruppen sowie der Übergang vom Wasser zum Land haben die Leistungs- und Überlebensfähigkeit, den Aktionsradius und die Unabhängigkeit der Lebewesen immens erhöht. Voraussetzung dafür war allerdings die gleichzeitige Entwicklung einer komplexen Infrastruktur im Organismus. Die einzelne Zelle im Körper braucht nämlich nach wie vor das Milieu des Urmeers zum Leben und Überleben. Es ist die Flüssigkeit im Extrazellulärraum, die diese konstanten Umgebungsverhältnisse nun bieten muss ( ▶ Abb. 1.1B). Ihr Volumen ist aber jetzt nicht mehr unendlich groß, ja es ist sogar kleiner als das ▶ intrazelluläre Volumen. Durch ihre Stoffwechselaktivität würden die Zellen den Gehalt dieser Flüssigkeit an Sauerstoff und Nährstoffen sehr rasch erschöpfen und ihre Umgebung mit Abfallprodukten überschwemmen, wenn sich nicht Organe entwickelt hätten, die dieses „innere Milieu“ dadurch aufrechterhalten (Homöostase), dass sie neue Nahrung, Elektrolyte und Wasser aufnehmen sowie Endprodukte mit Stuhl (via Galle) und Urin ausscheiden. Über den Blutkreislauf sind diese Organe mit jedem Winkel des Körpers verbunden, wo der Stoffaustausch zwischen Blut und Zwischenzellraum (Interstitium) für ein konstantes Milieu der Zellen sorgt. Für die Aufnahme von Nahrungsstoffen und deren Aufbereitung, Stoffwechsel und Verteilung im Körper sind u. a. der Verdauungstrakt und die Leber verantwortlich. Die Lunge sorgt für den Gasaustausch (O2-Aufnahme, CO2-Ausscheidung), Leber und Niere für die Ausscheidung von Abfall- und Fremdstoffen und die Haut für die Wärmeabgabe. Eine wichtige Funktion bei der Regulation (s. u.) des „inneren Milieus“ haben u. a. die Niere (Wasserbestand, Osmolalität, Ionenkonzentrationen, pH-Wert) und die Lunge (O2- und CO2-Drücke, pH-Wert) ( ▶ Abb. 1.1B).

Eine solche Spezialisierung von Zellen und Organen für bestimmte Aufgaben bedarf natürlich der Integration. Konvektiver Ferntransport, humorale Informationsübermittlung (Hormone) und elektrische Signalübertragung im Nervensystem sorgen u. a. dafür. Sie dienen nicht nur der Ver- und Entsorgung und damit der Konstanthaltung des „inneren Milieus“ auch unter extremen Anforderungen und Belastungen, sondern steuern und regeln auch Funktionen, die dem Überleben im weiteren Sinne, der Arterhaltung, dienen. Die zeitgerechte Entwicklung der Sexualorgane und die Bereitstellung befruchtungsfähiger Keimzellen nach Erreichen der Geschlechtsreife gehören dazu ebenso wie die Steuerung von Erektion, Ejakulation, Befruchtung und Ei-Einnistung, die Abstimmung der Funktionen von mütterlichem und fetalem Organismus während der Schwangerschaft sowie die Regelung des Geburtsvorganges und der Laktationsperiode.

Das Zentralnervensystem, das einerseits Signale peripherer Sensoren, der Sinneszellen und -organe, verarbeitet, andererseits nach außen gerichtete Effektoren, die Skelettmuskeln, aktiviert und endokrine Drüsen beeinflussen kann, rückt schließlich ganz in den Mittelpunkt, wenn tierisches oder gar menschliches Verhalten in diese Betrachtung einbezogen wird. Es dient nicht „nur“ der Nahrungs- und Wassersuche, dem Schutz vor Hitze oder Kälte, der Partnerwahl, der Sorge für die Kinder noch lange nach der Geburt und der Integration in Sozialsysteme, sondern auch dem Entstehen, dem Ausdruck und der Verarbeitung etwa dessen, was wir mit Begriffen wie Lust, Unlust, Wunsch, Glück, Wut, Zorn, Angst und Neid, aber auch Kreativität, Neugier, Selbsterfahrung und Verantwortung verbinden. Hier werden die Grenzen der Physiologie, also der Lehre von den Funktionen des Körpers im engeren Sinne, die Inhalt dieses Buches ist, schon weit überschritten. Verhaltensforschung, Soziologie und Psychologie sind damit einige der Nachbardisziplinen der Physiologie, wobei bisher allerdings ein echter Brückenschlag zwischen der Physiologie und diesen Gebieten nur ausnahmsweise gelungen ist.

1.1.1 Steuerung und Regelung


Sinnvoll kooperieren können die spezialisierten Organe des Körpers nur, wenn ihre Funktionen auf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmt werden können, d. h., sie müssen steuer- und regelbar sein. Steuerung heißt, dass eine Zustandsgröße, z. B. der Blutdruck, gezielt verändert wird, etwa durch Änderung der ▶ Herzfrequenz. Wegen der vielen sonstigen Einflüsse auf Blutdruck und Herzfrequenz ist dieses Ziel allerdings nur dann erreichbar, wenn der tatsächlich erreichte Blutdruck wiederholt registriert, mit dem gewünschten Wert verglichen und Abweichungen laufend nachkorrigiert werden. Ist etwa der Blutdruck beim raschen Aufstehen aus dem Liegen abgesunken, so wird die Herzfrequenz so lange erhöht, bis er wieder einigermaßen normalisiert ist. Die Steigerung der Herzfrequenz hört dann auf, und, wenn der Blutdruck jetzt über den Normalwert ansteigt, wird sie wieder gesenkt. Eine Steuerung mit einer solchen negativen Rückkoppelung wird Regelung genannt. Zum Regelkreis ( ▶ Abb. 1.2C1) gehört der Regler, dem das Regelziel (Sollwert) vorgegeben wird und von dem aus Funktionen (Stellglieder) zur Erreichung dieses Ziels angesteuert werden. Den Kreis schließen Sensoren, die den tatsächlichen Wert (Istwert) der zu regelnden Größe laufend messen und an den Regler zurückmelden, wo der Istwert mit dem Sollwert verglichen und von wo aus nachgeregelt wird, wenn Störgrößen den Istwert verändert haben. Der Regelkreis läuft dabei entweder im Organ selbst (Autoregulation) oder über ein übergeordnetes Organ (Zentralnervensystem, Hormondrüse) ab. Im Vergleich zur Steuerung können die Komponenten der Regelung relativ ungenau arbeiten, ohne dass der Sollwert (zumindest im Mittel) verfehlt wird. Außerdem können unerwartete Störgrößen (bei der Blutdruckregelung [ ▶ Abb. 1.2C2] etwa ein Blutverlust) bei...

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