Die Untersuchung des Forschungsthemas Kinofilmmarketing erfolgt in der vorliegenden Studie aus der Perspektive des klassischen Marketing-Begriffs und unter der Anwendung des Marketing-Mix mitsamt seiner vier Marketinginstrumentarien – Produktpolitik, Kommunikationspolitik, Distributionspolitik und Preispolitik – . Aus diesem Grund sollen in diesem Kapitel zunächst die Grundlagen der klassischen Marketinglehre komprimiert dargestellt werden.
Der Marketing-Begriff und das ihm zugrundeliegende Verständnis von den Funktionen und Aufgaben des Marketing werden in der Literatur und der Praxis sehr unterschiedlich behandelt. Stark vereinfacht können die Marketingdefinitionen jedoch in zwei Kategorien eingeteilt werden:
in eine klassische, ökonomische (enge) Definition, nach dessen Konzept sich Marketing als die „Verwirklichung einer optimalen Unternehmens-Umfeld-Koordination durch eine konsequente Ausrichtung aller unmittelbar und mittelbar den Markt berührenden Entscheidungen an dessen Erfordernissen (Marketing als Maxime)“ (Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 2002: 14) definieren lässt;
in eine moderne, generische (weite) Definition: „Marketing ist ein Prozess im Wirtschafts- und Sozialgefüge, durch den Einzelpersonen und Gruppen ihre Bedürfnisse und Wünsche befriedigen, indem sie Produkte und andere Dinge von Wert erzeugen, anbieten und miteinander austauschen“ (Kotler/Bliemel 1995: 17).[8]
Obwohl die generische, weite Interpretation des Marketing zunehmend auch im deutschsprachigen Raum Anhänger findet, wird hierzulande Marketing doch in der Regel von der marketingspezifischen Fachliteratur gemäß der ökonomischen Interpretation auf den unternehmerischen Kontext begrenzt und als ein Konzept marktorientierter Unternehmensführung definiert (vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 2002: 13). Beim klassischen Konzept steht der Kunde im Mittelpunkt des Interesses. Einsatz- und Wirkungsmöglichkeiten des Marketing im Rahmen gesellschaftlicher und zwischenmenschlicher Prozesse spielen keine Rolle. Für diese Interpretation des Marketing sind im Wesentlichen acht Merkmale typisch (vgl. Meffert 1998: 7f):
1. Die bewusste Absatz- und Kundenorientierung aller Unternehmensbereiche. Nicht das Produkt, sondern die Probleme, Wünsche und Bedürfnisse aktueller und potenzieller Kunden stehen am Anfang aller Überlegungen (Philosophieaspekt).
2. Die Erfassung und Beobachtung der für eine Unternehmung relevanten Umweltschichten (unter anderem Käufer, Absatzmittler, Konkurrenten, Staat) zur Analyse ihrer Verhaltensmuster. Eine verhaltenswissenschaftliche Orientierung bedingt eine interdisziplinäre Ausrichtung des Marketing (Verhaltensaspekt).
3. Die schöpferisch-gestaltende Funktion der systematischen Marktsuche und Markterschließung. Hierzu gehört die planmäßige Erforschung des Marktes als Voraussetzung für kundengerechtes Verhalten (Informationsaspekt).
4. Die Festlegung marktorientierter Unternehmensziele und Marketingstrategien, das heißt, der Entwurf eines längerfristigen, auf die Marktteilnehmer (Konsumenten, Handel und Wettbewerber) und die relevante Umwelt (zum Beispiel Öffentlichkeit, Staat) ausgerichteten Verhaltensplanes sowie die Setzung von Akzenten bei der Auswahl und Bearbeitung von Märkten (Strategieaspekt).
5. Die planmäßige Gestaltung des Marktes, das heißt, der zieladäquate und harmonische Einsatz aller Instrumente des Marketing-Mix (Aktionsaspekt).
6. Die Anwendung des Prinzips der differenzierten Marktbearbeitung. Der Gesamtmarkt jeder Unternehmung ist nach bestimmten Kriterien zu zerlegen (Segmente). Sie bilden die Grundlage für eine bewusste, intensitätsmäßig abgestufte Marktbearbeitung (Segmentierungsaspekt).
7. Die Koordin.ation aller marktgerichteten Unternehmensaktivitäten, das heißt, die organisatorische Verankerung des Marketingkonzepts innerhalb der Unternehmensorganisation (Koordinierungsaspekt).
8. Die Einordnung der Marketingentscheidungen in größere soziale Systeme (Sozialaspekt).
Einer der Schlüsselbegriffe im Marketing ist der Marketing-Mix, der folgendermaßen definiert werden kann: „Der Marketing-Mix ist die Kombination aus den Marketinginstrumentarien, die das Unternehmen zur Erreichung seiner Marketingziele auf dem Zielmarkt einsetzt“ (Kotler/Bliemel 1995: 141). In Wissenschaft und Praxis hat sich folgende Teilung der Marketinginstrumente durchgesetzt (vgl. Kuß 2001: 163).
- Produktpolitik
- Preispolitik
- Distributionspolitik
- Kommunikationspolitik
Das Produkt wird auch als „Herz des Marketing“ (Meffert 1998: 317) bezeichnet. Denn die Grundlage jeden Geschäfts ist ein Produkt oder Angebot. Ein Unternehmen versucht, das Produkt beziehungsweise Angebot in der Weise anders und besser zu machen, dass die Zielgruppe veranlasst wird, es zu kaufen oder sogar einen höheren Preis dafür zu zahlen (vgl. Kotler 1999: 97). Im Falle der vorliegenden Arbeit ist das Produkt der Kinofilm, der sich von den Konkurrenzfilmen durch Inhalt, Stoff, etc. absetzen und somit die Zuschauer dazu bringen soll, gerade für diesen Film eine Kinokarte zu erwerben. Die Bedeutung der Produktpolitik wird durch die folgenden vier Punkte illustriert:
- Marktorientierte Produktgestaltung als konstitutives Merkmal des Marketing
Die Engpasssituation im Absatzmarkt zwingt dazu, nicht mehr zu vermarkten, was produziert wird, sondern zu produzieren, was man glaubt, absetzen zu können. Kennzeichen des Marketing: Ausrichtung der Produkte an Kundenwünschen (vgl. Kuß 2001: 173). Auf das Produkt Film bezogen bedeutet dies, Filme nicht nur aus rein künstlerischen Motiven zu produzieren, sondern darauf zu achten, dass diese Filme auch ein Zielpublikum haben.
- Produkte als unverzichtbare Teile („Basis“) des Marketing-Mix
Das Produkt ist nicht nur unverzichtbar, sondern häufig dominierender Bestandteil des Marketing-Mix. Die anderen Instrumente werden oft wegen der Schwierigkeit und Risiken der Entwicklung wettbewerbsfähiger Produkte auf die Eigenschaften und die Positionierung des Produkts abgestimmt.
- Produktvorteile als Ausgangspunkt zur Gewinnung von Wettbewerbsvorteilen
Das Angebot von Leistungen, die denen von Wettbewerbern deutlich überlegen sind und für die deshalb höhere Preise erzielt werden können, ist dem Angebot gleichwertiger Leistungen zu niedrigeren Preisen vorzuziehen. Die erstgenannte Strategie wird von vielen Unternehmen bevorzugt, weil Produktvorteile von Wettbewerbern schwieriger zu imitieren sind als Preisvorgaben anzugleichen. Somit lassen sich auch Preiskämpfe vermeiden. Die Entwicklung überlegener Produkte ist in vielen Fällen die Grundlage für Wettbewerbsvorteile und daraus resultierende Markterfolge (vgl. Kuß 2001: 173). Für das Produkt Film ist es insbesondere bedeutsam, durch seine Qualität eine Überlegenheit auf dem Markt zu erkämpfen, weil über die Preispolitik in der Regel kein Wettbewerbsvorteil erzielt werden kann (die Kinokarte kostet für jeden Film gleich viel). Daraus lässt sich ableiten, dass die Produktqualität eine zentrale Dimension der Produktpolitik ist.
„Die Deutsche Gesellschaft für Qualität e.V.“ vertritt folgende Auffassung: „Qualität ist die Gesamtheit von Eigenschaften und Merkmalen eines Produktes oder einer Tätigkeit, die sich auf deren Eignung zur Erfüllung gegebener Erfordernisse bezieht“ (Zentes 1998: 367). Daraus lassen sich zwei zentrale Qualitätskonzepte ableiten: der produktbezogene Qualitätsbegriff, der sich auf das Niveau der Eigenschaften des Produktes bezieht. Diese Eigenschaften werden nach objektiven Kriterien gemessen. Da aber letztendlich immer der Kunde über die Qualität eines Angebotes entscheidet, ist ein kundenbezogener Qualitätsbegriff angebrachter. Das Qualitätsmaß wird durch den wahrgenommenen Nutzen der Nachfrager definiert. Es lassen sich wiederum zwei Komponenten der kundenbezogenen Produktqualität unterscheiden:
- Anmutungsqualität: In wie weit ist ein Produkt in der Lage, beim Kunden emotionale Empfindungen zu wecken und damit Bedürfnisse zu aktivieren;
- Wahrgenommene Leistungsfähigkeit: Hier wird das objektive Produkt im Lichte der individuellen Nutzenerwartungen der Kunden bewertet. Für den Kunden können sich ein physischer oder ein psychischer Nutzen herausstellen, was dazu befähigt, einem Produkt eine physische oder psychische Qualität zuzusprechen. Bei der psychischen Qualität spielt die Markenpolitik eine wichtige Rolle (vgl. Zentes 1998: 367).
Weil es schwer ist, für das Produkt Film einen objektiven Qualitätsstandard zu erfassen und zu messen, ist gerade im Filmmarketing der kundenbezogene Qualitätsbegriff von erstrangiger Bedeutung. Die Qualität eines...