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E-Book

Thinking Environment

Denkräume schaffen in Coaching und Beratung

AutorMarion Miketta
VerlagJunfermann
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783955717605
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Wer wagt, selbst zu denken, der wird auch selber handeln (Bettina von Arnim) Marion Miketta stellt in ihrem Buch das Prinzip des Thinking Environment vor: einer speziellen 'Denk-Umgebung', basierend auf zehn Komponenten, mit deren Hilfe Menschen klar, kreativ und eigenständig denken können - unabhängig von Konventionen oder Rollenerwartungen. Überall dort, wo Menschen (allein oder in Gruppen) Entscheidungen treffen, Lösungen suchen oder Veränderungen anstoßen wollen, schafft diese spezielle Atmosphäre die idealen Voraussetzung dafür. Das Konzept des Thinking Environment stammt ursprünglich von der US-amerikanischen Kommunikationsexpertin Nancy Kline. Nach jahrelanger Beobachtung und Analyse der Coachingprozesse mit Führungskräften, Privatpersonen und Gruppen beschrieb sie Bedingungen für erfolgreiche Denkprozesse. Marion Miketta, eine Schülerin von Nancy Kline, entwickelt in ihrem Buch verständliche Konzepte für die pragmatische Umsetzung in Coaching und Beratung. Praxisnah und anhand vieler Fallbeispiele macht sie deutlich: Die Qualität des Denkens hängt weniger davon ab, wie gebildet jemand ist, sondern vielmehr davon, wie von dem Ausmaß, in dem er unterstützt wird, eigenständig zu denken.

Marion Miketta lebt in Berlin und arbeitet als Thinking-Environment-Coach, -Facilitator und -Ausbilderin (<A href="http://www.merckerundmiketta.de/www.timetothink.com">www.merckerundmiketta.de/www.timetothink.com</A>). Die Qualität des tiefen Zuhörens hat sie durch den vietnamesischen Zen-Meister Thich Nhat Hanh erfahren.

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Leseprobe

Einleitung


An einem sonnigen, aber kalten Tag Ende Januar stehen wir – eine Gruppe aus 13 Personen – auf dem Alexanderplatz in Berlin. Gemeinsam suchen wir nach Antworten auf die Frage, wie wir auf die zunehmende gesellschaftliche Spaltung reagieren und welchen Beitrag wir für mehr Verbundenheit leisten können. Wir halten Pappschilder in die Höhe, auf denen steht: „Was bewegt Sie? Ich höre zu.“ Die Kunst des Zuhörens „auf die Straße“ zu bringen und jedem vorurteilsfrei ein offenes Ohr zu schenken, erscheint uns lohnenswert. Und offenbar sind wir damit nicht alleine: „Is dit geil“, ruft uns eine Frau zu, „wenn ich damit anfange, dann höre ich gar nicht mehr auf!“ Allein die Vorstellung, dass ihr zugehört wird, bereitet ihr gute Laune. Andere bleiben stehen. Sie erzählen uns von gestiegenen Mietpreisen, ihrer Obdachlosigkeit, Diskriminierungserfahrungen als Roma oder auch der Sorge vor Überfremdung. Uns wird Wohlwollen und Neugier entgegengebracht. Der Wunsch, sich auszutauschen, einander zu begegnen und miteinander in Kontakt zu treten, ist deutlich spürbar.

Nur unsere Schilder und der Blickkontakt laden die Passanten ein, auf uns zuzukommen. Sie werden nicht aktiv von uns angesprochen. In keinem Fall unterbrechen wir sie oder drängen unsere eigenen Sichtweisen auf.

Das Ergebnis dieses Experimentes ist verblüffend: Nicht nur durch die Gespräche selbst, sondern schon allein durch unsere einladende Präsenz verändert sich die Atmosphäre. Es kommt uns vor, als würden wir mit unserer Haltung den Raum um uns herum gestalten. Als würden wir ein Gegengewicht bilden zu all dem „Senden“ der Werbeindustrie rings um uns herum: Wir sind auf „Empfangen“ eingestellt.

* * *

Das Thinking Environment basiert auf einer Beobachtung und einer sich daran anschließenden Frage: Die Qualität all dessen, was wir tun und entscheiden, ist abhängig von der Qualität des vorangegangenen Denkens. Was aber brauchen wir, um frei und eigenständig denken zu können?

Es ist die Kultur des aufmerksamen Zuhörens, die ein Umfeld schafft, in dem Menschen Zugang zu sich selbst und ihrem eigenen Denken bekommen können. Sie begegnen dabei nicht nur einem wohlwollenden, interessierten Gegenüber, sondern auch sich selbst: Eigene Gedanken und Gefühle, die weit über plakative Meinungen und vor sich her getragene Positionen hinausgehen, bekommen Raum und dürfen gezeigt, dürfen geäußert werden. Viele Menschen erleben das als wohltuend und erhellend.

Warum mehr Denkraum nötig ist

Leider bietet der Alltag erstaunlich wenige Gelegenheiten zum bewussten Nachdenken (und Zuhören). Ständig haben wir Wichtigeres zu tun. Immer häufiger stehen wir immer komplexeren Herausforderungen gegenüber. Der Druck wächst und wir reagieren darauf, indem wir mehrere Dinge gleichzeitig tun, um den Anforderungen gerecht werden zu können.

Die Aufmerksamkeit für das, was wir jeweils gerade tun, oder auch für die Person, mit der wir gerade interagieren, ist eingeschränkt. Zudem geraten wir leicht in einen Modus des Funktionierens: Jede freie Minute muss effektiv genutzt, To-do-Listen abgearbeitet, Nachrichten beantwortet werden. Muße und ruhige Momente des Nichtstuns erscheinen wie Zeitverschwendung und werden mit einem schlechten Gewissen quittiert.

Die Folgen davon sind u. a. das Gefühl von permanentem Getriebensein, eine Leere und die Sehnsucht nach mehr Sinn. Auch das Gespür für die eigenen Bedürfnisse, Klarheit über die eigenen Perspektiven oder auch das eigene Potenzial gehen verloren, solange alles darangesetzt wird, im System zu funktionieren. Die Qualität unseres Denkens ist beeinträchtigt: Die Weisheit, die aus freiem, eigenständigem Denken resultieren kann und jedem von uns eigentlich zur Verfügung stünde, wird nicht ausgeschöpft; die Kreativität leidet. Der Denkprozess ist blockiert oder die Gedanken drehen sich im Kreis. Viele Menschen bleiben unter ihren Möglichkeiten und leiden unter den äußeren Umständen, die ihnen nicht erlauben, ihre (gedankliche) Freiheit stärker auszuleben.

Wie das Thinking Environment helfen kann

Die Amerikanerin Nancy Kline befasst sich seit den 70er-Jahren mit der Frage, in welchem Umfeld wir Menschen am besten denken können – im Sinne von: klar, unabhängig, kreativ – und was genau passiert, wenn wir zu einer Einsicht gelangen. Sie hat herausgefunden, dass für die Qualität des Denkens das Verhalten anderer Menschen, die dabei sind, während wir denken, entscheidend ist. Paradoxerweise können Menschen nämlich v. a. dann gut eigenständig und unabhängig denken, wenn andere Interesse an ihnen zeigen, sie ermutigen und ohne Bewertung zuhören. Von den anderen hängt es also ab, wie gut wir denken können.

In zehn Komponenten beschreibt sie die Bedingungen für eine Denkumgebung, die mutiges, freies, einfallsreiches und eigenständiges Denken ermöglicht, und erläutert, wie wir diesen Raum bewusst kreieren können.

Das Thinking Environment ist weit mehr als ein Coaching-Ansatz oder ein Instrumentarium für die Gruppenarbeit. Es ist eine grundlegende Haltung, mit der Menschen einander begegnen – Einzelpersonen oder Gruppen – und die es erlaubt, dass jeder Einzelne mit sich selbst und seinem ureigenen Denken und Fühlen in Kontakt kommt. Eigene hinderliche Annahmen oder Glaubenssätze können erkannt und aufgelöst werden. Dadurch entstehen neue Freiheiten im Denken, die in praktisches Handeln umgesetzt werden, welches den Werten der denkenden Person entspricht und daher stimmig und wirkungsvoll ist.

Die Arbeit in einem Thinking Environment bewirkt eine „Aufrichtung“ der denkenden Person: Sich des eigenen Denkens zu ermächtigen ist ein Akt der Autonomie und führt zu Selbstrespekt, Selbstbestimmung, Souveränität und Würde.

In ihrer Arbeit wurde Nancy Kline durch andere Denker und Autoren inspiriert und beeinflusst, wie z. B. von Carl Rogers, George Fox, Peter Kline, Alice Miller, Humberto Maturana, Nassim Taleb und Margaret Heffernan. Besonders deutlich ist der Bezug zu Carl Rogers klientenzentrierter Gesprächspsychotherapie: Auch er beschreibt für den Erfolg einer Psychotherapie die Beziehung zwischen Klient und Therapeut, die von Wärme und Akzeptanz geprägt ist. Seiner Erfahrung nach haben Menschen eine grundsätzlich positive Entwicklungsausrichtung, sie sind prinzipiell konstruktiv, rational und sozial und selbst am besten in der Lage, ihre eigenen Probleme zu lösen. Es ist die bedingungslose Akzeptanz und Wertschätzung, die sie darin unterstützt, ihre eigenen Möglichkeiten zu entfalten.

Bei der Entwicklung des Ansatzes war es Nancy Kline aber ein Anliegen, v. a. ihre eigenen Beobachtungen und Erfahrungen damit zu beschreiben, unter welchen Bedingungen Menschen offensichtlich klar, kreativ und eigenständig denken können. (Wobei sie auch dadurch etwas mit Rogers gemein hat, der einmal formulierte: „Erfahrung ist für mich die höchste Autorität“ [Rogers 1976, S. 39]). Ihre Beobachtungen und Erfahrungen hat sie in praxisorientierte, leicht nachvollziehbare und handhabbare Methoden und konkrete Verhaltensweisen übersetzt. Manches daran mag vertraut erscheinen und auch sehr einfach. Aber: „The simple is not always easy!“ – Leicht verständlich zwar in der Theorie, aber die konkrete Umsetzung birgt einige Stolperfallen und erfordert Übung.

Was erwartet Sie in diesem Buch?

Nach einem einleitenden Blick auf die Fragen, was eigenständiges Denken hier meint und wofür wir ein Thinking Environment überhaupt brauchen, beschreibe ich im ersten Kapitel die Herkunft und die theoretische Grundlage des Ansatzes. Das Modell der zwei Denkwelten (die Welt des Denkens im Austausch und die Welt des unabhängigen Denkens) veranschaulicht in diesem Zusammenhang, inwiefern sich das Thinking Environment von üblichen Kommunikationsmustern unterscheidet. Sie bekommen einen Einblick, wie und in welchen verschiedenen Kontexten sich das Thinking Environment einsetzen lässt.

Das Zusammenwirken der zehn Bedingungen oder Komponenten, die eigenständiges Denken ermöglichen und die der zentrale Orientierungsrahmen für jegliche Arbeit mit diesem Ansatz sind, werden ausführlich im zweiten Kapitel beschrieben.

Das dritte Kapitel widmet sich der Wirkung, die ein Leben und Arbeiten mit dem Thinking Environment auf individueller sowie auf zwischenmenschlicher Ebene entfaltet. Ein Exkurs in die Hirnforschung erklärt neuropsychologisch, warum und wie die Denkumgebung wirkt.

Der zweite Teil des Buches widmet sich der praktischen Umsetzung des Thinking Environment mit Einzelpersonen und Gruppen. Ich stelle meine Erfahrungen anhand praktischer Beispiele vor und thematisiere dabei auch Widerstände, die auftreten können, sowie den Umgang damit.

Zunächst blicke ich im vierten Kapitel auf Einzelsitzungen und kläre, welche Anforderungen der Coach in diesem Ansatz zu erfüllen hat: Welche Haltung ist erforderlich, um anderen Menschen ein Thinking Environment zu sein? Inwiefern unterstützen Prinzipien der Achtsamkeit diese Arbeit?

Sie erfahren, wie ein Vorgespräch für eine Denksitzung aussehen könnte, und lernen den genauen Ablauf und die verschiedenen Arten von Sitzungszielen kennen.

Mehrere Beispiele illustrieren dabei den Prozess und die Wirkungsweise.

Im fünften Kapitel werden andere Einsatzmöglichkeiten des Thinking Environment in Zweierkontexten beschrieben wie die Supervision und das Mentoring.

Im zweiten Abschnitt des praktischen Teils gehe ich auf die Arbeit mit dem Thinking Environment in verschiedenen Gruppenkontexten...

Blick ins Buch

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