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Thomas von Kempen

Nachfolge Christi. Textauswahl und Kommentar von Gerhard Wehr

AutorThomas von Kempen
VerlagEdition Erdmann in der marixverlag GmbH
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783843802024
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
'Unser höchstes Studium sei es, das Leben Jesu Christi meditierend in uns aufzunehmen.' Thomas von Kempen Die Nachfolge Christi (De imitatione Christi), eine zur Meditation und spirituellen Orientierung anleitende Weisheitsschrift der niederdeutschen Mystik, gilt, nächst der Bibel, als die am weitesten verbreitete und übersetzte Schrift. Sie entstammt der fleißigen Feder des Augustiner Chorherrn Thomas von Kempen am Niederrhein (gestorben 1471). Dabei kann offen bleiben, ob er selbst als Verfasser oder Kompilator zu gelten hat. Doch es spricht für sich und für den hohen Rang, den man seinem spirituellen Erbauungsbuch eingeräumt hat, wenn man mehrere prominente Männer der Geistesgeschichte als Autoren für möglich gehalten hat. Gerhard Wehr umreißt die Konturen jener geistlichen Reformbewegung der sogenannten Devotio moderna (Neue Frömmigkeit), in deren Rahmen Thomas von Kempen gewirkt hat. Anhand ausgewählter Abschnitte aus der Nachfolge Christi wird deutlich, wie sehr ihr Verfasser bestrebt ist, an das urchristliche Vorbild anzuschließen und vom Evangelium her das geistliche Leben zu aktivieren. Wie die Biographien von Bonhoeffer, Edith Stein oder Dag Hammarskjöld zeigen, sind vielfältige Nachwirkungen bis heute belegbar.

Dr. theol. h.c. Gerhard Wehr, geb. 1931 in Schweinfurt/Main. Nach langjähriger Tätigkeit auf verschiedenen Feldern der Diakonie und der Erwachsenenbildung, zuletzt als Lehrbeauftragter an der Fachakademie für Sozialpädagogik in Rummelsberg/Nürnberg, arbeitet er als freier Schriftsteller in Schwarzenbruck bei Nürnberg. Ein Großteil seiner Werke zur neueren Religions- und Geistesgeschichte ist in mehreren europäischen und asiatischen Sprachen verbreitet.

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Leseprobe

II. NACHFOLGE CHRISTI


AUS DEM ERSTEN BUCH – GEISTLICHE LEBENSREGELN


Christus nachfolgen (Kapitel 1)

Wie bereits erwähnt, pflegte man in den Kommunitäten der „Devotio moderna“ Sammlungen von geistlichen Lebensregeln (admonitiones ad vitam spiritualem utiles) anzulegen, um von solchen Worten den Alltag bestimmen zu lassen. Das erste Buch der Imitatio intoniert bereits das Thema der ganzen Schrift.

1. „Wer mir nachfolgt“, spricht der Herr, „wandelt nicht in der Finsternis.“ [Joh 8,12]

Das sind die Worte Christi, mit denen wir aufgefordert werden, seinem Leben und Wandel zu folgen, wenn wir wahrhaftig erleuchtet und von aller Herzensblindheit befreit werden wollen.

2. Unser höchstes Bemühen bestehe also darin, betrachtend in das Leben Christi einzudringen (meditari). Christi Weisung (doctrina) überragt alle Lehren der Heiligen. Und wer Gottes Geist hat, wird dort das verborgene Manna finden [das Brot des Lebens, nach Offb 2,17].

3. Aber es kommt vor, dass viele trotz wiederholten Hörens des Evangeliums wenig Verlangen verspüren, weil sie Gottes Geist nicht in sich tragen. Wer aber Christi Worte in ihrer Fülle und Weisheit verstehen will, der muss danach streben, sein Leben Christus nachzubilden (conformare).

4. Was nützt es dir, Hohes über die göttliche Dreieinigkeit zu disputieren, wenn dir die Demut fehlt und wenn du der Dreieinigkeit missfällst? In der Tat, hohe Worte machen weder heilig noch gerecht. Aber ein tugendhaftes Leben bewirkt die Liebe Gottes.

5. Ich will lieber einsichtige Reue fühlen als deren Definition bestimmen können.

6. Wüsstest du die ganze Bibel auswendig, dazu die Weisheiten aller Philosophen, was nützte dir das alles, wenn dir Gottes Liebe und Zuwendung (gratia) fehlte? O Nichtigkeit (vanitas) der Nichtigkeiten, denn alles ist nichtig [Koh 1,8]; ausgenommen, Gott lieben und allein ihm dienen.

7. Das ist die höchste Weisheit: durch Geringachtung (contemptus) des Weltlichen das Himmelreich zu erstreben. Minderwertig (vanitas) ist es daher, vergängliche Reichtümer zu ergattern und ihnen zu vertrauen ... Nichtig ist es, nach Ehren zu geizen und sich nach dem Hohen auszustrecken. Nichtig ist es, ein langes Leben zu wünschen und sich wenig um ein gutes Leben zu kümmern. Nichtig ist es, allein auf das jetzige Leben zu setzen und an das künftige nicht zu denken. Nichtig ist es, das Vergehende, Flüchtige zu lieben und nicht dorthin sehnsuchtsvoll zu eilen, wo eine immerwährende Freude andauert.

8. Denke oft an das Sprichwort, dass das Auge vom Sehen und das Ohr vom Hören nicht satt wird. Sei daher bestrebt, dass sich dein Herz von der Liebe zu den sichtbaren Dingen entfernt und sich dem Unsichtbaren zuwendet.

Erkenne dich selbst (Kapitel 2)

Als Kompilator der „Nachfolge Christi“ bezieht sich Thomas von Kempen zwar durchwegs auf das biblische Wort, das er bei seiner Leserschaft als bekannt voraussetzen kann. Aber darüber hinaus spielt er als Beleg für seine literarische Bildung wiederholt auf Aussprüche aus der philosophischen oder der Vätertradition an.

1. Natürlicherweise verlangt jeder Mensch nach Wissen. Aber was ist schon bloßes Wissen ohne Gottesfurcht? Da ist es besser, ein biederer (humilis) Bauer zu sein, der Gott dient, als ein hochmütiger Philosoph, der zwar den Lauf des Himmels kennt, aber darüber sich selbst vernachlässigt.

2. Wer sich selbst gründlich erkennt, nimmt sich selbst nicht so wichtig; auch geht er dem menschlichen Lob aus dem Weg.

3. Lass die übergroße Wissbegier auf sich beruhen, denn darin liegen große Zerstreuung und Täuschung. Wissbegierige wollen gern gesehen, gehört und weise genannt werden. Vieles gibt es, dessen Kenntnis der Seele wenig oder zu Garnichts dient. Sehr unklug ist, wer nach anderen Dingen trachtet als nach denen, die seinem Heil dienen. Viele Worte sättigen die Seele nicht. Aber ein gutes Leben erfrischt das Gemüt (mens). Und ein gutes Gewissen stärkt das Gottvertrauen (confidentia). Je mehr du weißt, desto kritischer wirst du beurteilt werden, wenn du nicht heiliger gelebt hast. Daher brüste dich nicht mit irgendeinem Können oder Wissen, sondern wenn dir Wissen verliehen ist, so nimm zu in der Furcht Gottes.

4. Wenn du viel weißt, so erscheint es wenig gegenüber dem, was du nicht weißt. Sei nicht hochmütig (altum sapere), sondern stehe lieber zu deinem Nichtwissen. Warum willst du dich über andere stellen, die gelehrter und in der geistigreligiösen Tradition (lex) erfahrener sind?

5. Willst du etwas Brauchbares wissen und lernen, so sei es dir lieber, nicht erkannt und für nichts geachtet zu werden.24

Das ist die höchste und wertvollste (verissima) Lektion, das heißt: sich selbst recht erkennen und gleichzeitig sich selbst gering schätzen ...

Von der Wahrheit (Kapitel 3)

1. Glücklich, wen die Wahrheit durch sich selbst belehrt, und zwar nicht durch irgendwelche Gestalten und vergängliche Stimmen, sondern wie sie sich selbst darstellt. Unsere Fähigkeiten täuschen uns oft und reichen nicht tief genug. Was nützt bloße Sophisterei (cavillatio) über okkulte und verborgene Dinge, über die wir am Tag des Gerichts nicht beurteilt werden? Große Torheit ist es, das Nützliche und Notwendige zu versäumen und lediglich dem Neugier Erregenden und dem Verderben Bringenden nachzujagen! Augen haben wir, aber wir sehen nicht! Warum sind wir so versessen auf die Bezeichnungen von Gattungen und Arten? – Wenn das ewige Wort zu dir spricht, ergeben sich viele Anschauungen und Meinungen. Denn alles entstammt dem einen Wort [Joh 1,3]. Das ist der Anfang (principium), der zu uns spricht. Ohne ihn versteht man nichts oder beurteilt man falsch. Nur wer ein festes Herz (cor stabilis) und Gottes Frieden hat, dem sind alle Dinge eines. O Gott, der du die Wahrheit bist, vereinige mich mit dir in der ewigen Liebe!

2. Des vielen Lesens und Hörens bin ich oft überdrüssig. Aber in Dir [Wahrheit], Gott und Wort des Vaters, liegt das Ganze. Es verlangt mich, dies [Dich] zu haben. So mögen vor deinem Anblick alle Lehrer schweigen; und verstummen mögen alle Kreaturen. Allein Du sprich zu mir! Je mehr ein Mensch innerlich eins geworden ist, desto Höheres und Größeres erfasst er durch Dich ohne Mühe, weil er von oben her das Licht der Erkenntnis (lumen intelligentiae) empfängt ...

3. Ein guter und gottergebener Mensch (devotus homo) erwirkt (disponit) die äußeren Werke zuvor in seinem Innern. Nicht von abwegigen Neigungen (desideria vitiosae inclinationis) lässt er sich antreiben, sondern von der rechten Vernunft lässt er sich leiten. – Ein großer Kampf ist’s, sich selbst zu besiegen.

4. Demütige Selbsterkenntnis (humilis tui cognitio) ist ein sichererer Weg zu Gott als eine wissenschaftliche Forschungsweise. Das Wissen und die Kenntnis einer Sache sind [für sich genommen] nicht sträflich, sondern in Ordnung und von Gott gewollt. Aber ein gutes Gewissen und ein gutes Leben haben stets noch größeren Wert. Weil aber manchen das Wissen[wollen] wichtiger ist als eine gute Lebensführung, gehen sie oft in die Irre und erhalten keine oder nur mäßige Frucht.

5. Ach, wenn sie nur so viel Mühe darauf verwendeten, um ihre Mängel auszurotten, wie sie sich auf das rationale Problematisieren konzentrieren, so geschähen nicht so viel Skandalöses, nicht so viel Verärgerung darüber im Volk und nicht so viele Auflösungserscheinungen in den Klöstern!

6. Am Tag des Jüngsten Gerichts werden wir nicht gefragt werden, was wir gelesen, sondern was wir getan haben; nicht um schöne Redensarten wird es gehen, sondern gelebte Frömmigkeit ist gefragt.

7. Nun sag mir: Wo sind eigentlich alle jene Herren und Lehrmeister (magistri), die du gut kanntest, solange sie noch lebten und ihre Wissenschaften noch florierten? Schon verfügen andere über ihre Sachen ... In ihrem Leben schienen sie etwas zu sein, doch heute schweigt man von ihnen. O wie rasch vergeht der Ruhm der Welt! (O quam cito transit gloria mundi!) Ja, wenn ihr Leben mit ihrer Wissenschaft übereingestimmt (concordasset) hätte, dann hätten sie durchaus gut studiert und recht gelesen. Aber wie viele gehen durch wertloses Wissen (vana scientia) in dieser Welt zugrunde; es sind Menschen, die nicht um den Dienst Gottes Sorge tragen. Lieber wollen sie groß sein als demütig. Deshalb entwertet sich ihr ganzes Denken.

8. Wahrhaft groß ist, wer große Liebe übt. Und wahrhaft groß ist, wer [seiner eigenen Einschätzung nach] in sich klein ist; [das heißt] wer es als höchste Ehre ansieht, nichts zu gelten. Wahrhaft klug ist, wem das Irdische wie Kot [stercora; Phil 3,8] erscheint, um letztlich Christus zu gewinnen. Und wahrhaft gelehrt ist, wer den Willen Gottes tut und darüber seinen eigenen Willen aufgibt.

Klug handeln (Kapitel 4)

1. Einem Wort oder einer Tatsache soll man nicht ohne Weiteres vertrauen, sondern alles behutsam und vorsichtig vor den...

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