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Tiergestützte Interventionen in Hilfekontexten Sozialer Arbeit

AutorKatrin Schnegelberger
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl76 Seiten
ISBN9783656587873
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,0, Frankfurt University of Applied Sciences, ehem. Fachhochschule Frankfurt am Main, Sprache: Deutsch, Abstract: Tiere werden in der Praxis Sozialer Arbeit bereits seit über 200 Jahren in den unterschiedlichsten Formen eingesetzt, vor allem bei Kindern sowie bei alten und behinderten Menschen. 'In Einrichtungen der stationären Erziehungshilfe werden zunehmend Tiere wie Esel, Pferde oder auch Lamas gehalten, um Kindern und Jugendlichen förderliche Entwicklungsbedingungen zu schaffen. Schulen bieten Projekte mit Schulhunden an'. Des Weiteren werden Tiere im Rahmen von Freizeitprogrammen für Kinder angeboten, wie in Form von Reiterhöfen und auch für behinderte Menschen gibt es zahlreiche Angebote. Assistenztiere sollen den Alltag von Menschen mit Behinderung erleichtern, so z. B. Blindenführhunde oder Behindertenbegleithunde. Die Praxis wird in der Wissenschaft der Fachdisziplin Soziale Arbeit jedoch nicht zum Thema gemacht und bedient sich daher anderen Wissenschaftsdisziplinen, was zur Folge hat, dass 'ein eigenständiger sozialarbeitswissenschaftlicher Fachdiskurs' nicht entstehen kann. Der Fokus in dieser Arbeit wird auf tiergestützte Interventionen gelegt, die in der Sozialen Arbeit Anwendung finden bzw. vermehrt finden könnten, denn ein Großteil tiergestützter Arbeit ist therapeutisch angelehnt und tiergestützte Pädagogik, die meist bei Kindern und Jugendlichen angewandt wird, deckt nur einen kleinen Teilbereich der Möglichkeiten Sozialer Arbeit ab. Tiergestützte Interventionen sind Maßnahmen, die unter Einbezug eines Tieres erfolgen (s. Kap. 1.3). Das Klientel ist sehr breit gefächert und überschneidet sich mit dem Klientel, das auch zum Großteil in der Sozialen Arbeit zu finden ist. Otterstedt (2001) befasst sich in großem Umfang mit den Zielgruppen, welche einen Nutzen aus der Begegnung mit einem Tier ziehen können, die im Laufe dieser Arbeit noch dargestellt werden. Darunter fallen auch Menschen mit autistischen Störungen (s. Kap. 5.1). Nach der ICD-10 (Internationales Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation) sind dies tiefgreifende Entwicklungsstörungen, die sich 'durch deutliche Auffälligkeiten im Bereich der sozialen Interaktion und Kommunikation' sowie durch ein sich ständig wiederholendes Verhalten auszeichnen.[...]

Bachelor-Studium der Sozialen Arbeit an der Frankfurt University of Applied Sciences (Okt. 2010 - Feb. 2014) Erwerb der staatlichen Anerkennung als Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin (B.A.) im stationären Bereich (psychiatrisches Wohnheim) (Apr. 2015) Seit Oktober 2015 Master-Studium an der Hochschule Osnabrück, "Soziale Arbeit: Lokale Gestaltung sozialer Teilhabe", Osnabrück (Niedersachsen)

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Leseprobe

1 Historische Entwicklung tiergestützter Interventionen


 

Tiere sind schon immer die Begleiter des Menschen, ob als Nutz-, Last- oder Haustiere. Während manche Tierarten (z. B. Schweine, Rinder, Hühner) in Deutschland bis heute als Nutztier gehalten werden, diente der Hund zunächst als Gefährte bei der Jagd, wurde schließlich zum Haustier und damit zum Familienmitglied[11]. Der Stellenwert bzw. der Nutzen eines Tieres ist jedoch in jedem Land unterschiedlich. Die Kuh dient in Deutschland als Nutztier, den Menschen in Indien ist sie jedoch heilig und dürfte dort niemals getötet oder gar geschlachtet und gegessen werden. Auch der Hund, der in dieser Arbeit eine große Rolle spielt, genießt nicht in allen Ländern einen so hohen Status wie in Deutschland und wird in manchen Kulturen noch heute als Nahrungsquelle genutzt[12]. Die Domestizierung des Hundes erfolgte bereits in der Altsteinzeit, was ihn zu einem der ältesten Haustiere überhaupt macht. Der entscheidende Grund für seine Domestizierung konnte jedoch bis heute nicht genau herausgefunden werden[13]. Seine gute Anpassungsfähigkeit an den Menschen trug maßgeblich dazu bei, dass sich der Hund nicht nur als Haustier durchsetzte, sondern mittlerweile auch innerhalb tiergestützer Interventionen einen hohen Stellenwert einnimmt[14]. Die Katze hingegen galt zwar in Ägypten bereits als heilig und wurde verehrt, ihre Domestizierung erfolgte jedoch erst wesentlich später. Ihr schrieb man lange Zeit Untreue zu, da sie im Vergleich zum Hund eher zu den Einzelgängern zählte, die ihr Herrchen nicht freudig begrüßte. Der Katze wurde daher selbst 1958 noch unterstellt, keine Bindung zum Menschen aufbauen zu können, wie dies der Hund von sich aus macht. Mittlerweile wird jedoch auch sie im Rahmen tiergestützter Interventionen eingesetzt, bei denen Menschen den Kontakt zum Tier zwar zu schätzen wissen, aber nicht erzwingen wollen, da Katzen lieber von sich aus den Kontakt zum Menschen suchen[15]. Vor allem in den Vereinigten Staaten von Amerika sowie in Österreich und der Schweiz finden tiergestützte Interventionen bereits seit einigen Jahren Anwendung. „Die positive, fördernde und oftmals tatsächlich heilsame Wirkung von Tieren auf den Menschen allgemein, auf Menschen mit Störungen und Beeinträchtigungen im Besonderen steht dort außer Frage“[16]. Diese Entwicklung konnte in den letzten Jahren auch zunehmend in Deutschland beobachtet werden. So sind sowohl auf wissenschaftlicher als auch auf Seiten der Praxis Fortschritte zu beobachten, die auf einen positiven Effekt beim Menschen durch Einsatz eines Tieres abzielen[17]. Die Umsetzung tiergestützer Interventionen begann bereits in den angelsächsischen Staaten, wo auch die wissenschaftliche Erforschung des Einbezuges von Tieren als Helfer und Heiler ihren Anfang fand. Durch die erfolgreiche Anwendung, die der Wissenschaft vorausging, wurden schließlich diverse Forschungs-initiativen gegründet. So wurden Tiere bereits im achten Jahrhundert in Belgien für therapeutische Zwecke eingesetzt[18]. In England wurde im 18. Jahrhundert von Quäkern eine Einrichtung namens „York Retreat“ gegründet, in der sich Geisteskranke um Gärten kümmerten und Kleintiere versorgten, denn die Mönche des Klosters York waren der Meinung, dass „den in der Seele und am Körper Beladenen ein Gebet und ein Tier“ helfe[19]. Im 19. Jahrhundert öffnete schließlich in Deutschland eine Einrichtung für Epileptiker, in der Hunde, Katzen, Schafe und Ziegen gehalten wurden und in der man von der heilenden Wirkung von Tieren überzeugt war. Die Erfahrungen dieser Einrichtung wurden jedoch nicht dokumentiert und waren für die Wissenschaft daher unbrauchbar, sodass Theorien erst wesentlich später entstanden sind[20].

 

In den 1960er Jahren wurde tiergestützte Arbeit in Zeitschriften sowie in ersten, kurzen, wissenschaftlichen Berichten diskutiert, fand aber nicht ausreichend Aufmerksamkeit. Dies änderte sich, als Boris M. Levinson, ein amerikanischer Psychotherapeut für Kinder, 1969 ein erstes Standardwerk mit dem Titel „Pet-Oriented Child Psychotherapy“ (Heimtierorientierte Kinder-Psychotherapie) herausbrachte. Levinson beobachtete eher zufällig, wie hilfreich sein Hund Jingles, ein Golden-Retriever, bei der Therapie von Kindern und Jugendlichen sein konnte und nutzte ihn von da an als sogenannten „Co-Therapeut“[21]. Durch Levinsons Entdeckung begannen Wissenschaftler aus unterschiedlichen Bereichen und Menschen aus Heilberufen eine Reihe von Experimenten, Versuchen und Dokumentationen zur heilenden Wirkung von Tieren[22]. „Der Begriff 'pet facilitated therapy' wurde zum Schlagwort eines neuen Wissenschaftszweigs, der 'Mensch-Tier-Beziehung'“[23]. Schließlich wurde 1977 von Amerikanern und Engländern die „Delta Society“ (heute: „Pet Partners“) gegründet. Eine Gesellschaft, die sich das Ziel gesetzt hat, die wissenschaftliche Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung weiterzuführen und bis heute sowohl im wissenschaftlichen Bereich als auch bei der Umsetzung tiergesützter Interventionen eine wichtige Rolle spielt. Mittlerweile gibt es außerdem zahlreiche Unterorganisationen in fast allen westlichen Staaten[24]. Die Praxis kam jedoch immer noch schneller voran als die Theorie. Es entstanden „Pet Visiting Progams“ (deutsch: Heimtierbesuchs-Programme). Vereine aus dem Tierschutz und der Hundezucht gingen mit ihren selbst ausgebildeten „Therapie-Tieren“ in Einrichtungen wie Alten- und Pflegeheime, Krankenhäuser sowie in psychiatrische Einrichtungen. Zudem wurden Streichelzoos für Kinder aus der Großstadt eingerichtet, Heimtiere an kranke und einsame Menschen vermittelt und sogenannte „Service-Hunde“ ausgebildet, die Menschen mit körperlicher Behinderung zusätzlich eine Assistenz im Alltag sein sollten. In Deutschland stießen tiergestütze Interventionen anfangs auf wenig Interesse. Lediglich therapeutisches Reiten für kranke Menschen war in Deutschland bereits populär sowie in Wissenschaft und Praxis fortgeschritten[25].

 

In den 1980er Jahren wurden schließlich erste Studien und Experimente durchgeführt. Einige Psychologen und Ärzte empfahlen, Tiere in Alten- und Pflegeheimen einzusetzen und sie in Krankenhäusern zu erlauben. Theodor Grimm, ein Münchner Psychiater, verschrieb seinen Patienten gegen psychosomatische Störungen keine Medikamente, sondern ein Haustier. Dennoch kamen die wissenschaftliche Entwicklung und praktische Anwendung im Vergleich zu anderen Ländern nur langsam voran und der Einsatz von Tieren in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen und anderen sozialen und pflegenden Einrichtungen erschien vielen Deutschen als unmöglich. Empfehlungen, dass Tiere in Institutionen eingesetzt werden sollten, gibt es erst seit wenigen Jahren, zum Beispiel durch die Vereine Leben mit Tieren und Tiere helfen Menschen, die Interessenten auch über Methoden, Konzepte und die geeignete Tierart informieren und beraten. Der Forschungskreis Heimtiere in der Gesellschaft versucht die Öffentlichkeit und Fachkreise durch Veröffentlichungen und Studien zum Thema „Tiere als therapeutische Begleiter“ auf tiergestützte Arbeit aufmerksam zu machen[26]. Die Wissenschaft selbst hat jedoch genau genommen gar keinen Namen, obwohl die „Mensch-Tier-Beziehung“ oft als Oberbegriff für die wissenschaftliche Erforschung genannt wird, auf die nun im folgenden Kapitel eingegangen wird[27].

 

1.1 Aktueller Stand der Fachdiskussion


 

Der Fokus bei der wissenschaftlichen Betrachtung tiergestützter Arbeit liegt in erster Linie auf der Erforschung der Beziehung zwischen Mensch und Tier. Für diesen Wissenschaftszweig werden jedoch nur wenige öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt, was die wenigen Forscher, die sich dem Themengebiet annehmen, vor eine große Herausforderung stellt, da sie auf private Unterstützung angewiesen sind[28]. Dies und die Tatsache, dass die entscheidenden Faktoren einer Mensch-Tier-Beziehung nur schwer zu messen sind, sind die Gründe dafür, dass es bisher nur wenige wissenschaftlich fundierte Studien in diesem Bereich gibt[29]. Wie in der Einleitung bereits angesprochen, besteht weiterhin das Problem, dass die Soziale Arbeit keine eigene Forschung auf diesem Gebiet betreibt und sich daher bei anderen Fachdisziplinen bedient, um die Praxis anhand von wissenschaftlichen Erkenntnissen erklären zu können[30]. „Tiere werden in der Heil- und Sonderpädagogik, Behindertenpädagogik, Psychomotorik und Medizin sehr viel intensiver behandelt. Vor allem auch in den anglo-amerikanischen Ländern ist die Fachdebatte renommierter und elaborierter als in Deutschland“[31]. Die Aufgabe der Fachdisziplin Soziale Arbeit ist es laut Buchner-Fuhs/Rose (2012) deshalb, der Frage nachzugehen, „wie das Zusammenwirken von Mensch und Tier wissenschaftlich untersucht, verstanden und für eine reflexive Praxis genutzt werden kann“[32]. Während tiergestützte Interventionen in den in Kap. 1 genannten Ländern schon lange auf Zuspruch stoßen und die Menschen dort von dem positiven Effekt, den Tiere auf Menschen haben können, überzeugt sind, werden praktische Projekte und wissenschaftliche Studien in Deutschland erst seit dem Jahr 2000 durchgeführt. Seitdem hat sich die Praxis in Deutschland entwickelt und...

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