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Tierschutzrechtliche Problemfelder im kontemporären Pferdesport

Rechtliche Betrachtung von Handlungsbedarfen und Entwicklung von Lösungsansätzen für Staat und Verwaltung

AutorLukas Sanders
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl100 Seiten
ISBN9783739263144
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Die Arbeit analysiert die aktuelle Situation des Pferdesports aus tierschutzrechtlicher Sicht und nennt konkrete Lösungsansätze für Gesetzgeber und Behörden, auf Probleme zu reagieren. Nach einem Abriss über die Geschichte des Tierschutzrechts, sowie einer Beschreibung der aktuellen Normen einerseits und der Richtlinien der Reitsportverbände andererseits, werden zunächst Grundsätze des verfassungsmäßigen Tierschutzes erörtert, anhand derer die aktuelle Rechtslage unter Heranziehung aktueller Phänomene aus dem Pferdesport kritisch hinterfragt wird. Es folgt die Entwicklung von Lösungsansätzen im Verantwortungsbereich des Gesetzgebers, aber auch kurzfristig umsetzbarer Lösungen auf der Ebene der Verwaltungsbehörden. Neben aktuellen Erkenntnissen der Veterinärmedizin, Tierpsychologie und Reitlehre werden auch Gespräche mit Tierärzten, Veterinärbehörden und Reitpraktikern genutzt; insbesondere bei der Entwicklung von Lösungen wird auf Beispiele aus der Verwaltungspraxis und Vorschläge von Praktikern zurückgegriffen.

Der Autor ist als Kommunalbeamter tätig und studierte an einer Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Allgemeines Verwaltungsrecht. Als ehrenamtlicher Dozent an einer öffentlichen Schule und freiberuflicher Autor und Referent, hauptsächlich im Bereich der Sozial- und Rechtswissenschaften, engagiert er sich zudem für Forschung und Bildung.

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Leseprobe

C. Problemlagen und deren Ursachen


Es existieren zahlreiche auf das Pferd bezogene tierschutzrechtliche Problemlagen, wobei nicht alle ihre Ursache im Bereich des Reitsports haben oder unmittelbar mit diesem zusammenhängen. Die nachfolgende, keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebende Aufzählung orientiert sich an der Leitfrage, welche (dringenden) Handlungsbedarfe und Handlungsmöglichkeiten von staatlicher Seite bestehen und lässt daher in diesem Sinne nicht weiterführende Phänomene außer Acht.

Als Maßstab für die Einordnung als tierschutzrechtlich problematisch sollen neben den Vorschriften des Tierschutzrechts auch eine Betrachtung der verfassungsrechtlichen Grundlagen und historischen bzw. ethischen Hintergründe des deutschen Tierschutzrechts sowie die Heranziehung von Leit- und Richtlinien, Vorschriften anderer Staaten, Erkenntnissen aus der neuen Reitlehre und Einschätzungen von Veterinärmedizinern dienen.

I. Übermäßiger Einsatz von Hilfsmitteln


Immer wieder wird bemängelt, dass Reiter übermäßig Hilfsmittel einsetzen bzw. schädliche Hilfsmittel nutzen, um Pferde auszubilden oder die Leistung zu steigern. Hier kommt eine Reihe von Hilfsmitteln in Betracht, welche unter Umständen einen Verstoß gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen darstellen können.

Hilfsmittel sind in der deutschen Reitlehrer lediglich Unterstützung des Reiters; die FN mahnt zu verantwortungsbewusstem und mäßigem Einsatz63 und verbietet sowohl den übermäßigen Einsatz von Hilfsmitteln als auch den Einsatz bestimmter, besonders gefährlicher Hilfsmittel (u.a. §§ 70 ff LPO). Dennoch sind der übermäßige Hilfsmitteleinsatz und der Einsatz schädlicher Hilfsmittel zu beobachten.

1. Sensibilisierung von Springpferden


Bei Ausbildung und Wettkampfvorbereitung werden häufig Methoden angewandt, die die Sprunghöhe der Pferde verbessern sollen.

Beim Barren wird während des Sprungs die Hindernisstange ruckartig angehoben, sodass sie gegen das Bein des Pferdes schlägt (aktives Barren)64. Auch kann eine Metallstange vor die eigentliche Hindernisstange gelegt 65 oder das Hindernis elektrifiziert 66 werden (passives Barren). Durch die zugefügten Schmerzen soll das Pferd lernen, Hindernisse höher einzuschätzen, seine Beine stärker anzuziehen und so seine Sprungfähigkeit verbessern67.

Eine weitere Methode ist das Blistern bzw. chemische Barren, bei dem die Beine des Pferdes mit ätzenden Substanzen, um die Pferdebeine berührungsempfindlicher zu machen und die Pferde so zu zwingen, die Beine verstärkt anzuziehen68. Diese Methode dient traditionell zur Behandlung von Entzündungen und Lahmheit sowie zur Förderung der Durchblutung, die Wirksamkeit gegen Lahmheit wird allerdings angezweifelt69.

Alle Methoden des Barrens zielen darauf ab, dem Pferd Schmerzen zuzufügen. Sie könnten daher einen Verstoß gegen § 3 Satz 1 Ziff. 1b, da es sich um eine Maßnahme der Leistungssteigerung im Wettbewerb handelt, und Ziff. 5, wenn die Methoden im Rahmen der Ausbildung angewendet werden, sowie das allgemeine Verbot des § 1 Satz 2 TierSchG darstellen, ebenfalls könnte Ordnungswidrigkeit nach § 18 Abs. 1 Ziff. 1 und 4 TierSchG vorliegen. Es ist jedoch die Erheblichkeit der zugefügten Schmerzen, Leiden und Schäden entscheidend.

Die Erheblichkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der im Einzelfall nach allen Umständen des Einzelfalls ausgelegt werden muss, auch die Entwicklungsstufe des Tieres und Besonderheiten, beispielsweise besondere Bedürfnisse oder die Beschaffenheit betroffener Körperregionen, sollen hier Beachtung finden70.

Nach h.M. liegt die Erheblichkeit dann vor, wenn äußerlich wahrnehmbare Verhaltensauffälligkeiten das Vorliegen eines Leidens indizieren71; ob die Dauer der Leiden relevant ist, ist strittig72.

Konkretisierende Vorschriften liegen nicht vor; die Leitlinien Tierschutz im Pferdesport stellen bei der Beurteilung der Methoden des Barrens ebenfalls auf die Erheblichkeit der zugefügten Schmerzen ab (Ziff. III.1.g), lediglich das Blistern wird dort grundsätzlich verboten, ebenso die Verwendung von Eisenstangen oder stromführender Hindernisstangen.

Letztlich ist es nicht abschließend aus Rechtsprechung und Literatur ersichtlich, welche Methoden des Barrens verboten sind; es ist im Einzelfall auszulegen, ob die Handlung dem Erfordernis der Erheblichkeit genügt. Dies bedeutet, dass ein Einschreiten der Behörden im Zweifelsfall erst dann möglich wird, wenn bereits Verhaltensauffälligkeiten oder ernsthafte Verletzungen aufgetreten sind – ein präventives Einschreiten lässt sich daher kaum rechtfertigen, da für ein Eingreifen nach § 16a TierSchG ein Schaden bzw. eine konkrete Gefahr vorliegen muss73. Es obliegt also den Veterinärämtern, im Einzelfall die Erheblichkeit und die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nachzuweisen, was sich regelmäßig schwierig gestalten dürfte74.

2. Hyperflexion


Als Hyperflexion oder auch Rollkur bezeichnet man das Überdehnen des Halses, insbesondere bei der Dressur, indem die Zügel stark nach unten gezogen werden; diese Methode soll die Handhabung des Pferdes verbessern75.

Diese Methode ist in den letzten Jahren verstärkt ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt und wird heftig kritisiert, zumal sie der deutschen Reitlehre widerspricht76.

Tierärzte bezeichnen diverse negative Folgen für das Pferd. Heuschmann77 und Miller78 sehen hier unter anderem eine Überspannung diverser Körperpartien und eine Anhebung des Rückens, welche zu Überlastung und Verschleiß der Hinterhand sowie Muskelschäden führen kann als Folge einer übermäßigen Hyperflexion, Miller darüber hinaus eine seelische Schädigung, da das Pferd als Fluchttier sein Bedürfnis nach Sicherheit durch ständige Erkundung der Umgebung nicht befriedigen kann.

Laut einer Studie des Graf-Lehndorff-Instituts für Pferdewissenschaften , bei welcher die oberen Atemwege hyperflexierter Pferde endoskopisch untersucht wurden, zeigten sich zudem eine Verengung der Atemwege, eine Erhöhung des Rachendrucks und eine Veränderung der Durchblutung79.

Dabei ist entscheidend, dass nicht die einmalige, kurze Anwendung der Hyperflexion zwangsläufig zu erheblichen Schädigungen führt, sondern erst der regelmäßige Gebrauch80.

Hier käme ebenfalls ein Verstoß gegen §§ 1 Satz 2 sowie 3 Satz 1 Ziff. 1b und 5 TierSchG in Betracht, sofern die Erheblichkeit (siehe unter 1.) nachgewiesen werden kann. Konkretisierende Vorschriften bestehen auch hier nicht, die Leitlinien für den Tierschutz im Pferdesport enthalten hierzu ebenfalls keine eindeutige Aussage. Lediglich die FN verbietet die Methode auf Abreitplätzen über §§ 52.2 und 920 LPO als nicht pferdegerechtes Verhalten und sieht eine Ahndung bei regelmäßiger Anwendung vor81.

Dass die Hyperflexion in der Rechtsprechung als tierschutzwidrig erachtet wird, ist nicht belegbar. Zwar hatte das Amtsgericht Starnberg 2012 eine Reiterin, die die Rollkur angewendet hatte, wegen Tierquälerei zu einer Geldstrafe verurteilt; allerdings stand hier nicht die Anwendung der Rollkur, sondern die Haltung der Pferde im Vordergrund82. Weiterhin hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main ein Ermittlungsverfahren wegen einer Anzeige des Tierschutzvereins PETA bezüglich der Anwendung der Rollkur durch einen international erfolgreichen Reiter eingestellt; nach einem veterinärmedizinischen Gutachten indizierte das Fehlen langfristiger Schäden wie Muskelverhärtungen oder Haltungsfehlern ein Nichtvorliegen der Erheblichkeit der zugefügten Schmerzen, wenngleich die Staatsanwaltschaft schädliche Wirkungen der Rollkur wie Luftknappheit anerkennt und Kritik an dieser Reitmethode als berechtigt bezeichnet83.

Es obliegt folglich wiederum den Behörden, im Einzelfall die Erheblichkeit der Schäden bzw. den hinreichend wahrscheinlichen Eintritt solcher erheblichen Schäden nachzuweisen.

3. Zäumung


Die Zäumung wird zur Steuerung des Pferdes verwendet und soll dem Reiter helfen, dem Pferd über die Zügel Anweisungen zu geben 84. Zügelhilfen sind jedoch lediglich als Ergänzung zu Gewichts- und Schenkelhilfen zu betrachten und sollen so mäßig wie möglich eingesetzt werden85. Auch ein Reiten ohne Zügel ist bei guter Ausbildung möglich86.

Dennoch ist vermehrt zu beobachten, dass übertriebene Zügelhilfen gegeben werden – ein Phänomen ist die bereits angesprochene Hyperflexion – oder eine Zäumung eingesetzt wird, die an sich schädlich für das Pferd ist.

Die FN erlaubt nur bestimmte Formen von Halftern, Gebissen...

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