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Tiroler Heimat 82 (2018)

Zeitschrift für Regional- und Kulturgeschichte Nord-, Ost- und Südtirols

VerlagUniversitätsverlag Wagner
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl416 Seiten
ISBN9783703009396
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Die 'Tiroler Heimat' ist die traditionsreichste wissenschaftliche Zeitschrift, die sich der Geschichte und Kultur der historischen Region Tirol widmet. Die Zeitschrift wurde 1920 vom Historiker und Volkskundler Hermann Wopfner begründet, um nach der kurz zuvor erfolgten Grenzziehung, die Tirol teilte, die kulturhistorische Verbindung zwischen den Landesteilen aufrechtzuerhalten. Als Jahrbuch für Geschichte und Volkskunde sollte die 'Tiroler Heimat' Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern grenzüberschreitend die Möglichkeit bieten, ihre historischen und ethnologischen Studien zur Tiroler Landesgeschichte vorzustellen. Der Themenschwerpunkt hat sich seither ausgedehnt und umfasst im weitesten Sinne Beiträge zu Geschichte und Kultur Nord-, Ost- und Südtirols. Methodische und inhaltliche Vielfalt sowie ein hoher wissenschaftlicher Standard, der Landes- und Regionalgeschichte in einen überregionalen, europäischen Rahmen einbettet, kennzeichnen die Arbeitsweise. Jeder Band enthält zudem einen ausführlichen Besprechungsteil, in dem aktuelle Publikationen mit Tirolbezug rezensiert werden. Der diesjährige Band spannt einen weiten Bogen und widmet sich einerseits der (Sozial-)Geschichte Tirols im Mittelalter und andererseits liegt der Themenschwerpunkt auf der (Arbeits-)Migration in Nord- und Südtirol. Inhalt von Band 82/2018 - Walter Landi: Das religiöse Leben von Stadt und Diözese Trient im 13. Jahrhundert - Konstantin Graf von Blumenthal: Hugo von Velturns (? 1267), qui se pro nobis et ecclesia nostra tutorem et murum inexpugnabilem exposuit (Teil 1) - Adrian Kammerer: Ein weltliches Trennungsurteil durch den Kaiser? Überlegungen zum Tiroler Eheskandal - Maximilian Singer: Die Eheschließung der Margarete von Schwangau. Die Grafschaft Tirol, König Sigismund und Oswald von Wolkenstein - Manfred Tschaikner: Der Innsbrucker Hexenprozess von 1485 und die Gegner des Inquisitors Heinrich Kramer: Erzherzog Sigmund, Dr. Johannes Merwart und Bischof Georg Golser - Margret Friedrich: Hoher Besuch aus China an der Universität Innsbruck im Jahr 1705. Ein Beitrag zu einer europäisch-chinesischen Verflechtungsgeschichte in der Frühen Neuzeit - Hansjörg Rabanser: Dipauli(ana). Ein Sammler. Eine Sammlung Themenschwerpunkt: (Arbeits-)Migration in Nord- und Südtirol, zusammengestellt von Eva Pfanzelter - Eva Pfanzelter: Einleitung: Migrationsgeschichten dies- und jenseits des Brenners - Kurt Gritsch: Migration und Migrant_innennetzwerke in Südtirol: Spezifika einer historischen Sonderentwicklung - Gerhard Hetfleisch: Migration in transnationalen Kontexten. Die Anwerbung von Filipinas in den 1970er-Jahren durch Missionare der St.-Josefs-Missionsgesellschaft von Mill Hill zu Brixen und Absam - Marcel Amoser: Caritas und Migration im Bundesland Tirol und in Südtirol

Christina Antenhofer, Univ. Prof. MMag. Dr., seit 2018 Universitätsprofessorin für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Salzburg; zuvor assoziierte Professorin für Geschichte des Mittelalters und Historische Hilfswissenschaften an der Universität Innsbruck. Zahlreiche Publikationen zur Geschichte des Mittelalters und der Renaissance mit Schwerpunkten auf der Geschichte Tirols, des süddeutschen und oberitalienischen Raums. Richard Schober, tit. ao. Univ.-Prof. Dr., 2003-2010 Direktor des Tiroler Landesarchivs. Forschungsschwerpunkte und zahlreiche Publikationen zu den Themenbereichen Neuere Österreichische Geschichte (16.-20. Jahrhundert) und Tiroler Geschichte.

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Leseprobe

Hugo von Velturns († 1267),
qui se pro nobis et ecclesia nostra tutorem
et murum inexpugnabilem exposuit
*


Teil 1


KONSTANTIN GRAF VON BLUMENTHAL


1. Einleitende Bemerkungen


Wahrscheinlich läuft der Verfasser einer Biographie stets Gefahr, die Bedeutung der behandelten Person zu überschätzen oder zu überhöhen.

Aus diesem Grunde enthält der Titel der vorliegenden Abhandlung bewusst die Aussage eines Zeitgenossen, der aufgrund seiner aktiven Involvierung in die Geschehnisse jener Epoche wie auch wegen seiner verschiedenen persönlichen Verbindungen zu Hugo von Velturns als ein verlässlicher Gewährsmann angesehen werden darf.

Die in höchstem Maße ehrende und in dieser besonderen Form im Quellenmaterial jener Tage absoluten Seltenheitswert besitzende Aussage, Hugo von Velturns habe sich als Beschützer und unüberwindliche Mauer des Bischofs und der Kirche von Brixen erwiesen, stammt aus dem Jahre 1263 und von niemand geringerem als Bischof Bruno von Brixen persönlich.1 Franz Huter irrt nicht, wenn er in dem von 1250 an als Oberhirte Brixens fungierenden und 1288 verstorbenen Bruno einen der bedeutendsten Männer auf dem Brixner Bischofsstuhl sieht.2 Im gleichen Jahre, also 1263, sollte ebendieser Kirchenfürst auch noch explizit Hugos mannhafte Tapferkeit und Leistungen rühmen.3 Die problematische und komplizierte rechtliche Ausgangslage des Vorgangs, der Bruno zu seinen Hugo betreffenden Äußerungen veranlasste, verbürgt überdies deren Richtigkeit. Hugos Leben fiel einerseits in die durch fast unentwegte militärische Auseinandersetzungen und schwere Verwerfungen gekennzeichnete Zeit des Kampfes zwischen Kaiser und Papst und andererseits in eine davon kaum zu trennende Periode des konsequenten, aggressiven und von bewaffneten Konflikten begleiteten Machtausbaus der Grafen von Tirol beziehungsweise von Görz-Tirol im Land an der Etsch und im Gebirge.

Unter Berücksichtigung dieser Aspekte, also der Kombination aus ständigen Kriegen und tiefgreifenden politischen Umwälzungen, besitzen die Aussagen über Hugo noch einen zusätzlichen, besonderen Wert. Sie lassen den Schluss zu, dass Hugo in charakterlicher und persönlicher und in der Folge in politischer Hinsicht ein für das Hochstift Brixen herausragender Mann war. Diese Feststellung lässt sich durch das sonstige Quellenmaterial untermauern.

Zeitgleich hatte sich der Velturner, wie im Rahmen dieser Abhandlung noch darzulegen sein wird, auch im Hochstift Trient eine Machtstellung aufgebaut. Neben seinen zweifellos vorhandenen außergewöhnlichen persönlichen Fähigkeiten basierte Hugos Position auf einer geschickten und zu völlig neuen Allianzen führenden Heiratspolitik. Die Kombination dieser Faktoren ließ Hugo zu einem der mächtigsten Männer an der Etsch und im Gebirge und zu einem entscheidenden Exponenten der bischöflichen Seite werden.

Dabei gilt es zu bedenken, dass sein Leben, wie bereits angedeutet, in eine für die Landwerdung Tirols entscheidende Zeit fiel. Diese Entwicklung erstreckte sich über einen sehr langen Zeitraum, in territorialer Hinsicht von der Mitte des 12. bis ins 16. Jahrhundert hinein, und fand ihren endgültigen Abschluss erst 1815, als die ehemaligen salzburgischen Gerichte im Zillertal und in Osttirol an Tirol angegliedert wurden.4 Aber es war Hugos Zeitgenosse, Graf Meinhard II. von Görz-Tirol beziehungsweise seit 1271 von Tirol-Görz, dem mit der faktischen Entmachtung der eigentlichen Herren des Landes, also der Bischöfe von Brixen und Trient, der wahrscheinlich wichtigste Schritt innerhalb dieses Prozesses gelungen war.

Das häufige Auftreten und Agieren Hugos in Gemeinschaft mit seinen Brüdern Arnold und Ulrich lässt auf ein enges Verhältnis zu ihnen und einen dementsprechenden innerfamiliären Zusammenhalt schließen. Aus diesem Grunde wird in der vorliegenden Untersuchung auch deren Leben beleuchtet.

Platzgründe machten eine Aufspaltung des Beitrages in zwei Teile notwendig. Die zweite Hälfte wird 2019 im Band 83 der Tiroler Heimat erscheinen.

2. Herkunft


Hugos Eltern waren Wilhelm III. von Velturns und dessen erste Frau, Heilka von Rodank. Aus dieser Ehe stammten auch Hugos Brüder Arnold, Ulrich und der nur 1242 nachweisbare Pilgrim, Mönch des Predigerordens (Dominikaner), sowie deren namentlich leider unbekannt gebliebene Schwester. Von ihr wissen wir lediglich, dass sie mit einem Herrn von Hauenstein verheiratet gewesen ist.5 Dass auch sie aus Wilhelms III. erster Ehe hervorgegangen sein muss, ergibt sich aus zeitlichen Gründen. Ihr Sohn, der sich nach der Burg Stetteneck nennende Gebhard, war im Jahre 1256 bereits ein erwachsener Mann.6 Wilhelm III. ging seine zweite Ehe mit Gräfin Agnes von Eppan aber erst 1237 ein.7

Von den drei Brüdern Hugo, für den bisweilen der Kosename Hugolein gebräuchlich war,8 Arnold und Ulrich dürfte es sich bei Arnold um den ältesten und bei Ulrich um den jüngsten gehandelt haben. Eine altersmäßige Einordnung Pilgrims sowie der Schwester ist aufgrund der dürftigen Quellenlage dagegen nicht möglich.9

Die Herren von Velturns werden in einer aus der Zeit zwischen 1142 und 1147 stammenden Schenkung Bischof Hartmanns von Brixen an das Kloster Neustift mit Willehalm de Uelturnes erstmals genannt.10 Wenngleich das Geschlecht vom Zeitpunkt seiner Ersterwähnung an zur Ministerialität des Hochstiftes Brixen gehörte, war es doch edelfreier Herkunft. Der 1142/1147 erstmalig auftretende Wilhelm I. von Velturns entstammte dem Geschlecht der Edelfreien von Schlitters. Sein Vater war höchstwahrscheinlich der von 1107/1113/1121 bis 1139/1143/1144 nachweisbare und vor 1147/1155 verstorbene Adalbert von Schlitters.

Die Herren von Velturns gehörten jedoch nicht nur zur Ministerialität des Hochstiftes Brixen, sondern auch zu jener des Bischofs von Trient. Daneben lassen sich zeitweilige dienstrechtliche Verbindungen zum Erzbischof von Salzburg und zum Grafen Albert III. von Tirol nachweisen.

Die umfangreichen Besitzungen der Velturner erstreckten sich vom Achental und dem Zillertal bis nach Kaltern und zum Nonsberg. Als Schwerpunkte sind dabei das Eisacktal und besonders der zur Grafschaft Bozen gehörige Ritten, ein regelrechtes Machtzentrum des Geschlechtes, hervorzuheben. Hinzu kam eine auffallend große ritterliche Dienstmannschaft. Auf dem Ritten legten Wilhelm II. und sein Sohn Wilhelm III. 1211 mit einer umfangreichen Schenkung den Grundstein für die Besitzausstattung der Deutschordenskommende zu Lengmoos, wo sich auch die Grablege des Geschlechtes befand. Das Erbbegräbnis der Edelfreien von Schlitters war dagegen im Benediktinerkloster St. Georgenberg. Auf dem Ritten besaßen die Velturner die Burg Stein. Während diese Allod war, ging die Burg Velturns vom oberbayerischen Benediktinerkloster Ebersberg zu Lehen. Praktisch hatte dieser Rechtszustand jedoch kaum Bedeutung, so dass der Burg Velturns ebenfalls ein allodialer Charakter zugestanden werden darf. Im Gericht Feldthurns übte das Geschlecht anscheinend die Hochgerichtsbarkeit aus. Irgendwann zwischen 1192 und 1235 wurde auch noch die Trostburg erworben. Im Rahmen ihrer expansionistisch ausgerichteten Politik war es den Velturnern schließlich gelungen, den durch das untere Eisacktal verlaufenden Verkehr unter ihre Kontrolle zu bringen. Durch ihre Burgen und ihre reiche Begüterung im Eisacktal und auf dem Ritten waren sie in einer reichspolitisch wie auch wirtschaftlich äußerst bedeutsamen Region tief verwurzelt und zugleich höchst präsent. Verschiedene Indizien deuten darauf hin, dass die Herren von Schlitters-Velturns gemeinsam mit den Grafen von Ebersberg, den späteren Grafen von Bozen-Eppan, in die dem Hochstift Trient unterstehende Grafschaft Bozen gelangt sind. Darüber hinaus bestanden vielfältige und enge darauf zurückzuführende Verbindungen der Velturner zum Trienter Raum.11

Grafik: Matthias Mörl von Pfalzen

Wilhelm III. von Velturns, der Vater Hugos und seiner Geschwister, war ein Sohn des zwischen 1174/1178 und 1232 nachweisbaren Wilhelm II. und dessen Ehefrau Mathildes, einer Tochter des Amelrich von Reifenstein.12 Amelrich entstammte dem Geschlecht der Herren von Stilfes, das sich zeitweise auch nach den Burgen Reifenstein und Welsperg nannte und zu den führenden Ministerialen des Hochstiftes Brixen gehörte.13 Wilhelm III. hatte einen Bruder namens Arnold, der Domherr zu Brixen war, und zwei Schwestern, Agnes und Mathilde. Agnes war mit Arnold IV. von Rodank und Mathilde mit Ekkehard von Garnstein verheiratet.14

Die Ehefrau Wilhelms III., Heilka, entstammte der Familie der Herren von Rodank und somit ebenfalls einem der mächtigsten Geschlechter des Landes. Wie die Velturner zählten auch die Rodanker, die zwischen 1085 und 1097 mit Friedrich von Rodank erstmals ins Licht der Geschichte traten, und von denen sich ein Zweig nach der Burg Schöneck nannte, zur Brixner Hochstiftsministerialität.15 Ihre Besitzungen, die durch eigene Pröpste verwaltet wurden, reichten vom Kärntner Drautal und vom Felbertauern durch das Pustertal und das...

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