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Tolldreiste Wortwahl

Wie wir Deutsch und Englisch umändern

AutorGerhard Illgner
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl184 Seiten
ISBN9783741268465
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Unter dem Titel Tolldreiste Wortwahl beschreibt Gerhard Illgner vor allem, wie wir Deutsch und Englisch umändern. Dabei wird viel verfälscht und uns vorgegaukelt. Als original englisch erscheinen sollen z.B. Bowle, Flipper Handy und Smoking. Aber es kommt auch Sprachentwicklung zum Guten vor. Dabei entfallen veraltete Begriffe wie Hurenkinder, Kegel, Afterkinder und Irrenhaus. Während deutscher Erfindergeist sich in Englisch sowie in Pseudo-Englisch austobt, erlahmt er in der deutschen Muttersprache. Im sogenannten Deutsch erschaffen allerdings unsere Bürokraten fast endlose Bandwurmwörter. Der Autor erkundet, wie Sprache das Verhalten entlarvt. Der neue Zeitgeist der Globalisierung verführt dazu, die eigene Muttersprache Deutsch zu missachten. Das alberne Nachahmen fremder Lebensart soll Eindruck schinden. Aber die Fremdwortanbeter, Wortverdreher und Phrasendrescher ermuntern Kritiker zu beißendem Spott.

Der Autor, Jahrgang 1928, geboren in Bad Hersfeld, war Redakteur in Presse und Rundfunk. Die berufliche Laufbahn führte ihn von Fulda nach Essen und Köln. Im Ruhestand lebt er jetzt in Bergisch Gladbach. Illgner hat neun zeitkritische und auch satirische Bücher geschrieben. Noch erhältlich sind: Die deutsche Sprachverwirrung; Der gläserne Mensch; Jeder ist anders; Janus ist wieder da.

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Leseprobe

Stolpersteine der Sprache


Irrtümer sind zählebig – Eine kritische Einleitung


Der deutschen Sprache waren in ihrer Geschichte viele Sternstunden vergönnt. In Europa und anderen Erdteilen wurde dieser Kultursprache höchste Anerkennung gezollt. Das deutsche Volk lebte in all seiner Zerstrittenheit im Land der Dichter und Denker. Dieser Titel ist der französischen Schriftstellerin Madame de Staël zu verdanken. Stets waren Deutsche selbst auch scharfe Kritiker, wenn ihre Muttersprache missbraucht wurde.

Seit dem Kriegsende 1945 streiten deutsche Sprachkritiker und ihre Gegner heftig miteinander. Der erste Zwist hat sich zunächst an der Frage entzündet, welche Wörter aus der Nazizeit man noch verwenden darf. Dann wurde die hereinbrechende Sturmflut von Anglizismen und Nachahmungen zum neuen Streitthema. Erfreulich zugenommen hat seither das Interesse für Sprachen und Sachbücher darüber. Lupenreines Deutsch ist gewiss eine Utopie. Es wird heute jedoch verfälscht und zu einem tolldreisten Kauderwelsch umgestülpt.

Sprachen sind Fundgruben für zählebige Irrtümer. Sie entwickeln sich keineswegs selbsttätig, sondern gesteuert, zum Guten wie zum Schlechten. Früher waren die Sprachlenker zumeist Theologen, Philosophen und Dichter. Heute herrschen über den Sprachgebrauch vorwiegend die Medien, die Werbung, die Wirtschafft, die neue Globalität, die Politik. Zu den hartnäckigsten Irrtümern gehören die über die Sprachregelung im Dritten Reich. Hitler und seine Vasallen wollten keine Fremdwörter ausrotten. Sie schwärmten vielmehr für fremdes Sprachgut, weil sie damit über die Köpfe hinweg reden konnten. Eine Sprachregelung für die deutsche Presse, die damals »gleichgeschaltet« war, gibt es heute selbstverständlich nicht. Trotzdem wird sie gerne noch als Schreckgespenst an die Wand gemalt.

In der forschen Wortwahl der Gegenwart ist der Drang zur Übertreibung kaum ideologisch verbrämt. Fachleute nennen diesen hochmütigen Trieb Superlativismus. Mit einer Art neuer Heldenverehrung feiert man immer mehr lebende Legenden und Ikonen. Allenthalben zu vernehmen ist die Floskel jede Menge, die sozusagen das ganze Universum umschließt. In wolkiger Sprache erhöhen sich selbst auch Politiker. Sie beraten auf immer mehr Gipfeln, wo sich früher nur Bergsteiger trafen. Von dem einen oder anderen Flüchtlingsgipfel mussten sie zunächst ratlos wieder absteigen. Früher hatten sie bereits Finanzgipfel und Wirtschafftsgipfel erklommen. Eine Talsohle oder Delle in der Konjunktur wurde überwunden. Auch ein Nullwachstum durfte sich kaum ins Negative auswachsen.

Das alles verdanken wir einer Politik, die sich marktkonform verhält. Schlagworte dieser Art lassen erkennen, wie die Ökonomie und der kaum gezügelte Kapitalismus auch die deutsche Sprache unterwerfen. Früher waren Geiz und Neid christliche Todsünden. Aber auch hier hat eine Umwertung eingesetzt. Neid wird heute entweder als wirtschafftliche Antriebskraft empfohlen oder als Sozialneid verachtet. Die Werbung preist den Geiz als »geil« und wirft so ein bezeichnendes Licht auf die Ellenbogengesellchaft: »Unterm Strich zähl’ ich.« Was früher Reklame oder Propaganda hieß und sich heute Werbung nennt, hat den überheblichen Sprachgebrauch ungemein beflügelt. Werbestrategen gehören zu den eifrigsten Berufsgruppen, die Deutsch und Englisch zu Denglisch vermischt haben. Gegen eine ähnliche Vermengung hat man sich in anderen europäischen Ländern gewehrt, zum Beispiel gegen das Franglais in Frankreich.

Die Anzahl der Anglizismen und Nachahmungen in den deutschsprachigen Ländern wird weit unterschätzt. Sie geht in die Tausende. Schon das Warenangebot strotzt von halbwegs englischen Bezeichnungen. Zu wählen ist zwischen Musthaves und Trash, laut Duden Ramsch. Vitamine sind selbstverständlich Vitamines in englischer Aussprache und keine deutschen mehr. Artikel zur Körperpflege sind kaum noch denkbar ohne Angaben wie Body Milk. Auch Bekleidung soll uns englisch veredeln. Sie wird eingeordnet for Kids, outdoors, Homing, Sweatshirts, Underwear und mehr, also and more. Schuhe werden eifrigst anglisiert mit High Heels oder ohne solche Stelzen zum Jogging, aber auch zum Schleichen mit Sneakers. Wir möchten gerne eigensinnige Outsider sein und dies mit entsprechendem Outfit zu erkennen geben. Der Deutschen liebstes Getränk ist Kaffee, den sie auch als Coffee to go zu sich nehmen. Damit wir beim Einkaufen nichts vergessen, können wir unsere Partner auf dem deutschen Handy anrufen, das wir aus einem englischen Adjektiv hervorgezaubert haben.

Früher haben Deutsche nur wenige Wörter erfunden, die englische Herkunft vortäuschen sollten. Wir füllten ein britisches Gefäß mit einer deutschen Bowle, erfanden den Smoking und das Happy End. Heute verzapfen wir immer mehr Pseudo-Englisch, während zugleich die deutsche Wortbildung hoffnungslos erlahmt. Wann immer Kritiker die Hintergründe der Fremdtümelei aufzudecken versuchen, werden sie als lästige Nörgler angesehen. Schon seit Jahrhunderten müssen die Beschuldigten immer wieder beteuern, keine Puristen zu sein. Auch die deutschen Sprachgesellschafften mussten sich seit 1617 stets gegen diesen Vorwurf verteidigen. Dabei ist ihnen doch trotz einiger Fehlgriffe viel Verdeutschung geglückt. Früher mussten Fachleute und Laien in solchen Vereinigungen gegen zuviel Latein und Französisch in der deutschen Sprache ankämpfen. Heute ist sie vor allem von amerikanischem Englisch überwuchert.

Einer der Sprachreiniger, die zu Unrecht umstritten sind, war Joachim Heinrich Campe (1746-1818). Er hat auch ein Wörterbuch der deutschen Sprache verfasst. Viele seiner Wortschöpfungen sind uns längst vertraut, darunter: altertümlich für antik, befähigen für qualifizieren, einschließlich für inklusive, Erdgeschoss für Parterre, Lehrgang für Kursus, tatsächlich für faktisch, verwirklichen für realisieren, vervollständigen für komplettieren, Voraussage für Prophezeihung. – Das ist nur ein Bruchteil der verdeutschten Wörter, die Bestand haben. Und doch schätzen sie Fachkundige auf ganz wenige oder aber auf immerhin zwei Drittel. So riesig ist die Kluft der Einschätzung, wie das mit einem neuen Modewort genannt wird.

Die Stolpersteine der Sprache sind zahlreich. Ein maßgeblicher Professor für Linguistik wagte kühn zu behaupten, er kenne kein einziges übernommenes Wort aus dem Englischen, das einem deutschen ganz entspreche und somit keine Bereicherung sei. Von falschen Ansichten bleibt auch der Duden für Rechtschreibung nicht verschont. Er wird dennoch weiterhin für amtlich gehalten, obwohl er diesen Status seit 1996 nicht mehr hat. Wer sich ein wenig in westgermanischen und nordischen Sprachen auskennt wie ich, kommt schon vielen Irrtümern auf die Spur. Da wird Skandinavien ständig erweitert und nicht nur Finnland einbezogen. Auch deutsche Fachleute verfangen sich in Missverständnissen, weil Norweger ihre zweite Sprache, die sie aus alten Dialekten gebildet haben, etwas irreführend Neunorwegisch nennen. Alte Irrtümer in anderen Sprachen haben wir immerhin durchschaut. So wissen wir zum Beispiel, dass Zigeuner, heute Roma und Sinti, englisch noch Gipsy genannt werden, weil sie nach alter Ansicht aus Ägypten kamen. Auch wenn wir Wein aus Jerez trinken, halten wir Sherry nicht mehr für ein spanisches Wort.

Schon viele Ansichten über Sprachen mussten abgeändert werden. Noch umstritten ist die Frage, ob wir die indogermanischen Sprachen lieber indoeuropäische nennen sollten. Die ganze Sprachgeschichte muss neu durchdacht werden. Vor der babylonischen Verwirrung gab es wohl gar keine gemeinsame Ursprache der Menschen, denn Homo sapiens hat sich in weit voneinander entfernten Gruppen genetisch weiterentwickelt. Forscher gehen von verschiedenen Grundsprachen aus. Nur von diesen haben sich einzelne Sprachen abgetrennt. Sie haben sich wieder aufgesplittert in Dialekte. Zur allgemeinen Verständigung wurden dann Standardsprachen gebildet, darunter das Hochdeutsche. Für viele Deutsche ist aber die hochdeutsche Sprache noch voller Zungenbrecher, keineswegs nur für Schwaben, die sich damit brüsten. Wenigstens in den Nachrichtensendungen des Fernsehens nuschelt man nicht. Diese lassen noch an Theodor Siebs denken, der 1898 die Deutsche Bühnenaussprache auf den Weg brachte.

Die Sprachlenker des Neudeutschen, das so stark anglisiert wird, sind eigentlich auch Manager. So nennen wir bereits immer mehr Führungskräfte und sogar den Hausmeister, den Facility-Manager. Indem unsere Wortführer so viel managen, bringen sie immer mehr...

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