Sie sind hier
E-Book

Toyotas wahre Stärke

Erfolgreiche Arbeitskultur mit meisterhaften Mitarbeitern, plus EBook inside (ePub, mobi oder pdf)

AutorAino Bender-Minegishi
VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl254 Seiten
ISBN9783593439259
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis30,99 EUR
Mit diesem Buch erhalten Sie das E-Book inklusive! Unter Toyota Produktionssystem (TPS) versteht die Mehrheit der deutschsprachigen Führungskräfte außergewöhnliche Methodenkenntnis und die perfekte Beherrschung von Produktionsprozessen. Außenstehende vermuten hinter dem TPS oft eine versteckte Methode zur Rationalisierung. Was aber kaum jemand weiß: Hinter dem TPS steht eine auf Wertschätzung und Achtung vor dem Individuum basierende Kultur. Aino Bender-Minegishi ist eine intime Kennerin der japanischen Arbeitswelt und beschreibt in ihrem Buch erstmals den ganzheitlichen Ansatz des TPS, der ohne Menschen nicht zu denken ist. Nur wer Kopf, Herz und Hände der Mitarbeitenden anspricht, wird meisterhaftes Personal auch in seiner Firma hervorbringen.Aino Bender-Minegishi kam 1998 als Dolmetscherin erstmalig mit dem Toyota Produktionssystem in Berührung. Seitdem arbeitet sie als selbstständige Dolmetscherin und Trainerin in der Lean-Beratung. Für Führungskräfte, die das 'Original' erleben wollen, organisiert sie Japan- Study-Tours.Inhalt Vorwort? 9 Meister der Arbeit? 16 Alles Toyota oder was?? 17 Kann man noch etwas von den Japanern lernen?? 19 Bestandsaufnahme: Deutsche Wertarbeit über alles?? 21 Lean Freeze: Nichts geht mehr weiter!? 22 Blitzlicht: Wie arbeiten wir?? 23 Technokrat oder Sozialromantiker?? 25 Schnell oder gut?? 29 Der Toyota-Way: Eine Frage der Arbeitskultur? 33 Was macht eine Arbeitskultur aus?? 33 Lean oder TPS?? 35 'The Toyota-Way' - eine Frage der Werte und -Prinzipien? 42 Monozukuri: Die Kunst der Herstellung? 45 Das Human-Modell: 'Making Things means Making People'? 48 Teil I: Die Achse - Grundannahmen und Werte? 53 - Die Arbeit: Dienst am anderen? 54 - Das Unternehmen: eine Schicksalsgemeinschaft? 63 - Der Mensch und die Condition Humaine? 72 Teil II: Das Herz - Haltung? 89 - Im Abseits: Moral und Tugend? 89 - Gewissenhaftigkeit und die Beherrschbarkeit der Prozesse? 92 - Dem Kundenwunsch voraus? 104 - Perfektion als Potenzial? 110 - Sein Bestes geben? 115 - Liebe zur Arbeit? 118 - Mut zur Demut? 122 - Wer arbeitet, macht Fehler? 126 - Dankbarkeit: Das Neue baut auf dem Alten auf? 131 - Wertschätzung oder Belohnung?? 135 - Fazit: mitgehangen - mitgefangen!? 140 TEIL III: Die Hände - 1×1 des Arbeitens? 145 - Knigge? 151 - Kommunikation? 153 - Zusammenarbeiten? 159 - Umgang mit Kunden und Geschäftspartnern? 164 - Ordnung und Struktur? 168 - Planen - Organisieren - Durchführen? 171 - Time-Management? 175 - Verbesserungen? 180 - 5S für Leib und Seele? 183 Alternativlos: Die Teamarbeit? 186 Top-down oder kreuz und quer?? 187 Die Puzzleteile passen nicht!? 191 Fauler Kompromiss oder Ideen?? 195 Die Führungskraft: Kumpel oder Chef?? 201 Steuermann? 202 Verfechter des Wertesystems? 205 Mentor und Meister? 207 Vorbild und Diener? 209 Der Weg zur Führungskraft? 210 Fazit und Hinweise für den Zweifler? 217 'Die Japaner sind halt anders' - eine Klischeebereinigung? 217 Werteimport - ist das möglich?? 221 Change: Eine Frage der Entscheidung? 223 Danksagung? 229 Glossar? 230 Anmerkungen? 238 Register? 249

Aino Bender-Minegishi kam 1998 als Dolmetscherin erstmalig mit dem Toyota Produktionssystem in Berührung. Seitdem arbeitet sie als selbstständige Dolmetscherin und Trainerin in der Lean-Beratung. Für Führungskräfte, die das 'Original' erleben wollen, organisiert sie Japan- Study-Tours.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe
Vorwort Bei einem deutschen Automobilhersteller mündet das Montageband in einen riesigen 'Finish'-Bereich. Dort stehen mindestens 30 frisch gefertigte High-End-Limousinen, die von einem umfangreichen Mitarbeiterstab 'feinbearbeitet' werden. Was dort euphemistisch als 'Finish' bezeichnet wird, ist nichts anderes als Nach-bearbeitung. Fehler und Mängel, die während der Bearbeitung nicht behoben oder nicht bemerkt wurden, werden hier - soweit es geht - ausgebessert. Besucht man ein Montagewerk des japanischen Vorzeigeunternehmens Toyota, kann man vom letzten Montageschritt des Fließbandes das Ausgangstor der Werkshalle sehen. Vor der Fahrt zum Verladeplatz auf dem Werksgelände wird jedes Automobil einer letzten Funktionsprüfung und Sichtkontrolle unterzogen. Innerhalb von wenigen Minuten fährt der Wagen durch das Tor. Ein Nachbearbeitungsbereich zur Behebung von Qualitätsmängeln ist nicht vorgesehen. Die Automobilisten sind bei uns die Vorreiter im Lean Management - der amerikanischen Interpretation des Toyota-Produktions-systems (>TPS). Seit fast zwanzig Jahren wenden sie die Prinzipien, Methoden und Werkzeuge aus dieser einzigartigen japanischen Unternehmensphilosophie an. Den großen Effizienzsprung haben sie trotzdem nicht geschafft. Was nach außen weiterhin als 'deutsche Wertarbeit' firmiert, bedeutet nach innen einen täglichen Kampf mit Qualitätsproblemen auf allen Ebenen. Und für den Kunden: ein 'Wagen voller Pflaster' - wie es ein japanischer TPS-Berater treffend bezeichnete1 -, für die er auch noch zahlen muss. Wenn wir im Westen oder in Deutschland an Qualität denken, dann denken wir in erster Linie an die Beschaffenheit eines fertigen Produktes. Seit der Einführung von 'Lean' auch an die >'Qualität im Prozess', vor allem in der Produktion. Langsam haben wir Leaner auch verstanden, dass es genauso um die Qualität der Informationen geht - also um einwandfreie Abläufe in den Büros. Aber wo beginnt gute Qualität? Beginnt sie nicht mit jedem Handgriff, der gemacht wird: beim Verfassen einer E-Mail, beim Säubern eines Werkzeuges, bei der Ablage einer Unterlage? Gute Qualität ist das Ergebnis guter Arbeit: präzises, verbindliches und vorausschauendes Handeln. 'Kleinvieh macht auch Mist' - so ermahnte mich meine Großmutter, wenn ich zu faul war, einen Pfennig vom Boden aufzuheben. Dieses Grundprinzip gilt auch andersherum im Arbeitsalltag: Bei den meisten großen Katastrophen, die bei der Arbeit passieren, ist die Ursache das Zusammentreffen einer Vielzahl von Ungenauigkeiten, kleiner Fehler und Nachlässigkeiten. Die Beteiligten sind sich in solchen Fällen schnell einig, hat es sich bei dem 'Fall' doch um eine 'Verkettung ungünstiger Umstände' gehandelt. Mit anderen Worten: Das ist Schicksal - dagegen kann man nichts machen! Oder vielleicht doch? Seit fast zwanzig Jahren befasse ich mich mit dem Toyota-Produktionssystem und ich habe immer wieder festgestellt: Man kann so viel >Kanban und >Poka-Yoke einführen, >5S betreiben und Prozesse standardisieren, wie man will, Voraussetzung für den Erfolg von >'Lean' ist eine bestimmte Arbeitshaltung, wie sie Teil der Arbeitskultur des 'Toyota-Way' ist. Sie prägt das Qualitäts- und Problembewusstsein und definiert den Maßstab bei der Beurteilung eines jeden noch so kleinen Handgriffes, ob es heißt: 'Passt schon!' Oder: 'Das geht noch besser!' Ich habe zehn Jahre lang an der Seite des japanischen TPS-Beraters Morihiro Takano - vormals in leitender Funktion bei Isuzu Motors und einer der wenigen, die noch direkt von Taiichi Ohno, der als Gründervater dieses Produktionssystems bezeichnet wird, gelernt haben - gearbeitet. In dieser Zeit habe ich nicht nur das TPS von der Pike auf gelernt, sondern vor allem erfahren, was 'gute Arbeit' bedeutet. Mein Lehrmeister war von bestechender Professionalität: immer bestens organisiert, nie ließ er etwas schleifen, erledigte alles umgehend, sehr genau und war dabei nie in Eile. Alles, was er in die Hand nahm, 'saß'. Er stellt damit keine Ausnahme unter japanischen Managern renommierter Unternehmen dar. Die genannten Eigenschaften bilden dort die Mindestanforderungen an die Arbeit und je höher die hierarchische Position, umso professioneller die Mitarbeiter. Gilt das auch bei uns? Wenn wir Lean in unseren Unternehmen einführen oder wenn Lean-Experten das Know-how dafür vermitteln, handelt es sich ausschließlich um die Methoden, Werkzeuge und bestimmte Prinzipien dieses japanischen Produktionssystems. Allerdings ist die erste Stufe des als 'TPS-Haus' bekannten Modells des Fertigungssystems von Toyota die Prozessstabilität - erst darauf bauen weitere Konzepte wie >Standardisierung und >KVP auf. Diese Grundstabilität wird von den Verantwortlichen und Lean-Experten geflissentlich übersehen. Vermutlich wird sie vorausgesetzt - und da liegt bereits der Hund begraben: Unser Haus ist auf wackeligem Boden gebaut. Denn wie soll man von Konzepten, wie >Just-in-Time und >Jidoka reden, wenn es eine Firma noch nicht einmal schafft, rechtzeitig (wirklich) einwandfreie Ware zu liefern? Wie gut in einem Unternehmen gearbeitet wird, ist eine Frage der Arbeitskultur: der Werte, des Verhaltens-Kodex und einer genauen Vorstellung von guter Arbeit. Wenn wir auch nur annähernd an das Niveau von Toyota herankommen wollen, müssen wir die herrschende Arbeitskultur in unseren Unternehmen kritisch hinterfragen. Ich habe in meiner ganzen beruflichen Laufbahn bisher nicht ein Unternehmen erlebt, das eine klare Antwort, geschweige denn konkrete Richtlinien, auf diese Fragen formulieren konnte. Das Ergebnis ist eine Kultur des Laissez-faire, bei dem jeder so ziemlich nach eigener Schnauze arbeitet. Da ist es kein Wunder, dass die gesteckten Ziele - und dazu gehört auch Lean - nicht erreicht werden. Und nicht nur das: Die Frustration bei den Mitarbeitern ist am Ende des Tages hoch, weil die 'Dinge nicht so laufen, wie sie laufen sollten'. Mit albernen Teambuilding- oder Motivations-Events kommt man dagegen nicht an. Sicherlich liegen wir im Ländervergleich, was Effizienz und Qualität angeht, weltweit ganz vorne mit dabei, nicht umsonst haben wir den Ruf der 'perfektionistischen Deutschen'. Aber zwischen uns und Toyota liegen definitiv noch Welten. Der wichtigste Leitsatz bei Toyota lautet: 'Making things means making people'. Auch in unseren Unternehmen wird permanent über Mitarbeiterentwicklung geredet. Die erschöpft sich nur meistens in irgendwelchen Seminarbesuchen oder Beförderungen. Aber wer bringt eigentlich Mitarbeitern das 'Arbeiten' bei? Unsere Schulen oder Berufsschulen? Die Universitäten schon gar nicht und leider genauso wenig die Unternehmen selbst. Aber Arbeiten muss wie alles andere erlernt werden und das kann nur Aufgabe des Unternehmens sein. Ich habe einen Versuch unternommen, in einem 'Human-Modell' zusammenzustellen, was einen solchen Toyota-Mitarbeiter idealtypisch ausmacht. Was sind seine Überzeugungen und Werte und worin liegt seine 'Professionalität' abseits von spezifischem Fach- und Methodenwissen? Was braucht der einzelne Mitarbeiter, was ist das notwendige persönliche 'Rüstzeug', um TPS oder >Kaizen zum Fliegen zu bringen? Die Stärke von Toyota liegt nicht in ihrem System, sondern in einer ganz spezifischen Geisteshaltung - sie ist der Motor all dessen, was wir bei einem Werksbesuch vor Ort sehen können. Ihre Ursprünge sind tief im Arbeitsethos der tradierten >Monozukuri-Philosophie, der japanischen Kunst der Herstellung, verwurzelt. Der Leser mag an dieser Stelle aufschrecken und behaupten: 'Mia san mia und die Japaner san die Japaner!' Zweifellos, allerdings kommen wir mit dem 'Rosinenpicken', wie es die Lean-Welt im Westen vormacht, langfristig nicht weiter. Will ein Unternehmen sich für die Zukunft besser aufstellen, und wollen wir als Mitarbeiter mehr Erfüllung in der Arbeit finden - beides hängt untrennbar miteinander zusammen -, kommen wir an grundlegenden Fragen unserer Arbeitskultur nicht vorbei. Dafür müssen wir nicht so werden wie die Japaner. Dafür muss sich ein Unternehmen für seinen eigenen Weg in aller Konsequenz entscheiden und die Prämissen für die Zusammenarbeit vorgeben. Permanent reden wir in der Betriebswirtschaft und im Lean Management über Systeme, Prozesse und Methoden. Es wird Zeit, dass wir über den Menschen reden: Was muss er mitbringen? Schließlich hängt alles von ihm ab: Er ist der Architekt des Hauses. Der Boom mit Büchern zum richtigen Führungsstil will nicht abreißen. Auch im Lean Management versuchen die mit der Umsetzung Beauftragten nun, nachdem sie das 'Was' vermeintlich verstanden haben, der Frage nachzugehen, 'wie' die Mitarbeitenden im Unternehmen auf diesem Weg 'mitgenommen' werden sollen. Nur wird dabei der zweite vor dem ersten Schritt genommen: Führungskräfte und Lean-Beauftragte müssen zunächst ihre eigene Arbeitsqualität und ihre eigenen Einstellungen hinterfragen, bevor sie anderen den Weg weisen. Sie müssen selbst in ihrem Denken und Handeln die Arbeitskultur verkörpern, die das Unternehmen zum Ideal erhoben hat. So gesehen ist dieses Buch gerade für Lean-Experten und Lean-Beauftragte in der ersten Reihe im Change-Prozess von besonderer Bedeutung. Das hier vorgestellte Rüstzeug für gute Arbeit (das 'Human-Modell') habe ich um Beschreibungen des japanischen Verständnisses von Teamarbeit und der spezifischen Rolle der Führungskraft ergänzt. Ersteres, weil das gesamte Rüstzeug auf die Teamarbeit als grundsätzlichen Modus der Zusammenarbeit in Japans Unternehmen ausgerichtet ist. Sie ist nicht mit der westlichen Vorstellung von Teamarbeit gleichzusetzen, weshalb sie gesondert behandelt wird. Der Führungskraft wird ebenfalls ein extra Kapitel gewidmet, da sie maßgeblich für die Entwicklung der Mitarbeiter und das gute Gelingen von Teamarbeit verantwortlich ist. Dieses Buch stellt meine ganz persönliche Sichtweise dar. Die Erkenntnisse basieren auf Erfahrungen, die ich während meines über dreißigjährigen Arbeitslebens in beiden Kulturen gesammelt habe: bei der Arbeit sowohl hier in Deutschland als auch in Japan; mit japanischen TPS-Spezialisten, aber auch westlichen Lean-Experten jeder 'Couleur'. Der Leser mag mir meine Pauschalisierungen hier und da nachsehen. Grundsätzlich beschreibe ich in diesem Buch allgemeine Tendenzen. Denn nur so lassen sich strukturelle Unterschiede zwischen den beiden Arbeitskulturen erkennen und benennen. Meine Ausdrucksweise mag oft provozierend erscheinen. Ich möchte mich damit bewusst gegen die allgemeine Neigung zur Relativierung und Intransparenz stellen, die genauso unsere Sprache und letztlich auch unser Denken in der Arbeitswelt geprägt hat. Alle bisherigen Ansätze, den Toyota-Way zu interpretieren, haben ihre Berechtigung. Ich betrachte meinen Beitrag als Ergänzung. Dabei weniger als ein weiteres Puzzlestück - der Leser mag mir meine mangelnde Bescheidenheit verzeihen -, sondern als bisher fehlenden Ausgangspunkt: den Menschen mit seinem Verständnis und seiner Haltung zur eigenen Arbeit. Dieses Buch liefert allerdings keinen '10-Punkte-Plan zum Erfolg'. Ziel ist es, in der Gegenüberstellung beider Arbeitskulturen, dort in Japan und vor allem bei Toyota und hier in Deutschland, eine grundsätzliche, längst überfällige Diskussion anzuregen: Was ist gute Arbeit in einer Lean-Kultur, und was braucht es dazu? Trotzdem bekommt der Leser am Ende einzelner Kapitel eine Zusammenfassung mit Tipps und Argumentationshilfen für die Realisierung, das heißt für den Wandlungsprozess im eigenen Unternehmen zu einer erfolgreichen Arbeitskultur. Einzelne Gedanken werden außerdem extra hervorgehoben und bieten einen schnellen Überblick über die Kernaussagen der einzelnen Kapitel. Für den Lean-Anfänger gibt es am Ende des Buches ein Glossar. Pfeile (>) vor den jeweiligen Fachbegriffen weisen auf die Möglichkeit hin, diese schnell und einfach nachzuschlagen. Denn dieses Buch wendet sich ebenso an all diejenigen, die wissen möchten, was es braucht, um meisterhafte Mitarbeiter zu entwickeln. Meister der Arbeit Ankunft 8:30 Uhr, Nagoya-Centrair-Flughafen, mit der ANA (All Nippon Airways) aus Frankfurt. Zum dritten Mal in einem Vierteljahr werde ich zusammen mit einem Kollegen eine Gruppe Lean-Interessierter auf einer viertägigen Studienreise im industriellen Herzen Japans, der Präfektur Aichi, begleiten. Das Flugzeug ist geparkt, die Anschnallzeichen sind noch nicht erloschen, und ich beobachte das Treiben auf dem Rollfeld. Links neben uns wird ein Flugzeug von einem Lotsen aus seiner Parkposition herausgewinkt. Seine Gesten sind bestechend präzise. Das Flugzeug rollt aus seiner Parkposition heraus und bleibt kurz stehen. In diesem Moment zieht der Lotse seine Arbeitskappe vom Kopf und verbeugt sich tief in Richtung Cockpit. Der Kapitän antwortet mit einem knappen militärischen Salut. Diese Szene berührt mich tief, auch noch nach Jahrzehnten engster beruflicher wie privater Verbindung mit dem Land Japan. In jenem Moment, damals bei der Landung, erinnerte ich mich an die Worte eines japanischen TPS-Beraters, mit dem ich zehn Jahre lang eng zusammengearbeitet hatte: 'Was effektiv und effizient ist, ist auch optisch schön.' Seitdem sah ich in meinem Arbeitsleben immer wieder diese These bestätigt: Gute Arbeit äußert sich in einer schönen, das heißt einfachen und klaren Form. Das Verhalten des Lotsen, das ich beobachten konnte, steht für mich seitdem symbolisch für die Präzision, Perfektion und die Hingabe, welche die Japaner bei der Arbeit an den Tag legen. Der Flughafen Centrair, wo sich diese Szene abspielte, ist der internationale Flughafen Zentraljapans und nahe der Stadt Nagoya gelegen. Geplante Inbetriebnahme war die Eröffnung der Weltausstellung Ende März 2005, eingeweiht wurde der neue Flughafen am 17. Februar - einen Monat vor dem geplanten Fertigstellungsdatum. An der Konzipierung und Ausführung des Flughafens war Toyota - der größte Arbeitgeber der Region - maßgeblich beteiligt. Es war ein Prestigeprojekt nicht nur für die Region, sondern auch für den Automobilkonzern. Der Flughafen Centrair ist inzwischen das Sinnbild japanischer Funktionalität und Fertigungseffizienz. Er wurde nicht nur vor Termin fertiggestellt, sondern die Kosten lagen auch noch 16 Prozent unter der Budgetvorgabe. Und damit nicht genug. Bereits im ersten Geschäftsjahr schrieb der Flughafen schwarze Zahlen und nimmt seitdem den wichtigsten internationalen Flughäfen Japans die Fluggäste weg. Gerne spricht man vom 'Toyota-Airport'. Geschäftsführung und leitende Positionen wurden mit Topmanagern von Toyota besetzt. Einhellig wird der Erfolg dieses Großprojektes dem Managementsystem von Toyota zugeschrieben. Nach dem Erfolgsrezept befragt, antwortete Yukihisa Hirano, der erste Geschäftsführer des Flughafens Centrair, lakonisch: 'Wir haben das Selbstverständliche einfach nur selbstverständlich gemacht.' Alles Toyota oder was? Toyota ist und bleibt das Vorzeigeunternehmen Japans. Die ganze Welt schaut trotz mehrerer Rückrufaktionen in der jüngsten Vergangenheit weiterhin neidvoll auf den Erfolg dieses Unternehmens. Bei nahezu gleicher Anzahl verkaufter Fahrzeuge wie der Volkswagen-Konzern im Jahr 2016 betrug die betriebliche Gewinnmarge bei Toyota 8,5 Prozent - in den Jahren davor lag sie bei knapp über zehn Prozent - und bei VW bei nur 5,4 Prozent. Seit Erscheinen des Buches The Machine that Changed the World: The Story of Lean Production der Amerikaner Womack, Jones und Roos aus dem Jahr 1991 gibt es unzählige Versuche, die seit Jahrzehnten andauernde Erfolgsgeschichte dieses japanischen Automobilherstellers und seines Produktionssystems zu erklären und nachzuahmen. Um das Thema 'Lean Production' - die 'schlanke Produktion' - herum ist ein großer Markt entstanden, der von Unternehmensberatern hart umkämpft ist. Unternehmen, angefangen von der Automobilindustrie und ihren Zulieferern, aber auch im Maschinenbau, der Elektronikindustrie bis hin zur Stahlbranche - alle versuchen sie, die Methoden und Fertigungsprinzipien von Toyota in ihren Werken zu implementieren, um schneller und kostengünstiger zu produzieren. Aber nicht nur in der Güterherstellung, sondern auch in der Dienstleistungsbranche hat Lean inzwischen Einzug gehalten. Denn es hat sich bewahrheitet, was die amerikanischen Autoren, Womack & Co. schon 1991 in ihrem Buch vorausgesagt haben: Dieses Fertigungssystem ist zum 'weltweiten Standardproduktionssystem des 21. Jahrhunderts' geworden. Im Rahmen meiner zwanzigjährigen Tätigkeit als Begleiterin von japanischen Beratern und als Trainerin konnte ich die Bemühungen ihrer Kunden, diese Unternehmensphilosophie einzuführen, ausgiebig beobachten. Dabei kam ich zu dem Fazit: Ja, viele dieser Unternehmen haben eine kurzfristige Produktivitätssteigerung erwirkt. Aber den Durchbruch hat kaum eines geschafft. Dieser legendäre Idealzustand, in dem sich jeder einzelne Mitarbeiter, von der Führungskraft bis zum Menschen an der Maschine oder am Schreibtisch, systematisch, aktiv und nachhaltig für die Verbesserungen aller Abläufe im Unternehmen einbringt, wie dies bei Toyota Unternehmensalltag ist - er will sich nicht einstellen. Die Kämpfe unter den Lean-Experten um die Deutungshoheit und die richtige Umsetzung dieser Managementphilosophie TPS gehen weiter. Die Bandbreite der Interpretationen ist groß: Von den Technokraten, die auf die konsequente Durchsetzung der Management--Methoden, -Werkzeuge und -Prinzipien, wie sie im TPS formuliert werden, setzen, bis hin zu jenen, die den Geist des Zen und der Samurai beschwören. Wer schon mal in einem Toyota-Werk war, der spürt in der Produktion auf Anhieb die hohe Produktivität: klare Strukturen, permanenter Materialfluss und Mitarbeiter, die zielgerichtet und konzentriert ihrer Arbeit nachgehen. Trotz eines eindeutig hohen Arbeitstempos ist jedoch von Stress oder Hast nichts zu merken. Der ganze Betrieb bewegt sich in gleichbleibendem Rhythmus wie ein lebendiger Organismus: Alle Arbeitsgriffe sitzen. Aber das gilt nicht nur für Toyota. Teilnehmer der Japan-Touren betonen immer, wie angenehm es für Reisende in Japan doch sei und wie einwandfrei alles funktioniere. Ob in Restaurants, öffentlichen Verkehrsmitteln oder Geschäften: Überall sei es extrem sauber und ordentlich, nie müsse man warten, und die Qualität der Waren und Dienstleistungen sei von bestechend hohem Niveau. Das prominenteste Beispiel für japanische Effizienz ist ganz ohne Zweifel der Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen. Die durchschnittliche Verspätung der Züge auf diesem überregionalen Schienennetz beträgt sage und schreibe drei Minuten! Und das in einem Land, das von Erdbeben und Taifunen gebeutelt ist. Bei der Deutschen Bahn gilt ein Zug überhaupt erst ab 6 Minuten als verspätet. Und in der Tat, wenn ich den durchschnittlichen japanischen Arbeiter oder Angestellten mit seinen Kollegen anderswo auf der Welt vergleiche, dann fällt mir in Japan dieser allgegenwärtige Anspruch auf, beste Arbeit zu leisten. Wir Deutschen sind definitiv stark in den Ideen, aber die Japaner sind die Meister der Arbeit. Oder wie es der ehemalige Politiker Lothar Späth bereits vor Jahrzehnten ausdrückte: 'Wir Deutschen sind Wissensriesen, aber Realisierungszwerge!' Kann man noch etwas von den Japanern lernen? Und trotzdem: Kann man nach all den Negativschlagzeilen der letzten zwanzig Jahre überhaupt noch eine Lanze für das japanische Arbeitsethos brechen? Der Finanzcrash Anfang der Neunzigerjahre, seither null Wachstum und inzwischen die höchste Staatsverschuldung weltweit - allerdings bei der eigenen Bevölkerung und nicht im Ausland! -, hat Japan aus der Riege der Top-Industrienationen herauskatapultiert. Die Atomkatastrophe 2011 in Fukushima und die vielfältigen Rückrufaktionen von Toyota werfen dunkle Schatten auf das japanische Vorzeigeunternehmen wie auf das Land. Erwähnt man im Westen Japan als positives Beispiel, gibt es allenthalben skeptische Gesichter, wenn es nicht gerade um Sushi, Zen und Mangas geht. Als Lean-Experte ist man ständig gezwungen, sich gegen diesen vermeintlichen Widerspruch zu wehren. Denn gleichzeitig wird diese Unternehmensphilosophie von westlichen Firmenchefs und Produktionsmanagern ja weiterhin neugierig nachgefragt. Die Regierung und der Stromerzeuger Tepco mögen im Falle Fukushimas versagt haben, Toyota hat seine Lehren aus dem Desaster von 2010 gezogen. Von oberster Geschäftsleitung wurde öffentlich zugegeben, dass man von den tradierten Firmengrundsätzen zugunsten einer Expansionspolitik abgewichen sei. Priorität habe in Zukunft nicht mehr der Umsatz, sondern wieder die Qualität. 'Jeder Rückruf hilft, unser Produktionssystem zu verbessern', erklärt Ulrich Selzer, bis vor einigen Jahren Geschäftsführer von Toyota in Deutschland, in einem Interview. Alles nur Werbung? Bei statistischen Erhebungen in den Kategorien Qualität und Dauerhaftigkeit ist der Autobauer Toyota weiterhin weltweit unter den Top Ten. Ob weniger Rückrufaktionen grundsätzlich Zeichen höherer Qualität sind, wie unsere Autobauer gerne behaupten, darf bezweifelt werden. Machen wir es uns nicht zu einfach, wenn wir aufgrund durchaus schwerwiegender Verfehlungen eine ganze Volkswirtschaft verdammen? Oder sind 'Prestigeprojekte' wie die Hamburger Elbphilharmonie, der neue Stuttgarter Bahnhof und der 'neue' Berliner Flughafen, zuletzt dann noch der Diesel-Skandal, gleichermaßen repräsentativ für 'deutsche Wertarbeit'? Japan ist trotz stagnierendem Wirtschaftswachstum vor allem weiterhin eine stabile Wirtschaftsmacht. Das Inselreich hat noch heute die niedrigste Arbeitslosenquote unter den führenden Industrienationen (2016: Japan 3,1?%, Deutschland 4,1?%) und steht direkt nach Deutschland auf Platz 4 als Exportnation (2016) - und das nach zwei Konjunkturkrisen und zwei Naturkatastrophen innerhalb von 20 Jahren! Japans Unternehmen haben mit denselben Herausforderungen - demografischer Wandel, Globalisierung et cetera - zu kämpfen wie der Westen. Es hat in den Topunternehmen Japans während der letzten zwanzig Jahre zwar Kündigungswellen gegeben, sie bleiben aber weiterhin die große Ausnahme. Ist das kein Erfolgsmodell?
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt7
Vorwort10
Meister der Arbeit17
Alles Toyota oder was?18
Kann man noch etwas von den Japanern lernen?20
Bestandsaufnahme: Deutsche Wertarbeit über alles?22
Lean Freeze: Nichts geht mehr weiter!23
Blitzlicht: Wie arbeiten wir?24
Technokrat oder Sozialromantiker?26
Schnell oder gut?30
Der Toyota-Way: Eine Frage der Arbeitskultur34
Was macht eine Arbeitskultur aus?34
Lean oder TPS?36
»The Toyota-Way« – eine Frage der Werte und ­Prinzipien43
Monozukuri: Die Kunst der Herstellung46
Das Human-Modell: »Making Things means Making People«49
Teil I: Die Achse – Grundannahmen und Werte54
Die Arbeit: Dienst am anderen55
Das Unternehmen: eine Schicksalsgemeinschaft64
Der Mensch und die Condition Humaine73
Teil II: Das Herz – Haltung90
Im Abseits: Moral und Tugend90
Gewissenhaftigkeit und die Beherrschbarkeit der Prozesse93
Dem Kundenwunsch voraus105
Perfektion als Potenzial111
Sein Bestes geben116
Liebe zur Arbeit119
Mut zur Demut123
Wer arbeitet, macht Fehler127
Dankbarkeit: Das Neue baut auf dem Alten auf132
Wertschätzung oder Belohnung?136
Fazit: mitgehangen – mitgefangen!141
TEIL III: Die Hände – 1×1 des Arbeitens146
Knigge152
Kommunikation154
Zusammenarbeiten160
Umgang mit Kunden und Geschäftspartnern165
Ordnung und Struktur169
Planen – Organisieren – Durchführen172
Time-Management176
Verbesserungen181
5S für Leib und Seele184
Alternativlos: Die Teamarbeit187
Top-down oder kreuz und quer?188
Die Puzzleteile passen nicht!192
Fauler Kompromiss oder Ideen2?196
Die Führungskraft: Kumpel oder Chef?202
Steuermann203
Verfechter des Wertesystems206
Mentor und Meister208
Vorbild und Diener210
Der Weg zur Führungskraft211
Fazit und Hinweise für den Zweifler218
»Die Japaner sind halt anders« – eine Klischeebereinigung218
Werteimport – ist das möglich?222
Change: Eine Frage der Entscheidung224
Anhang230
Danksagung230
Glossar231
Anmerkungen239
Register250

Weitere E-Books zum Thema: Management - Wirtschaft - Coaching

Zeitmanagement im Projekt

E-Book Zeitmanagement im Projekt
Format: PDF

Von Projektleitern und ihren Mitarbeitern wird grundsätzlich eine exakte Punktlandung erwartet: Sie sollen das Projekt zum vereinbarten Termin beenden, selbstverständlich die Budgetvorgaben einhalten…

Zeitmanagement im Projekt

E-Book Zeitmanagement im Projekt
Format: PDF

Von Projektleitern und ihren Mitarbeitern wird grundsätzlich eine exakte Punktlandung erwartet: Sie sollen das Projekt zum vereinbarten Termin beenden, selbstverständlich die Budgetvorgaben einhalten…

Basiswissen Beschaffung.

E-Book Basiswissen Beschaffung.
Format: PDF

Anhand vieler Beispiele für die relevanten Aufgaben und Methoden der Beschaffung bietet der Band Grundwissen für den Quereinsteiger sowie ein Repetitorium für den Praktiker. Das Buch gibt eine kurze…

Basiswissen Beschaffung.

E-Book Basiswissen Beschaffung.
Format: PDF

Anhand vieler Beispiele für die relevanten Aufgaben und Methoden der Beschaffung bietet der Band Grundwissen für den Quereinsteiger sowie ein Repetitorium für den Praktiker. Das Buch gibt eine kurze…

Weitere Zeitschriften

Archiv und Wirtschaft

Archiv und Wirtschaft

"Archiv und Wirtschaft" ist die viermal jährlich erscheinende Verbandszeitschrift der Vereinigung der Wirtschaftsarchivarinnen und Wirtschaftsarchivare e. V. (VdW), in der seit 1967 rund 2.500 ...

bank und markt

bank und markt

Zeitschrift für Banking - die führende Fachzeitschrift für den Markt und Wettbewerb der Finanzdienstleister, erscheint seit 1972 monatlich. Leitthemen Absatz und Akquise im Multichannel ...

dental:spiegel

dental:spiegel

dental:spiegel - Das Magazin für das erfolgreiche Praxisteam. Der dental:spiegel gehört zu den Top 5 der reichweitenstärksten Fachzeitschriften für Zahnärzte in Deutschland (laut LA-DENT 2011 ...

DHS

DHS

Die Flugzeuge der NVA Neben unser F-40 Reihe, soll mit der DHS die Geschichte der "anderen" deutschen Luftwaffe, den Luftstreitkräften der Nationalen Volksarmee (NVA-LSK) der ehemaligen DDR ...

die horen

die horen

Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik."...weil sie mit großer Aufmerksamkeit die internationale Literatur beobachtet und vorstellt; weil sie in der deutschen Literatur nicht nur das Neueste ...