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E-Book

Trans*normaler Wahnsinn. Pathologisierung und Selbstbestimmung von trans* Menschen

AutorFranziska Jahn
VerlagStudylab
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl79 Seiten
ISBN9783668512825
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob und inwiefern trans* Menschen in der Gesellschaft pathologisiert und fremdbestimmt werden. Davon ausgehend untersucht sie, welche Rückschlüsse sich daraus über deren Selbstbestimmung und Anerkennung im Alltag ziehen lassen. Diesbezüglich wird auch die Notwendigkeit gender- und diversitätsbewusster Ansätze in der Sozialen Arbeit diskutiert. Diese deskriptive Arbeit fußt dabei grundlegend auf dem Theorem der '(De-)Konstruktion von Geschlecht' nach Judith Butler. Trans* Menschen werden bisher nach der ICD-10 und der DSM-5 mit einer Persönlichkeitsstörung respektive Verhaltensstörung beziehungsweise Geschlechtsdysphorie diagnostiziert. Sie werden durch diese Pathologisierung geradezu entmenschlicht und genießen nicht die gleichen Rechte wie cis-geschlechtliche Menschen. So werden trans* Menschen nach wie vor durch die Gesellschaft von eben jener exkludiert und unsichtbar gemacht. Innerhalb dieser Arbeit werden deskriptiv folgende Leitfragen queertheoretisch in Diskurs gesetzt: Woher kommen und wie entstehen Exklusionsmechanismen in Bezug auf trans* Menschen? Wie äußern sich diese konkret? Welche Möglichkeiten der diskursiven Verschiebung von hegemonialen Vorstellungen bestehen? Inwiefern halten Gender- und Diversitätsbewusstsein aktuell Einzug in der Sozialen Arbeit? Welche Aufgaben, Optionen und Konzepte bestehen diesbezüglich in der Profession, in Hinblick auf die Anerkennung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt am Beispiel von Trans*? Aus dem Inhalt: - trans* Menschen; - Doing Gender; - Habitus; - Dekonstruktion; - Diversität

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Leseprobe

2 Theoretischer Teil und Kontextualisierung


 

Innerhalb der theoretischen Diskussion um Geschlecht, bestehen zwei Optionen anhand derer Geschlecht erschaffen wird: zum einen als Praxis in Form des (Un)Doing Gender und zum anderen als diskursive und sprachliche Konstruktionen. Das Geschlecht eines Menschen ist lebens- und zukunftsweisend - es differenziert, klassifiziert und kategorisiert. Was aber, wenn das Geschlecht nicht naturgegeben sondern gesellschaftlich konstruiert ist? Die Biologie des Schicksals wäre dann kein festgeschriebenes Gesetz, sondern lediglich eine Farce.

 

2.1 Die Konstruktion Geschlecht nach Judith Butler


 

Judith Butler ist Philosophin, Poststrukturalistin und Theoretikerin ohne gleichen, die mit ihrer dekonstruktivistischen Theorie über die Konstruktion von Geschlecht, Geschlechtsidentität, Begehren und Sexualpraxis maßgeblich zur Entstehung der Queer-Theory beigetragen hat. Daher scheint ihr diskurstheoretischer Ansatz als legitime Wahl, um im Folgenden genauer betrachtet zu werden. Butlers Theorie fußt auf den Annahmen, „dass die Produktivität diskursiver und sprachlicher Macht das fundamentale Konstruktionsprinzip von Wirklichkeit“ (Bublitz 2010: 8) ist und das biologische Geschlecht ebenso konstruiert ist wie die Geschlechtsidentität, also das soziale Geschlecht. Sie bricht somit mit der bis dahin vorherrschenden, von Simone de Beauvoir geprägten, feministischen Vorstellung, nur das soziale Geschlecht sei konstruiert, nicht aber das biologische. Sie kritisiert die feministische Theorie weiterhin insofern, als dass sie diese beschuldigt an der Produktion und Verfestigung binärer Normen, folglich auch der Konstruktion von Geschlecht beteiligt zu sein, da diese immer nur die Differenzen von Männern und Frauen aufzeigt und alle weiteren Geschlechter damit gänzlich ausschließt. Zwei zentrale Punkte sind bei der Konstruktion von Geschlecht, sozialem Geschlecht, Begehren und sexueller Praktik grundlegend: zum einen der Diskurs an sich und zum anderen der performative Sprechakt.

 

2.1.1 Produktivität diskursiver Macht


 

Butler postuliert, dass der Mensch innerhalb einer Gesellschaft erst lebensfähig respektive gesellschaftlich anerkannt ist, wenn sich dieser vorherrschenden Normen unterwirft und diese anerkennt. Gleichzeitig reproduziert der Mensch jedoch durch Sprechhandlungen eben jene Normen, durch die er bedingt ist, verleiht den Normen wiederum Macht und ist somit Teil des Diskurses (Butler 1991: 16). Die Trias von Diskurs, Norm und Macht bildet die heterosexuelle Matrix, welche in Ausübung ihrer eigenen Macht die Diskurse und Normen strukturiert und wieder neu produziert. Die heterosexuelle Matrix ist dabei kein starres Ordnungssystem, sondern vielmehr ein Prozess der Stabilisierung von Macht und Normen mit dem Potential, durch Neuartikulation den Diskurs zu verschieben (Butler 1995: 21).

 

2.1.2 Biologie des Schicksals


 

Weiterhin geht Butler der Frage nach, ob der Mensch tatsächlich als Subjekt bereits in einem vordiskursiven Feld zum Subjekt gemacht wird, was bedeutet, dass die Festlegung des Subjekts in seiner Art, seinem Sein bereits durch die Biologie vorbestimmt wäre. Daher wird auch von der Biologie des Schicksals gesprochen, welche anhand von chromosomalen, hormonellen oder anatomischen Geschlechtsmerkmalen den sexuell bestimmten Körper produziert und diesen von Geburt an (Butler 1995: 29) in die Kategorien Frau oder Mann klassifiziert als auch darüber entscheidet, welche soziale Rolle dem Subjekt übergestülpt wird. Ebenso wird der Binarität der Geschlechter eine Natürlichkeit auferlegt, die wiederum die Heterosexualität als einzig wahre - weil in der Biologie begründete – Sexualität legitimiert, da nur diese die Reproduktion von Subjekten durch den gegengeschlechtlichen Geschlechtsakt vollführen kann und so die Erhaltung der eigenen Spezies sichert (Beauvoir 2013: 27ff). Durch diese Grundannahme, der Mensch sei eine Einheit aus Geschlecht (sex), Geschlechtsidentität (gender) und heterosexuellem Begehren, werden jedoch Exklusionsmechanismen kreiert, die Menschen mit bspw. bi-, homo- oder polysexuellem Begehren; Menschen die sich weder als Mann noch Frau verorten können (oder wollen) wie Trans* oder Inter* als auch Menschen, deren Geschlechtsidentität weder auf das anatomische Geschlecht noch das sexuelle Begehren schließen lassen (Butler 1991: 39) wie Drags und andere Queers, gewaltvoll ausgrenzen und als nicht legitim darstellen.

 

Um die Komplexität von Butlers Theorie sowie die Bedeutungen der von ihr genutzten Begrifflichkeiten wie bspw. heterosexuelle Matrix, Intelligibilität, Macht, Diskurs, Performativität usw. verständlicher und greifbarer zu machen, erscheint eine kleinteilige Begutachtung sowie die jeweiligen Kohärenzen eben jener Begriffe als sinnvoll.

 

2.1.3 Geschlecht, Geschlechtsidentität, Begehren und sexuelle Praxis


 

Jeder Mensch besitzt einen physischen Körper, der aufgrund seines biologischen Geschlechts als männlich oder weiblich klassifiziert wird. Mit dieser Klassifizierung wird dem Subjekt jedoch nicht nur ein Geschlecht (sex, z.B. weiblich) sondern ebenfalls eine soziale Rolle, ergo Geschlechtsidentität (gender, z.B. Frau), sexuelle Praxis (heterosexuell) und das Begehren (in diesem Fall auf den Mann ausgerichtet) zugewiesen. Dem Subjekt werden damit gleichzeitig geschlechtsspezifische Attribute und Verhaltensweisen angehaftet wie Kleidung, Haarschnitt, menschliche Eigenschaften und legitime sexuelle Praktiken.

 

Der von Simone de Beauvoir oft zitierte bedeutungsschwangere Satz „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“ (Beauvoir 2013: 334), wird in der feministischen Theorie dazu verwendet, das biologische Geschlecht von der Geschlechtsidentität zu unterscheiden und die Geschlechtsidentität als soziale Konstruktion zu entlarven, um somit „die Formel »Biologie ist Schicksal« anzufechten“ (Butler 1991: 22).

 

Butler geht hier noch einen Schritt weiter und macht darauf aufmerksam, dass bei der Unterscheidung von sex und gender nicht bedacht wurde, dass diese auf einer zeitlichen Reihenfolge basieren. „Treiben wir die Unterscheidung anatomisches Geschlecht/ Geschlechtsidentität bis an ihre logischen Grenzen, so deutet sie vielmehr auf eine grundlegende Diskontinuität zwischen den sexuell bestimmten Körpern und den kulturell bedingten Geschlechtsidentitäten hin“ (Butler 1991: 22f). Das heißt, dass der Körper eines Subjekts bei dessen Geburt zuerst mit einem biologischen Geschlecht markiert wird und sich dieser darauffolgend durch Sozialisation ein soziales Geschlecht aneignet. So scheint es, als sei sex immer ursächlich für gender und Biologie doch Schicksal. Ginge man jedoch davon aus, dass sex und gender gänzlich voneinander getrennt wären, so könnte die biologische Schicksalhaftigkeit von Körpern widerlegt werden. Dies würde jedoch durch die „radikale Spaltung des geschlechtlich bestimmten Subjekts“ (Butler 1991: 23) dazu führen, die Tragweite des sozialen Geschlechts infrage zu stellen, da das biologische Geschlecht keinerlei Vorbestimmung mehr für die Ausprägung der Geschlechtsidentität besäße. Geschlechtsidentität kann von daher das anatomische Geschlecht vielfältig interpretieren (Butler 1991: 22) und würde „selbst zu einem freischwebenden Artefakt“ (Butler 1991: 23), was zur Folge hat, dass Begriffe wie männlich/ weiblich und Mann/ Frau jedweden Körper ungeachtet seines sex oder gender bezeichnen können.

 

Butler deduziert hierbei, dass, da das soziale Geschlecht durch den Diskurs hervorgebracht wird, das biologische Geschlecht ebenso Produkt kultureller Konstruktion sein müsse, weswegen „die Unterscheidung zwischen Geschlecht und Geschlechtsidentität letztlich gar keine Unterscheidung ist“ (Butler 1991: 24). Dies bedeutet, dass sich sowohl das biologische Geschlecht als auch die Geschlechtsidentität innerhalb der Grenzen von Diskursen, Normen und Sprache entlang des „hegemonialen kulturellen Diskurses“ (Butler 1991: 27) entwickeln, weswegen vielmehr von einem kulturellen Schicksal gesprochen werden kann. Geschlecht ist dementsprechend nur eine gesellschaftlich konstruierte Kategorie, die zu einer bestimmten Zeit, in einem bestimmten kulturellen Kontext, eine bestimmte Vorstellung davon erzeugt, was es heißt eine bestimmte Geschlechtsidentität aufzuweisen. Geschlechtsidentität ist somit nur eine Kopie ohne Original (Butler 1991: 203).

 

Das biologische Geschlecht dient somit vielmehr als regulierendes Ideal, das von Beginn an normativ ist und wirkmächtigen Charakter hat. So erschafft sex als Teil der produktiven Macht durch Normen und Werte erst die Körper, die sich ihr unterwerfen und die von der Macht kontrolliert werden. „[D]as »biologische Geschlecht« ist ein ideales Konstrukt, das mit der Zeit zwangsweise materialisiert wird“ (Butler 1995: 21). Materialisierung meint hierbei allerdings keine feste Beschaffen- oder Begebenheit, sondern vielmehr den Prozess, bei dem sich Normen und Werte durch fortlaufende Repetitionen performativer...

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