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E-Book

Trotzdem das Leben lieben

11 Fragen - 11 Großmütter- 11 Schicksale

AutorSonja Tolevski
VerlagBookRix
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl249 Seiten
ISBN9783736884540
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Dies sind 11 Interviews mit 11 wunderbaren Großmüttern, die von ihrem Leben und ihren Problemen erzählen. Ich wollte Ausschnitte aus deren Leben festhalten, die auch für die heutigen Frauen interessant sein können. Es sind bewegende 11 Schicksale, welche berühren, welche den eigenen Alltag in einem anderen Licht erscheinen lassen. Die Interview-Fragen: 1. Was waren die wichtigsten Ereignisse in Ihrem Leben? 2. Welche Träume hatten Sie mit Anfang 20? 3. Wie haben Sie Ihren Mann kennengelernt? 4. Was denken Sie über Ehe und Liebe? 5. Welches sind Ihre schönsten Erlebnisse? 6. Wie sieht Liebe im Alltag aus? 7. Wie sah Ihr Alltag früher aus? 8. Welche Gedanken gingen Ihnen früher oft durch den Kopf? 9. Wie war Weihnachten früher? 10. Wie haben Sie den Krieg erlebt? 11. Was empfehlen Sie den jungen Frauen von heute? Die Frage ist doch viel weniger der Job, der besser sein könnte, die Beziehung, die besser sein könnte, das Einkommen, das besser sein könnte, sondern: was nehmen wir wahr? Was hält uns davon ab glücklich zu sein?

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Leseprobe

Eine Dame, geboren im Jahre 1920


Wichtigste Ereignisse

Das wichtigste Ereignis für mich war, als ich meine Heimat verlassen musste. Das war sehr schlimm. Wir kamen aus Oberschlesien, genauer gesagt aus Oppeln. Von dort bin ich 1945 fort.

Wir mussten weg, also die Leute, die Frauen mit Kindern. Mein Mann war damals im Krieg, also musste ich mit meiner Tochter fort. Ich kam nach Mecklenburg. Dort war mein Mann als Offizier stationiert. Da waren viele Offiziere. Das war ein guter Posten. Nach Ludwigslust, da ging noch der Zug, mehrere Züge sind gegangen. Ach Gott, wenn ich noch daran denke, ich mit dem Kinderwagen, Bettdecke drauf und Kopfkissen und meine Tochter und noch zwei Koffer. Zwei Koffer in der Hand und immer so stückchenweise, einmal den Kinderwagen geschoben, einmal die Koffer geholt. Damals sind nur Militärzüge gefahren und da habe ich eine Ausnahme gekriegt, einen Schein, dass ich mit dem Militärzug fahren durfte, nach Ludwigslust.

Komisch. Das war eigenartig. Ich sollte erst am nächsten Tag ankommen, aber ich bin einen Tag früher schon gefahren, weil meine Mutter auch weg musste und dann bin ich einen Tag früher angekommen. Ich komme in Ludwigslust an und da steht mein Mann am Bahngleis. Er war schon einen Tag vorher auch am Bahnsteig. Ich weiß nicht, ob das ein Gedanke war. Wir waren lange am Rätseln, er hat sich eingebildet ich muss heute kommen. Also da haben wir lange, lange darüber nachgedacht. Wieso? Er hat gewusst ich komme an diesem Tag an.

Mit dem Militärzug sind wir angekommen. Ach Gott, ich dachte, ich kriege meine Tochter nicht mehr. Die ist von Soldat zu Soldat gelaufen und saß bei jedem auf dem Schoss. Da konnte sie schon laufen. Das heißt Laufen mit Festhalten, da war sie noch kein Jahr alt. Ich habe immer wieder gedacht, ich kriege sie nicht mehr wieder. Die war im ganzen Zug unterwegs.

Sie war ein freundliches Kind. Das hat ihr alles gut gefallen und als sie dann wieder kam, war sie so voll gepackt mit Keksen von den Soldaten. Ich hatte keine Tasche und wusste gar nicht, wohin ich das alles verstauen sollte. Das war ein Erlebnis! Und dann komme ich in Ludwigslust an und da steht mein Mann schon da. Ich weiß auch nicht. Ich habe dafür keine Erklärung. Das war mir Recht, denn dadurch war ich nicht ganz alleine gewesen mit dem ganzen Umzug. Ich hatte die zwei Koffer dabei mit Kinderwagen und dem Bettzeug. Das Bett habe ich überall hin mitgenommen.

Ja, das war eine Zeit. Man hat immer gewartet. Was kommt jetzt? Was für eine Überraschung kommt jetzt? Im Krieg müssen Sie mit allem rechnen. Das ist so.

Er hat uns dort dann eine Wohnung besorgt. Das war aber eine Wohnung! Das waren offene Wohnungen. Es waren Zimmer ohne Tür. Klar, ich war froh drum, damals, dass ich eine Wohnung bekommen habe mit meiner Tochter. Dort habe ich gelebt bis der Krieg aus war, wann war er aus.

Als der Krieg aus war, hat uns mein Mann nach Mannheim geholt. Seitdem leben wir hier in Mannheim. Als wir herkamen, da sind wir in die Wohnung meiner Schwiegermutter gezogen. Die hatte zwar Schäden von den Bomben, aber sie war zumindest nicht ausgebombt. Dort haben wir in zwei Zimmern mit fünf Personen gewohnt. Das war so nervenaufreibend. Mit dem kleinen Kind auch noch. Aber es war halt so.

 

Krieg

Den Krieg habe ich bei mir zu Hause in Oberschlesien erlebt. Wir waren in der Zone. Als ich weg musste, da gingen die Frauen weg, die mussten weg. Zu diesem Zeitpunkt war die russische Armee nur 20 km von uns entfernt. Und weil der Russe überall einmarschiert war und alles besetzt worden ist, deswegen mussten wir alle fort. War eine schwere Zeit alles stehen und liegen zu lassen, vor allen Dingen für meine Eltern. Wir jungen Leute kamen darüber hinweg, aber meine Eltern nie.

Mein Vater wurde versetzt ins Jägerland und meine Mutter haben sie geschnappt und haben sie zu meiner Schwägerin in die Nähe von Cottbus geschickt. Mein Mann war beim Militär. Er war Flugzeugführer, aber im Inland. Wir mussten auch alles stehen und liegen lassen, mussten fort und das war es. So waren wir dann auseinander gerissen. Ich war in Ludwigslust. Dort hatte ich die Wohnung. Mein Mann hat mich dann später aus Ludwigslust nach Mannheim geholt. Der Krieg hat vieles mit sich gebracht. Anfangs haben wir alle daran geglaubt und es ist uns ja auch nicht schlecht gegangen beim Hitler. Das, was er gemacht hat, war nicht richtig, aber uns ist es nicht schlecht gegangen, überhaupt nicht. Besonders den Müttern mit Kindern ist es plötzlich blendend gegangen; das hat er alles unterstützt. Er hat nur den einen Fehler gemacht mit dem Krieg. Aber sonst war bei ihm alles in Ordnung. Er hat für das Volk gesorgt. Für die Familien hat er gesorgt. Nur dass er den Krieg da angefangen hat, das war der Fehler. Aber sonst war er in Ordnung.

Ach, das war alles nicht so einfach, aber man hat das alles so überstanden. Gut überstanden, würde ich mal sagen.

 

Träume mit Anfang 20

Träume? Mit Anfang 20 hat man noch keine Träume gehabt. Ich war froh, dass ich bei meinen Eltern leben durfte, wohnen durfte, und ich habe bei meinen Eltern ein schönes Leben gehabt. Als der Krieg dann kam, war alles aus, war alles vorbei.

Jetzt bin ich 94. Habe nie geglaubt, dass ich so alt werde, aber jetzt ist es so weit.

 

Kennenlernen

Ich habe meinen Mann im Krieg kennengelernt. Ich war im Büro der Krankenkasse und ich war die Jüngste dort. Sie haben mich dann weggeholt und als Nachrichtenhelferin verpflichtet. So bin ich als Fernschreiberin auf dem Flugplatz in Stubendorf angekommen und dort habe ich meinen Mann kennengelernt. Ich war also Fernschreiberin, saß am Schalter und die Schließer mussten sich ihre Scheine abholen, ihre Schmuckscheine, und so weiter und so kam man ins Gespräch.

Bei ihm, glaube ich, war es Liebe auf den ersten Blick; bei mir nicht. Er war mir zwar sympathisch, aber ich habe jemand anderen gehabt. Ach Gott, ja. Das war noch ein Theater. Den hat er ausgestochen nach Strich und Faden, ach Gott, nein, der hat mir so leid getan. Na gut, wo die Liebe hinfällt.

Lange habe ich geglaubt, es sei die richtige Entscheidung gewesen. Wir sind dann nach Mannheim gekommen, weil meine Schwiegermutter hat hier gewohnt, mein Schwager und meine Schwägerin, also wir haben zu fünft in zwei Zimmern gewohnt. Das war auch nicht einfach. Jeder konnte mein Kind erziehen, alle wollten sie mein Kind erziehen. Alles nicht so einfach gewesen. Meinem Mann ist das dann auch auf die Nerven gegangen und da hat er eine Wohnung gesucht, damit wir raus kommen aus dem beengten Leben.

Damals war das so, am Anfang des Krieges, da musste man arbeiten, damit man eine Wohnung irgendwo bekommen konnte, als Zuschuss sozusagen. Geld und Arbeit. Er hat gearbeitet und die haben ihm dann bei der Arbeit den Fuß angeschlagen und haben ihm dann einen Vorgesetzten vor die Nase gestellt. Das war sehr ärgerlich. Wir haben uns nach einer anderen Wohnung umgeguckt und dann eine kleinere Wohnung bekommen. Dort sind wir dann eingezogen, haben ab da alleine gewohnt, Gott sei Dank. Mein Mann war krank, schizophren haben sie gesagt. Und ich habe das Kind gehabt und musste mich kümmern. Davon will ich nicht erzählen, das war furchtbar.

Er kam dann fort, nach Wiesloch, nein, nicht nach Wiesloch, es war Heidelberg. Und immer wieder und immer wieder, es war eine furchtbare Ehe.

Die Scheidung kam später, da war meine Tochter schon groß. Vorher hat er gedroht: „Wenn du dich scheiden lässt, schlage ich dich tot“, also habe ich immer Angst gehabt. Ich habe ja immer in Angst gelebt mit ihm. Er war entweder in einer Anstalt, dann kam er wieder zurück und so ging das dann. Schlimm ist, dass die Krankheit meine Tochter geerbt hat und das Theater habe ich jetzt immer noch.

 

Alltag

Am Anfang habe ich im Büro gearbeitet, dann musste ich wegen der Tochter aufhören. So blieb das dann bis zur Scheidung und bis das alles vorbei war. Ich kann mich gar nicht mehr an alles erinnern, wann das war, also das Jahr weiß ich nicht mehr. Auf alle Fälle war ich froh als alles vorbei war, da war meine Tochter aber schon groß.

Da habe ich geglaubt, ich hätte nachher meine Ruhe. Aber auch dann noch hatte ich keine Ruhe von ihm gefunden. Zwar hat er dann wieder geheiratet, aber dadurch, dass er krank war, hat er mich andauernd belästigt, habe ich dauernd in Angst gelebt. Es waren keine angenehmen Jahre, jedenfalls für mich nicht.

 

Liebe

Ich weiß nicht, ob es eine richtige Liebe gibt, ob es das ist, das was man Liebe nennt. Das hält nicht ewig. Die Liebe, das ist bloß ein Rausch, den man wahrnimmt, aber nicht ewig und vollendet sein kann. Das kann sie nicht. Die Liebe kommt und geht, sagt man, und das ist auch so.

Wie viele Pärchen gibt es, die sich verliebt haben, und oft waren sie noch nicht einmal verheiratet, da war die Liebe schon erloschen. Gibt es so was? So ist es im Leben.

 

Schönste Erlebnisse

Ich hatte eine schöne Jugend, ja. Mein Vater war bei der Eisenbahn. Wir hatten einen großen Garten, ein Feld und ich durfte mitarbeiten. Aber meine Mutter hat mir auch Freizeit gegeben, dass ich spielen konnte. Ich musste erst die Schulaufgaben machen, das war Vorschrift, eher durfte ich nicht raus und das war auch gut so. Ich bin heute noch so ordnungsliebend, dass wenn etwas gemacht...

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