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Tsunami im Kopf

Flachgelegt durch eine Hirnblutung. Aber ich hol mir mein Leben zurück.

AutorMax Sprenger
Verlagadeo
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783863348014
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Hey, ich bin Max. Bis vor drei Jahren war ich ein ganz normaler Teenager mit vielen Freunden und viel Spaß an meinem Hobby Parkour. Bis ich im Urlaub in Holland urplötzlich starke Kopfschmerzen bekam - und von einer Sekunde auf die andere alles anders wurde. Eine massive Hirnblutung stürzte mich in das 'Locked-in-Syndrom': Ich bekam alles mit und war geistig voll da, konnte aber keinen einzigen Muskel bewegen, nicht sprechen, keine Zeichen geben. Eine unvorstellbare Situation - und laut ärztlicher Prognose würde sie so bleiben. Doch dann geschah ein halbes Wunder und es gelang mir, mich Stück für Stück zurück ins Leben zu kämpfen. Heute bin ich 17 Jahre alt. Obwohl mein Zustand um einiges besser geworden ist, als irgendwer je gedacht hätte, werde ich nie wieder der Alte sein. Dennoch bin ich fest entschlossen, mir mein Leben zurückzuholen. Meine Geschichte soll einen Eindruck geben, wie man sich als Gefangener im eigenen Körper fühlt. welche Träume mich antreiben. Und wie wir uns vielleicht gegenseitig durch schwere Zeiten helfen können.

Max Sprenger, Jahrgang 2000, lebt mit seiner Mutter und seinen beiden jüngeren Geschwistern im mittelhessischen Wetzlar. Mit 14 Jahren erlitt er eine massive Hirnblutung, die er trotz schlechter Prognose ebenso überlebte wie das daraus folgende Locked in-Syndrom. Mit beispielhafter Hartnäckigkeit kämpft er sich zurück, legte die Mittlere Reife ab und tippte seine Geschichte mit einem Finger in sein Handy. Er glaubt fest an die Unbeständigkeit seiner körperlichen Einschränkungen. Sein Motto: Ziele auf den Mond - selbst wenn du ihn verfehlst, wirst du bei den Sternen landen.

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Leseprobe

1

Es war Mittwoch, der 3. Juni 2015, nach Unterrichtsschluss. Als der Schulgong ertönte, verließen mein Kumpel und ich mit hochgekrempelten Hosen im „Hipster Style“, wie es zu der Zeit cool war an unserer Schule, als Erste das Klassenzimmer.

Gemeinsam mit den anderen Schülern strömten wir dem Ausgang entgegen, hinein in ein langes freies Wochenende. Nachdem wir uns von allen möglichen Leuten verabschiedet hatten, suchte ich nach meiner Schwester. Eigentlich ging sie auf eine andere Schule, hatte an diesem Mittwoch jedoch wegen eines pädagogischen Tages keinen Unterricht und war deshalb in einer unserer Klassen zu Besuch, um sich unsere Schule anzuschauen. Irgendwann fand ich sie, und gemeinsam mit ein paar Freunden machten wir uns auf den Heimweg.

Gerade war ich dabei, mehr oder weniger erfolgreich die 8. Klasse abzuschließen, und besuchte dazu die Freiherr-vom-Stein-Schule. Das ist ein Mittelstufengymnasium mit Schwerpunkt Musik, was bedeutet, dass dort Musik an erster Stelle steht und auch dementsprechend stark gefördert wird.

Leider muss ich gestehen, dass Musik absolut nicht mein Ding war, denn ich hatte sie einfach nicht im Blut. Spaßeshalber behauptete meine Mutter sogar, dass man, wenn ich ein Lied summte, den Titel nur erraten könne, da sowohl Töne als auch Melodien derart falsch, wären, dass man es beim besten Willen nicht erkennen konnte.

Meine Mum und ich

Trotz meiner eher unmusikalischen Seite hatte ich einige Jahre lang Klavierunterricht. Eine weitaus größere Leidenschaft hatte ich aber für das Theaterspielen. Mit 10 Jahren fing ich im Kindertheaterprojekt Wetzlar an und wirkte später auch im Jugendtheater mit. Allerdings war ich kein Streber, auch wenn dies angesichts des für einen Jungen meines Alters eher ungewöhnlichen Hobbys auf den ersten Blick vielleicht so erscheinen mag. Nein, ganz sicher war ich das nicht, eigentlich war sogar genau das Gegenteil der Fall: Ich war stinkend faul und tat für die Schule nur das Nötigste.

In den Augen des stellvertretenden Schulleiters war ich gar der Unruhestifter Nummer eins. Wenn die Damen unseres Schulkiosks beispielsweise durch eine Gruppe Schüler bei ihrer Arbeit gestört wurden, war immer ich es, der in sein Büro zitiert wurde. Unabhängig davon, ob ich bei dieser Gruppe überhaupt dabei gewesen war oder nicht. Er hatte mich einfach auf dem Zeiger, zugegebenermaßen nicht ganz ohne Grund.

Damals sah ich einfach keinen tieferen Sinn darin, meine kostbare Freizeit der Schule zu opfern, und zeigte das auch deutlich. In dieser Zeit gab es meines Erachtens wichtigere Dinge zu tun, als mich stundenlang an meinen Schreibtisch zu setzen und zu lernen. Ganz allgemein war ich so gut wie nie zu Hause, sondern liebte es, mit Freunden draußen unterwegs zu sein. Man kann also behaupten, dass ich das Leben in vollen Zügen und ohne Verpflichtungen genoss.

Auf der Suche nach „meinem“ Sport hatte ich Fußball und andere Ballsportarten ausprobiert und festgestellt, dass ich damit irgendwie nicht viel anfangen konnte. Doch war mir klar: Ich musste meinen Körper spüren, um mich lebendig zu fühlen. Im Parkour hatte ich schließlich die Sportart gefunden, die zu mir passte und mich total erfüllte.

Beim Parkour geht es darum, schnellstmöglich von Punkt A zu Punkt B zu gelangen und diverse Hindernisse, die sich auf der Strecke auftun, möglichst schnell und elegant zu überwinden. Kombiniert mit dem traditionellen Freerunning muss man im Wettkampf außerdem beim Überwinden der Hindernisse möglichst spektakuläre Stunts vollführen: Eine Rolle zum Beispiel ist essenziell, um den Aufprall (oder Drop) aus einiger Höhe abzufedern und danach möglichst schnell wieder weiterzukommen. Außerdem muss man verschiedene Sprungtechniken von Hindernis zu Hindernis beherrschen und auch Saltos, die vorwärts und rückwärts ausgeführt und in der Szene auch als Front- bzw. Backflips bezeichnet werden.*

Am meisten faszinierte mich an dieser Sportart, dass man kein genormtes oder einen Weg vorschreibendes Spielfeld oder besonderes Equipment braucht, sondern dass sie sich stattdessen immer, überall und auch ganz spontan praktizieren ließ. Mauern, Treppen und Zäune auf dem Weg stellen natürliche Hindernisse dar, und so kann man jede Straße ganz individuell zu seiner eigenen, immer neuen Hindernisstrecke machen. Dafür muss man lediglich die im Training erlernten Techniken anwenden. Es machte echt viel Spaß, sich immer wieder neu selbst herauszufordern, und mit der Zeit verliebte ich mich mehr und mehr in diesen Sport. „Parkour ist nicht nur eine Sportart. Parkour ist ein Lifestyle“, so hieß es, und ich versuchte diesem Motto gerecht zu werden.

Alles in allem war ich sehr zufrieden mit meinem Leben, exakt so, wie es war. Ich mochte sogar meine Schule und den Unterricht, meine Klasse war auch toll und ich fühlte mich sehr wohl. In meiner Parallelklasse gab es außerdem eine Mitschülerin, in die ich total verliebt war, weshalb mich der Weg zur Schule immer wieder mit Vorfreude erfüllte. Denn ich wusste ja, dass ich dort wieder auf sie treffen würde.

Wir brauchten nur etwa zehn Minuten nach Hause, auch allein ging ich den Schulweg meist zu Fuß. Als wir zu Hause ankamen, fiel mir auf einmal wieder ein, dass ja noch ein Zahnarzttermin für uns Kinder anstand, bevor endgültig das Wochenende beginnen würde. Und so saßen wir geschätzte 30 Minuten später im Wartezimmer und kamen nach gefühlten 10 Stunden endlich völlig entnervt aus der kleinen Zahnarztpraxis.

Ich atmete erst mal erleichtert auf: Nun konnte meine freie Zeit beginnen. Ich hatte schon mit meinem Kumpel ausgemacht, dass ich am Wochenende bei ihm penne. Aber es sollte alles ganz anders kommen.

Als wir wieder im Auto saßen, verkündete meine Mutter nämlich, dass sie eine Überraschung für uns hätte. Ganz stolz erzählte sie, dass sie über das Wochenende einen Kurztrip nach Holland mit uns geplant habe.

Na toll, dachte ich und war nicht sonderlich erfreut über diesen Plan. Mein Opa besaß dort an der Küste ein kleines Ferienhaus, das oft leer stand, da mein Opa in Deutschland lebt. Deshalb hatten meine Mutter und ihre zwei Brüder fast jederzeit die Möglichkeit, mit ihren Familien oder Freunden dort hinzufahren, um Urlaub zu machen. Das Haus liegt direkt an der Nordseeküste, nur rund hundert Meter trennen es vom Strand. Ich bin seit dem Kleinkindalter mindestens einmal jährlich da gewesen, und nun schon wieder mit der Familie dort hinzufahren, schien mir nicht allzu spannend.

„Ehrlich gesagt habe ich eigentlich gar keine Lust auf Holland. Kann ich nicht einfach zu Hause bleiben und das Wochenende mit meinen Freunden verbringen?“, fragte ich.

Meine Mutter schaute mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an. „Heutzutage kann man euch Kindern echt keine Freude mehr machen. Euch geht’s einfach zu gut!“

Und im Grunde hatte sie recht damit, auch wenn ich das natürlich nicht hören wollte und mit den Augen rollte. Ich war tatsächlich ganz schön verwöhnt und wusste gar nicht richtig zu schätzen, was für ein tolles Leben ich hatte. Nur habe ich das damals noch nicht verstanden. Bei dem Leben, das ich heute führe, kann ich allerdings genau nachvollziehen, was sie meinte. Mit der Familie gesund in den Urlaub fahren zu können, das ist etwas, wofür man durchaus dankbar sein sollte. Dass man alle Freiheiten hat und tun kann, wozu man Lust hat, ist auch nicht selbstverständlich.

Meine Mutter hörte sich mein Genöle eine Zeit lang an, dann sagte sie, dass wir nicht allein fahren würden. Nun war ich gespannt, wer mitkommen würde. Mein Vater konnte es ja nicht sein, denn meine Eltern hatten sich scheiden lassen, und mein Vater hat wieder geheiratet. Mit seiner neuen Frau hat er zwei Kinder, doch da sie um ein Vielfaches jünger sind als ich, hatte ich kaum etwas mit ihnen zu tun.

Schließlich löste meine Mutter auf, dass ein Freund meines Bruders mitkommen würde und außerdem, was viel bedeutsamer für mich war, auch noch Bettina, eine Freundin meiner Mutter, mit ihrer Tochter Kim. Kim und ich kannten uns schon ewig und waren echt gut befreundet. Sie war 17 und ich 14 Jahre alt, und seit vielen Jahren fuhren unsere Mums nun schon gemeinsam mit uns in den Urlaub. Bei der Aussicht, dass sie mit dabei sein würde, begann ich mich sogar allmählich auf die kleine Reise zu freuen.

Bevor es losging, holten wir unsere Freunde ab. Das Auto war ein VW-Caddy und bot Platz für sieben Personen und zwei kleine Hunde. Als alle verstaut waren, konnte unser Trip ins niederländische Cadzand-Bad beginnen.

Während der mehrstündigen Fahrt war die Stimmung im Wagen ausgelassen und von Vorfreude geprägt. Dass ich nie wieder so nach Wetzlar zurückkommen würde, wie ich es verlassen hatte, konnte zu diesem Zeitpunkt natürlich niemand ahnen.

Die Holland-Truppe

Ich schaute aus dem Fenster und sah die Sonne als helle Scheibe hoch am strahlend blauen Himmel stehen. Irgendwie kamen mir die Worte meines Kumpels in den Sinn, der vor Kurzem zu mir gesagt hatte: „Ey, unser Leben ist eigentlich grad schon ziemlich geil.“ Und es stimmte, mein Leben war wirklich geil; so wie es war, war es mehr als perfekt. Während ich darüber nachdachte, schien mir die insgesamt fünfstündige Autofahrt gar nicht ganz so lange zu dauern.

Dennoch war ich froh, als wir endlich da waren. Den anderen sah man die Erleichterung auch deutlich an, als sie sich ein wenig die Beine vertreten und ihre Lungen mit frischer Seeluft füllen konnten. Rasch lebten wir uns in der gewohnten Umgebung ein. Ich bezog...

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