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Cultural Turns in der Soziologie

VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl389 Seiten
ISBN9783593410180
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis33,99 EUR
Die Soziologie hat sich vom Cultural Turn in unterschiedlichem Maße inspirieren lassen. Ausbuchstabiert wird der allgemeine Trend zur Kultur in den jüngeren Geistes- und Sozialwissenschaften als eine Vielzahl unterschiedlicher Cultural Turns. Entsprechend beleuchten die in diesem Band versammelten Beiträge nicht nur die allgemeinen Einflüsse des Cultural Turns auf die Grundmotive soziologischen Fragens und Forschens. Sie liefern darüber hinaus auch einen Überblick über die entstandene Forschungslandschaft, indem sie die vielfältigen Möglichkeiten widerspiegeln, Kultur zum Leitmotiv oder Thema soziologischer Forschung zu machen.

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Leseprobe
Nostalgie (S. 215-216)

Kreative Effekte eines problematischen Gefühls


Erhard Stölting


»Nostalgie« verweist ähnlich wie »Kitsch« gemeinhin auf angeblich unauthentische, verlogene oder illusionäre Gefühle. Der Begriff enthält also eine kritische Intention und benennt die entsprechenden Objekte, Bilder, Gebäude oder Aufforderungen, von denen alle umstellt sind. Nostalgie auslösende Objekte sind auf den entsprechenden Märkten stark nachgefragt und damit wichtiger Teil des Wirtschaftslebens.

Für den Tourismus sind sie essenziell. Im politischen Leben sind offene und verdeckte Appelle an nostalgische Empfindungen besonders wichtig und präsent. Sie können sich in rational scheinende Argumente kleiden, wenn es um die Mobilisierung von Zustimmung geht. Sie können ebenso gut in Form von Symbolen wie von schönen Ensembles das Empfinden ansprechen.

Nostalgie ist – so die hier vorgeschlagene Bestimmung – die Sehnsucht nach etwas, das irgendwie erinnert wird und so nicht mehr existiert oder verborgen ist. Sie ist also eine Form emotional positiv besetzten historischen Bewusstseins. Ob das, was erinnert wird und Sehnsucht auslöst, tatsächlich so existiert hat, wie es ersehnt wird, oder ob es überhaupt existiert hat, ist dabei gleichgültig. Der erinnerte Zustand kann auch gänzlich fiktiv sein; die Nostalgie kann sich auf etwas beziehen, was es nie gegeben hat (vgl. Coontz 1992).

Oft wird zwar der nostalgisch erinnerte Gegenstand für eine vergangene Realität gehalten werden. Das muss aber nicht so sein, bereits hier ist eine Brechung möglich. Es ist denkbar, dass der Nostalgiker weiß, dass sich seine Gefühle auf eine Fiktion richten; er schaltet dieses Wissen aber für den Augenblick aus. Das allerdings setzt seine Distanzierung gegenüber den eigenen Gefühlen voraus, die sich als »ironisch« bezeichnen ließe. Der Nostalgiker würde sich in diesem Fall nur wohldosiert täuschen.

Die Möglichkeit eines ironischen Umgangs mit nostalgischen Gefühlen macht deutlich, wie problematisch es ist, von »unechten«, »verlogenen« oder »illusionären« Gefühlen zu reden. Gefühle haben keinen Wahrheitswert, sie sind in variabler Intensität da oder nicht. Sie können ambivalent sein, oder es können die Worte fehlen, sie hinreichend genau zu bezeichnen. Auch die Sehnsucht nach einem Trugbild ist echte Sehnsucht.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Einleitung – Sybille Frank und Jochen Schwenk10
QUERWÄRTS – Eine Collage – Urs Jaeggi22
Kultur – Soziologie – Mode und Methode? – Helmuth Berking24
I. Rückblicke44
Konjunkturen und Wandlungen des Kulturbegriffs in der deutschen Soziologie – Jochen Schwenk46
Erinnerungen an meinen Cultural Turn – Wolfgang Eßbach68
Tales of the City or Städte ohne Grenzen – Anthony D. King76
II. Ausblicke94
Jenseits des Cultural Turns – Die Renaissance der Gesellschaft – Hermann Schwengel96
Die Kulturwissenschaften in der Krise – Lutz Musner104
Abfall & Eleganz – Materialität vs. Kultur? – Lars Frers118
III. Stadt136
Schwarzsein als kollektive Praxis in Salvador de Bahia – Stadtsoziologie aus kulturtheoretischer Perspektive – Martina Löw138
Wahrzeichen des Geschmacks – Anmerkungen zur Stadt als Geschmackslandschaft – Rolf Lindner160
Der sinnhafte Aufbau der gebauten Welt – Eine architektursoziologische Skizze – Silke Steets172
Knowledge Turn in der Stadtforschung – Begriffscocktail mit Rezeptur – Ulf Matthiesen190
IV. Vergangenheit214
Nostalgie – Kreative Effekte eines problematischen Gefühls – Erhard Stölting216
Warten auf den Cultural Turn – Das Ende der Geschichte und das Schweigen der Soziologie – Sybille Frank236
Wie viel Geschichte braucht das Ich? – Normative Implikationen der psychoanalytischen Auffassung von Lebensgeschichtlichkeit – Gunter Weidenhaus264
V. Dezentrierung288
Reinventing the Commons – Carlo Caduff and Shalini Randeria290
Anpassung und Kreativität – Über afrikanische Variationen politischer Heterarchie – Trutz von Trotha und Mario Krämer308
Wissenssoziologische Ursprünge der Ungleichheitstheorie: Das Tocqueville-Paradox – Sighard Neckel334
VI. Event342
Das Ereignis als Aufgabe – Zur Trajektstruktur der»Kulturhauptstadt Europas Ruhr 2010« – Ronald Hitzler und Arne Niederbacher344
Basler und Mainzer Fas(t)nacht, Kölner Karneval und Münchner Fasching vor allem – Eine transdisziplinäre Tour d’Horizon – Richard Faber362
Autorinnen und Autoren384
Tabula Gratulatoria386

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