2. Relevanz der Dienstleistungstypikalität für das Marketing
2.1. Der Begriff der Dienstleistung
Der Dienstleistungssektor stellt sich als außerordentlich heterogen dar. So sind unter anderem Banken, Touristik, Beratung, EDV, Telekommunikation und Transportleistungen unter dem Dienstleistungsbegriff subsumiert. Daraus ergeben sich Schwierigkeiten beim Aufstellen allgemeiner Aussagen über Dienstleistungen. So ist es bisher nicht gelungen, zu einer einheitlichen Definition für den Begriff der Dienstleistung zu gelangen. Allen Versuchen, die Dienstleistung zu definieren, liegt die Abgrenzung von Dienstleistungen gegenüber Sachgütern zugrunde. Die in der Literatur vorzufindenden Definitionsansätze lassen sich in drei Gruppen unterteilen.
Der enumerative Ansatz versucht den Dienstleistungsbegriff über die Aufzählung von Beispielen einzugrenzen. Problematisch dabei ist, dass im Einzelfall keine konkrete Richt-linie vorliegt, um zu entscheiden, ob es sich um eine Dienstleistung handelt oder nicht (Oppermann 1998, S. 20).
Ein weiterer Definitionsansatz ist der der Negativdefinition zu Sachgütern, wonach all jene Produkte Dienstleistungen sind, die keine Sachleistungen darstellen. Auch dieser Ansatz bleibt unbefriedigend, da nicht herausgestellt wird, durch welche operationalisierbaren Attribute sich Dienstleistungen letztlich auszeichnen.
Der zweckmäßigste Ansatz definiert den Dienstleistungsbegriff explizit über konstitutive Merkmale. In der Literatur zur Definition über konstitutive Merkmale ist eine Dreiteilung des Dienstleistungsbegriffes in Dienstleistungspotenzial, Dienstleistungsprozess und Dienstleis-tungsergebnis auszumachen. Als wesentliches Merkmal von Dienstleistungen bezüglich ihres Potenzials wird die Immaterialität des Angebotes angesehen. Da der Dienstleistungsprozess die Nachfrage nach einer bestimmten Leistung voraussetzt, kann nur das Dienstleistungs-potenzial, welches sich aus Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit zusammensetzt, angeboten werden. Der Dienstleistungsprozess ist vor allem durch die Notwendigkeit der Einbringung eines externen Faktors durch den Nachfrager gekennzeichnet, um die Dienst-leistung erstellen zu können. Als externer Faktor kommen Lebewesen (Nachfrager), Objekte des Nachfragers (Auto zur Reparatur) sowie Nominalgüter wie Informationen (bei Rechtsbe-ratung) oder Geld (Anlageberatung und Wertpapierverkauf) in Frage. Entscheidend für eine Dienstleistung ist auch der synchrone Kontakt der Marktpartner bzw. von deren Objekten, also die Gleichzeitigkeit von Produktion und Konsumtion der Leistung (sog. Uno-actu-Prinzip). Das bedeutet ebenfalls, dass Dienstleistungen nicht auf Vorrat produziert (Nicht-lagerfähigkeit) und nicht an einem anderen Ort als dem ihrer Erstellung konsumiert werden können (Nichttransportfähigkeit). Die ergebnisorientierte Sichtweise sieht als Dienstleistung das Ergebnis eines Prozesses an, welches immer immaterieller Natur ist.
Zusammenfassend kann der Begriff der Dienstleistung in Anlehnung an Meffert und Bruhn (2003, S. 30) wie folgt definiert werden:
„Dienstleistungen sind selbständige, marktfähige Leistungen, die mit der Bereitstellung (zum Beispiel Versicherungsleistungen) und/ oder dem Einsatz von Leistungsfähigkeiten (zum Beispiel Friseurleistung) verbunden sind (Potenzialorientierung). Interne (zum Beispiel Geschäftsräume, Personal, Ausstattung) und externe Faktoren (also solche, die nicht im Einflussbereich des Dienstleisters liegen) werden im Rahmen des Erstellungsprozesses kombiniert (Prozessorientierung). Die Faktorenkombination des Dienstleistungsanbieters wird mit dem Ziel eingesetzt, an den externen Faktoren, an Menschen (zum Beispiel Kunden) oder deren Objekten (zum Beispiel Auto des Kunden) nutzenstiftende Wirkungen (zum Beispiel Inspektion beim Auto) zu erzielen (Ergebnisorientierung).“
2.2. Besonderheiten beim Absatz von Dienstleistungen
Ausgehend von den konstitutiven Merkmalen von Dienstleistungen lassen sich grundsätz-liche Besonderheiten des Dienstleistungsmarketing ableiten, die auf der Immaterialität des Leistungsangebotes, der Integration des externen Faktors sowie der Immaterialität des Dienstleistungsergebnisses beruhen. Insgesamt gesehen zeichnen sich Dienstleistungen durch große Unsicherheiten und folglich durch ein hohes Risikoempfinden seitens der Nachfrager aus. Dies soll im Folgenden wieder anhand der drei Dimensionen Dienstleistungspotenzial, Dienstleistungsprozess und Dienstleistungsergebnis verdeutlicht werden.
Dienstleistungen können nur als Leistungsversprechen angeboten werden, so dass der Abnehmer zum Zeitpunkt des Angebotes das Problem hat, die Nutzenstiftung antizipieren und die Qualität der Dienstleistung beurteilen zu können. Dienstleistungen sind bezüglich der Immaterialität des Leistungsangebotes durch Informationsarmut gekennzeichnet, das heißt, sie vermitteln weniger Informationen als Sachleistungen. Infolgedessen werden von den Dienstleistungsinteressenten an Stelle des eigentlichen Produkts oft Surrogat- und Schlüssel-informationen herangezogen, um ihre Vorstellung vom Dienstleistungsangebot zu konkreti-sieren (Oppermann 1998, S. 53). Des Weiteren zeichnen sich Dienstleistungen durch Informationsasymmetrie zwischen Anbieter und Nachfrager aus, denn zwischen ihnen liegt eine ungleiche Verteilung der verfügbaren Informationen vor. Während der Dienstleister vollständige Kenntnis über das eigene Leistungspotenzial und sein Know-how hat, ist der potentielle Abnehmer hierüber nur unzureichend informiert und hat somit keine Sicherheit über die Relevanz, Vollständigkeit und Wahrheit der erhaltenen Informationen (Oppermann 1998, S. 54). Auch hierdurch wird die Einschätzung der letztendlichen Nutzenstiftung der Dienstleistung eines bestimmten Anbieters für den Nachfrager erschwert. Oftmals kann der Abnehmer nicht einmal in der Nachkaufphase zu einem Urteil über die Qualität gelangen, da ihn häufig erst sein mangelndes Know-how dazu veranlasst, eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen (z.B. Werkstattbesuch, Beratung eines Arztes). Demzufolge erweist sich auch die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Dienstleistungsangebote als schwierig. Somit lässt sich festhalten, dass die Kaufentscheidung bei Dienstleistungen stets unter Qualitätsunsicherheit und Ungewissheit hinsichtlich der Nutzenstiftung getroffen wird. Das wahrgenommene Risiko beim Dienstleistungskauf wird demnach als relativ hoch eingeschätzt. Meffert und Bruhn (2003, S. 80 f.) sprechen in diesem Zusammenhang auch von einem hohen Anteil an Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften, die einer Dienstleistung eigen sind, im Gegensatz zu den Sucheigenschaften, die bei Sachgütern überwiegen (Ansatz des informationsökono-mischen Dreiecks; siehe auch Nelson 1970, S. 312). Für Dienstleistungen im Restaurant, im Hotel oder beim Friseur wird angenommen, dass die Kunden in der Lage sind, die Leistun-gen nach der Nutzung zu beurteilen, da sie einen hohen Anteil an Erfahrungseigenschaften besitzen, wohingegen sie dazu beim Arzt oder Automechaniker aufgrund des hohen Anteils an Vertrauenseigenschaften oft nicht fähig sind (Nerdinger 1994, S. 48; Ostrom/ Iacobucci 1995, S. 19 f.).
Aus der Integration des externen Faktors, als zweites Merkmal von Dienstleistungen, ergeben sich ebenfalls einige Besonderheiten im Dienstleistungsprozess. So trägt die Interaktions-bereitschaft des Nachfragers entscheidend zur Qualität und damit zur Nutzenstiftung einer Dienstleistung bei (z.B. kann ein Berater nur so gut sein, wie die Informationen, die ihm durch den Kunden gegeben werden). Hierbei kann es jedoch aufgrund individueller Schwan-kungen seitens der Nachfrager zu Inkonstanzen in der Dienstleistungsqualität kommen. Somit ergibt sich aus der Integration des externen Faktors, dass der Nachfrager selbst die Qualität der Dienstleistung mitbestimmt und so eine Teilverantwortung für das Dienstleis-tungsergebnis trägt.
Schließlich ergeben sich auch aus der Immaterialität des Dienstleistungsergebnisses Konsequenzen, die denen ähneln, die schon anfangs aus dem immateriellen Dienstleistungs-angebot resultierten. Die Bewertung der Qualität und somit auch der Nutzenstiftung des Dienstleistungsergebnisses erweist sich aufgrund der Immaterialität oftmals auch in der Nachkaufphase als schwierig (z.B. Arztleistung).
2.3. Der Begriff der Typikalität
Es ist im Allgemeinen nicht so einfach, Begriffe zu definieren und voneinander abzugrenzen, wie das in der klassischen Begriffstheorie den Eindruck macht. Bspw. kann bereits die Beantwortung von Alltagsfragen wie „Zählt Kürbis zu Obst oder zu Gemüse?“ oder die Frage, worin sich eine Tasse genau von einem Becher oder von einer Schüssel unterscheiden lässt, problematisch erscheinen. Dass die Vertreter des logischen Ansatzes dennoch behaup-tet haben, es gäbe exakt festgelegte Merkmalskataloge und klar definierte Grenzen, wird unter anderem damit erklärt, dass sie nur einfache, künstliche Begriffe mit wenigen, diskreten Merkmalen in ihren Laborversuchen verwendet haben (Rosch 1975b, S. 193).
Ende der 60er...