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E-Book

Über die Berge zu mir selbst

Ein Banker steigt aus und wagt ein neues Leben

AutorRudolf Wötzel
VerlagIntegral
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl496 Seiten
ISBN9783641141615
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Aus der Glitzerwelt der Bankentürme in die Einsamkeit der Berggipfel
März 2007. Die internationalen Finanzmärkte sind in glänzender Verfassung. Rudolf Wötzel, Deutschlandchef der Sektion Mergers & Acquisitions bei der globalen Investmentbank Lehman Brothers, nimmt aus freien Stücken seinen Hut. Sein Grund: Sinnkrise, Burnout, Zweifel am System. Seine Absicht: die Hochgebirgs-Kämme der Alpen zu Fuß zu überqueren, von Salzburg bis Nizza.
Ein Mensch, der das durchhält, ist ein Leistungsjunkie. Aber auch einer, der auf der Suche nach sich selbst ist. Ein Bergpilger. Ein Mensch, der in unendlich vielen Stunden der Einsamkeit seine persönlichen Prägungen und seine schillernde Vergangenheit verarbeitet. Der durch intensive Begegnung mit der wilden Natur und mit den Menschen der Berge endlich zu sich selbst findet.
Die packende Geschichte einer radikalen Neuorientierung - vom Abenteuer, alles hinter sich zu lassen und ein neues Leben zu beginnen.

Rudolf Wötzel wurde 1963 in München geboren und startete nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre und einem Master of Business Administration am renommierten INSEAD eine erfolgreiche Karriere in der Finanzwelt: Er arbeitete als Senior-Unternehmensberater und Investmentbanker für das Topmanagement internationaler Konzerne. Heute lebt er als freier Schriftsteller in Pfäffikon bei Zürich und in Klosters in den Schweizer Bergen, wo er einen Berggasthof betreibt.

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Leseprobe

Ausbruch und Aufbruch


Von Salzburg zum Großglockner

1. bis 10. Etappe,

22. Mai bis 5. Juni 2007

 

 

Herr W. stand am Fenster seines Frankfurter Büros an der Fressgasse und blickte auf die Passanten unter ihm in der Fußgängerzone. Leichter Nieselregen fiel, die Menschen hatten es eilig. Herrn W., Managing Director und Chef des Bereichs Mergers & Acquisitions einer global agierenden Investmentbank, bereitete es Mühe, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Denn etwas Störendes hatte sich in seinem Kopf eingenistet. Erst war es nur ein flüchtiger Gedanke gewesen, der vor einigen Wochen aus dem Nichts auftauchte und zunächst wieder verschwunden war. Doch der Gedanke kehrte zurück, zaghaft zunächst, dann wieder und wieder, in immer kürzeren Abständen. Er forderte, weitergedacht, präzisiert zu werden. Er übernahm unaufhaltsam eine Hauptrolle im inneren Dialog W.’s. Inzwischen war der Gedanke zur Idee, war die Idee zur Vision geworden, ein permanenter, überaus hartnäckiger Begleiter. Ein Virus, das allmählich alle Fasern des Bewusstseins befallen hatte. W. nahm seinen Regenschirm, verließ das Büro und ging hinüber in die große Buchhandlung. Er kaufte eine Landkarte, die erste von vielen. Region Salzburger Land. Die Inkubationszeit war vorbei. Das Virus war ausgebrochen.

Die Reifen knirschen im Kies, als das Taxi auf den Parkplatz vor den Toren Salzburgs rollt. Der Wagen hält unter dem schattigen Blätterdach einer alten Kastanie. Ich zahle und steige aus. Die ersten Eindrücke meines neuen Lebens sind elementare sinnliche Erfahrungen, wie die schüchternen Atemzüge eines Neugeborenen: vorsichtig prüfende Schritte, das Abrollen der weichen Gummisohle meiner brandneuen Wanderschuhe, das geschwätzige Mahlen der Steinchen unter meinen Füßen im Ohr. Ich schnuppere das frische Grün des Laubwaldes. Es ist Frühling, fast Sommer schon, im beschaulichen Salzburger Land. Eindrücke, die sich in meinem Gedächtnis einprägen wie Fußabdrücke im frischen Ton. Ich atme die Erwartung des kommenden halben Jahres ein: Unbeschwertheit und Freiheit, Fülle an Zeit. Die Ahnung von Gefahr und Abenteuer. Ich habe ein komisches Gefühl im Bauch. Drehe mich um und blicke noch einmal zurück. Das Taxi ist weggefahren.

So fühlt sich das also an. Der Beginn meiner langen Wanderung zu mir selbst. Mit dem Taxi ist das letzte sichtbare Verbindungsglied zur alten Welt verschwunden. Es muss ein eingespielter Reflex gewesen sein, dass ich mich heute in ein Taxi setzte, um an diesen Punkt zu gelangen. Oder habe ich es getan, um jetzt den ersten Schritt ins Unbekannte noch abrupter zu setzen, um ihn auf möglichst klare Weise unumkehrbar zu gestalten? Früher wäre ich direkt aus dem Taxi womöglich in die Vorstandsetage eines DAX-Konzerns gehetzt – nervös, unausgeschlafen und verschwitzt, mit Präsentationen unter dem Arm. Um einen hochwichtigen Termin mit einem hochwichtigen Vorstand wahrzunehmen. Oder ich hätte mich an einem Fünf-Sterne-Hotel vorfahren lassen. Hätte der Rezeptionistin eingeschärft, eingehende Faxe umgehend auf mein Zimmer bringen zu lassen. Vielleicht hätte ich eine halbe Minute routiniert mit ihr geflirtet, während der Boy mein Gepäck versorgte. Alles gewesen, alles vorbei. Das alte Leben endet lakonisch mit dem Zuschlagen einer Autotür.

Glücklich hatte mich dieses Leben schon lange nicht mehr gemacht, doch es war vertraut, alles lief glatt. Und ich wusste ja nicht so recht, was ich sonst machen sollte. Nun stehe ich hier, am Saum eines Waldes, der bereit ist, mich in sich aufzunehmen mit seiner Kühle. Alles, was ich in den nächsten Monaten zu meiner Verfügung haben werde, trage ich in einem Rucksack auf dem Rücken. Um mich herum ist nur noch Natur. Und Stille. Mein Herz klopft.

Beflissen, wie zur Ablenkung, nestle ich an den Riemen, um mir das ungewohnte Gewicht auf den Schultern etwas angenehmer zu machen. Klar, ich habe mein neues Leben bis ins letzte Detail durchgeplant, aber eben nur vom Schreibtisch aus. Nun ist es Wirklichkeit geworden! Von einem Augenblick auf den nächsten, wie mir scheint. Ich bin zutiefst überrascht. Und habe doch so ein vages Gefühl, nicht einfach nur abgereist zu sein. Ankommen, endlich.

Meine erste Lektion: Das Leben auf der Straße spielt sich nicht im Kopf ab, sondern vor deinen Füßen: Ein Räuspern lässt mich aus meinen Gedanken auffahren.

»Jo Servus, Rudi! Aufi geht’s aufm Berg!«

Ich wende mich um und schaue in die unternehmungslustig blitzenden Augen von Onkel Simon. Ein paar Schritte hinter dem Parkplatz wartete er bereits auf mich. Vorgestern habe ich ihn in seinem Bauernhaus nahe Salzburg besucht und ihm von meinem Projekt erzählt.

»Jo mei, der Rudi, jetzt lauft der einfach nach Nizza! Bist scho a Sauhund!«

»Simon, warum kimmst ned einfach mit auf d’erschtn Etappen?«

Meine spontane Einladung erfolgte nicht ganz ohne Hintergedanken. Aber ist es nicht verständlich, sich eine vertraute Seele als Fährmann ins Unbekannte zu wünschen? Jemanden, der mein Ego notfalls wieder aufbauen könnte, falls mich doch im letzten Moment der Mut verlassen sollte. Und … jemanden, der gewiss nicht zu schnell den Berg hinaufläuft. Onkel Simon ist einfach ideal als seelische Hebamme. Eben der sympathische Archetyp eines kernigen und naturverbundenen Urbayern.

»Guade Idee, i bin dabei!«

Das war gestern. Noch nie war ich so froh, ihn neben mir zu sehen, wie gerade in diesem Moment!

Unsere gemeinsame Tour – von mir natürlich akribisch bis ins Letzte geplant – führt uns in die Voralpen. Auf waldbedeckte, in ihrer rundlichen Massigkeit mir auf willkommene Weise harmlos erscheinende Gebirgszüge aus karstigem, grauem Kalkgestein. Die idealen Aufbaugegner für den kommenden Gipfelstürmer! Eine dieser Bergketten ist der Hochthron. Aber wenn man direkt davor steht, erhebt er sich doch ziemlich unvermittelt und steil aus der saftiggrünen Ebene. Eine dumpfe Vorahnung luftiger Höhen, die mich noch vor ganz andere Herausforderungen stellen werden, befällt mich. Weg mit solchen Gedanken – es gilt, meine neuen Schuhe einzulaufen und ganz entspannt das Hier und Jetzt zu genießen. Am nördlichen Fuß verläuft der Dopplersteig, hinauf zum Zeppezauer Haus.

Ich fühle mich großartig und knipse die ersten Fotos für meinen Blog. Freunde und Kollegen über meine Fortschritte auf dem Laufenden zu halten ist cool. Hmmm … vielleicht sollte ich es doch nicht gleich ins Internet stellen, dass ich mein großes Abenteuer in einem Taxi und in Begleitung meines Lieblingsonkels beginne.

Das vom österreichischen Alpenverein im Jahr 1914 errichtete
Zeppezauer Haus am Untersberg (Salzburg). (© Roland Kals)

 

Bild 1

Herr W. ging nun regelmäßig in den Buchladen. Jede Woche mindestens einmal. Um die neuen Informationen effizient zu verarbeiten, entwickelte er ein Ritual der Gewöhnung, was sowieso eine seiner Spezialitäten war: Zuerst studierte er genau die Karte, die er vergangene Woche bestellt hatte und die nun geliefert worden war. Er legte eine Route fest und bestimmte, wo diese Route anschließend eine Fortsetzung finden sollte. Dann bestellte er die entsprechende nächste Karte. In den folgenden Tagen und Wochen berechnete er Laufzeit, Aufstiegshöhe und Etappenlänge, wählte Unterkünfte und stellte wichtige logistische Informationen zusammen. Herr W. schöpfte dabei aus der gesammelten Erfahrung seines beruflichen Erfolgsweges: sauber recherchieren, relevante Quellen identifizieren, Fakten zusammentragen und ordnen, klare logische Strukturen schaffen. Er arbeitete mit dem Excel-Tabellenprogramm und fertigte präzise Dokumentationen an. W. war davon besessen, die Route weiterzuentwickeln und die »Ideallinie« vom Fuß des ersten Berges bis zum Mittelmeer zu finden. Jeder Besuch in der Buchhandlung bewirkte einen Fieberschub, der ihn anstachelte, die Planung wieder ein paar Kilometer voranzutreiben. Wie bei einem Tunneldurchstich bohrte er den Stollen immer weiter in unbekanntes Gelände, in der Hoffnung, eines Tages an der gewünschten Stelle ins Sonnenlicht zu gelangen. Und im Laufe einiger Monate entstand ein exakter Plan, eine Blaupause für die Durchquerung der Alpen zu Fuß. Von Ost nach West, von Salzburg bis Nizza.

Die Alpen – zum Himmel strebende Sehnsuchtslandschaft. Der Atlas zeigt das höchste Gebirge Europas als einen weit nach Norden hin ausgreifenden Bogen von der Adria zum Golf von Genua, von der Region um Triest bis in die Provence. In über 100 Millionen Jahren entstanden die Alpen in einem unumkehrbaren Lebensprozess, als Faltungen im Gesicht der Erde. Wie das versteinerte Skelett eines Saurierriesen liegen sie da. Ihr Hauptkamm bildet das Rückgrat, gewaltige Gipfel seine Wirbel, ausladende Gebirgszüge die Rippen. Und das war der Plan von W.: An dieser Wirbelsäule Europas wollte er sich fortbewegen, bis exakt zu der Stelle, wo die Landmassen ins Meer abtauchen. Bis zum Steißbein des Kontinents gleichsam.

Im Hochwald steigen wir auf. Schwül ist es hier, ein Gewitter zieht heran – und an uns vorbei. Nur ein paar fette Tropfen zerplatzen mit leerer Drohung auf dem Boden und bilden winzige Krater im Sand. Wir passieren die Baumgrenze. Da ist der Dopplersteig. Er windet sich über schmale, in den nackten Stein geschlagene Stufen hinauf in aufragende, überhängende Felsrippen. Na, immerhin ist er mit Stahlseilen gesichert. Kurz danach befinden wir uns in einem lichten Latschenfeld. Nach konzentriertem Aufstieg im immer steileren Fels spazieren wir das letzte Stück zu unserem...

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