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Überall steckt Sprache drin

Alltagsintegrierte Sprach- und Literacy-Förderung für 3- bis 6-jährige Kinder

AutorMarlene Meindl, Tanja Jungmann, Ulrike Morawiak
VerlagERNST REINHARDT VERLAG
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl131 Seiten
ISBN9783497609673
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
'Überall steckt Sprache drin' beschreibt die vielfältigen Möglichkeiten der Sprach- und Literacyförderung in Alltagssituationen in Kindergarten & Co. Das Praxisbuch vermittelt anhand von Beispielen anschaulich Grundlagenwissen zu den Entwicklungsbereichen Sprache und Literacy sowie zur alltagsintegrierten Förderung.

Prof. Dr. Tanja Jungmann, Dipl.-Psych., lehrt sonderpädagogische Frühförderung und Sprachbehindertenpädagogik an der Universität Rostock. Sie veröffentlichte im Reinhardt Verlag bereits das Buch "Frühe sprachliche Bildung und Förderung" - zusammen mit Prof. Dr. Timm Albers. Ulrike Morawiak, Dipl.-Sprechwissenschaftl., und Marlene Meindl, Dipl.-Reha-Päd., sind als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen an der Universität Rostock tätig. Weitere Informationen finden Sie unter www.sopaed.uni-rostock.de/forschung/projekt-kompass/.

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Leseprobe

2 Alltagsintegrierte Förderung von Sprache und Literacy

Pädagogische Fachkräfte stehen vor der Aufgabe, die Kinder in ihrem Spracherwerbsprozess optimal zu unterstützen und ihnen lernaktivierende Vorerfahrungen mit Schrift zu ermöglichen. In diesem Kapitel wird zunächst geklärt, was unter alltagsintegrierter Förderung in Abgrenzung von Förderprogrammen und Sprachtherapie zu verstehen ist. Im Anschluss daran findet die besondere Rolle der pädagogischen Fachkraft in der alltagsintegrierten Förderung Eingang. Abschließend werden Möglichkeiten zur sprach- und literacyförderlichen Gestaltung des Gruppenraumes aufgezeigt.

2.1 Was ist alltagsintegrierte Förderung?

Die Förderung von Kindern in der sprachlichen Entwicklung nimmt einen zentralen Stellenwert in der Kindertageseinrichtung ein. Dabei ist zwischen additiven Sprachförderprogrammen und alltagsintegrierter Sprachförderung zu unterscheiden.

additive Sprachförderung

Bei der Durchführung sprachstruktureller, additiver Programme zur Förderung von Sprache oder Literacy, wie z.B. „Wir verstehen uns gut“ von Schlösser (2007) oder „Hören, lauschen, lernen“ von Küspert und Schneider (2008), werden einzelne oder mehrere Sprachebenen (z.B. Wortschatz, Grammatik, phonologische Bewusstheit) systematisch nach einem festgelegten zeitlichen Ablaufplan mit vorgegebenem Material gefördert.

alltagsintegrierte Sprachförderung

Im Unterschied dazu gehört die (alltagsintegrierte) Sprachbildung oder -förderung zu den ganzheitlichen Konzepten zur Unterstützung der Sprache. Sie steht in der Tradition des situationsorientierten Ansatzes, der davon ausgeht, dass die Sprachkompetenz nicht in punktuellen, zeitlich begrenzten Fördereinheiten erworben wird. Vielmehr wird Dialogen mit Erwachsenen, Gleichaltrigen, älteren und jüngeren Kindern in bedeutungsvollen Situationen eine entscheidende Rolle im Erwerbsprozess zugeschrieben.

Die alltagsintegrierte Sprachförderung knüpft an die aktuellen Bedürfnisse und Interessen der Kinder an, wobei ihr Interesse und ihre Motivation einer Aktivität gehören sollten, in der Sprache Mittel zum Zweck ist und damit eine Bedeutung trägt.

Im Unterschied zu den sprachstrukturellen Förderprogrammen werden zwar Rahmenkonzepte vorgegeben, aber keine konkreten Inhalte. Die Unterstützung der Sprache ist durchgängiges Prinzip zur Gestaltung des Alltags in der Kindertageseinrichtung und erfolgt nicht nur punktuell oder zu bestimmten Fördereinheiten. Vielmehr ist es Ziel, die sprachlichen Kompetenzen aller Kinder von Anfang an umfassend zu fördern, Auffälligkeiten schnellstmöglich zu erkennen und schulvorbereitend zu wirken, da das sprachliche Interaktionsverhalten in Elternhaus und Kindertageseinrichtung die späteren Sprach-, Lese- und Rechtschreibleistungen der Kinder gut vorhersagt (Jungmann/Albers 2013).

Die Vorgehensweise der alltagsintegrierten Sprach- und Literacyförderung stellt einen ressourcenorientierten Ansatz zur Förderung aller Kinder im Sinne der Inklusion dar.

Sprachtherapie

Liegen spezifische Störungen des Spracherwerbs oder allgemeine Entwicklungsstörungen vor (Kap. 1.3), ist eine zusätzliche Sprachtherapie unverzichtbar. Nichtsdestotrotz sollten diese Kinder in der Interaktion mit den Fachkräften und anderen Kindern sprachliche und literale Anregungen erhalten. Diese sind dann allerdings nicht im präventiven Sinne zu verstehen, sondern als flankierend zur Therapie, die außerhalb der Kindertageseinrichtung stattfindet.

2.2 Rolle der pädagogischen Fachkraft

Dialogpartner sein

Eine vertrauensvolle Beziehung ist die wichtigste Voraussetzung, damit ein Dialog zwischen Kind und pädagogischer Fachkraft entstehen kann. Die pädagogische Fachkraft erkennt Gesprächssignale der Kinder, greift sie auf und folgt dem Kind in seiner Aufmerksamkeit und seinem Interesse. Dies führt zu einem wechselseitigen Dialog der Gesprächspartner, der durch Zuhören und Sprechen gekennzeichnet ist (Buschmann et al. 2009; Hellrung 2012). Die pädagogische Fachkraft signalisiert Gesprächsbereitschaft und wendet sich bei Ansprache den Kindern zu.

Beispiel

Die Kinder und die pädagogische Fachkraft sitzen am Tisch und kleben bunte Blätter auf. Einige Kinder erzählen, andere kleben konzentriert. Auf einmal sagt Emil: „Ich habe ein Tor.“ Die pädagogische Fachkraft wendet den Blick zu Emil und fragt ihn: „Du hast ein Tor?“. Emil spricht weiter: „Ja, ich hab ein Tor im Garten zum Fußballspielen.“ „Wo hast Du das denn her?“, fragt die pädagogische Fachkraft weiter. „Mein Papa hat das gebaut, aus Holz und ich habe den Nagel reingemacht.“ „Du hast sogar den Nagel reingeschlagen? Toll, du bist ja schon ein richtiger Handwerker!“, antwortet die pädagogische Fachkraft.

Grundprinzipien

Neben den elterlichen Sprechstilen (Kap. 1.1) haben sich die folgenden Grundprinzipien der Kommunikation als sprachförderlich erwiesen (Buschmann/Jooss 2007):

  dem Kind auf Augenhöhe begegnen,

  Blickkontakt herstellen und halten, während mit dem Kind gesprochen wird,

  dem Kind aufmerksam und interessiert zuhören,

  dem Kind Zeit geben, seine Gedanken zu formulieren,

  Sprechanlässe schaffen, SSSprechpausen zulassen, damit das Kind zu Wort kommen kann,

  Stärken, Interessen, Fähigkeiten und Bedürfnisse des Kindes wahrnehmen,

  über Gefühle, Wünsche und Erlebnisse sprechen,

  dem Kind Freude am Sprechen vermitteln.

Sprachvorbild

Um als sprachliches Vorbild fungieren zu können, ist der bewusste Umgang mit der eigenen Sprache sehr wichtig. Verwenden pädagogische Fachkräfte nur kurze Anweisungen, unvollständige Sätze oder den Imperativ, werden die Kinder diesen Sprechstil übernehmen. Es ist wichtig, vollständige und grammatikalisch richtige Sätze zu verwenden und sich um eine langsame und deutliche Aussprache zu bemühen.

Pädagogische Fachkräfte sind sprachliche Vorbilder, die sich bewusst mit ihrem eigenen Umgang mit Sprache auseinandersetzen sollten.

Die Dortmunder Ratingskala zur Erfassung sprachförderrelevanter Interaktion (DO-RESI, Fried/Briedigkeit 2008) bietet die Möglichkeit zur Selbst- und Fremdevaluation des sprachförderlichen Verhaltens. Sie beinhaltet Wahrnehmungs-, Kommunikations- und Reflexionsübungen für pädagogische Fachkräfte in Form von Beachtungsbögen zur Selbst- und Teamqualifizierung.

Weiterhin sollte das Sprachniveau des Kindes beachtet und das eigene sprachliche Angebot daran angepasst werden.

Entwicklungsniveau

Pädagogische Fachkräfte müssen über Kenntnisse zum normalen Sprach- und Literacyerwerb verfügen, um das Entwicklungsniveau in der Erst- und Zweitsprache ebenso richtig einschätzen zu können wie die Vorerfahrungen des Kindes mit Schrift (Kap. 1.1 und 1.2).

Sie sollten in der Lage sein, Kinder zum Erzählen anzuregen, indem sie sprachanregende Rückfragen stellen und angemessene Rückmeldungen geben sowie passende Materialien bereitstellen. Dazu gehört auch, die Kinder zur Beachtung der Besonderheiten verschiedener Texttypen (Bericht, fiktive oder autobiografische Erzählung) aufzufordern.

Das gemeinsame Betrachten von Bilderbüchern und der dialogische Austausch über deren Inhalte ebenso wie der tägliche Umgang mit Schrift (z.B. in Büchern, Zeitungen, Schriftzügen in der Werbung, dem eigenen Namen) bilden die Motivationsgrundlage für den späteren Schriftspracherwerb.

Kindertageseinrichtungen kommt ein kompensatorisches Potenzial zu, wenn frühe Erfahrungen mit Schrift zu Hause nicht in ausreichendem Maße gemacht werden können. Damit eröffnet sich gleichzeitig ein wichtiges Feld der Elternpartizipation.

2.3 Förderliche Raumgestaltung

Einen Großteil des Tages verbringen die Kinder in ihrem Gruppenraum. Einerseits gibt der Raum den Kindern Geborgenheit und Sicherheit, andererseits laden die Räumlichkeiten mit ihren vielfältigen Materialien die Kinder ein, immer wieder Neues zu entdecken und daraus zu lernen. Neben einer guten Ausstattung an sprach- und literacyförderlichen Materialien kann eine bewusste Raumgestaltung die Sprach- und Literacyentwicklung der Kinder positiv unterstützen (Mayr et al. 2012). Der Tabelle 4 können Merkmale einer sprach- und literacyanregenden Lernumgebung entnommen werden, die sich auch in wissenschaftlich belegten Qualitätsanforderungen widerspiegeln.

Tab. 4: Merkmale einer sprach- und literacyanregenden Lernumgebung (Garschhammer 2013, 44)

Bedeutsame LernumgebungenEvidenzbasierte Qualitätsanforderungen

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