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E-Book

Überführt

Spektakuläre Fälle der Kriminaltechnik

AutorGuido Limmer, Michael Gösele
Verlagriva Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl300 Seiten
ISBN9783864131875
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Zwei Studentinnen sind tot und es gibt nur eine einzige Spur: eine Teppichfaser im Wald ... Die Kriminaltechniker des LKA Bayern tragen keine Uniformen und auch keine Pistolen - ihre Waffen sind die modernsten Geräte und Erkenntnisse einer hochtechnisierten Wissenschaft. Eine rätselhafte Briefbombenserie, perfide, als Selbstmorde getarnte Kapitalverbrechen, erschütternde Vergewaltigungsserien - erstmals bietet ein Buch spektakuläre Einblicke in die geheimen Methoden und Arbeitsweisen der modernen Kriminaltechnik und zeigt auf, wie vermeintlich perfekte Verbrechen am Ende doch aufgeklärt werden konnten. Physiker, Chemiker, Sprengstoff- und Handschriftenexperten, Profiler und Akustiker jagen die unbekannten Täter. Noch nie arbeitete ein deutsches Landeskriminalamt mit Genehmigung der Generalstaatsanwaltschaft so umfangreich an einem Buchprojekt, noch nie ließen die Fahnder solch einen intimen Einblick in ihre Techniken und Strategien zu. Noch nie waren Sie der Aufklärung eines Verbrechens so nahe.

Guido Limmer ist Jurist und führte von 2009 bis 2016 die Abteilung Kriminaltechnik des Bayerischen Landeskriminalamts in München. Jetzt ist er Vizepräsident beim Polizeipräsidium Schwaben Süd/West. Michael Gösele aus München war viele Jahre als Gerichtsreporter und Journalist tätig. Heute ist er Autor und hat bereits mehrere Bücher und Bestseller geschrieben.

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Der Mühltal-Mord


Es ist genau die Geschichte des Ehepaars Erwin und Ingeborg R., die als ein Musterbeispiel für eine philosophische Abhandlung über das im Vorwort erwähnte urmenschliche Bestreben nach Wasser und Brot dienen könnte. Natürlich ging es an diesem Juniabend im Jahr 1999 nicht genau darum, sondern vielmehr um ein paar Hundert Mark und einen gebrauchten Opel. Eine Tatsache, die den Kriminalbeamten in Fürstenfeldbruck, der mit diesem Fall betraut war, bis heute umtreibt. Es sind immer dieselben Fragen, die sich ihm stellen: Warum töten Menschen für einen fast wertlosen Gebrauchtwagen und eine Brieftasche mit ein paar Geldscheinen? Und: Warum sind den Opfern dieser Wagen und eine Brieftasche so wichtig, dass sie hierfür ihr Leben riskieren?

Das Ehepaar R. ist an diesem besagten Abend auf dem Heimweg von einem Konzert im Münchner Gasteig. Sie wohnen außerhalb der Landeshauptstadt und haben, wie so viele, ihr Auto an einer S-Bahn-Haltestelle abgestellt, um mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach München zu fahren. Die ewige Suche nach einem Parkplatz in der bayerischen Landeshauptstadt …

Gegen 22:58 Uhr steigen sie an der Haltestelle aus, an der sie Stunden zuvor ihr Auto abgestellt haben. Es parkt an einer Unterführung, draußen ist es bereits stockdunkel. Das alte Ehepaar ist gut gelaunt, es war ein schöner Abend in München, nun werden sie noch gemütlich nach Hause fahren und am nächsten Tag ihren Freunden und Bekannten von diesem gelungen Konzertabend erzählen. Das zumindest glauben die beiden, denn sie wissen nicht, dass sie nur wenig ­später auf zwei junge Männer Mitte 20 treffen werden, deren Lebensumstände dergestalt sind, dass sie mit ein wenig Geld und einem Auto deutlich besser dastehen würden, als es ihnen bis dahin beschieden war.

Leichte Beute, denken die beiden Freunde aus Osteuropa. Sie halten sich schon seit ein paar Tagen in dieser Gegend auf, ziellos, ohne Geld – und tatsächlich auch hungrig. Die zwei Männer versprechen sich wenig Gegenwehr, schließlich macht das Ehepaar R., das sich gerade seinem Auto nähert, keinen allzu robusten Eindruck. Die Situation scheint günstig: Es ist dunkel, und außer den R.s ist weit und breit kein Mensch zu sehen.

Es soll eine schnelle, unkomplizierte Aktion werden: ein paar Drohgebärden, vielleicht der eine oder andere Schlag ins Gesicht, und schon hätten die beiden Kumpel das, was ihnen in diesem Augenblick am meisten weiterhelfen würde – ein Fahrzeug und etwas Bargeld. Das zumindest glauben die beiden Männer. Aber auch sie sollen sich irren.

Nur über ihre Leiche


Die zwei dunklen Gestalten nähern sich unauffällig dem älteren Ehepaar, das gerade gänzlich arglos im Begriff ist, ins Auto zu steigen. Dann geht es auch schon ganz schnell. Der eine der beiden, Radu, reißt die Fahrertür auf und fordert in gebrochenem Deutsch die Herausgabe des Autoschlüssels. Aber Erwin R. denkt gar nicht daran. Wie käme er denn dazu? Das Auto ist schließlich sein Eigentum. Er hat dafür hart gearbeitet, Geld beiseitegelegt, ist irgendwann zum Händler gefahren, hat es sich gründlich angeschaut und dann das befriedigende Gefühl genossen, das aufkommt, wenn man mit einem neuen Wagen vom Parkplatz fährt und es zu Hause vor der Tür abstellt. Nein, Erwin R. wird dieses Auto garantiert nicht hergeben. Nicht freiwillig!

Radu muss also einen Schritt weiter gehen. Die Drohgebärden haben offensichtlich versagt, also greift er doch zu anderen Mitteln. Er schlägt dem aufgebrachten und immer schneller atmenden älteren Herrn die Faust ins Gesicht und zieht ihn mit roher Gewalt von seinem Fahrersitz, auf den Boden vor dem Fahrzeug. Bevor Erwin R. wieder aufstehen kann, wird er mit weiteren harten Faustschlägen niedergestreckt. Radus Komplize Marius hat sich derweil Erwin R.s Ehefrau Ingeborg gegriffen, die noch gar nicht eingestiegen ist. Sie tut, was in diesem Fall die meisten tun würden: Sie schreit laut und verzweifelt um Hilfe, ohne zu wissen, dass in diesem Moment niemand ihre Rufe hören wird. Und während sie sieht, dass einer der beiden Männer wütend und brutal auf ihren am Boden liegenden Ehemann Erwin einschlägt, überkommt sie Panik. Sie schreit weiter, um ihr eigenes Leben und um das ihres Mannes, und genau das will der unbekannte Räuber verhindern, der sie grob von hinten packt …

An diesem Punkt werden später bei den Vernehmungen die Beschreibungen der Ereignisse auf dem Parkplatz auseinandergehen – wie so häufig, wenn es um die genaue, möglichst lückenlose Rekonstruktion eines Tatverlaufs geht. Am Ende sind es die verschiedenen Puzzleteile, die vor Gericht zusammengebracht werden müssen, um sich ein möglichst genaues Bild von den Geschehnissen an dem Tatort machen zu können.

Die Polizei geht davon aus, dass einer der beiden Täter die um Hilfe schreiende Ingeborg R. durch massive Schläge gegen Kopf und durch Gewaltanwendungen gegen ihren Hals zum Verstummen bringen wollte. Kurz darauf sollen die beiden Täter das schwer verletzte Ehepaar in ein nahe gelegenes Gebüsch geschleift haben. Zuvor jedoch nahmen sie Erwin und Ingeborg R. noch deren Wertgegenstände ab, um dann mit dem Auto des Ehepaars zu flüchten.

Stumpfe Gewalt


Der Obduktionsbericht des Instituts für Rechtsmedizin in München stellt später fest, dass Ingeborg R. »an den Folgen einer zentralen Lähmung bei stumpfer Gewalteinwirkung gegen den Hals« verstorben ist. Darüber hinaus können die Rechtsmediziner zahlreiche Weichteil­quetschungen am Schädel bis zu den Schlüsselbeinregionen und dem Nacken erkennen.

Und ihr Ehemann Erwin, der so mutig und entschlossen um sein Eigentum gekämpft hat? Der alte Mann erleidet ein Schädel-Hirn-Trauma, einen Nasenbeinbruch und eine massive Schwellung des linken Auges. So massiv, dass er auf diesem Auge erblindet. Nach Erkenntnissen der Gerichtsmedizin München besteht bei Erwin R. aufgrund der schwerwiegenden Verletzungen sogar eine »abstrakte Lebensgefahr«. Aber – er lebt, er hat, anders als seine Ehefrau, den Angriff der beiden Täter überlebt.

Die beiden Täter indes werden später, nach ihrer Verhaftung, völlig gegenteilige Aussagen zum Tatverlauf machen. Was im Übrigen ganz normal ist. Denn wenn es um die Frage des Strafmaßes geht, hören viele Freundschaften auf. Marius wird behaupten, er habe der schreienden Frau lediglich den Mund zugehalten. Sein Kumpel Radu sei dann, nachdem er mit Erwin R. fertig gewesen war, ums Auto herumgegangen und habe dort auf die Ingeborg R. eingeschlagen, die noch immer versucht habe, um Hilfe zu schreien. Radu habe so lange auf die Frau eingeprügelt, bis sie stumm zusammengesackt sei.

Radu wiederum behauptet, dass Marius sich ganz alleine um Ingeborg R. »gekümmert« habe. Er soll ihm im Auto auf der Flucht erzählt haben, dass er die Frau so lange gewürgt habe, bis sie nur noch röchelte. Danach habe er sie in das Gebüsch gezogen. Zwei Versionen, ein toter Mensch. Aber noch sind die Ermittlungsbehörden weit davon entfernt, die beiden Täter zu überführen, denn die sind zunächst einmal spurlos verschwunden. Aber es gibt eine Zeugin, die an diesem Abend doch etwas gesehen haben will ...

Die Augenzeugin


Noch während sich die zwei Männer mit ihren beiden Opfern in dem nahe gelegenen Gebüsch befinden, passiert eine Frau den Tatort. Sie arbeitet in einem nahe gelegenen Wirtshaus in der Küche und ist auf dem Weg in Richtung S-Bahnhof. Im Vorbeigehen vernimmt sie aus den Sträuchern abseits des Wegs merkwürdige wimmernde Geräusche. Die Passantin bekommt es angesichts der tiefen Dunkelheit mit der Angst zu tun, hastet zur S-Bahn, sieht aber – als sie sich noch einmal umdreht –, wie zwei Männer aus dem Gebüsch heraustreten. Die Augenzeugin fährt mit der Bahn nach München-Pasing und verständigt von dort aus sofort die Polizei. Das war eben noch zu der Zeit, als nicht jeder Mensch ein Mobiltelefon besaß …

Gegen Mitternacht treffen Polizei und Rettungskräfte am Tatort ein, wo sie bei Ingeborg R., die mit dem Gesicht auf dem Waldboden liegt, nur noch den Tod feststellen können. Ihr Mann indes wird wenig später mit einem Rettungshubschrauber in das Klinikum Großhadern geflogen.

Die Zeugin, die an dem Tatort vorbeigegangen war, kann kurz darauf nur wenig detaillierte Angaben machen. Einer der beiden Männer sei etwa 1,70 Meter groß gewesen und habe kurzes blondes Haare gehabt, erklärt sie gegenüber den Ermittlungsbehörden. Der andere sei größer gewesen, erinnert sie sich. Vielleicht 1,80 Meter, mit kurzem dunklem Haar. Die beiden Männer seien, das hat die Frau noch gesehen, mit einem Wagen vom S-Bahnhof weggefahren.

Die vertauschten Kennzeichen


Nur einen Tag nach dem schrecklichen Verbrechen meldete eine Frau am westlichen Rand von München, dass an ihrem Fahrzeug die Kennzeichen entwendet worden seien. Nichts Besonderes eigentlich, aber der Beamte, der den Diebstahl aufgenommen hatte, meldete sich bei der Kriminalpolizei, die in dem tödlichen Überfall auf das Rentnerehepaar ermittelte, denn eine Sache war höchst merkwürdig: Die Kennzeichen an dem Ford Fiesta in Pasing waren nicht etwa nur abgeschraubt worden, sondern vielmehr durch andere Nummernschilder ersetzt worden. Und zwar durch jene, die zu dem gestohlenen Wagen des Ehepaars R. gehörten.

Die Ermittlungsmaschinerie war derweil längst angelaufen. Erwin R., der sich seit der Nacht im Krankenhaus befand, war in der Zwischenzeit von den Kriminalbeamten aus Fürstenfeldbruck, in deren Zuständigkeitsbereich das Verbrechen lag, befragt worden. Und er konnte einen wichtigen Hinweis geben: In dem Tank seines Autos sei nicht mehr viel Benzin gewesen,...

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