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E-Book

Überleitungsmanagement und Integrierte Versorgung

Brücke zwischen Krankenhaus und nachstationärer Versorgung

VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl130 Seiten
ISBN9783170240223
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis25,99 EUR
Durch zunehmende Differenzierung, Spezialisierung und Subspezialisierung kommt es im Gesundheitssystem besonders an den Übergängen zwischen den Versorgungssektoren zu teilweise gravierenden Versorgungsdefiziten. Überleitungsmanagement und Integrierte Versorgung sind Ansätze zur Lösung dieses Problems. In Deutschland wurden Integrierte Versorgungsprojekte vorübergehend mit einer Anschubfinanzierung gefördert (§ 140a SGB V), nach deren Ablauf viele Modellprojekte nicht fortgeführt wurden. Daher wurde jetzt die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV) neu in die 2. Auflage aufgenommen, eine echte Integrierte Versorgung für eine kleine Gruppe von Palliativpatienten mit einem besonders hohen und aufwändigen Versorgungsbedarf. Anhand der SAPV werden Fragen rund um das Thema Überleitung und Integrierte Versorgung aus Sicht verschiedener Professionen beantwortet.

Dr. med. Ernst Bühler MHM, Leiter ärztliches Qualitätsmanagement an den Kreiskliniken Esslingen. MIt Beiträgen von: Ernst Bühler, Martin Ehmer, Antje Kössl, Stefan Joneleit, Irene Wandel, Antje Kössl, Martin Ehmer, Stefan Joneleit und Florian Bochtler.

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Leseprobe

2 Umsetzung multiprofessioneller regionaler Netzwerke am Beispiel der SAPV


Martin Ehmer, Antje Kössl und Stefan Joneleit

Der Anspruch gesetzlich versicherter Patienten auf eine Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV) ist in § 37b SGB V festgelegt und durch die Richtlinie zur Verordnung von SAPV durch den Gemeinsamen Bundesausschuss G-BA konkretisiert. Ebenso ist die Leistungserbringung im § 132d SGB V geregelt und durch die gemeinsamen Empfehlungen des Spitzenverbands der Krankenkassen im Einzelnen festgelegt worden. Dessen ungeachtet tut sich hier eine Lücke auf zwischen den normativen Verordnungsvorgaben und ihrer praktischen Umsetzung; denn der notwendige Prozess der Bildung eines interprofessionellen Netzwerkes vor Ort, das diese Leistungen dann tatsächlich zum Patienten bringt, ist nicht beschrieben. Die Initiative hierzu geht in der Regel von regionalen, in der palliativen Versorgung engagierten Leistungserbringern aus. Je nach Hintergrund des Initiators (Berufsgruppe und/oder Sektorenzugehörigkeit) ergeben sich naturgemäß Probleme, die sich aber in jedem Fall lösen lassen. Festzuhalten ist: Der Prozess der Netzwerkbildung verläuft zumeist spontan und evolutionär, aber auch mit allen Herausforderungen eines sich selbst organisierenden Systems.

Herausforderungen der Netzwerkbildung

Im Folgenden werden diese Herausforderungen der Netzwerkbildung aus der Sicht eines niedergelassenen Palliativmediziners am Beispiel »Freiburger Weg« beschrieben. Obwohl die professionelle Versorgung sterbender Menschen hohes persönliches Engagement und Professionalität verlangt, lässt sich die Bildung des Netzwerkes selbst auf ein klassisches betriebswirtschaftliches Prinzip mit all seinen theoretischen Aspekten reduzieren, nämlich: »Von der Geschäftsidee zum funktionierenden Geschäftsmodell.« Auf solche eher betriebswirtschaftlichen Aspekte wird in ► Kapitel 4 ebenfalls am Beispiel »Freiburger Weg«, eingegangen.

2.1 Vorüberlegungen


Projektumfeld-Analyse

Zu Beginn sollte eine wohl überlegte Projektumfeld-Analyse1 stehen.

Abb. 2.1: Eine Mind-Map oder eine Matrix in Form einer Excel-Tabelle können hilfreich bei der visuellen Darstellung sein

Zu klärende Fragen sind:

  • Welche Personen/Institutionen sind so wichtig,
    • dass sie mitarbeiten müssen
    • dass sie informiert werden müssen
  • Welche Personen/Institutionen sind ansprechbar als
    • Leistungserbringer
    • Sponsor
    • politischer Unterstützer
    • Kassenvertreter
  • Wie soll das Ehrenamt/welche Personen/Institutionen sollen ehrenamtlich eingebunden werden

2.2 Wie kommt man zusammen?


Nun soll über Professionen, Sektoren und Institutionen – und bei letzteren nicht nur über organisatorisch geprägte Einrichtungen, sondern auch über Menschen, die regional oder fachlich eine »Institution« darstellen – ein sehr verbindliches Netz aus allen Beteiligten entstehen. Schon im Aufbau entstehen Spannungen und es kommen Ängste hoch wie beispielsweise »Die Zusammenarbeit mit den anderen Professionen ist mir aber in dieser Form zu nah!«. Hat man schließlich in diesem Netz etwas gefangen, zeigen sich mehr Differenzen – denn dann kommt Spannung auf die Knotenpunkte des Netzes, und es wird offenbar, wer gewillt ist, mitzutragen.

Abb. 2.2: Zusammensetzung der ersten Arbeitsgruppe im »Freiburger Weg«

2.3 Umgang mit scheinbarer Konkurrenz


Schon die bisherigen Darlegungen zeigen, dass eine neutrale, externe und qualifizierte Moderation für den Prozess der Netzwerkbildung sehr hilfreich sein kann. Dies mag wie zu Beginn beim »Freiburger Weg« eine politische Instanz sein.

In diesem Fall war es der Sozialbürgermeister. Wichtig ist, dass das gemeinsame Ziel des Netzwerks, nämlich die Verbesserung der Lebensumstände Sterbender in der Region, nicht aus dem Blick verloren wird.

Moderation des Entstehungsprozesses

Bei der Moderation etwa durch einen Landrat sehen einige Beteiligte die erforderliche Neutralität schon nicht mehr als gegeben an, da eine Ungleichbehandlung zugunsten landkreiseigener Kliniken befürchtet wird. Eine berufsfeldfremde Moderationsinstanz könnte die pharmazeutische Industrie stellen, beispielsweise aus dem Bereich Medical Care Improvement. Weitere Varianten wären medizinische oder pflegerische Fachverbände sowie regionale Krankenkassen, wobei jedes Mal die Neutralität des Moderators in Frage gestellt werden kann. Je nach regionaler Gegebenheit sind die Empfindlichkeiten zu berücksichtigen bzw. aus dem Weg zu räumen, da der Konsens in Punkto Moderatorenwahl wesentlich dazu beiträgt, dass die Gründungsgruppe effizient und spannungsarm arbeiten kann.

Diese Entscheidung ist die Basis für alle weiteren Prozesse. Die Räumlichkeiten eines Krankenhauses beispielsweise bieten sicherlich nicht die richtige Atmosphäre für ein erstes Treffen. Krankenkassen sind in diesem Zusammenhang auch nicht beispielhaft in Erscheinung getreten, obwohl diese sich im Prozess der Lösungsfindung zuständig fühlen müssten. Es sprechen daher in dieser Anschubphase viele Argumente für eine Unterstützung durch die pharmazeutische Industrie.

2.4 Finanzierung der Gründungsphase


Finanzierung und zeitlicher Aufwand in der Anlaufphase

Die Frage der Finanzierung eines Palliativ Care Teams in der Anlaufphase wird in ► Kapitel 4 diskutiert werden. Das Finanzierungsproblem setzt aber bereits zu Beginn der Findungsphase ein. Schafft man die oben beschriebene notwendige Plattform, entstehen sehr schnell Kosten, deren Umlage auf die Beteiligten schwierig ist und in manchen Fällen sogar abschreckend wirken kann. Für die Unterstützung bei diesen Sachkosten bietet sich z. B. ein Industrie-Sponsoring an.

Für den niedergelassenen Mediziner gilt es, den nicht unerheblichen Zeitaufwand für das Netzwerk mit seiner Tätigkeit in der Praxis zu vereinbaren. Und das bei unentgeltlichem Einsatz! Angestellte Ärzte oder Pflegekräfte müssen von ihrem Arbeitgeber für die Aufgabe entsprechend von anderen Aufgaben freigestellt werden, oder sie engagieren sich in ihrer Freizeit.

Fakt ist, dass aktuell die Umsetzung von SAPV allein auf dem Engagement der Leistungserbringer vor Ort fußt. Um also eine Leistung überhaupt anbieten zu können, auf welche die Versicherten einen gesetzlichen Anspruch haben und für die der Sicherstellungsauftrag auf die gesetzlichen Krankenkassen übertragen wurde, gehen die potenziellen Leistungsanbieter in Vorleistung. Zudem fließen diese Kosten der Gründungsphase in der Regel nicht in die später beschriebene Kostenkalkulation des Palliativ Care Teams ein. Da durch die Kassen keine Anschubfinanzierung geleistet wird und diese auch in Zukunft wohl nicht zu erwarten ist, ist an dieser Stelle ganz klar die Politik gefordert. Die Auswirkungen dieser Schwierigkeiten auf die Umsetzung der SAPV wurden bereits an anderer Stelle ausführlich diskutiert (beispielsweise Reinfelder-Weniger (2009) oder Eichner et al. (o. J.)).

Unter den aktuellen Rahmenbedingungen sollte frühzeitig eine Organisationsform gefunden werden, die Gelder – neben Industrie-Sponsoring sind dies vor allem Spenden – für den Aufbau der SAPV annehmen und verteilen kann. Davon unberührt sollte man auch einen finanziellen Anschub durch die Krankenkassen fordern.

2.5 Kontinuität und Wandel in der Entwicklungsphase


Retrospektiv sind zwei Fragen besonders interessant: Wer aus der Gründungsphase arbeitet letztlich dauerhaft im aktiven Palliativ Care Team mit? Wer kommt während der Aufbauphase noch hinzu? Zum einen zeigt sich daran, wie gut die Auswahl der eingangs genannten notwendigen Beteiligten war. Zum anderen wird dadurch deutlich, wie wichtig von Anfang an eine umfassende und klare Information zum Thema SAPV bei den Interessierten ist. Wegen des hohen gesellschaftlichen Ansehens der Palliativversorgung wollen zu Beginn viele mit dabei sein. Wer nicht verstanden hat, dass es »nur« um die Etablierung von SAPV nach § 37b SGB V geht, kann leicht vom Ziel abkommen. Konkret heißt das, dass beispielsweise Arbeitsgruppen ihre Aufgabenstellungen aus dem Blickfeld verlieren. Statt die Strukturen eines Palliativ Care Teams zu diskutieren, wird über Hospizversorgung oder die Verbesserung der allgemeinen Palliativversorgung debattiert. Schließlich liegt in ihr nicht nur eine große menschliche Hoffnung, sondern auch hohe Ansprüche an ihr reibungsloses zeitnahes Ineinandergreifen der Disziplinen. Sobald klargestellt wird, dass es zunächst »nur« um SAPV nach § 37b SGB V geht, ist die Enttäuschung oft groß, da dies kein Gesamtpaket im Sinne von »Total Care« darstellt. Die Ernüchterung vieler anfangs engagierter und auch praktisch gern tätiger Menschen, die dann eben nicht mehr dabei sind, lässt sich mit einer Analogie zu einem anekdotischen Erlebnis des Autors im Religionsunterricht verbildlichen: »Jesus sprach von...

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