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Überzeugen mit einfachen Kniffen

AutorNoah J. Goldstein, Robert B. Cialdini, Steve J. Martin
VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl283 Seiten
ISBN9783456755243
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Wie konnte das britische Finanzamt die Rücklaufquote bei den fälligen Steuerzahlungen innerhalb eines Jahres von 57% auf 86% erhöhen? In dem sie einen einzigen Satz auf ihrem Standardanschreiben an die Steuerschuldner ergänzten. Der Rücklauf stieg von 290 Mio. GBP auf 560 Mio. GBP. Das macht der kleine große Unterschied! „Die Psychologie des Überzeugens" ist das Meisterwerk von Robert Cialdini und findet weltweit seine Leser. Jetzt kommt die Fortsetzung. Die Wissenschaft entwickelt sich weiter, und die Autoren zeigen - in 50 kurzen Kapiteln, die auf Fallbeispielen beruhen -, welche kleinen Ursachen beim Überzeugen große Wirkung zeigen. Denn genau darauf kommt es an: mit wenig Einsatz möglichst viel an Veränderung zu erzielen. Sie nennen ihr Konzept „Der große kleine Unterschied". Denn beim Überzeugen ist weniger mehr. Ach ja: der Satz bestand in der einfachen (und wahren) Information darüber, wie viele Bürger bereits ihre Steuerschuld pünktlich beglichen hatten.

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Leseprobe

Kapitel 1

Mit welcher kleinen, aber wirkungsvollen Veränderung bringt man Menschen dazu, pünktlich ihre Steuern zu zahlen?


Wie in vielen Ländern hatten die Steuereinzieher des britischen Finanzamts, Her Majesty’s Revenue & Customs (HMRC), ein Problem: Zu viele Bürger gaben ihre Steuererklärung nicht pünktlich ab und zahlten ihre Steuern nicht rechtzeitig.

Viele Jahre lang hatten die Beamten des HMRC eine Reihe von Briefen und Benachrichtigungen formuliert, die an die säumigen Zahler adressiert waren. Die meisten dieser Schreiben betonten die verschiedenen Konsequenzen, die säumigen Zahlern drohten: Zinsen, Mahngebühren und Gerichtsverfahren. Bei manchen Leuten funktionierte diese traditionelle Herangehensweise gut, bei vielen anderen aber nicht. Daher ließ sich der HMRC von unserer Firma INFLUENCE AT WORK beraten und beschloss, es mit einem anderen, auf der Überzeugungsforschung gründenden Ansatz zu versuchen. Dabei ging es um eine nur kleine Veränderung: Dem Standardbrief wurde ein einziger Satz hinzugefügt.

Bemerkenswert war diese kleine Veränderung nicht nur aufgrund ihrer Einfachheit, sondern auch, weil sie gewaltige Auswirkungen hatte. Die neuen Briefe führten zur Einnahme von 560 Millionen der insgesamt ausstehenden 650 Millionen Pfund, auf die unser Pilotversuch zielte: eine Quote von 86 Prozent. Zum Vergleich: Im Vorjahr hatte der HRMC 290 Millionen von ausstehenden 510 Millionen Pfund eingenommen – eine Quote von gerade einmal 57 Prozent.

Insgesamt bewirkten die neuen Briefe zusammen mit anderen bewährten Verfahren aus der Inkassobranche, dass 5,6 Milliarden Pfund mehr fällige Steuern als im Vorjahr eingenommen wurden. Außerdem konnte der HRMC die Schuldbeträge in seiner Buchhaltung um 3,5 Milliarden Pfund reduzieren. Bedenkt man, wie gering und kosteneffektiv die vorgenommene Veränderung war, ist der Gesamteffekt verblüffend.

Worin bestand nun also diese kleine Veränderung des Briefes? Wir wiesen die Empfänger (vollkommen wahrheitsgemäß) lediglich auf die große Anzahl von Bürgern hin, die ihre Steuern pünktlich zahlen.

Wie kann eine so geringfügige Änderung eines Standardbriefs etliche tausend Menschen dazu bewegen, pünktlich ihre Überweisung zu tätigen? Die Antwort liegt in einem grundlegenden Prinzip menschlichen Verhaltens, das Wissenschaftler als soziale Bewährtheit bezeichnen – die Menge besitzt Beweiskraft. Dieses Prinzip besagt, dass das Verhalten der Menschen weitgehend von dem Verhalten anderer um sie herum geprägt ist, insbesondere vom Verhalten derer, mit denen sie sich identifizieren.

Forscher beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit diesem Phänomen und haben entdeckt, dass nicht nur Menschen seiner ungeheuren Macht unterliegen. Vögel fliegen in Scharen, Rinder bewegen sich in Herden, Fische schwimmen in Schwärmen. Auch sozial veranlagte Insekten bewegen sich in Schwärmen. Die Anziehungskraft dessen, was andere tun, ist so elementar, dass sogar Organismen ohne Hirnrinde seiner Macht unterliegen. Der Begriff der sozialen Bewährtheit mag nicht neu sein, doch wir lernen ständig mehr über seine Wirkung und darüber, wie wir dieses Phänomen am besten nutzen.

Dass soziale Übereinstimmung oft schwerer wiegt als mühevolle Erkenntnis, könnte man nicht nur als tröstlich, sondern auch als bedenklich ansehen. Es macht uns besorgt, wenn wir als Lemminge gelten, deren Handeln vollkommen von der Menge vorgegeben wird. Tröstlich ist jedoch, dass diese Art von Konformität uns oft die richtigen Entscheidungen treffen lässt. Folgen wir der Menge, dann geht es dabei nicht nur um Anpassungsdruck. Es geht um etwas Grundlegenderes, das drei einfache, aber machtvolle menschliche Wünsche berührt: den Wunsch, richtige Entscheidungen zu treffen, und zwar so effizient wie möglich; den Wunsch, sich anderen anzuschließen und ihre Zustimmung zu gewinnen; und den Wunsch, sich selbst in einem positiven Licht zu sehen.

Die scheinbar kleine Änderung an den Briefen der britischen Steuerbehörde zeitigte deswegen so gewaltige Veränderungen, weil sie jeden dieser drei Wünsche gleichzeitig bediente. Im Kontext eines geschäftigen, überfrachteten Lebens kann es eine erstaunlich wirkungsvolle Abkürzung zur richtigen Entscheidung darstellen, «das zu tun, was die meisten anderen auch tun» – ganz gleich, ob es darum geht, sich für einen Film oder ein Restaurant zu entscheiden, oder darum, ob und wann man seine Steuern zahlt.

Weist man darauf hin, dass die meisten Menschen ihre Steuern pünktlich zahlen, dann bedient man den Wunsch, sich anderen anzuschließen. Orientiert man sich an dem, was andere bereits tun, bestehen gute Chancen, ihre Zustimmung zu gewinnen; die Wahrscheinlichkeit, soziale Kontakte zu knüpfen, erhöht sich. Auch der dritte Wunsch – der, sich selbst in einem positiven Licht zu sehen – spielte im Fall der Empfänger des HMRC-Briefes eine Rolle. Es erfüllt wohl kaum jemanden mit Stolz, ein Bummler zu sein. Und es ist sicherlich einfacher, der Gesellschaft zur Last zu fallen, wenn man davon ausgeht, dass alle anderen das auch tun. Erfahren aber diejenigen Steuerbürger, die ihre Steuern nicht pünktlich zahlen, dass die meisten ihrer Mitbürger das sehr wohl tun, werden sie sich eher wie Trittbrettfahrer fühlen. Folgen sie dann in Reaktion auf diese Information der Mehrheit, indem sie ihre Steuern zahlen, dann trägt das dazu bei, ihr Selbstbild als Individuen, die einen angemessenen Beitrag leisten, wiederherzustellen.

Angesichts der Macht, die das Konzept der sozialen Bewährtheit entfalten kann, überrascht es, wie sehr die meisten Menschen dazu neigen, die starke Wirkung, die es auf sie ausübt, herunterzuspielen. In einer Reihe von Studien, die zwei von uns mit den Verhaltenswissenschaftlern Jessica Nolan, Wes Schulz und Vladas Griskevicius zusammen durchgeführt haben, baten wir mehrere hundert Hausbesitzer in Kalifornien einzuschätzen, inwieweit vier mögliche Gründe für das Energiesparen sie tatsächlich dazu motivieren würden, ihren Energieverbrauch zu senken. Die vier möglichen Gründe lauteten: (1) Energiesparen ist gut für die Umwelt; (2) Energiesparen schont kommende Generationen; (3) Energiesparen bedeutet Geld sparen; (4) viele Nachbarn sparen bereits Energie.

Die Hausbesitzer gaben mit überwältigender Mehrheit an, der letzte Grund – dass viele ihrer Nachbarn bereits Energie sparen – beeinflusse ihr Verhalten am wenigsten. Gerüstet mit dieser Information führten wir dann ein Experiment in einem südkalifornischen Viertel durch: Wir baten die Hausbesitzer, an ihrer Haustür eines von vier Schildern anzubringen, die jeweils auf einen der Gründe zum Energiesparen verwiesen. Welches Schild einem bestimmten Haus zugeteilt wurde, entschieden wir nach dem Zufallsprinzip. Manche Anwohner wurden daran erinnert, wie sehr Energiesparen die Umwelt schont, andere, dass es zukünftige Generationen schont, und wieder andere, dass sie dadurch viel Geld sparen können. Eine vierte Gruppe von Anwohnern wurde auf die Befunde einer neueren Umfrage aufmerksam gemacht, aus denen hervorgehe, dass die Mehrheit ihrer Nachbarn bereits aktiv Energie spare.

Als wir einen Monat später den Energieverbrauch der verschiedenen Haushalte ermittelten, entdeckten wir, dass die Mitteilung, die auf das Prinzip der sozialen Bewährtheit setzte, mit Abstand am stärksten eine tatsächliche Verhaltensänderung bewirkt hatte – obwohl die meisten Leute zuvor bestritten hatten, dass sie sich vom Verhalten anderer beeinflussen lassen. Interessanterweise meinten die meisten Teilnehmer der ersten Studie, Umweltschutz wäre das stärkste Motiv für Energiesparen. Tatsächlich wirkte sich der Hinweis auf die Umwelt in der zweiten Studie aber so gut wie überhaupt nicht auf den Energieverbrauch aus.

Menschen sind kaum in der Lage, einzuschätzen, was ihr zukünftiges Verhalten prägen wird – wie sich zeigte, ist ihnen auch im Nachhinein schwerlich klar, was sie eigentlich motiviert hat. Einen von uns baten die Produzenten einer Fernsehnachrichtensendung, an einem Beitrag mitzuwirken, bei dem herausgefunden werden sollte, aus welchen Gründen Menschen einander in verschiedenen Alltagssituationen (keine Notfälle) helfen. Sein Team ermittelte auf einem vielfrequentierten New Yorker U-Bahnhof den Prozentsatz der Pendler, die einem Straßenmusiker im Vorbeigehen Geld gaben.

Nach kurzer Zeit nahmen wir eine kleine Änderung an der Situation vor, die sich unmittelbar und eindrucksvoll auswirkte. Kurz bevor sich ein (nichtsahnender) Pendler näherte, ließ eine zweite (eingeweihte) Person ein paar Münzen in den Hut des Musikers fallen, und zwar so, dass der sich nähernde Pendler es sehen konnte. Das Ergebnis? Die Zahl der Personen, die dem Musiker Geld gaben, nahm um das Achtfache zu.

Nach Abschluss der Studie führten wir Interviews mit Personen durch, die Geld gegeben hatten. Keine von ihnen führte ihr Verhalten darauf zurück, dass sie jemand anderen beim Geldgeben beobachtet hatte. Stattdessen boten sie anderslautende Erklärungen für ihr Handeln: «Mir hat das Lied gefallen, das er spielte.» «Ich bin ein großzügiger Mensch.» Oder: «Der Mann hat mir leidgetan.»

Menschen haben in der Regel also nur eine geringe Fähigkeit, die ihr Handeln beeinflussenden Faktoren zu erkennen, sei es vor, sei es nach einem Ereignis. Daraus ergibt sich eine unmittelbare Konsequenz für alle Unternehmen und Organisationen, die Zeit, Mühe und oft auch beträchtliches Geld investieren, um ihre Kunden und Auftraggeber nach den tatsächlichen Gründen für ihre Kaufentscheidungen zu fragen. Wir sind zwar sicher, dass viele Kunden solche Fragen gerne beantworten, aber weniger zuversichtlich, dass ihre Auskünfte...

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