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E-Book

Umgang mit Jugendlichen bei Verdacht auf Suizidalität im Kontext schulischer Beratung

AutorChantal Cordier
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl90 Seiten
ISBN9783640163229
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Studienarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Psychologie - Beratung, Therapie, Note: 1+, ALH (Akademie für ganzheitliche Lebens- und Heilweisen - Haan), 192 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Folgende Fragestellungen versucht die vorliegende Arbeit zu beantworten: 1. Welches sind die Konnotationen der unterschiedlichen Begriffe um den Suizid herum und was wird durch deren Gebrauch jeweils ausgelöst? 2. Gibt es einen qualitativen Unterschied zwischen einem Suizidversuch und einem Suizid bezüglich der Beweggründe und der Problemlage des/der Jugendlichen? 3. Wie oft kommt ein Suizid in Deutschland vor, insbesondere bei Jugendlichen? 4. Gibt es hinsichtlich der Suizidursachen und -methoden Unterschiede zwischen Frauen/Mädchen und Männern/Jungen und zwischen Erwachsenen und Jugendlichen? 5. Wie kommt es zur Entwicklung einer Suizidalität? 6. Woran lässt sich Suizidalität erkennen? 7. Was sind die Probleme der Jugendlichen, die hinter der Suizidalität stehen? 8. Welchen Einfluss haben Familie, Schule, Peergroups, Internet? 9. Wie ist mit suizidal gefährdeten Jugendlichen umzugehen, welche Fragen sind sinnvoll, welches Verhalten sollte absolut vermieden werden? 10. Wie sieht die rechtliche Situation aus? 11. Wie kann die Netzwerkarbeit optimiert werden? 12. Würden Selbsthilfegruppen an Schulen Sinn machen? 13. Wie kann Suizidprävention an Schulen aussehen? In dieser Arbeit werden mehrere Bereiche berührt, die in der Fachwelt erst seit einigen Jahren verstärkte Aufmerksamkeit erfahren, ohne dass fachlich fundierte, in der Praxis erprobte und durch Studien überprüfte Konzepte vorliegen: eine kritische Sichtung der Medienlandschaft am Beispiel Suizidforen im Internet; geeignete Konzepte für die Suizidprävention an der Schule; die Frage einer möglichen Übertragung von Selbsthilfegruppen auf Suizidale in Deutschland, und noch mehr auf den schulischen Bereich. Ziel der Arbeit soll es sein, einen Überblick über die in der Psychologie vorliegenden Erkenntnisse zur Suizidalität Jugendlicher zu verschaffen, Beratern/-innen eine Reflexionsfolie für den Umgang mit suizidalen Jugendlichen zu bieten und Bausteine für eine adäquate Suizidprävention an Schulen zu entwickeln. [...]

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Leseprobe

3 Epidemiologie


 

3.1 Die Situation in Deutschland


 

In Deutschland begingen 2006 nach Angabe des Statistischen Bundesamtes (s. Skizze im Anhang I) 9.765 Menschen (2.540 Frauen, 7.225 Männer) S.[28] Diese Zahlen sind deutlich höher als die der Verkehrstoten (2006: 5174)[29].

 

In Deutschland begeht etwa alle 54 Minuten ein Mensch Suizid.

 

Ca. 50 % derer, die S begehen, haben vorher einen Suizidversuch unternommen[30].

 

Zahlen sind relativ. Die Schätzung der Ss hängt vor allem ab von zwei Faktoren:

amtliche Zertifikate (Leichenschauscheine): Ca. 75 bis 90 % der als „unbestimmte Todesursache“ deklarierten Fälle dürften Ss sein, und auch hinter Unfällen oder anderen Todesfällen verbergen sich oft Ss; bei genauerer Klärung der Todesursachen würde die Suizidrate wahrscheinlich um das Doppelte steigen[31],

 

Weitergabe der Daten: Oft wird der S vertuscht - aus Scham, wegen Schuldgefühlen, Verdrängung, z. T. auch aus versicherungstechnischen Gründen oder zur Vermeidung einer Stigmatisierung durch andere[32].

 

Entsprechend gibt es eine große Dunkelziffer. Bei Suizidversuchen ist das noch schwieriger, da eine Weitergabe der Daten - auch nur zu statistischen Zwecken - aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht mehr möglich ist und Schätzungen auf wissenschaftlichen Studien beruhen.[33]

 

Die WHO geht davon aus, dass es 20-mal so viele Suizidversuche wie Suizide gibt.[34]

 

Erstaunlich ist im internationalen Vergleich[35], dass die quantitativen Verhältnisse - z. B. zwischen den Geschlechtern, zwischen bestimmten Krankheiten und S, zwischen dem Verhältnis der Ss zu den Suizidversuchen, relativ konstant sind[36].

 

Jeder Suizid hat im Durchschnitt Auswirkungen auf mindestens sechs andere Personen.

 

Die WHO geht davon aus, dass 2005 allein in Deutschland 600.000 bis 1,2 Millionen Menschen (insbesondere Eltern, Groß-, Geschwister, Freunde/-innen) direkt oder indirekt von einem S oder einem Suizidversuch „in höchstem Maße“ betroffen waren. [37]

 

3.2 Risikofaktoren - Risikogruppen


 

Aus den statistischen Daten und den jeweils bekannten äußerlich feststellbaren Faktoren, die suizidalen Handlungen vorausgingen, werden weltweit Risikofaktoren und entsprechende Risikogruppen abgeleitet:

 

  Männer bezüglich eines S (zwei- bis dreimal so häufig wie Frauen)[38],

 

  Frauen bezüglich eines Suizidversuchs (zwei- bis dreimal so häufig wie Männer)[39],

 

 ältere Menschen[40],

 

 jüngere Menschen (unter 35 Jahren) bezüglich eines Suizidversuchs[41],

 

  Menschen mit mangelnder sozialer Einbindung (Alleinstehende, Vereinsamte, Flüchtlinge, Umzug)[42],

 

  Menschen mit einem kürzlich zurückliegenden Verlusterlebnis (z. B. Tod einer geliebten Person)[43],

 

  Menschen in sozialer Notlage (z. B. Arbeitslosigkeit)[44],

 

  Vorhandensein von Schusswaffen im Haushalt (in den USA in 60% der Fälle)[45],

 

  Ss oder Suizidversuche im Umfeld, z. B. in der Familie,

 

  Ss oder Suizidversuche in der eigenen Vorgeschichte[46],

 

  Menschen mit körperlichen Erkrankungen (z. B. Aids, MS), besonders wenn sie chronisch, schmerzvoll oder mit Insomnie verbunden sind, wenn keine Heilungschancen bestehen und die Erkrankung im Endstadium ist[47],

 

  Menschen mit psychopathologischen Symptomen wie gestörte Impulskontrolle, gestörter Realitätssinn, Selbstwertkrisen, paranoide Verfolgungsgefühle oder z. B. imperative Stimmen zum Vollzug suizidaler Handlungen, und Erkrankungen[48] (vgl. Kapitel 4.3),

 

  Menschen in emotionalen Krisen, in traumatisierenden Situationen und Veränderungskrisen[49] (s. Kapitel 6),

 

  Menschen mit suizidalem Verhalten, z. B. entsprechenden Plänen und Vorkehrungen, oder wenn plötzlich ein Testament oder Abschiedsbrief(e) geschrieben werden[50].

 

Bezüglich der Jahreszeit, des Wohnorts, der Religionszugehörigkeit und der sozialen Schicht gibt es unterschiedliche Studienergebnisse.[51]

 

Eine Kombination mehrerer Faktoren (Beispiel: soziale Isolation, Tod eines/r Nahestehenden, chronische Krankheit) erhöht entsprechend das Suizidrisiko.

 

Wichtig ist aber:

 

Der Mensch, der in der Beratungssituation vor mir steht,

 

kann genau derjenige sein, der in dieses Raster nicht hineinpasst!

 

3.3 Suizidmethoden


 

Es wird in der Literatur nach „harten und „weichen“ Methoden unterschieden, je nachdem wie gefährlich die Suizidmethode ist, wobei die objektive Gefährlichkeit nicht mit der subjektiven übereinstimmen muss[52]. Z. T. ist eine Einordnung schwierig, z. B. hängt beim Ertrinken die Einordnung davon ab, ob jemand von sich  aus  ins  Wasser  geht  oder sich  mit  einem beschwerenden  Gegenstand in

einen tiefen Fluss stürzt. Genauso kann eine Überdosis an Tabletten lebensbedrohlich sein oder nicht.

 

Suizidmethoden

 

 

Eine Häufung von sog. harten Methoden ist bei suizidalen Handlungen mit Todesfolge festzustellen; „weiche“ Methoden überwiegen bei den Suizidversuchen.

 

Erhängen ist in Deutschland die am häufigsten angewandte Suizidmethode (2006 mehr als 50 % der Männer und fast 30 % der Frauen)[53]. Bei den Suizidversuchen überwiegt als Methode die Vergiftung durch Überdosis unterschiedlicher Medikamente: 2005 griffen nach Schätzungen 78 % der Frauen und 61 % der Männer, die einen Suizidversuch unternahm, zu Tabletten.[54] Bei Parasuiziden wird die Zahl von Wedler sogar auf 90 % geschätzt[55]. Als Tabletten werden laut Poustka  Schlaf-, Beruhigungs- und Schmerzmittel eingenommen[56]. Als Chemikalien werden zur Intoxikation z.B. Nagellackentferner, Shampoo, Putzmittel und Pestizide benutzt[57]. Schwere Alkoholintoxikationen können bei dem z. Z. bei JJ zunehmenden „Koma-Saufen“ eintreten.

 

Suizidmethoden besagen i. d. R. nichts über

Motive, Krankhaftigkeit oder Freiverantwortlichkeit.

Sie unterliegen kulturellen Bedingungen und Modeeinflüssen.[58]

 

3.4 Die Situation der Jugendlichen


 

Nach Angabe des Statistischen Bundesamtes in Deutschland unternahmen 2006 229 Jugendliche zwischen 10 und unter 20 Jahren (Alter der weiterführenden Schulen) einen S (53 Mädchen/junge Frauen, 176 Jungen/junge Männer). Auch hier war Erhängen/Strangulieren die häufigste Todesursache, aber auffällig ist, dass an zweiter Stelle das Sich-Werfen vor ein sich bewegendes Objekt steht (13 Mädchen, 35 Jungen sind so gestorben), und dass sich auch viele in die Tiefe stürzten (6 Mädchen, 25 Jungen).[59]

 

S ist (genauso wie bei Erwachsenen) die zweithäufigste Todesursache in der frühen und späten Adoleszenz bei beiden Geschlechtern[60]. Wedler geht davon aus, dass es in der Altersgruppe der Kinder und JJ eine noch größere Verschleierungstendenz von suizidalen Handlungen gibt als in der Allgemeinbevölkerung[61].

 

Suizidversuche sind um ein Mehrfaches häufiger als bei Erwachsenen[62]. Etwa 7 bis 8 % der Jungen, 10 bis 13 % der Mädchen unternehmen in dieser Lebens-phase einen Suizidversuch - Tendenz steigend[63] -, die Pubertät stellt damit einen „lebenszeitlichen Gipfel“ des Suizidversuchs dar[64]. Eine Zunahme suizidaler Fantasien und Gedanken (ca. 30 bis 40 %) bei JJ wird ebenfalls...

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