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Umgang mit und Aufarbeitung der Geschichte der Juden im Dritten Reich im Leistungskurs Geschichte 13

Die Erkundung des Jüdischen Museums in Berlin als außerschulischer Lernort

AutorToralf Schenk
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl149 Seiten
ISBN9783640694006
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Didaktik - Geschichte, Note: 1,3, Staatliches Seminar für das Lehramt an Grundschulen und für das Lehramt an Förderschulen, Sprache: Deutsch, Abstract: Seit nunmehr fast 60 Jahren wird seriös und ernsthaft auf den Holocaust geschaut, auf die versuchte Vernichtung des Judentums, die Bewertung des Grauens. Doch wie soll Schule auf dieses höchst sensible Thema reagieren? Wie sollen sich Lehrer und Schüler in diesem Meer der Vergangenheit zurechtfinden, welche Orientierungspunkte sollen sie wählen, wie damit umgehen? Fragen, die sich ein jeder Geschichtspädagoge stellt oder stellen sollte bei der Behandlung dieses Themas. Den Historikern bleibt, trotz vieler Studien und Dokumentationen, die erst der Spurensicherung dienten und dann der Darstellung des Geschehenen, die Aufgabe, Ursachen und Ziele des Verbrechens zu ergründen. War der Holocaust die logische und deshalb a priori verfolgte Konsequenz der Ideologie des Antisemitismus, war er Bestandteil einer Machtpolitik aus rationalem Kalkül, stand am Anfang die Intention Hitlers oder war der Judenmord Folge der Radikalisierung nationalsozialistischer Herrschaft? Deutschlands führender Antisemitismusforscher, Wolfgang Benz, stellt klar: 'An den Fakten des Holocaust sind Zweifel nicht möglich.' Stattdessen verweist er darauf, dass 'die Suche nach Erklärungen im Sinne menschlicher Moral und Vernunft andauert.' Es handelt sich bei der vorliegenden Arbeit um einen Versuch, Dimensionen und Triebkräfte, Erklärungsansätze und Tragweite der Geschichte der Juden im Dritten Reich aufzudecken und gemeinsam mit den Schülern zu erforschen. Die Schüler sollen dabei anhand unterschiedlicher Quellenmaterialien den Umgang mit Geschichte erfahren und durch die Auseinandersetzung mit einem Einzelschicksal selbst an der Aufarbeitung von Geschichte mitwirken. Nach dem Vorwort folgen sechs Kapitel. Im zweiten Kapitel sind Gedanken, Vorüberlegungen und Ziele der Arbeit zusammengefasst. Eine Übersicht über den Stoffverteilungsplan und die Analyse der Lerngruppe befinden sich ebenfalls dort. Das dritte Kapitel umfasst die Sachanalyse, in der Ort und Gegenstand des Themas geklärt werden. Das vierte Kapitel erläutert das didaktisch-methodische Konzept, bevor im fünften Kapitel die Lernziele der Unterrichtsreihe genannte und begründet werden. Das sechste Kapitel beinhaltet den Überblick über die gesamte Unterrichtsreihe in ihrer Detail- und Grobplanung, Verlaufsskizzen und Einzelstundenreflexionen. Das letzte Kapitel reflektierte in einem Gesamtfazit die gesamte Unterrichtsreihe, sucht nach Stärken und Schwächen, zeigt aber auch mögliche Alternativen auf.

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3. Ort und Gegenstand des Themas – Sachanalyse


 

Die Thematik der „Geschichte der Juden im Dritten Reich 1933 – 1945“ kann in der folgenden Sachanalyse unmöglich umfassend dargestellt werden. Eine kaum zu überschauende Anzahl von Büchern, unzählige Aufsätze und Dokumentationen, Gesprächsforen und Fernsehbeiträge sind seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges erschienen, die versuchen, über das Thema zu informieren und aufzuklären. In meinen Ausführungen orientiere ich mich zum Großteil an den Darstellungen des führenden Antisemitismusforschers, Wolfgang Benz, aus Berlin.[24] Er verweist in seiner Monographie zum Holocaust im abschließenden Literaturbericht darauf, dass „die Zahl der Titel zum Thema „Holocaust“ unübersehbar ist und ständig anwächst.“[25] Aus diesem Grund sehe ich auch von einer Aufarbeitung des Forschungsstandes zu diesem Themenbereich ab, da eine Auswahl und Beurteilung von den Überblicksdarstellungen bis hin zu speziellen vertiefenden Fragestellungen nicht gewährleistet werden kann und den Rahmen dieser Arbeit sprengt. Bei Bedarf werde ich an entsprechender Stelle auf weiterführende Literatur verweisen.

 

Im Folgenden beschränke ich mich bei der Sachanalyse auf einige Entwicklungsphasen und einzelne Diskussionsschwerpunkte, die im Unterricht berücksichtigt werden und stelle das Jüdische Museum in Berlin als außerschulischen Lernort vor.[26]

 

3.1 Das Jüdische Museum in Berlin – Ort des Außerschulischen Lernens


 

Im September 2001 öffnete das Jüdische Museum seine Tore, um den Besucher zu einer Reise durch zwei Jahrtausende deutsch-jüdischer Geschichte einzuladen. Wie die Architektur dieses Museums so ist auch seine Ausstellung einzigartig.

 

Vordergründig lernen deutsche Schüler Juden und das Judentum nur im Geschichtsunterricht kennen, wenn sie mit dem Thema im Zusammenhang mit der Verfolgung und Vernichtung durch die Nationalsozialisten konfrontiert werden. Dass die Geschichte der Juden in Deutschland jedoch weit mehr ist, kann der Besucher in diesem Museum erfahren. Die Ausstellung reicht von Aufbrüchen und Fortschritt bis hin zu katastrophalen Entwicklungen und Aussöhnung und ist dabei selbst ein Stück Geschichte.

 

Ziel der Ausstellung im Jüdischen Museum ist es, „den Blick auf diese bis heute unsere Gesellschaft prägende Geschichte“ zu schärfen.[27] Dies gelingt durch die Synthese zwischen Kultur, Tradition, Geschichte und Religion. Der Museumsdirektor Michael Blumenthal weist daher entschieden darauf hin, „dass es sich bei diesem Museum nicht nur um ein wichtiges pädagogisches und didaktisches, sondern auch um ein eminent politisches Projekt handelt.“[28] Somit leistet das Jüdische Museum einen entscheidenden Beitrag zu unserem Geschichtsbewusstsein, zu unserer nationalen Verantwortung und zur kulturellen Landschaft Deutschlands. Diese Einmaligkeit lässt sich neben der Ausstellungskonzeption vor allem auf die architektonische Gestaltung des Museums zurückführen.

 

Das Jüdische Museum in Berlin, errichtet vom Architekten Daniel Libeskind, ist ein besonderer Ort des Erinnerns, Erlebens und Nachdenkens. Allein als Bauwerk setzt es neue Maßstäbe, denn die Beziehung zwischen Museumsinhalt und Architektur ist hier einzigartig. Das Museum macht auf eindrucksvolle Weise deutsch-jüdische Geschichte erlebbar und spricht die Sinne und Gefühle der Schülerinnen und Schüler an. Hier werden sie unmittelbar mit der Notwendigkeit konfrontiert, sich an die Judenvernichtung, die Vernichtung der Sinti und Roma, an den Kriegsanfang und die vielen Kriegsverbrechen zu erinnern. Das Museum zeichnet die Höhe- und Tiefpunkte der Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden in Deutschland nach und veranschaulicht, was möglich ist, wenn religiöse, kulturelle oder ethnische Minderheiten ihre ganz eigenen Talente in das nationale Leben einfließen lassen können und welch bittere Folgen es für alle hat, wenn Vorurteile und Intoleranz die Oberhand gewinnen. Mit seinen Abteilungen, der Sammlung, dem Archiv, seinen Lehr- und Forschungseinrichtungen, dem Rafael Roth Learning Center und gemeinsam mit dem Leo Baeck Institut stellt das Jüdische Museum Geschichte dar, bringt jüdische Kultur nahe und bietet zugleich ein Forum für Forschung, Diskussion und Gedankenaustausch. 

 

Nicht nur durch sein konzeptionelles Anliegen, „in einer globalisierten Welt Toleranz gegenüber Minderheiten und deren Integration ins nationale Leben zu fördern“[29], überzeugt das Jüdische Museum, es gilt vielmehr auch als eines der Meisterwerke zeitgenössischer Weltarchitektur und als eigenständiges Kunstwerk. Es verdankt seinen Ruf in erheblichem Maße der Art und Weise, wie der Architekt Daniel Libeskind in seinem preisgekrönten Entwurf emblematische Aussagen, die aus der Geschichte der Juden in Deutschland erwachsen, verknüpft und beseelt hat. Diese kommen als äußerst subtile Gestaltungselemente zum Ausdruck. Die durchbrochene Form und das industrielle Material, die Zickzacklinien der Fenster und die Linien, die Decken und Böden durchschneiden, der weitläufige Garten und die konzeptionelle Gestaltung des Begriffs „Untergrund“ rufen eine Wirkung hervor, die den Besuchern die Geschichte nahe bringt. Das Gebäude wird von einem leeren Raum durchschnitten, dem Void. Mit dem Void erfasst Libeskind symbolisch die Vernichtung der europäischen Juden – das Vakuum, die Leerstellen in der deutschen und europäischen Gesellschaft.

 

Dies ist einer jener Orte, an denen Architektur und Inhalte zusammenwirken, indem eins das andere unterstützt und hervorhebt. Das Haus bietet keine herkömmliche Aneinanderreihung der Ausstellungsräume, sondern vielmehr ein „einzigartiges Potential für ein Museum, da eine architektonische Philosophie und eine Ausstellungskonzeption aus derselben Herangehensweise an ein Thema erwachsen.“[30] Diese Herangehensweise spiegelt sich im gesamten Museum wider. Es gibt Bereiche, die als „Libeskindmomente“[31] bezeichnet werden, in denen die Exponate hinter der Architektur zurücktreten. So steht beispielsweise die emotionale Wirkung der unterirdischen Gänge, der Achsen des Exils, des Holocausts und der Kontinuität im Vordergrund, während die Ausstellung die Architektur diskret begleitet. 

 

Die gesamte historische Dauerausstellung wurde vom Ausstellungsbüro „Würth & Winderoll“ entworfen und umgesetzt. Das Büro hat bereits ein beeindruckendes Spektrum von Museumsgestaltungen verwirklicht, zu denen das Haus der Geschichte in Bonn, das Bayrische Nationalmuseum in München und das Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Dortmund gehören. Ihr Konzept ermöglicht die persönliche Einbindung des Besuchers durch die Schaffung magischer Momente, in denen sie aus der historischen Chronologie heraus von einer aufschlussreichen Information oder einem ausdrucksstarken Exponat angezogen werden. Die Gestalter haben das Museum mit einer Reihe sorgsam gesetzter Höhepunkte versehen, denen Phasen der Ruhe, Kontemplation und Reflexion folgen.

 

Unterstützt wird die Bedeutsamkeit des Baus durch seine zentrale Lage in der deutschen Hauptstadt, in der Lindenstraße in Berlin Kreuzberg. Dort begegnen dem Besucher zwei völlig verschiedenartige Gebäude. Das barocke Kollegienhaus, als ehemaliges preußisches Kammergericht und der moderne futuristisch anmutende Industriebau Libeskinds. Scheinbar stehen beide Gebäude unverbunden nebeneinander. Jedoch gehen beide Gebäude eine Symbiose ein, die durch Verbindungsgänge unter der Erdoberfläche eine untrennbare Einheit bilden.

 

Wie alle Museen und Ausstellungen kann auch das Jüdische Museum nicht einfach zeigen, „wie es damals war“, immer fließen Interpretationen der Museumsmitarbeiter und Ausstellungsmacher mit ein.[32] Darum sind Museen und Ausstellungen selbst ein Ausdruck einer bestimmten, heutigen Deutung von Geschichte. Das muss mit bedacht werden.

 

 

Die einmalige Konzeption des Museums durch ihre bewusste Synthese zwischen Architektur und Inhalt sollen die Schüler bei ihrem Museumsbesuch erfahren und anschließend im Unterricht verarbeiten. Sie sollen zudem erkennen, dass das Jüdische Museum in Berlin kein gewöhnlicher Ort der Erinnerung ist, sondern einen herausragenden Platz in Deutschland einnimmt. Es symbolisiert die Entschlossenheit, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und mit Blick auf die gesellschaftlichen Probleme der Gegenwart und der Zukunft aus ihr zu lernen.

 

Gesamtansicht des Jüdischen Museums Berlin

 http://baustil.ch/assets/images/blog/baustilberichte/2010/02-Juedisches-MuseumBerlin/Juedisches-Museum-1.jpg

 

3.2 Von der Entrechtung zur Vernichtung – Etappen der Geschichte der Juden im nationalsozialistischen Deutschland zwischen 1933-1945


 

„Sie wissen nun bescheid, und Sie behalten es für sich. Man wird vielleicht in ganz später Zeit sich einmal überlegen können, ob man dem deutschen Volk etwas mehr darüber sagt. Ich glaube, es ist besser wir – wir insgesamt – haben das für unser Volk getragen, haben die Verantwortung auf uns genommen und nehmen dann das Geheimnis mit in unser Grab.“[33]

 

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