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E-Book

Umweltbewusstsein durch Schulbauernhöfe

Ergebnisse einer qualitativen Fallstudie

AutorJörg-Simon Schmid
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl149 Seiten
ISBN9783656201519
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Pädagogik - Sonstiges, Note: 1,0, Universität Kassel (Institut für Agrarsoziologie), Veranstaltung: Ökologische Agrarwissenschaften/ Umweltpädagogik, Sprache: Deutsch, Abstract: Der Begriff des Umweltbewusstseins ist - ganz ähnlich wie 'Nachhaltigkeit' - ein ebenso häufig benutzter wie schwer zu fassender Begriff. Um Licht in das Dunkel der Begriffsbestimmung zu bringen und um einen möglichen Bezug der Umweltbewusstseins- und Nachhaltigkeitsthematik zu einem Aufenthalt auf einem Schulbauernhof zu überprüfen, wurde der Lernort Schulbauernhof am Fachbereich ökologische Agrarwissenschaften der Universität Kassel anhand von Konzepten der Umweltbewuss-tseinsforschung untersucht. Neben einer umfassenden Literaturrecherche und teilnehmender Beobachtung während eines Praktikums auf einem Schulbauernhof in Nordhessen bilden leitfadengestützte Interviews die Basis für die Studie. Dazu wurden Lehrerinnen und Lehrer aus drei freien und drei staatlichen Schulen zu dem Verhalten von Schülern während und nach dem Besuch des Schulbauernhofes befragt. Es hat sich gezeigt, dass der Schulbauernhofbesuch starke Einflüsse auf alle einzelnen Komponenten des Umweltbewusstseins (Wissen, Verhalten, Betroffenheit, Wohlbefinden & Werte) hat. Als entscheidend stellte sich allerdings nicht die Vermittlung der einzelnen Komponenten heraus, sondern die Erfahrung und das Begreifen des Gesamtzusammenhanges. Nur so besteht die Chance, dass Wissen tatsächlich handlungsleitend wird und sich auf umweltrelevante Verhaltensweisen und Werthaltungen auswirken kann.

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Leseprobe

4.1 Verhalten auf dem Schulbauernhof


Zur besseren Übersicht werden die Verhaltensweisen im folgenden Kapitel in einzelne Kategorien eingeteilt. Unterschieden werden dabei die beiden Oberkategorien „Umweltverhalten“ und „Persönliches Verhalten“. Zusätzlich findet eine Differenzierung in von den Lehrern „beobachtetes“ und von ihnen „angenommenes“ Verhalten statt. Aussagen über angenommene Verhaltensweisen werden mit einem „wachsamen Auge“ Ö 1 am Anfang des betreffenden Abschnittes kenntlich gemacht. Auch innerhalb der Subkategorien des Umweltverhaltens und des persönlichen Verhaltens wird eine weitere Unterteilung in prägnante Abschnitte vorgenommen.

4.1.1 Umweltverhalten

Berücksichtigt werden das Verhalten und die Handlungen 30 der Schüler, die von den Lehrkräften während des Aufenthaltes beobachtet werden konnten und die in direkter Verbindung mit der sie umgebenden Umwelt (Menschen, Pflanzen, Tiere, Boden/Ressourcen) stattfanden sowie für diese Relevanz besitzen. Dazu zählen besonders der Umgang mit Nahrungsmitteln (Essverhalten 31 ) und natürlichen Ressourcen (z.B. Abfall bzw. Wegwerfverhalten), der Umgang mit Tieren und Pflanzen, aber auch das Sozialverhalten.

4.1.1.1 Essverhalten

„Zu wenig Gemüse, Obst und kohlenhydratreiche pflanzliche Lebensmittel wie Reis, Nudeln, Kartoffeln, Brot und Co., aber deutlich zu viel Süßigkeiten, Salz und proteinreiche Lebensmittel wie Fleisch, Wurst und Käse - dies sind die Schwachstellen in Sachen Ernährung von Kleinkindern 32 “ (DGE 2008). So lauten jedenfalls die Botschaften des aktuellen Ernährungsbe- richts2008, den die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) im Dezember 2008 der Öffentlichkeit vorstellte.

Das Essverhalten während des Schulbauernhofbesuches ist eine der am auffälligsten veränderten Verhaltensweisen der Schüler - darin waren sich alle Lehrer einig - und steht in starkem Kontrast zu der von der DGE beschriebenen Problematik.

Neues Probieren / Gerne "Gesundes" essen

Die Lehrer konnten beobachten, wie die Kinder teils durch ihre immer vorhandene Neugier und durch die neue und aufregende Umgebung motiviert, teils aber auch durch die Entdeckung dass "gesunde" Kost auch gut schmecken kann, vermehrt zu "gesunder" Kost griffen. Unter dem Stichwort "gesund" wurde von Ihnen vor allem die Frische der Lebensmittel hervorgehoben. Frisches Brot, Milch, Käse, Obst und das von Kindern üblicherweise so gerne verschmähte Gemüse:

"Die Kinder machen ganz viel die Erfahrung, dass es sehr lecker schmeckt. Die sind im strömenden Regen vorher rausgeturnt und haben Petersilie geerntet. [...] Und haben Berge von Tomaten gegessen! Ich musste Tomaten nachholen! [...] Also das ist so eine Hauptbeobachtung die ich gemacht habe!" (E/34)

Das Ausprobieren von neuen Nahrungsmitteln wird dadurch begünstigt, dass - im Gegensatz zum oftmals städtischen Alltag - ein vollkommen anderes Nahrungsmittelangebot besteht. Sowohl auf der "geschmacklichen" Seite als auch von der "Art her was wir gegessen

haben" befindet eine Lehrerin (F/53). Die Süßigkeiten bleiben in der Regel, auf Empfehlung der Lehrer und Hofbesitzer, bis auf kleine "Notreserven" zuhause und außerhalb des Bauernhofes gestaltet sich die Versorgung mit Nachschub aufgrund der ländlichen Lage des Hofes beschwerlich. Auch "Mc Donalds" oder "Fertigsachen aus der Packung" sind weit entfernt. Gerade diese entstehende Distanz zum gewohnten Ernährungsverhalten könnte es allerdings auch sein, die es den Kindern ermöglicht, ihre sensorischen Fähigkeiten zu schulen, zu sensibilisieren und ein "Gespür für Frische" zu entwickeln:

"Und sie schmecken das dann auch schon raus, also den Mozzarella den wir gestern neu aufgemacht haben, der schmeckt noch frischer, noch besser als der davor und, also ich finde, dass die hier auch wirklich ein ganz gutes Gespür für die Frische der Nahrungsmittel dann auch bekommen. Ich finde auch, dass der hier anders schmeckt als der, den man im Supermarkt kaufen kann. Und dass die das auch so empfinden, das find ich schon wirklich toll und das wirklich dann auch rausschmecken und sagen ja, das schmeckt hier ganz frisch und ganz toll." (D/31) Begeisterung anstatt „Gemecker“

Besondere Begeisterung wurde neben der Freude über die Frische vor allem durch die kindgerechte, aber sehr große Vielfalt an Nahrungsmitteln ausgelöst. Aber auch die eigene Zubereitung der Lebensmittel, wie z.B. das frisch gebackene Brot, der frisch zubereitete Käse und die selbst geschlagene Butter auf dem Tisch, wurden von den Lehrern (D/34,E/34,F/69) als Highlights für die Kinder wahrgenommen:

"Und die haben heute diesem selbstgebackenen Brot entgegengefiebert und die wollen unbedingt das Brot schneiden. Und es ist keiner da, der sagt es schmeckt nicht. Und weil es auch so vielfältig ist, also es ist Mozzarella da, es ist ein Hutzelbärkäse da, es ist Frischkäse da. Es ist Kinderkäse da, es ist mit Pfeffer und mit Kräutern und es ist selbstgemacht und es ist so was Besonderes! Wir haben heute nicht Nudeln gegessen sondern wir haben selbstgemachte Nudeln gegessen! Und wir haben - die prügeln sich fast um das Essen."(E/34)

Es wäre sicherlich beschönigend zu behaupten, dass alle Kinder sofort nichts als die reinste Begeisterung gegenüber dem von ihrem gewohnten Alltag so stark abweichenden Nahrungsangebot empfinden würden. Allerdings beschränkt sich das "Gemecker" und das "ich mag dies nicht, ich mag das nicht" vor allem auf die ersten Tage (A/45) oder auf Ausnahmen wie "einer von 25" (D/32). Spätestens wenn sich die Kinder, auch aus sozialen Gründen (siehe Kapitel 4.1.1.5), einmal dazu überwinden konnten das neue Essen zu versuchen, tritt anstelle der Ablehnung eine Akzeptanz bzw. sogar eine neue Wertschätzung 33 und Stolz (A/45; E/40) auf die selbst zubereiteten Nahrungsmittel. Fleisch

In der Regel wird das von den hofeigenen Tieren gewonnene Fleisch sehr gerne gegessen. "Die Salami ist der Renner!" (E/97). Komplizierter wird es erst, wenn die Kinder realisieren, dass das Fleisch genau von den Tieren stammt, die auf dem Bauernhof leben und mit denen sie persönlichen Kontakt hatten. Denn "die Kinder entwickeln ja dann auch Beziehungen zu diesen Tieren" (F/61). Spätestens wenn das Fleisch dann auch noch von Tieren stammen soll, die die Kinder mit Namen kennen und die sie "so gern hatten", kann sich die anfängliche Fleischeslust sehr schnell in Abneigung verwandeln. Besonders betroffen scheinen dabei die Kinder zu sein, die wenig oder keine Erfahrung mit der Landwirtschaft haben, im Gegensatz zu

den "Hartgesottenen" die auf dem Bauernhof aufgewachsen sind und "wissen, dass die Tiere so gehalten werden, damit man auch was zu essen hat" (F/61):

"[...] da gab es eine Situation - Ähm und eines Tages war eine Kuh glaube ich verschwunden. Und ich hab das zufällig gesehen, wie sie da in die Schlachterei kam in ihrem Wagen. [...]. Also all die Sachen die man eigentlich gar nicht so gerne sieht. Habe ich den Kindern so auch gar nicht erzählt. Aber sie haben gemerkt, dass die Kuh "Anna" oder wie sie hieß, das weiß ich nicht mehr, ist nicht mehr da. Und ne das hätten sie ja gar nicht gern und das könnte man ja nicht und so. Ne also das hätten sie aber nicht gegessen."(F/59)

Trotz dieser anfänglichen und meist spontanen Verweigerung gegenüber dem Fleisch konnte auch beobachtet werden, wie sich die anfängliche Ablehnung bei einigen Kindern wieder relativierte:

„Ja also 2-3 Kinder haben auch gesagt, ne sie essen kein Fleisch von Tieren hier. Also die sagten dann sie hatten die Tiere da draußen so gern und sie könnten sich das gerade jetzt nicht vorstellen. Und wieder andere sagten dann aber auch, naja das gehört jetzt eben einfach dazu. Also das ist schon enorm. Man denkt, dass sind Kinder die in die Grundschule gehen, aber die Gedanken, die da so aufkommen, das sind im Prinzip manchmal Schlüsselfragen, die uns alle bewegen..“ (B/32) Diese Relativierung geschieht meist nicht von selbst. Die Kinder fangen an Fragen zu stellen: "Wie ist das eigentlich mit dem Schlachten...

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