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Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der Kinder- und Jugendhilfe

Wie bedürfnisgerecht sind vorhandene Einrichtungen? Welche konzeptionellen Anforderungen gilt es zu erfüllen?

AutorSilke Bachert
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl90 Seiten
ISBN9783656344117
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 2,3, Fachhochschule Kiel, Veranstaltung: Soziale Arbeit, Sprache: Deutsch, Abstract: Deutschland ist ein Zuwanderungsland. Diese Tatsache wurde jahrzehntelang vermieden, ja sogar bestritten. Mit dem Zuwanderungsgesetz von 2005 wurde dieser Aussage dann aber politisch Rechnung getragen. Damit hat die Diskussion um Zuwanderungsfragen zwar einen vorläufigen rechtlichen Abschluss gefunden, indes in ihrer politischen Bedeutung kaum an Aktualität verloren. Zum einen sind wir eine vergreisende Nation mit Facharbeitermangel, zum anderen herrscht in Zeiten der Weltwirtschaftskrise wieder einmal Angst vor Zuwanderern, die den Einheimischen die Arbeitsplätze nehmen könnten. In Wahlkampfzeiten forderte nun vor nicht allzu langer Zeit der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Klaus Zimmermann, sogar für die jetzige Bundesregierung ein Ministerium für Zuwanderung und Integration. Er bezeichnete Zuwanderung und Integration als 'zentrale Zukunftsfragen'. Nach der Wahl war zwar keine Rede mehr von neuen Ministerialwegen, trotzdem hat dieses Thema nicht an Brisanz verloren. Die Integrationsdebatte ist zum Dauerbrenner in deutschen Medien geworden, so hob jüngst der deutsche Industrie- und Handelskammertag die Bedeutung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund für die Wirtschaft hervor... Da spricht man also von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund, an anderer Stelle wieder von ausländischen Kinder und Jugendlichen- wer ist da bei Zuwanderung und Integration gemeint? Auf alle Fälle haben wir es mit keiner homogenen Gruppe 'der' Zuwanderer zu tun. Die Wege der Zuwanderung sind so vielfältig wie die sich dahinter verbergenden menschlichen Schicksale. Da gibt es legale und illegale Wege und erwünschte und eigentlich unerwünschte Zuwanderung. In dieser Arbeit möchte ich mich der besonderen Problematik einer speziellen Gruppe von Zuwanderern der illegalen und eigentlich unerwünschten Art widmen, die aus noch zu benennenden Gründen unserer besonderen Aufmerksamkeit und Zuwendung bedürfen: den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Dieser Bevölkerungsgruppe erschließt sich unser Land in seiner Bindung an nationales, europäisches und internationales Recht nicht unbedingt als Zuwanderungsziel, aber doch als ein Land mit der Möglichkeit zur Aufnahme, die zwar gegebenenfalls nur befristet sein kann, verbunden mit der entsprechenden Integration und möglicherweise späteren Rückführung in die Herkunftsländer oder der Weiterreise zur Familienzusammenführung.[...]

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Leseprobe

1. Einleitung


 

1.1 Annäherung an das Thema


 

Deutschland ist ein Zuwanderungsland. Diese Tatsache wurde jahrzehntelang vermieden, ja sogar bestritten. Mit dem Zuwanderungsgesetz von 2005 wurde dieser Aussage dann aber politisch Rechnung getragen. Damit hat die Diskussion um Zuwanderungsfragen zwar einen vorläufigen rechtlichen Abschluss gefunden, indes in ihrer politischen Bedeutung kaum an Aktualität verloren.

 

Zum einen sind wir eine vergreisende Nation mit Facharbeitermangel, zum anderen herrscht in Zeiten der Weltwirtschaftskrise wieder einmal Angst vor Zuwanderern, die den Einheimischen die Arbeitsplätze nehmen könnten.

 

In Wahlkampfzeiten forderte nun vor nicht allzu langer Zeit der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Klaus Zimmermann, sogar für die jetzige Bundesregierung ein Ministerium für Zuwanderung und Integration. Er bezeichnete Zuwanderung und Integration als „zentrale Zukunftsfragen“. Nach der Wahl war zwar keine Rede mehr von neuen Ministerialwegen, trotzdem hat dieses Thema nicht an Brisanz verloren. Die Integrationsdebatte ist zum Dauerbrenner in deutschen Medien geworden, so hob jüngst der deutsche Industrie- und Handelskammertag die Bedeutung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund für die Wirtschaft hervor...

 

Da spricht man also von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund, an anderer Stelle wieder von ausländischen Kinder und Jugendlichen- wer ist da bei Zuwanderung und Integration gemeint? Auf alle Fälle haben wir es mit keiner homogenen Gruppe „der“ Zuwanderer zu tun.

 

Die Wege der Zuwanderung sind so vielfältig wie die sich dahinter verbergenden menschlichen Schicksale. Da gibt es legale und illegale Wege und erwünschte und eigentlich unerwünschte Zuwanderung. In dieser Arbeit möchte ich mich der besonderen Problematik einer speziellen Gruppe von Zuwanderern der illegalen und eigentlich unerwünschten Art widmen, die aus noch zu benennenden Gründen unserer besonderen Aufmerksamkeit und Zuwendung bedürfen: den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen.

 

Dieser Bevölkerungsgruppe erschließt sich unser Land in seiner Bindung an nationales, europäisches und internationales Recht nicht unbedingt als Zuwanderungsziel, aber doch als ein Land mit der Möglichkeit zur Aufnahme, die zwar gegebenenfalls nur befristet sein kann, verbunden mit der entsprechenden Integration und möglicherweise späteren Rückführung in die Herkunftsländer oder der Weiterreise zur Familienzusammenführung.

 

Auf jeden Fall benötigen diese Kinder und Jugendlichen mit ihren oft schmerzlichen Erfahrungen und Traumatisierungen vor und während der Flucht unsere Hilfe und Unterstützung. Dieses wurde auch von den Gesetzgebern im nationalen und auch im internationalen Recht längst erkannt und berücksichtigt, aber werden diese Gesetze und Verordnungen auch mit Leben erfüllt? Und wenn ja, wie? Kinder und Jugendliche haben nichts in Gemeinschaftsunterkünften für Asylbewerber zu suchen und Kinder und Jugendliche gehören schon gar nicht in Abschiebehaft, wie es lange genug praktiziert wurde und teilweise leider immer noch praktiziert wird! Ebenfalls sind Vorfälle und Missstände der letzten Zeit in diesem Bereich noch gut in Erinnerung- so wie der Suizid des 17jährigen David in der Hamburger Abschiebehaft oder die menschenverachtende und gesundheitsgefährdende Unterbringung von UMF in der Erstaufnahmeeinrichtung in der Baierbrunnerstraße in München.

 

Hat sich in der Praxis inzwischen etwas konkret geändert und verbessert, wie wird mit UMF verfahren?

 

Mit Blick auf die entsprechenden aufenthalts-, asyl- und sozialrechtlichen Maßnahmen und Verfahren, die in Zusammenhang mit Einreise, Aufnahme, Verbleib und gegebenenfalls Rückführung der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge Anwendung finden, bzw. finden sollten, möchte ich mich der derzeitigen Praxis in unserem Land und speziell in unserem Bundesland Schleswig- Holstein widmen.

 

Nach Klärung der entsprechenden Begrifflichkeiten und Blicken auf aktuelle Daten, Fakten und Entwicklungen im ersten Teil der Arbeit werde ich mich im zweiten Teil den Fragen der Bedüfnisgerechtigkeit vorhandener Einrichtungen und den damit verbundenen konzeptionellen Anforderungen widmen, das alles in Hinsicht auf Inobhutnahme, Clearingverfahren und Ausgestaltung der Jugendhilfe.

 

Im dritten Teil der Arbeit möchte ich Bilanz ziehen, wo stehen wir-was gibt es an positiven Entwicklungen, welche Schwierigkeiten sind zu überwinden? An dieser Stelle möchte ich auch den Blick über den Tellerrand wagen und ein gelungenes Beispiel für die Arbeit mit UMF in der Jugendarbeit außerhalb unseres Bundeslandes näher vorstellen.

 

Im Folgenden werde ich für bestimmte wiederkehrende Termini, Gesetze, Institutionen usw. der Einfachheit halber Abkürzungen verwenden, die bitte dem vorangestellten Abkürzungsverzeichnis zu entnehmen sind.

 

1.2. Definition der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge


 

1.2.1 Definition der unbegleiteten Minderjährigen


 

Zunächst wäre an dieser Stelle zu klären, welche Personengruppe als „unbegleitete Minderjährige“ zu bezeichnen ist. Der Rat der Europäischen Union bezeichnet als UM:

 

Drittstaatenangehörige oder Staatenlose unter 18 Jahren, die ohne Begleitung eines gesetzlich oder nach den Gepflogenheiten für sie verantwortlichen Erwachsenen in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates einreisen, solange sie nicht tatsächlich in die Obhut einer solchen Person genommen werden; hierzu gehören auch Minderjährige, die ohne Begleitung zurückgelassen werden, nachdem sie in das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten eingereist sind (EU Rat 2004, Art.2(i)).

 

Dem entsprechend lautet die Formulierung der UM des Rates an anderer Stelle:

 

Personen unter 18 Jahren, die ohne Begleitung eines für sie nach dem Gesetz oder dem Gewohnheitsrecht verantwortlichen Erwachsenen in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen, solange sie sich nicht tatsächlich in der Obhut eines solchen Erwachsenen befinden; hierzu gehören auch Minderjährige, die nach der Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats dort ohne Begleitung zurückgelassen wurden ( EU Rat 2003, EU Rat 2005).

 

Als minderjährig benennt das deutsche Recht alle Personen zwischen der mit Geburt erlangten Rechtsfähigkeit (vgl. BGB § 1) und erreichter Volljährigkeit mit vollendetem18. Lebensjahr (vgl. ebd. § 2).

 

Also sprechen wir bei UM von Personen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr, die keinem EU Mitgliedstaat angehören und sich ohne Begleitung zugehöriger erwachsener Begleitung im Bundesgebiet aufhalten.

 

1.2.2 Definition des Flüchtlingsstatus


 

Laut Genfer Flüchtlingskonvention bezeichnet man als Flüchtling jede Person, die:

 

... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugungen sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will; oder die sich als staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will (Art.1 Abs.2).

 

Im Unterschied zum Begriff der Migranten, die ihr Heimatland üblicherweise freiwillig verlassen um ihre Lebensbedingungen zu verbessern und bei Rückkehr immer noch den Schutz der Regierung genießen, fliehen Flüchtlinge vor drohender Verfolgung und können unter den bestehenden Umständen nicht in ihr Heimatland zurückkehren. (vgl. UNHCR 2006)

 

Im Zusammenhang mit der Problematik der UM sind an dieser Stelle allerdings nicht nur minderjährige Personen gemeint, die dem obigen Status der Genfer Konvention entsprechen, sondern alle UM, die sich aus verschiedensten Gründen im Bundesgebiet aufhalten und sich um einen Aufenthaltstitel bemühen, bzw. hier eine Zeitspanne bis zur Rück- oder Weiterreise verbringen.

 

1.3 Einreise- und Aufenthaltsgründe der UMF


 

Vielfältig sind die Gründe, die junge Menschen aus den verschiedensten Regionen der Welt dazu bringen, ihre Heimat zu verlassen und sich auf eine Reise ins Unbekannte mit unklarem Ausgang zu begeben.

 

Wir können sicher sein, dass niemand diese Gefahren, dieses Risiko für Leib und Leben, voreilig und leichtfertig auf sich nimmt.

 

Zu den häufigsten Fluchtgründen zählen neben den in der Genfer Flüchtlingskonvention erwähnten Gründen immer wieder Kriege, Bürgerkriege oder andere gewalttätige Auseinandersetzungen.

 

Hungersnöte und Naturkatastrophen lassen junge Menschen genauso auf die Reise aus ihrer Heimat gehen, wie wirtschaftliche Not oder einfach die Hoffnung auf Bildung, Arbeit, etwas Wohlstand- eben ein bisschen mehr Glück im Leben.

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