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E-Book

Und täglich grüßt der Tigervater

Als deutscher Schwiegersohn in China

AutorThomas Derksen
VerlagHeyne
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783641239077
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Als Thomas Derksen sich in die Chinesin Liping verliebt, rechnet er noch nicht mit seinem Schwiegervater in spe. 'Ich kenne Ausländer aus dem Fernsehen. Den siehst du einmal unbekleidet und dann nie wieder', warnt der seine Tochter, noch bevor er die Langnase getroffen hat. Mutig stellt sich der verliebte Rheinländer dem alten Tiger und stapft dabei charmant in die zahlreichen Fettnäpfchen, mit denen sein Weg im Reich der Mitte gepflastert ist.

Unglaublich liebenswert und unterhaltsam berichtet Afu, der glückliche Thomas, von seinem Leben und Lieben im Fernen Osten, von kulturellen und kulinarischen Eigenheiten, von Missverständnissen und so mancherlei Aha-Erlebnissen. Ein echter Kracher für alle, die mehr über China erfahren wollen!

Thomas Derksen, geb. 1988 im rheinländischen Gummersbach, hat nach dem Abitur zunächst eine Ausbildung zum Bankkaufmann absolviert und anschließend in Bochum und Shanghai Wirtschaft und Politik Ostasiens sowie Chinesisch studiert. Inzwischen lebt er als Vlogger und Influencer in Shanghai und betreibt zusammen mit seiner Frau Liping einen sehr erfolgreichen Social-Media-Kanal, auf dem er regelmäßig von seinem Leben als Deutscher in China berichtet.

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Leseprobe

Sechs Monate vorher

Nein, als ich im August des Vorjahres in Shanghai ankam, hätte ich nie gedacht, dass ich mich einmal hier verlieben würde – mit all den Gefahren, die das mit sich brachte.

Dass ich überhaupt auf dieser Studentenparty war, grenzte an ein Wunder. Ich, der ich am liebsten zu Hause meine Nase in Bücher stecke, sollte auf einmal mit Leuten aus anderen Ländern und womöglich auch des anderen Geschlechts Small Talk halten? Außerdem kommt hinzu, dass in den Shanghaier Sommermonaten eine unglaublich schwüle Hitze herrschte. Ich trug weite T-Shirts und kurze Hosen, die außerhalb meines klimatisierten Studentenzimmers sofort völlig durchnässt waren.

»Anja«, wimmerte ich meine Bochumer Kommilitonin an. Obwohl sie laut Hausregeln natürlich nicht hier in dem Männertrakt sein dürfte, hatt sie sich mit einem Lächeln an dem Portier vorbeigeschlichen. Ihr Ziel war es, mich zu überzeugen, mit auf die Party zu kommen und bei der Gelegenheit ungestört mein Badezimmer zu benutzen. Ihre Zimmergenossin hatte sie, nachdem sie eine Stunde ihr Bad blockiert hatte, rausgeworfen. »Ich habe kein einziges Kleidungsstück dabei, das für eine Party geeignet wäre.« »Nichts da«, rief sie ungerührt herüber, »ich kann da unmöglich allein aufkreuzen. Also stell dich nicht so an!«

Ich zog ein zerknittertes Hemd hervor und versuchte es erfolglos glattzustreichen. Zusammen mit einer kurzen dunkelblauen Hose war das karierte Kleidungsstück das schickste, womit ich aufwarten konnte. Jetzt brauchte ich nur noch vernünftige Schuhe. In den Sommermonaten hatte ich tagtäglich nur ein einziges Paar Schuhe an: meine Plastik-Flipflops, das einzige Schuhwerk, das die schwüle Hitze Shanghais erträglich machte. Aber mit denen konnte ich unmöglich auf einer Party aufkreuzen. Zu meinem Glück gab es vor unserem Wohnheim unzählige Straßenstände. Neben dem Stand mit dem gegrillten Knoblauch-Tintenfisch und dem gebratenen Reis fand ich einen Händler, der einen Berg Schuhe vor sich aufgetürmt hatte. »Nur die beste Qualität!«, versicherte er mir. Auch wenn ich ihm das bei dem Preis von umgerechnet 3,50 Euro keineswegs abnahm, entschied ich mich für ein Paar grüne Sneakers. Wir liefen zu Fuß zur Party und leider merkte ich erst viel zu spät, wie schlecht durchlüftet mein neues Paar Schuhe war.

Als wir bei der Party ankamen, dünsteten meine Füße bereits Gerüche aus, die denen eines Limburger Käses in nichts nachstanden. Anja verschwand gleich zwischen den trinkenden und im Takt der Musik wippenden Partygästen. Ich ärgerte mich über sie. Wofür hatte sie mich denn überhaupt hierhin gezerrt? So strolchte ich allein zwischen den Feiernden durch die Partywohnung. Ich steckte abwechselnd jeweils einen Fuß durch die offene Balkontür in der Hoffnung, der Wind würde die ausströmenden Düfte davontragen. Als ich dort an der Balkontür auf einem Bein stand, sah ich sie: Sie war wunderschön, mit wildem, kurzem Haar, dessen glänzendes Schwarz sich gegen das leuchtende Gelb ihres Kleides abhob. Ihre Hüften wirkten schmal, doch nicht zerbrechlich, und ihre Augen leuchteten jeden an, den ihre Blicke trafen.

Ich spürte, wie das Blut in meinen Kopf schoss, und wusste sofort, dass dessen Farbe nun auf Rot umgesprungen war wie eine Ampel. »Mann, ist das eine tolle Frau. Einfach der Wahnsinn«, dachte ich. »Schade nur, dass jemand wie ich nie das Herz von einer Frau wie ihr erobern kann.« Im selben Moment schaute sie mich an und kam direkt auf mich zu.

»Lass uns tanzen!«, forderte sie mich auf Englisch auf.

Ich stellte mich auf beide Beine, räusperte mich und krächzte: »Schau mich mal an, ich kann noch nicht einmal vernünftig geradestehen, geschweige denn tanzen.«

»Ach was«, winkte sie ab. »Da gibt es keine Regeln. Du musst einfach deine Hüften schwingen. Ich zeig’s dir!«

Mit diesen Worten packte sie mich ungewöhnlich kräftig am Arm und wir suchten uns eine freie Stelle zwischen den tanzenden, trinkenden und lachenden Partygästen. Sie schloss die Augen und fing an zu tanzen. Ich stand da wie versteinert. Dann versuchte ich, sie zu imitieren. Hüften schwingen. Wenn das nur so einfach wäre! Ich musste mich doch ganz darauf konzentrieren, diesen Moment in mich aufzusaugen, da ich so einer fantastischen Frau gegenüberstand, die sich morgen ohnehin nicht mehr an mich erinnern würde.

Irgendwann bemerkte ich, dass sie meine Hand nicht mehr losließ. Den ganzen Abend wirbelte sie um mich herum, erzählte mir Witze und war einfach nur bezaubernd. Auch wenn andere, in meinen Augen deutlich attraktivere Männer versuchten, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, wich sie nicht von meiner Seite. Das verwirrte mich, bis mir ganz schwummrig wurde.

Aber unsterblich verliebte ich mich in sie erst, als wir die Hausparty verließen. Mittlerweile hatte sie mir ihren Namen verraten. Liping. Sie hatte sich lachend über ihre Eltern beschwert, die ihr diesen altmodischen Namen verpasst hatten, der in etwa das chinesische Pendant zu »Gertrude« war. Doch in meinen Ohren klang er wie Musik. Liping. Und außerdem war er für mich Deutschen (im Unterschied zu den meisten anderen chinesischen Namen) einfach auszusprechen. Nach der Party machten wir uns auf den Weg in einen der vielen Clubs der Stadt. Kurz bevor wir die Wohnung verließen, verschwand Liping in der Toilette und kam wie verwandelt wieder heraus. Das Kleid hatte sie gegen eine kurze Hose und ein T-Shirt ausgetauscht, die hochhackigen Schuhe gegen bequeme Sneakers. Mit einem Lachen sagte sie: »So, jetzt habe ich alle Männer beeindruckt, da kann ich mir auch was Gemütliches anziehen.« Da war es um mich geschehen. Ich hatte schon gelernt, dass die Chinesen den Frauen zutrauten, die Hälfte des Himmels zu tragen. Doch ich war mir sicher, dass Liping mindestens den ganzen Himmel, wenn nicht sogar die Erde stemmen konnte. Sie war einfach perfekt.

An die nächsten Stunden kann ich mich nur noch verschwommen erinnern. Wir tanzten in einem der vielen Kellerclubs Shanghais, bis uns schwindelig wurde, und lachten über Dinge, die man nur zu später Stunde und unter Alkoholeinfluss witzig findet. Als sie mich am frühen Morgen mit dem Taxi vor meinem Wohnheim absetzte, verabschiedete sie sich mit einem Kuss auf meine schweißnasse Stirn. Dann verschwand der grüne VW Santana mit ihr in der Dunkelheit, und ich stand wahrscheinlich noch eine Stunde lang regungslos da. Auch wenn die roten Rücklichter des Taxis längst nicht mehr zu sehen waren, starrte ich unentwegt in die Richtung, in der sie davongefahren waren.

Der Straßenfeger, der vor der Morgendämmerung die Straße vom Müll der Nacht befreite, beäugte mich von allen Seiten. Dass ein untersetzter weißer Ausländer morgens in der Frühe am Straßenrand steht und wie ein Ochse unentwegt in eine Richtung glotzt, erlebte er wahrscheinlich nicht alle Tage. Er kramte in der Tasche seines einteiligen blauen Stoffanzuges, der mit neongelben Streifen überzogen war, und förderte eine weiße Packung »Bambus«-Zigaretten zutage, die man am Kiosk um die Ecke für knapp einen Euro erstehen konnte. Dass ich dankend ablehnte und immer noch keine Anstalten machte, meinen Wachposten mitten auf einer dunklen Straße Shanghais aufzugeben, schien ihn zu beunruhigen. Mit einem besorgten Gesichtsausdruck schraubte er quietschend den Deckel seiner Thermoskanne auf und bot mir einen Schluck heißes Wasser an.

»You o.k.?«

Ich nahm dankbar einen großen Schluck, verbrannte mir die Zunge, gab ihm aber mit einer höflichen Verbeugung die kleine metallene Kanne zurück. Das heiße Wasser, das glühend durch meine Kehle rann und sich im Magen zu dem Alkohol des vergangenen Abends gesellte, hatte mich zurück in die Realität befördert. Ich rieb meine Augen und klatschte mir rechts und links einmal auf die Wange. Auf einmal spürte ich die Erschöpfung. Das stundenlange Tanzen an der Seite dieser chinesischen Schönheit hatte mich ziemlich geschlaucht. Ich brauchte jetzt Schlaf.

Die ereignisreiche Nacht besiegelte ich damit, dass ich meine Sneakers samt Socken in hohem Bogen in den fahrbaren Mülleimer des Straßenfegers beförderte. Unter den verständnislosen Blicken meines nächtlichen Kompagnons machte ich mich barfuß auf den Weg in mein Bett. Trotz unzähliger flatternder Schmetterlinge in meinem Bauch fiel ich in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

……

Mit leichten Kopfschmerzen wachte ich am Nachmittag auf und tastete verschlafen nach meinem Handy. Ich wollte mir die Fotos des gestrigen Tages anschauen und in Erinnerungen schwelgen. Die waren wahrscheinlich das Einzige, was mir von dieser Nacht bleiben würde.

Während alle in Shanghai um mich herum die neuesten iPhones zur Schau trugen, war ich immer noch Besitzer eines urzeitlichen Klapphandys. Die Zeiten, in denen man damit beim anderen Geschlecht Eindruck schinden konnte, waren längst passé, doch das war, wie so vieles andere, an mir vorbeigegangen. Immerhin hatte es eine Fotofunktion, mit der man etwa 50 verpixelte Aufnahmen machen konnte, bevor der Speicher voll war. Mit jahrelang geübtem Schwung klappte ich das Handy auf. Mit der anderen Hand traktierte ich meine linke Schläfe, um der Kopfschmerzen Herr zu werden. Diese Schläfenmassage hatte unsere Chinesischlehrerin uns beigebracht für den Fall, dass wir mal wieder nicht die Aussprache von »Huhn« und »Taube« auseinanderhalten könnten. Schläfenmassierend tippte ich meinen Pin-Code ein, und bevor ich mir die unscharfen Bilder auf dem Display anschauen konnte, sah ich, dass ich eine SMS bekommen hatte. Plötzlich waren alle Kopfschmerzen wie verflogen und ich hatte wieder beide Hände frei. Beidhändig umklammerte ich mein Handy und zog es näher an mein Gesicht.

»Wodimaya – Meine...

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