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E-Book

Undenkbares denken

Nicht alles unter den Teppich kehren

AutorBernhard Friedman
VerlagLau-Verlag & Handel KG
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl268 Seiten
ISBN9783957681652
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis22,99 EUR
Welche Möglichkeiten ein einzelner Abgeordneter bei der Mitgestaltung der großen Politik hat, führt Bernhard Friedmann am eigenen Beispiel vor. Er schildert zunächst das Anforderungsprofil an Abgeordnete. Die Beispiele selbst betreffen insbesondere die Wiedervereinigung der Deutschen und die Osterweiterung der EU. Welche Hürden dabei zu überwinden waren, ist beeindruckend. Er belegt diese an Beispielen, die bisher der Öffentlichkeit wenig oder nicht bekannt sind. Seine Leitidee war, die Sowjetunion davon zu überzeugen, dass ein wiedervereinigtes Deutschland auch in ihrem Interesse liegt, und dass die Osterweiterung der EU die logische Fortsetzung des deutschen Einigungsprozesses sein muss. Und so kam es auch. Er praktizierte 'Undenkbares denken' und dehnt dieses auf die europäische Geldpolitik aus.

Prof. Dr. Bernhard Friedmann wurde 1932 in Ottersweier (Mittelbaden) geboren. Er studierte an der Universität Freiburg Wirtschaftswissenschaften und wurde dort überzeugter Anhänger des Eucken'schen Ordoliberalismus. Im Jahre 1995 erfolgte die Ernennung zum Honorarprofessor für Europapolitik an der Albert-Ludwig-Universität Freiburg. 1997 folgte die Ehrendoktorwürde der Universität Sibiu (Rumänien). Bis zu seiner Wahl in den Deutschen Bundestag im Jahr 1976, dem er bis 1990 angehörte, war er Ministerialrat bzw. Abteilungspräsident bei der Deutschen Bundespost. Im Deutschen Bundestag wurde er zum Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Haushaltsausschuss bestellt. Er betreute dort der Reihe nach den Justiz-, den Arbeits- und den Verteidigungshaushalt; auch war er Vorsitzender des Bewilligungsausschusses für Verteidigungsausgaben und Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses. Von 1990 bis 2001 war Bernhard Friedmann das deutsche Mitglied am Europäischen Rechnungshof, davon mehrere Jahre dessen Präsident.

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Leseprobe

KAPITEL I
SCHLAGLICHTER


Warum will jemand Abgeordneter werden?


Politiker haben zur Zeit nicht den besten Ruf. Und trotzdem fehlt es nicht an Kandidaten, die ein Mandat anstreben. Woran mag das liegen? An den Diäten? An der Hoffnung auf eine gute Karriere in Politik oder Wirtschaft? An der Absicht, zur Veränderung der Gesellschaft beizutragen? Wenn ja: Ergeben sich diese, wie bei mir, aus deren eigenen Erfahrungen oder Erkenntnissen?

Als junger Postrat wurde ich im Jahr 1966 vom Postscheckamt Karlsruhe, wo ich vorübergehend als stellvertretender Chef eingesetzt war, zum Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen in Bonn abgeordnet. Ich hatte dort den Sonderauftrag erhalten, die Begründung dafür auszuarbeiten, weshalb die Deutsche Bundespost (aus der später die Deutsche Post, die Telekom und die Postbank hervorgingen) als „schlichte Hoheitsverwaltung“ nicht der in Ausarbeitung befindlichen neuen, heute noch geltenden, Mehrwertsteuer unterworfen werden könne. Persönlich war ich zwar anderer Meinung. Aber die damals im höheren Dienst tonangebenden Juristen wollten nicht von ihrem „hohen Ross“ herunter. Manche von ihnen fürchteten, dass die Deutsche Bundespost mehr und mehr ein ganz normales Unternehmen werden würde, und dass sie dann ihren Beamtenstatus verlieren könnten. Ich selbst hatte von Anfang an in Fachzeitschriften die Auffassung vertreten, dass die Deutsche Bundespost in Wirklichkeit schon damals ein Unternehmen war – und zwar der Beschäftigtenzahl nach das größte im damals freien Westen. Jede zweite D-Mark, die damals in der Bundesrepublik Deutschland investiert wurde, erfolgte durch die Deutsche Bundespost, vor allem im Fernmeldewesen. Anstelle der üblichen Steuern, die „normale“ Unternehmen an den Staat zu zahlen hatten, musste die Deutsche Bundespost immerhin jährlich 6 ⅔ % ihres Umsatzes – unabhängig von der Ertragslage – an den Staat entrichten. In den folgenden Jahren wurde die Abgabe sogar auf 10 % erhöht – und dennoch schloss die Deutsche Bundespost nahezu jährlich mit Gewinn ab. In Ausübung meines Sonderauftrags hatte ich des Öfteren die Deutsche Bundespost in Arbeitsgruppen und Ausschüssen des Deutschen Bundestags vertreten. Die ergebnisorientierten, sachbezogenen Diskussionen zwischen Abgeordneten und Regierungsvertretern beeindruckten mich sehr; ich begann die praktischen Gestaltungsmöglichkeiten der Politik zu erkennen.

Als mein Sonderauftrag nach einigen Monaten dem Ende zuging, durfte ich nicht in die heimatlichen Gefilde zurück. Ganz im Gegenteil! Ich musste (und durfte) die politischen Lasten errechnen, die der Bundespost damals aus der Tatsache erwuchsen, dass Berlin aus politischen Gründen gebührenmäßig an das Post- und Fernmeldewesen Westdeutschlands herangeführt worden war. Dahinter steckte die Absicht der damaligen Spitze des Bundespostministeriums, diese Kostenbelastung von der Abgabe der Bundespost an den Bund abziehen zu dürfen. Das Vorhaben war jedoch in der damaligen Bundesregierung nicht durchzusetzen. Gleichwohl waren die Erfahrungen, die ich im Rahmen meines Sonderauftrags an der Schnittstelle von Politik und Exekutive machen konnte, von prägender Bedeutung für meinen weiteren Berufsweg: In mir erwuchs mehr und mehr der Wunsch, Bundestagsabgeordneter zu werden.

Verfestigt und verstärkt wurde diese Absicht dadurch, dass ich im Anschluss an den abgeschlossenen Sonderauftrag zum Persönlichen Referenten des Staatssekretärs für das Postwesen, Dr. Hans Steinmetz, berufen wurde. Dessen enge Zusammenarbeit mit den Bundesministern für das Post- und Fernmeldewesen Richard Stücklen (von 1957–1966) und Dr. Werner Dollinger (von 1966–1969) erweiterte zweifellos meinen „politischen Horizont“. Es war höchst interessant zu erfahren und zu erleben, dass und wie die Post- und Fernmeldeverwaltungen selbst in weltweiten Krisenzeiten – unabhängig von der politischen Ausrichtung des Staates – funktionierten. So war ich z. B. sehr erstaunt, als ich eines Tages von der DDR-Postverwaltung in meiner Eigenschaft als Referent für Wirtschafts- und Gebührenpolitik sowie für Zusammenarbeit mit der Europäischen Gemeinschaft und mit Universitäten zu einem Gespräch nach Ostberlin eingeladen wurde. Immerhin war dies der erste Versuch einer Zusammenarbeit – und dies in der Zeit des Kalten Krieges zwischen Ost und West. In Absprache mit dem damaligen Bundespostminister Georg Leber (von 1969–1972) folgte ich dieser Einladung und traf mich mit einem hohen Funktionär der damaligen DDR in Ostberlin. In dem Gespräch war ich höchst überrascht, dass die andere Seite viele Einzelheiten – auch privater Art – über mich zusammengetragen hatte. Mein Gesprächspartner wusste sogar, dass ich regelmäßig sonntags mit meinen Kindern in meiner Heimatgemeinde zum Gottesdienst ging. Schließlich bat er mich, dem Bundespostminister in Bonn mitzuteilen, dass er oder ein Kollege von ihm bereit sei, im Gegenzug zur Fortsetzung des aufgenommenen Gesprächskontakts nach Bonn zu kommen. Als ich unseren Bundespostminister darüber informierte, reagierte er nachdenklich-positiv, informierte seine Kabinettskollegen und ging schließlich auf das Angebot ein. Das sprach sich recht schnell im Bonner Postministerium herum. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass viele Beamte hinter den Fenstern ihrer Büros neugierig warteten, bis die Gäste aus der DDR ankamen – so neugierig, als kämen Marsbewohner auf die Erde!

Von ganz besonderem Wert waren für mich die Gespräche, die wir täglich auf Referentenebene am Mittagstisch miteinander führten. Jeder konnte über die Mittagszeit dazu kommen oder weggehen, so wie es seine Arbeitszeit erlaubte. Wer ein besonderes Problem auf seinem Gebiet hatte oder der eine ihm wichtig erscheinende Information weitergeben wollte, hatte sachkundige Kollegen um sich, die ihm guten Rat erteilen und vielleicht sogar weiterhelfen konnten. Selbst persönliche Sorgen – wie etwa Schwierigkeiten, die Kinder in der Schule hatten – wurden öfters kurz angesprochen. Und natürlich auch die politische Großwetterlage. Das Diskussionsniveau dieser Gespräche ist für mich unvergesslich. Man spürte geradezu, wie die mehrstufige Organisation der Bundespost ein Personalreservoir darstellte, aus dem jederzeit bestens qualifizierte, erfahrene, mit hoher Kompetenz ausgestattete Führungskräfte für das Ministerium abgezogen werden konnten. Man musste niemanden direkt von „der Straße weg“ einstellen! Dafür ein einfaches Beispiel:

Bundespostminister Richard Stücklen liebte es, mit Journalisten, die „sein Unternehmen“ kritisierten, eine Wette abzuschließen. Er erklärte sich bereit, jedem von ihnen einen Karton Sekt zu stiften, der ihm nachweisen könne, dass ein Brief, den er am Abend in irgendeiner deutschen Großstadt in den Briefkasten einwerfe, am anderen Morgen nicht beim Empfänger in einer anderen deutschen Großstadt ankomme. Er hat jedoch nie bezahlen müssen!

Die gestaltende Kraft der Politik, die in all den geschilderten und in vielen weiteren, hier nicht aufgeführten Beispielen zum Tragen kam, war es, die mich reizte, ein Bundestagsmandat anzustreben. Aber nicht um jeden Preis! Ich wollte vor allem meine mittelbadische Heimat im Deutschen Bundestag als direkt gewählter Abgeordneter vertreten können. Dort lebten und wirkten schon meine Vorfahren, dort wurde ich geboren, dort bin ich aufgewachsen und kannte „Gott und die Welt“. Trotz meiner – vor allem beruflich bedingten – Abwesenheit fühlte ich mich dort zuhause und wurde ich geschätzt. Eine gute Gelegenheit für eine im Voraus nicht absehbare Kandidatur ergab sich, als der damalige Abgeordnete Dr. Hugo Hauser öffentlich erklärte, er werde nicht mehr zur Bundestagswahl 1976 antreten. Das passte haargenau zu meiner Lebensplanung. Sofort meldete ich meine Kandidatur bei den zuständigen CDU-Kreisverbänden an. Im Laufe der folgenden Wochen und Monate kamen zwar vier weitere Mitbewerber hinzu. In der entscheidenden Nominierungsversammlung wurde ich zum offiziellen Kandidaten gewählt. Bei den vier zu bestehenden Bundestagswahlen erhielt ich jeweils um die 60 % der Stimmen. Nach dem glänzenden Ergebnis der ersten Wahl fühlte ich mich wie ein König und ging dementsprechend mit Elan an die Arbeit.

Andere Bewerber um ein politisches Mandat haben sicherlich andere Beweggründe für ihre Kandidatur. Sie sollten sich jedoch darüber im Klaren sein, dass die Mitgliedschaft in einem Parlament kein Beruf wie jeder andere ist. Zwischen Abgeordneten und Parlament entsteht kein Beschäftigungsverhältnis, wie es zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern oder zwischen Beamten und der Öffentlichen Hand üblich ist. Über seine Arbeitszeit, über die Schwerpunkte seiner politischen Arbeit, über die Auswahl seiner Mitarbeiter, über die Einbindung seines Wahlkreises in seine Arbeit, die Art und Weise seines Auftretens in der Öffentlichkeit und vieles mehr muss er selbst entscheiden und den ihm eigenen Stil entwickeln. Er muss Gesprächspartner für alle sein, die seinen Rat suchen oder um seine Hilfe bitten: Für den Einzelnen...

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