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E-Book

Unerhörte Leiden

Die Geschichte der Schmerztherapie in Deutschland im 20. Jahrhundert

AutorWilfried Witte
VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl402 Seiten
ISBN9783593431994
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis43,99 EUR
Frauen mussten unter Schmerzen gebären, Kleinkindern wurde die Schmerzempfindung abgesprochen, Männlichkeit zeichnete sich durch Gleichmut gegen Schmerzen aus - das galt in weiten Teilen Europas noch bis ins 20. Jahrhundert. Heute hat sich das Bild gewandelt: Die Akzeptanz, Schmerzen ertragen zu müssen, ist geschwunden, in Deutschland, aber auch in anderen Ländern. Wie ging dieser Prozess vonstatten? Wie war er in Einklang zu bringen mit den Erwartungen derjenigen, die unter den Schmerzen litten, der Patientinnen und Patienten? Wilfried Witte spürt den historischen Entwicklungen im Umgang mit chronischen Schmerzen in Deutschland im 20. Jahrhundert nach. In seiner Geschichte der Schmerztherapie zeigt er anhand eindrücklicher Beispiele, wie medizinischer Fortschritt und gesellschaftliche Änderungen miteinander korrespondierten.

PD Dr. Wilfried Witte ist Historiker und Arzt; er arbeitet als Oberarzt für Anästhesie und Intensivmedizin an der Charité in Berlin.

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Leseprobe
1. Einführung
Frauen mussten unter Schmerzen gebären, Kleinkindern wurde die Schmerzempfindung abgesprochen, Männlichkeit zeichnete sich durch Gleichmut gegen Schmerzen aus - das galt in weiten Teilen noch bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Solche Auffassungen sind aber nicht mehr en vogue, es hat sich etwas geändert. Deren Akzeptanz ist geschwunden, in Deutschland wie in anderen Ländern. Die Auffassungen über Schmerzen sind nicht immer deckungsgleich mit dem, was 'Experten' über Schmerz sagen. Wie haben sich Experten in diesem Wandlungsprozess des Schmerzes angenommen und wie war dies in Einklang zu bringen mit den Erwartungen derjenigen, die unter den Schmerzen litten, den Patientinnen und Patienten? Verortet wird die Expertenschaft allgemein bei der Medizin oder den Natur- und Kulturwissenschaften, wobei das letzte Wort viele für sich reklamieren.
Das 20. Jahrhundert zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass die Deutungshoheit darüber, was Wissen ist und was dann zu wissen war, wenn nicht ideologische Bevormundung griff, zu einem großen Teil den Wissenschaften zugesprochen wurde [114]. Auf die eine oder andere Weise gerieten Debatten, die in den Wissenschaften geführt wurden, auch in breitere Kreise der Bevölkerung, ohne dass ursprüngliche theoretische Ansätze dann noch aufzuspüren sein mussten. So verhält es sich beispielsweise mit einer Studie der US-amerikanischen Literaturwissenschaftlerin Elaine Scarry [681], die in den Kulturwissenschaften seit 1985 weite Kreise zog, während sie durch die Radikalität ihres Ansatzes seither das Potential hat, außerhalb von fachwissenschaftlichen Erörterungen Verwirrung zu stiften. Ohne religiöse Auslegungen bemühen zu müssen, betrachtete Scarry Schmerz und das Zufügen von Schmerzen in einem Zusammenhang. Im Extrem der Folter oder des Krieges würde die Welt des Opfers zerstört. Kulturelle Schöpfungen seien in der Lage, gerade das Gegenteil zu bewirken - indem der menschliche Körper nämlich befähigt würde, sich durch ihre Anwendung der zerstörerischen Kraft des Schmerzes zu widersetzen und ihn zu überwinden. Scarrys universell angelegter Erklärungsansatz wirft auch ein Schlaglicht darauf, dass das Streben nach dem ganz großen Wurf - was ist das Wesen des Schmerzes, lautet hier die Gretchenfrage - unendlich viel Platz lässt für Details, Interpretationen, subtile Differenzierungen, aber auch für prätentiöses Auftreten, wie es sich in anderen Publikationen niedergeschlagen hat. Denn es gibt keine Begriffe in den Kulturwissenschaften, die noch universeller angelegt sein können als die Begriffe 'Kultur' und 'Schmerz'. Zum anderen ist Scarrys Mono­grafie The Body in Pain (Der Körper im Schmerz) aus dem Jahr 1985 selbst schon ein (zeit-)historisches Dokument, indem es die politischen Bedingungen der Reagan-Ära in den USA widerspiegelt. Ab 1981 wurden Patienten, die unter chronischem Schmerz litten, im konservativen politischen Klima der USA argwöhnisch beäugt, da man 'gelernte Hilflosigkeit' als gängigen verursachenden Faktor ansah und diejenigen, die darunter litten, wegen ihrer Schwäche anklagte [850]. Scarrys Studie kann als Stellungnahme gelesen werden, die Bestrebungen, lang andauernden, chronischen Schmerzen medizinisch zu Leibe zu rücken ('management of pain'), nicht zu unterbinden. Sie ist selbst politisch, was zugleich ein Schlaglicht darauf wirft, dass die Geschichte der Schmerztherapie immer auch Politikgeschichte ist.
Schmerzen sind eine Empfindung, Schmerz ist aber auch ein Gefühl. Die Beschäftigung mit Gefühlen ist zu Beginn des 21. Jahrhunderts in der Philosophie und in den Kognitionswissenschaften in den Vordergrund gerückt. Dabei herrscht kein Konsens bei der Beantwortung der Frage, ob und wie 'Emotion' und 'Gefühl' voneinander abzugrenzen sind. Der Neurowissenschaftler António Damásio beispielsweise hat in seinem Buch Self comes to mind eine Theorie entwickelt, in der er 'Gefühl' zum Derivat von 'Emotion' erklärt [137]. In einem großangelegten 'Philosophy of Mind'-Projekt haben Bennett und Hacker 2003 sprachphilosophische Klarheit im Begriffsrepertoire der Neurowissenschaften angestrebt. Emotionen sind demnach als Unterklasse der Affektionen anzusehen, und Affektionen könnten allgemein in Emotionen, Erregungen und Stimmungen eingeteilt werden. Weiter heißt es: 'Affektionen sind Gefühle, kategorial aber von solchen Gefühlen zu unterscheiden, die Empfindungen, taktile Wahrnehmungen oder Triebe sind' [56].
Geschichtswissenschaftler wiederum haben darauf hingewiesen, dass landessprachliche Unterschiede bei der Etablierung des Begriffs 'Emotion' eine Rolle gespielt haben. Dieser ist - im Unterschied zum 'Gefühl' - neueren Datums. Um 1900 sprach man beispielsweise im Deutschen von 'Gefühlen', 'Empfindungen' oder 'seelischen Regungen', im Französischen von 'sentiments', während der Begriff 'emotion' im Englischen in den 1880er Jahren von William James und Carl Lange eingeführt worden war [766]. Die Rede von Gefühlen, Affekten oder Stimmungen begann sich diskursiv auf den Begriff der Emotion zu konzentrieren [680]. Dies scheint auch Ausdruck des Bestrebens gewesen zu sein, den entsprechenden Gegenstandsbereich in der naturwissenschaftlichen Forschung besser bestimmen zu können.
Das 'Labor' der naturwissenschaftlich ausgerichteten Forscher sollte demgegenüber bewusst rational sein. Folgt man den Ergebnissen der historischen Labor-Studien (Experimentalsystem-Analysen) des israelischen Medizinhistorikers Otniel E. Dror, entsprach es bis in die 1920er Jahre, der Zeit der Klassischen Moderne [593], sowohl dem Denkstil der Physiologie wie auch jenem der Psychologie, dass Emotionen im emotional neutralen Labor gezielt und isoliert hervorgebracht werden sollten [176]. Im 'Maschinenmodell' des menschlichen Körpers, wonach der Körper als berechenbare Maschine interpretiert wurde, waren es jedoch gerade die Störungen im experimentellen Ablauf des Labors, die als Emotion imponierten. Sie repräsentierten das Nicht-Mechanistische, Vitalistische [175]. In seiner Analyse der Schmerzforschung im 19. Jahrhundert beschäftigt sich Dror mit viszeralen Emotionen (Emotionen, ausgedrückt in Vorgängen innerer Organe), die indirekt experimentell ?gemessen? wurden. Er nimmt dabei Bezug auf die Methodik naturwissenschaftlichen Arbeitens im Labor: 'The turn to the viscera in the study of emotions and the construction of visceral emotions partly drew on and grew out of the physiology of pain' [177]. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts konzentrierten sich die Physiologen laut Dror dann auf adrenalin-gesteuerte emotionale Regungen, die im Labor erzeugt und untersucht wurden [178].
Das vorliegende Buch ist jedoch keine Experimentalsystem-Analyse, und es geht in ihm auch nicht um die Schmerzforschung als solche. Menschen mit chronischen Schmerzen wandten sich hilfesuchend an Therapeuten, deren Aufgabe es war, (Ab-)Hilfe zu leisten. Ihr Repertoire gründete auf die eine oder andere Weise auf Theorien, die allgemein vertreten wurden. Diese theoretischen Einflüsse werden zwar genannt und erläutert, aber der Schwerpunkt liegt auf der praktischen Tätigkeit der Therapeuten. Der Grund für diese Fokussierung ist folgender. Auf den ersten Blick erscheint es als paradox, dass einerseits so viel über Schmerz geschrieben werden kann, als sei das Phänomen Schmerz konturlos oder in seiner Bedeutung uferlos. Andererseits hat schon Elaine Scarry erläutert, dass die Erfahrung des Schmerzes in letzter Konsequenz nicht mitteilbar ist. Der vorliegenden Untersuchung liegt die Annahme zugrunde, dass es eine sinnvolle Vorgehensweise sein kann, diese Klippe zu umschiffen, indem historische Entwicklungen des Umgangs mit chronischen Schmerzen in therapeutischen Zusammenhängen erörtert werden. Dabei ist das Spezifikum des 20. Jahrhunderts in dem Umstand zu sehen, dass sich die Rede vom chronischen Schmerz erst zu etablieren begann.
Wer von Schmerztherapie redet, meint zumeist die Therapie chronischer Schmerzen. Dem spanischen Wissenschaftshistoriker Javier Moscoso ist es in seiner umfassenden, im essayistischen Stil verfassten Monografie zur Geschichte des Schmerzes in der westlichen Welt gelungen, eine Antwort auf die Frage zu geben, wie Menschen in vorvergangenen Jahrhunderten das empfunden haben, was seit dem 20. Jahrhundert als 'chronischer Schmerz' verstanden wird: 'Although we may be tempted to think that the chronic nature of pain has affected humanity as a whole throughout history, it is not necessary true that those who suffered from chronic ailments were always considered sick with them.' [547]. Es war also auch dann von einer vorhandenen Instanz auszugehen, wenn nicht oder kaum von 'chronischen Schmerzen' die Rede war. Aber Schmerztherapie verstanden als Therapie chronischer Schmerzen hat es in einem nennenswerten Umfang vor dem 20. Jahrhundert nicht gegeben. Im 21. Jahrhundert dagegen beginnt es sich einzubürgern, von Schmerzmedizin zu sprechen: nicht nur, um zu betonen, dass der Diagnostik ein großer Stellenwert zukommt, sondern auch, um zu verdeutlichen, dass die Therapie selten darauf abzielen kann, den Schmerz in Gänze zu beseitigen.
1.1 Schmerztherapie als Therapie aus den USA
Schmerztherapie ist nicht gleichbedeutend mit Schmerzbekämpfung, wird jedoch häufig damit in eins gesetzt. Mit Schmerztherapie ist in dieser Studie die Therapie chronischer Schmerzen gemeint, wenn dies nicht anders gekennzeichnet ist. Chronischer Schmerz als eigenständiges Krankheitsbild, nicht allein als Symptom einer Grunderkrankung, ist erst vor vergleichsweise kurzer Zeit wahrgenommen worden.
Der sogenannte Äthertag am 16. Oktober 1846, an dem in Boston die erste gelungene Inhalationsnarkose über eine mit einem Schwamm gefüllte Glaskugel öffentlich demonstriert wurde, gilt als der Beginn der modernen Schmerzbekämpfung [2, 186, 503]. Besonders im späten 19. Jahrhundert wurden die neuen Möglichkeiten, unter Schmerzausschaltung chirurgische Operationen vorzunehmen, als Sieg über den Schmerz gefeiert (Anästhesie-Narrativ des Schmerzes) [508, 703]. Sie legten den Grundstein für die Entwicklung der modernen Chirurgie. Zur Allgemeinanästhesie (Narkose) kam in den 1880er Jahren die Lokalanästhesie hinzu. Erlangte die Narkose gegen Ende des 19. Jahrhunderts den Nimbus, den Schmerz besiegt zu haben, so entwickelte sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gerade die Lokalanästhesie (Regionalanästhesie) zu demjenigen Betätigungsfeld der Anästhesie, das auch bei chronifizierten Schmerzprozessen zur Anwendung kommen konnte.
Die Regionalanästhesie bildete einen Grundstock für die zum Ende des Zweiten Weltkriegs in den Vereinigten Staaten begründete Schmerztherapie [106]. Dabei ging es vorrangig um chronische Schmerzen, die sich nicht mehr auf ein Warnsymptom einer Grunderkrankung des Patienten reduzieren ließen, sondern eine eigenständige Krankheit, die Schmerzkrankheit, bezeichneten [42].
Gleichzeitig begann jedoch auch die Grundlagenforschung rund um die Schmerztherapie, die keine reine Laborforschung mehr war und sich vor allem pharmakologisch orientierte. Die damalige experimentelle Anästhesiologie geht vorrangig auf Henry Beecher (Boston) [496] zurück, die klinische Schmerztherapie auf John Bonica (Seattle). Zwischen Bonica und Beecher hat es zwar in den frühen 1950er Jahren einen persönlichen Kontakt gegeben [86], zu einem näheren fachlichen Austausch oder einer professionellen Zusammenarbeit kam es jedoch nicht [762]. In der Regel werden die Anfänge in der Entwicklung der Schmerztherapie an der Person Bonicas festgemacht, da sein Zugang, das 'management of pain' (Schmerzmanagement), von vornherein therapeutisch gewesen ist. Konfrontiert mit einer übergroßen Anzahl an schmerzgeplagten Patienten im pazifischen Kriegsgebiet hat Bonica als Militärarzt gegen Ende des Zweiten Weltkriegs damit begonnen, verschiedene Methoden der Regionalanästhesie zu verwenden. Davon ausgehend machte er sich daran, alle bekannten medizinischen Möglichkeiten zur Schmerzbekämpfung schriftlich zusammenzustellen. Es handelte sich um einen rein pragmatischen Ansatz. Theoretische Ansätze, die schließlich dem 'Schmerzmanagement' zugerechnet wurden, sind erst später integriert worden [81, 86, 87, 88].
Die weitere Entwicklung hin zur interdisziplinären Schmerztherapie wird anästhesiehistorisch als Erweiterung der auf regionalanästhetischen Methoden beruhenden Schmerztherapie verstanden. Im Zentrum steht dabei die 'Gate Control Theory' (Kontrollschranken-Theorie) von 1965, deren Rezeption einen Ausgangspunkt dafür bildete, physiologische und psychologische Überlegungen zu vereinen und Vorstellungen über ein komplexeres Zusammenspiel von Umweltfaktoren beim jeweiligen Schmerzerleben zu entwickeln. Davon ausgehend sind numerische und andere eindimensionale Schmerzskalen sowie schmerzbeschreibende Inventare in den 1970er Jahren in die Schmerztherapie eingeführt worden, um neben der laborgestützten Messung von Schmerzen an gesunden Probanden auch den subjektiven Ausdruck von Schmerzpatienten abschätzen zu können [788, 789]. Einflüsse aus der Psychiatrie, der Psychosomatik und der Verhaltensmedizin waren maßgeblich bei der Begründung des 'biopsychosozialen Modells' in der Schmerztherapie [202, 244, 468].
In der Geschichte der Schmerztherapie markiert die Betonung des substantiellen Charakters von Emotionen in der Schmerzwahrnehmung, d.?h. von Schmerz als Emotion und von Schmerzempfindung als 'Embodiment' (Verkörperlichung), jenen Wandel, den die Therapie chronischer Schmerzen seit den 1970er Jahren anstrebte: Der multi- bzw. interdisziplinäre Ansatz drückte ein neues Konzept von 'mind-body medicine' aus [344], deren Leitvorstellung das sogenannte 'biopsychosoziale Modell' wurde. Neben biologischen Ursachen sollten im therapeutischen Prozess nun auch psychologische und soziale Bedingungsfaktoren der Schmerzentstehung und -unterhaltung konsequent berücksichtigt werden. Das Modell war zuerst von dem US-amerikanischen Psychiater George Engel formuliert worden, der dies in bewusster Abgrenzung vom biomedizinischen Modell des Schmerzes tat, das seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs begonnen hatte, die Medizin anzuleiten [110, 202, 876].
1.2 Translation, Biomedizin und Übertragung
in der Geschichte der Emotionen
Therapeuten - vor allem Ärzte - sind Gegenstand dieses Buches. Der dabei gewählte Zugang zur Geschichte der Schmerztherapie in Deutschland richtet sich an der Vorstellung der Übertragung, der Translation, aus. Für die Übertragung medizinischen Wissens hat sich der Begriff der 'translational medicine' etabliert, der zu Beginn der 1970er Jahre in die Medizin eingeführt wurde, um das Bestreben zu kennzeichnen, biomedizinische Forschungsergebnisse schneller in die klinische Versorgung von Patienten zu integrieren: 'from bench to bedside', von der Werkbank (also dem Labor) zum Krankenbett [879]. Der Anspruch, im Sinne einer 'translational medicine' vermehrt klinische Forschung wie auch Grundlagenforschung in die klinische Praxis zu integrieren, ist in der biomedizinischen Debatte mittlerweile sehr verbreitet [536, 569, 730].
Damit einher gingen auch die Anfänge der sogenannten evidenzbasierten Medizin, die sich darum bemühte, die Lücke zwischen 'evidence' und Praxis vorrangig mittels geeigneter klinischer Studien zu schließen [485]. In den 1960er und 1970er Jahren erlangten die sogenannten randomisierten, doppelt-verblindeten Studien - zunächst in den USA, dann in Europa - den Ruf, das höchste Maß an Objektivität zu repräsentieren [645]. Dies war von zentraler Bedeutung, denn Objektivität galt seit dem 18. Jahrhundert als übergeordnetes Ziel wissenschaftlicher Bestrebungen [143, 868]. Im Jahr 1976 ist schließlich das Instrument der Meta-Analyse von klinischen Studien begründet worden [570], d.?h. von wissenschaftlichen Analysen, die mit statistischen Methoden die Ergebnisse vieler anderer Untersuchungen zu einem bestimmten Thema bündeln. Das Konzept der 'translational medicine' ist aber auch in der Wissenschaftsgeschichtsschreibung herangezogen worden, um - im Rahmen der 'science studies' - die Begründung der biomedizinischen Forschung [423] nach dem Zweiten Weltkrieg zu kennzeichnen, die ganze Forschungslandschaften überhaupt erst entstehen ließ, die vorher nicht denkbar gewesen waren [810]. Ilana Löwy hat dies zum Beispiel für die Immunologie (Interleukin-2 in der Krebstherapie) ausgeführt [497].
'Tatsachen' sind nicht in Stein gemeißelt, sie entstehen und existieren in einem bestimmten Kontext. Wissenschaftsphilosophisch ist, nach Ludwik Fleck, die Übertragung von 'Wissen' (Labor) in 'Praktiken' (Klinik) auf den gemeinsamen Bezugspunkt der wissenschaftlichen Tatsache zurückzuführen [226]. Die Schmerzempfindung als (patho-)physiologischen Prozess zu verstehen, bedingte die 'Tatsache', dass der Körper und seine Empfindungen substantiell seien, wenn es um Schmerz geht. Emotion hingegen erschien tendenziell als zufällig oder beliebig. Der französische Wissensschaftshistoriker Georges Canguilhem hat für die westliche Medizin des 19. Jahrhunderts herausgearbeitet, dass das Pathologische lediglich als eine Erweiterung des Normalen [118] gegolten habe. Das heißt, dass Krankheit und Gesundheit nur als graduelle Unterschiede ein und desselben Phänomens galten. Laut Keating und Cambrosio ist diese Überzeugung konstitutiv für die Biomedizin, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstand [423]. Die Praxis der Therapie chronischer Schmerzen in den ersten Nachkriegsjahrzehnten widersprach dem jedoch immer mehr. Die Ineinssetzung des Normalen mit dem Pathologischen beim Schmerzempfinden überzeugte nicht, da sich chronische Schmerzen als etwas darstellten, was nicht allein physiologisch zu bestimmen, zu erklären und entsprechend zu therapieren war. Damit überschritt das Phänomen des chronischen Schmerzes den Bereich der Sinnesphysiologie und überschnitt sich mit dem Psychischen und dem Emotionalen [280]. Dies findet inzwischen auch Widerhall in der analytischen Philosophie, wo Schmerz als Widerpart von Lust aufgefasst wird. Schmerz ist dort das, was man nicht anstrebt und als schlecht angesehen wird. Der New Yorker Philosoph Thomas Nagel unterscheidet 'Schmerz' und den dazugehörigen 'Gehirnzustand' in der Weise, dass Schmerz etwas Zusätzliches zu sein scheint, das vom Hirnzustand eher hergestellt wird, als dass es ihn ausdrückt [558].
In einem erweiterten Sinn soll der medizinische Translationsbegriff in drei Ausprägungen im vorliegenden Buch verwendet werden. Die Bedeutung des Begriffs der Translation in der Medizin wird nicht verkürzt auf die Übertragung von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen der klinischen Forschung und der Grundlagenwissenschaften in die medizinische Praxis. Neben einer Translation naturwissenschaftlicher sollen auch erfahrungsheilkundliche Ansätze in der medizinischen Praxis berücksichtigt werden (methodische Übersetzung) - ungeachtet dessen, wie man sie selbst im Einzelnen beurteilt. Einflüsse aus Tschechien, der Sowjetunion oder aus Großbritannien haben auf Entwicklungen in Deutschland ebenso eingewirkt wie diejenigen aus den USA. Deshalb ist es wichtig, Translationen über Ländergrenzen hinweg zu behandeln (transnationale Übersetzung). Schließlich sollen auch kulturelle Übersetzungsprozesse beachtet werden (kulturalistische Übersetzung).
In der Geschichtswissenschaft wird der schmerzhafte 'Gehirnzustand', der Empfindung und Gefühl zugleich ist, zunehmend im Kontext einer Geschichte der Emotionen behandelt. Die Emotionengeschichte entwickelte sich dabei zeitlich parallel zur Konzeption von 'mind-body medicine', wobei Emotionen in den Geistes- und Sozialwissenschaften allgemein ab den 1960er Jahren 'zu einem populären Thema' avancierten [855]. Die 'women's history' in den 1970er Jahren legte den Grundstock für die breite historiographische Beschäftigung mit Emotionen, die ab der Mitte der 1980er Jahre einsetzte. Wegweisende Beiträge zur Emotionsgeschichte stammen von Peter Stearns, William Reddy und Barbara Rosenwein [604, 605].
Ungefähr mit dem Übergang zum 21. Jahrhundert etablierte sich der Teilbereich der Emotionsgeschichte in der Geschichtswissenschaft. Seit dem Jahr 2006 bürgerte sich die Wendung vom 'emotional turn' [29] ein, womit die Hinwendung zu den Emotionen in einer kulturwissenschaftlichen Betrachtung gemeint ist. Die Historikerin Ute Frevert, die sich bereits seit längerem mit dem gesamten Gegenstand beschäftigt, spricht von einer 'Geschichte der Gefühle', in der es darum gehe, die historisch wirkmächtige Normierung und Variabilität von Gefühlen in der Geschichte im interkulturellen Vergleich zu ergründen [256, 257, 258, 259]. Synonym wird jedoch auch von Emotionsgeschichte gesprochen [604].
Bereits im Jahr 2000 hatte Frevert darauf hingewiesen, dass Liebe, Zorn oder Furcht zu den Gefühlen gehören, die in der Psychologie und Soziologie am häufigsten untersucht werden, während Schuld, Scham oder Schmerz dagegen relativ wenig Beachtung gefunden hätten [255]. Das grundlegende Verhältnis von Kultur und Schmerz ist vielfältig thematisiert worden [58], so z.?B. von Scarry, ebenso die Ästhetik des Schmerzes [96, 365, 506, 531, 614]. Dabei zeigte sich u.?a., dass es nicht zu allen Zeiten der körperliche Schmerz war, der im Vordergrund stand, wenn das Wesen des Schmerzes erörtert wurde. Die erkenntnistheoretische Wende hin zum Körperschmerz, die im 19. Jahrhundert stattfand, hat Christians dargestellt [124].
Auch Patienten sollen Gegenstand dieser Arbeit sein. Ein emotionshistorischer Zugang erscheint dabei als ideal. Eine Emotionsgeschichte des Schmerzes unterliegt jedoch methodischen Problemen. Es stellt sich prinzipiell die Frage - darauf hat Bettina Hitzer hingewiesen -, wie Gefühle, die nicht immer ausgedrückt, sondern häufig ?nur? individuell gelebt werden [375], als historische Praxis freigelegt werden können. Wenn von Schmerzpatienten die Rede ist, ist es schwierig, den Wandel ihres Schmerzausdrucks, der mit der Entwicklung der Schmerztherapie korrespondierte, zu erfassen.
Einen konzeptionellen Ansatz, wie sich emotionale Übertragungen (Translationen) in der Geschichtswissenschaft verstehen und integrieren lassen, haben kürzlich die Historikerinnen Margrit Pernau und Imke Rajamani formuliert [589]. Sie unterscheiden drei Übertragungsprozesse im emotionalen Ausdrucksverhalten, die historisch wirksam werden. Die erste 'emotionale Translation' drückt demnach aus, dass soziale Erfahrungen sich in Körpererfahrungen manifestieren. Ein emotionaler Ausdruck, der einem sozialen Kontext entstammt, ist im Entstehen begriffen, wird aber noch nicht explizit ausgedrückt. Dabei gilt: Die Körpererfahrung selbst ist nicht von überzeitlicher Geltung, sondern historischer Natur ('Body and Senses'). Die zweite Übertragung drückt aus, dass es einer medialen Vermittlung bedarf, um Bedeutungen im Denken und Sprechen über Emotionen generieren zu können ('Interpretation through Multimedia Sign Systems'). In der dritten Übertragung werden Emotionen und ein damit verbundener körperlicher Ausdruck zu einem vermeintlich selbstverständlichen Vorgang - sie werden praktiziert. Dabei gelte: Emotionen werden eher vollzogen, als dass man sie hat ('Bodily Practices'). Die vorliegende Untersuchung stellt den Versuch dar, diese Übertragungen, soweit die vorliegenden Quellen dies gestatten, zu identifizieren. Im Kern geht es darum, inwieweit emotionale Translationen, wie Pernau und Rajamani sie umschrieben haben, das Schmerzempfinden so veränderten, dass Schmerztherapie zum Erfordernis der Zeit wurde.
Als Bezugspunkt für die Übertragungen in der 'translational medicine' stellte sich während der Recherchen wiederholt die Kybernetik heraus. Sie erschien wiederholt wie eine Art Grundrauschen, wenn menschliches Verhalten als abhängig von der 'Gesellschaft' aufgefasst wurde, in der die Menschen leben. Obwohl das biopsychosoziale Modell des Schmerzes gerade nicht das Maschinenmodell des Menschen reformulieren wollte, waren es doch gerade technische Fragen, die im therapeutischen Kontext kybernetisch relevant erschienen. Was ist unter Kybernetik zu verstehen? Als Begriff kursierte sie im 20. Jahrhundert lange Zeit, bevor gegen Ende des 20. Jahrhunderts die Faszination für diese Leitwissenschaft verblasste. Inzwischen ist sie jedoch wieder im Kommen.
1.3 Kybernetik und vegetatives Nervensystem
'Das Wort ?Kybernetik? löst sowohl bei Fachleuten als auch bei Laien die verschiedensten Vorstellungen aus. Während jedoch die Fachleute lediglich verschiedener Meinung darüber sind, welche Bereiche eines immer umfassender werdenden wissenschaftlichen und technischen Sachverhalts als Kybernetik bezeichnet werden sollen, verbindet der Laie mit dem Wort ?Kybernetik? oft recht vage und mystische Vorstellungen.' [829]
Während sich in dieser Stellungnahme, verfasst zu Beginn der 1970er Jahre, einerseits das Selbstbewusstsein des Experten der sich entwickelnden Wissensgesellschaft ausdrückt, bezeichnet sie andererseits die Verwirrung, die von dem Begriff der Kybernetik ausging.
Als Wissenschaft der Regelung und Nachrichtenübertragung in Lebewesen und in Maschinen war die Kybernetik im und nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA und Großbritannien entstanden [349, 354, 442, 751, 870]. Im direkten Zusammenhang damit standen die System- und die Informationstheorie. In der Psychologie griff der Behaviorismus kybernetische Vorstellungen der 'Informationsverarbeitung' auf [225]. In der Soziologie wurde es nun möglich, gesellschaftliche Entwicklungen nicht ausschließlich als Resultat von Entwicklungen zu sehen, die durch die zugrundeliegenden Bedingungen zwangsläufig vonstatten gingen [546]. Die Kybernetik ist auch in der Sowjetunion bereits in den 1950er Jahren kontrovers diskutiert worden [289].
Durch ihren weitgesteckten Rahmen unterlag Kybernetik stets der Gefahr, als Theorie sämtliche menschlichen und technischen Wirkmechanismen zu verwässern: 'Cybernetics as a Theory of Everything' [602]. Inzwischen ist sie auf einer Meta-Ebene jedoch auch scharf akzentuiert worden. In der postmodernen Wissenschaftstheorie dominiert der Mensch-Maschine-Zusammenhang, für den die schillernde Bezeichnung 'Cyborg' kreiert worden ist. Nach Donna Haraway sind Cyborgs 'kybernetische Organismen, Hybride aus Maschine und Organismus'. Maschinen können demnach in Abgrenzung zu Tier und Mensch (Organismus) nicht mehr als Objekt gedeutet werden, in dem ?Geister? obwalteten. Im späten 20. Jahrhundert sei die 'Differenz von natürlich und künstlich, Körper und Geist, selbstgelenkter und außengesteuerter Entwicklung' höchst zweideutig geworden [340]. Bezeichnet ist damit auch der Umstand, dass Kybernetik bald auf biologische Phänomene übertragen wurde, wofür sich die Bezeichnung Biokybernetik einbürgerte.
Erste Kybernetik-Tagungen fanden in West- und Ostdeutschland 1954 in Darmstadt, 1958 in Essen und 1962 in Ost-Berlin statt [769]. Das Denkmodell der Rückkopplung oder, bezogen auf das Nervensystem, der Reafferenz in der Biologie wurde dabei thematisiert. Zu dem sogenannten vermaschten Regelkreis in den Technikwissenschaften, bei dem Netzwerkknoten miteinander verbunden wurden (Parallelschaltung mehrerer einfacher Regelkreise), gesellte sich der biologische Regelkreis [849].
Ende der 1960er Jahre und im Verlauf der 1970er Jahre wurden in der ärztlichen Presse der Bundesrepublik kybernetische Denkmodelle regelrecht populär. Im Juni 1968 informierte die ärztliche Wochenzeitung Selecta beispielsweise ihre Leser über einen Kybernetik-Kongress, der im April 1968 in München stattgefunden hatte. Der Bericht vermittelt ein Bild davon, dass die zunehmende Verbreitung der Computertechnologie in einer kybernetisch verstandenen Gesellschaft auch Ohnmachtsgefühle vermitteln konnte. So hieß es etwa: 'Inmitten einer Welt bedrohlicher Denkmaschinen, propagiert durch die sensationssüchtige Boulevardpresse, fühlt sich der Zeitgenosse mit seinen körperlichen und geistigen Attributen ziemlich hilflos und der kybernetischen Technik weit unterlegen.' In einer Artikelserie im Deutschen Ärzteblatt im Jahr 1969 erörterten zwei Strahlenbiologen die Perspektiven von 'Futurologie und Medizin', wobei sie versuchten, Systemtheorie, Informatik und Kybernetik systematisch zu verbinden. Im Jahr 1977 stellte ein Autor im Ärzteblatt 'Untersuchungen über ein kybernetisches Modell der sozio-ökonomischen Beziehungen' an, in denen Wirtschaft, Bevölkerungsentwicklung, Verkehr und nunmehr auch die Ökologie als Regelkreise präsentiert wurden. Auch hier bereitete die Mensch-Maschine-Analogie ein latentes Unbehagen. In einer naturheilkundlichen Zeitschrift wurden im Jahr 1980 die Wirkprinzipien von Akupunktur und Neuraltherapie, die Gegenstand des vorliegenden Buches sein werden, als verwandt angesehen und 'biokybernetisch' gedeutet, und zwar 'als gezielte Regulationstherapie'.
Die Kybernetik schuf ein eigenes Bild vom Menschen. Bezeichnend für die kybernetische Anthropologie sind laut Stefan Rieger:
die technische Regelungslehre als Entwurf eines Weges, 'den Menschen wieder zu sich selbst zu bringen' (in Fremdtechniken und Techniken des Selbst),
Rückbezüglichkeit und Nichtlinearität,
ein 'rekursives Mandat moderner Individualität' [643].
In der gegenwärtigen Diskussion über die Geschichte der 1970er Jahre in der Bundesrepublik erfährt die Kybernetik große Aufmerksamkeit. Debattiert wird dabei u.?a. die These, Systemtheorie und Kybernetik seien die zentralen Begriffe gewesen, die die 'semantischen Transformationen in den 1970er Jahren' in vielen Bereichen angeleitet hätten.
In dieser Studie wird Biokybernetik verstanden als Konzept zur Steuerung menschlichen Lebens, das sich als neues Denkmodell nach dem Zweiten Weltkrieg ausbreitete. Der Kerngedanke von 'cybernetics as a postwar science' war die Adaption des Gehirns an Umweltbedingungen im weitesten Sinne ('adaptive brain'). Nach Andrew Pickering war das kybernetische Gehirn 'not representational but performative, [...] and its role in performance was adaptation.' [602] Dieser adaptive Steuerungsgedanke wird in der Medizin auf Überlegungen neurophysiologischen Ursprungs angewendet, wenn sie sich dem chronischen Schmerz widmete. Technische Rückkopplungen in der Therapie chronischer Schmerzen spielen zum Beispiel eine Rolle bei der Anwendung von Transistorgeräten als therapeutischen Apparaten. Transistorgeräte fungierten dabei als Indikatoren biokybernetischer Regelung [752]. Der behauptete Zusammenhang von adaptiver Steuerung und chronischem Schmerz trat aber auch im Hinblick auf das vegetative Nervensystem auf.
Das vegetative Nervensystem war in Deutschland zwar schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts Gegenstand physiologischer Untersuchungen, ist aber erst in den 1920er Jahren - hier noch mit der vitalistischen Vorstellung vom 'Lebensnervensystem' - in der deutschen Medizin erörtert worden [554]. Seine Pathologie wurde dann ausführlich in den 1930er Jahren nach dem damaligen Stand des Wissens dargestellt [247]. Funktionsstörungen im Bereich des vegetativen Systems wurden jedoch gerade in der deutschen Medizin bis in die 1980er Jahre naturwissenschaftlich häufig vage und unsystematisch eingeordnet [690, 698]. Gängig war seit den 1950er Jahren beispielsweise die Rede von der sogenannten 'vegetativen Dystonie'.
Als 'basic neural networks' biokybernetischer Regelung wurden im westlichen Schrifttum Sympathicus und Parasympathicus identifiziert [751]. Konkurrierend orientierte man sich in der östlichen Literatur an der Neurophysiologie von Ivan Pavlov 'und seinen Schülern', um vegetative Phänomene systematisch zu ergründen [100]. Die Frage, ob und in welcher Weise die biokybernetische Steuerung des Vegetativums im Begründungsprozess der Schmerztherapie nach dem Zweiten Weltkrieg die wissenschaftliche Wahrnehmung des chronischen Schmerzes bestimmt hat, wird an verschiedenen Stellen des Buches wieder aufgegriffen.
Die Fragestellung, die dem Buch zugrunde liegt, kann grundsätzlich kurz in zwei Bedingungssätzen benannt werden. 1) Wenn man annimmt, dass es zwar schon immer Menschen gegeben hat, die an chronischen Schmerzen litten, diese aber bis ins 20. Jahrhundert oder zumindest über längere Zeiträume in der Geschichte als solche ignoriert wurden, was ware dann die entscheidenden Bedingungen, die es ermöglichten, diejenigen, die darunter litten, als Patienten mit einer Schmerzkrankheit zu identifizieren? B) Wenn es zutrifft, dass es für die Biomedizin nach dem Zweiten Weltkrieg kennzeichnend war, dass das Pathologische lediglich eine Ausdehnung des Normalen war, wie konnte sich dann die Schmerztherapie entwickeln, für die diese Annahme nicht zutrifft?
Die Ent
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
1.Einführung10
1.1Schmerztherapie als Therapie aus den USA13
1.2 Translation, Biomedizin und Übertragungin der Geschichte der Emotionen16
1.3Kybernetik und vegetatives Nervensystem20
2.Heroismus, Pessimismus und Subjektivität25
2.1Schmerz und Spiel: das Beispiel des Handballs27
2.2Helden des Krieges: Ernst Jünger36
2.3Titanen des Schmerzes: Carl Fervers37
2.4Patienten mit Schmerzen: Ferdinand Sauerbruch41
2.5Katholischer Schmerzheroismus und Anästhesie44
2.6Kulturpessimismus des Schmerzes48
2.7Subjektivität des Schmerzes:Henry Beecher und George Engel51
3.Vegetativum und Neuraltherapiebis etwa 197055
3.1Kopfschmerzen55
3.2Impletol als Wunderwaffe58
3.3Leriche und der Sympathicusschmerz64
3.4Nonnenbruch, Dieter Gross und die Bayer-Werke67
3.5Speransky und von Roques72
3.6Theorie über das Nervensystem74
3.7Anästhesiologie und Anästhesietherapie76
3.8Akupunktur in der frühen Bundesrepublik80
4.Die neurochirurgische Schmerztherapie85
4.1Otfrid Foerster86
4.2Lobotomie als Operation und als Metapher88
4.3Stereotaxis und »Gate Control«-Theorie93
5.Bedeutungswandel des Schmerzes: Phantomschmerzin der Bundesrepublik101
5.1Kriegsversehrtheit102
5.2Das Bundesarbeitsministerium107
5.3VdK-Lobbyismus und die Empfehlungendes Unterausschusses110
5.4Der Forschungsauftrag115
5.5Phantomschmerz in den 1980er Jahren120
6.Die Asiatische Reise:der Akupunktur-Boomin den 1970er Jahren123
6.1Die Traditionelle Chinesische Medizin126
6.2China und der Westen129
6.3Endorphine und elektrisch verstärkte Akupunktur131
6.4Die Reise gen Osten134
6.5Mildred Scheel und die Akupunktur137
6.6Explosion an Meldungen138
6.7Johannes Bischko141
6.8Akupunktur und Anästhesiologie143
6.9Horst Ferdinand Herget146
6.10Akupunktur und Markt149
6.11Manfred Köhnlechner152
6.12Die Bewertung elektrisch verstärkter Akupunktur154
6.13Die Rezeption der Akupunktur158
7.Krebsschmerz in der Bundesrepublik161
7.1Tumorschmerz-Therapie in Großbritannien161
7.2Der Film über St. Christopher’s166
7.3Onkologie in Heidelberg173
7.4Die »Deutsche Krebshilfe«176
7.5Therapie mit Opioiden179
7.6Die WHO-Dreistufenleiter181
8.Therapie chronischer Schmerzen:die Schmerzklinik als Institution184
8.1Rudolf Frey185
8.2Institutionalisierung der Schmerzklinik190
8.3Die Schmerzklinik in Mainz192
8.4Öffentlichkeit für die Schmerzklinik195
8.5Das Deutsche Schmerzforschungszentrum195
8.6Frey und die rheinland-pfälzische Politik198
8.7Die Herausforderung des Terrorismus202
8.8Popularisierung des Konzepts205
8.9Das Schmerzzentrum Mainz207
9.Exkurs: Therapie chronischer Schmerzen in der DDR213
9.1Physiotherapie in der DDR217
9.2Bioklimatologie221
9.3Ivan Petrowi? Pavlov222
9.4Bandscheibenvorfall und manuelle Therapie225
9.5Manuelle Therapie nach tschechischem Vorbild226
9.6Russische Reflextherapie230
9.7Elektrotherapie236
9.8Akupunktur in der DDR239
9.9Schmerz und Anästhesiologie in der DDR249
9.10Schmerztherapie an der Charité256
9.11Die Sektion Schmerztherapie261
9.12Krebsschmerztherapie, Rückenschmerzen und die Bilanz der DDR-Schmerztherapie262
10.Rückenschmerz, Psychologie unddie Versorgung von Schmerzpatientenin den 1980er Jahren268
10.1Rheumatismus268
10.2Der Bandscheibenvorfall271
10.3Failed back surgery syndrome275
10.4Verhaltenstherapie277
10.5Functional restoration280
10.6Psychologische Schmerztherapie281
10.7»Schmerz – Chronik einer Krankheit«283
10.8Versorgungsstrukturen in der Bundesrepublik289
10.9Schmerz als Forschungsthema293
10.10Die »Deutsche Schmerzhilfe«294
10.11Das SCHMERZtherapeutische Kolloquium297
11.Zusammenfassung306
Abkürzungen323
Abbildungsnachweis326
Verzeichnis verwendeter Archivalien, Literatur, Medien und Interviews328
Sachregister396
Personenregister400

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