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Unser Jüngster hat vier Pfoten

Eine Familie ist auf den Hund gekommen

AutorDana Gringel
VerlagVerlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl222 Seiten
ISBN9783732506309
Altersgruppe16 – 
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR

Dana Gringel wollte keinen Hund, die Tochter schon. Kaum ist der Welpe im Haus, hat ihn die Mutter an der Backe; aber dass es so schlimm wird, hätte sie dann doch nicht gedacht. 12 Mal Gassi gewesen, aber 7 Mal in die Wohnung gepinkelt! Die Familie leidet tiefste Qualen, aber hält durch.

Am Ende wird alles gut, das neue Familienmitglied entpuppt sich als echter Freund und zeigt wie es geht: das Leben an sich und das Glücklichsein im Hier und Jetzt.

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Leseprobe

Kapitulation im Juni


Sie kennen mich jetzt noch keine fünf Minuten und hassen mich bereits. Ich bin die Frau, die einen fünf Monate jungen Welpen zurück zu seinem Züchter bringen will. Auf dem schnellsten Weg, am liebsten heute noch. Einen Hund, der auf den ersten Blick nicht mal sonderlich bedrohlich wirkt. Im Gegenteil. Willy sieht süß aus, so wie Cockerpoos eben aussehen, vor allem, wenn sie noch klein und schlappohrig sind und ihr Fell in lustigen Faltenschichten um den Körper flockt. Wenn Willy mal einen Moment lang ruhig auf seinem Platz liegt und zufrieden mit der Nase auf dem Fußboden parkt, möchte man ihn gleich in den Arm nehmen und knuddeln, bis der Arzt kommt. Allerdings hat diese Hundemutti-Phantasie mindestens drei große Haken. Erstens: Willy hat gar keinen Ort, den er seinen Platz nennen könnte, weil er sich überall in der Wohnung breitgemacht hat.

Zweitens: Wenn Willy mit der Nase auf Bodenhöhe schubbert, dann ruht er nicht zufrieden mit sich und der Welt, sondern zerbeißt garantiert irgendwelche Gegenstände, die – gerade noch in unversehrtem Zustand – zu unserer Wohnung gehörten und nun fein säuberlich verkleinert in seinem Verdauungstrakt landen. Lederschuhe, Socken, Senftuben, Münzen – alles, was unter 1,50 Meter Raumhöhe gelagert ist, gehört potentiell ihm und wird auf der Stelle annektiert – und hinterher, oft in erheblich veränderter Form, aus seinem Magen gepumpt.

Drittens: Willy möchte zwar gern und ausgiebig geknuddelt werden, das ist nicht das Problem. Allerdings nutzt er die Gelegenheit in unserer körperwarmen Komfortzone regelmäßig – nicht immer – zu genau zwei Sachen: Er beißt Leute, die es riskieren, ihn auf den Arm zu nehmen, gern zärtlich ins Ohr. (Also ER hält es für zärtlich.) Außerdem lässt Willy gern mal einfach laufen, wenn er sich besonders wohl und behaglich fühlt. Natürlich ist der Hund stubenrein, er ist ja nicht zurückgeblieben. Aber es gibt immer wieder Momente, wo er das vergisst. Man solle sich da nichts bei denken, hat unsere Hundetrainerin gesagt, unser Hund sei nur besonders emotional, der freut sich so. Auch Frau Neubert, die sich mit Hunden auskennt, war der Ansicht, dass wir uns da keinen Kopf machen sollten, das würde sich auswachsen: »Das mit dem Pinkeln ist bloß ein Beschwichtigungsversuch, der Hund fühlt sich offenbar in manchen Situationen bedrängt und möchte zum Ausdruck bringen, dass er keine bösen Absichten hegt; wir reden da in der Hundepsychologie gern von einer Unterwerfungsgeste.« Ich habe keine Ahnung, welche der beiden Fachkräfte recht hat, auch im weiteren hundeinteressierten Freundeskreis gehen die Meinungen auseinander. Am Ende ist es aber ohnehin wurscht, weil Willy mit dem Schoß-Pinkeln bis heute nicht aufgehört hat. Da soll man sich keinen Kopf machen?

Es klingelt Sturm an der Tür. Der Hund springt auf und rast wie vom Teufel besessen in den Flur. Er hat sich angewöhnt, gegen unsere Eingangstür zu springen, nachdem er feststellen musste, dass es ihm nicht gelingt, die Tür mit dem runden Drehknauf zu öffnen, so wie er es bei uns beobachtet hat. Das wurmt ihn, aber aufgeben kommt für Willy nicht infrage: Jetzt versucht er es halt mit nackter Gewalt. Wie ein Dressurpferd springt er mit allen vieren in die Luft und schnellt im letzten Drittel dieses Kunststücks mit einer kleinen Drehung seiner Flanke gegen die Tür. Sein hysterisches Bellen klingt dazu wie ein LKW-Motor mit Kolbenfresser. Das alles wirkt wie einstudiert und hat aus meiner Perspektive durchaus einen gewissen komödiantischen Charme. Vielleicht sollte ich das mal auf YouTube einstellen. Für Menschen, die draußen vor unserer Tür auf Einlass warten und nicht wissen, was da im Inneren unserer Wohnung vor sich geht, muss sich Willys absurder Tanz allerdings anhören wie eine Botschaft aus dem Hades. BUMM! BUMM! BUMM!

Ich schätze, dass da schon so mancher Spontanbesucher gleich wieder die Flucht ergriffen hat. Heute aber weiß ich, wer da draußen wartet und dass ich ihm die Tür öffne: Marius, mein Siebzehnjähriger. Der kennt Willys Macken, auch wenn sie ihn nicht sonderlich interessieren. Er hat es eilig und mal wieder seinen Schlüssel vergessen. Marius ist in der 12. Klasse eines Sportgymnasiums, das mit einem örtlichen Fußballverein kooperiert. Mein Sohn ist, wenn ich den Erzählungen seiner Trainer und meines Mannes glauben darf, ein hoffnungsvolles Talent, das schon bald als Fußballprofi Millionen scheffeln und die ganze Familie ernähren wird. Ich kann den Tag kaum erwarten. Bis es so weit ist, bleibt er allerdings bloß mein störrischer Pubertist, der am Tag zwei Waschmaschinen mit verschwitzten Sporthosen, Trikots und Stutzen produziert, die er schon beim Reinkommen achtlos aus der Tasche zieht und im Flur verstreut. Ihm bleibt meistens gerade noch genug Zeit, um einen seiner nach Mandarine und Seegras duftenden Vitamindrinks zu mixen und seine Sporttasche neu aufzufüllen, dann ist er auch schon wieder weg. So wäre es auch heute, wenn ich nicht noch kurz mit ihm reden müsste.

»Hey, Mom«, grinst er im Vorbeigehen, »ich muss gleich wieder, Koordinationstraining mit der U 18.« Er pfeffert seine Schultasche unter die Garderobe. Dort liegt sie vermutlich unberührt bis morgen früh, bevor mein Sohn sie wieder zurück in die Klasse trägt. Kennen die Kinder von heute keine Hausaufgaben mehr?

»Machst du eigentlich noch was anderes außer Fußball spielen?«, frage ich ihn und versuche, nicht wie der Hausdrache vom Dienst zu klingen.

»Nö«, grinst er, »an unserer Schule werden nur die Stärken der Schüler gefördert. Ist halt ein fortschrittliches Konzept.«

»Und nur mit Fußball allein kann man heutzutage Abitur machen?« Das mit dem Drachen wird eng, aber ich kann nicht anders.

»Ach Mom, chill mal. Wenn ich einen Vertrag bekomme, gehe ich sowieso im Sommer von der Schule ab.«

Das wird er nicht tun. Nicht so knapp vor Ultimo. Er weiß es, ich weiß es. So blöd ist nicht mal mein Sohn. Im Gegenteil: Marius hatte nie Probleme in der Schule. Er gehört zu den beneidenswerten Menschen, die auch mit wenig Aufwand locker mithalten und zu denen Lehrern von der fünften Klasse an immer nur dieser leicht verkniffen vorgetragene Satz einfällt: »Wenn er wollte, könnte er mehr aus sich herausholen.« Seinen Ehrgeiz hat sich Marius aber ausschließlich für den Fußball aufgehoben. Es ist ein Ritual zwischen uns – wenn ich ihn zu sehr nerve, droht er damit, die Schule zu schmeißen. Die ersten Male bin ich ihm noch auf den Leim gegangen und muss wohl sehr verzweifelt ausgesehen haben, bis mein siebzehnjähriger Sohn seiner alten Mutter über den Kopf strich und sagte: »Komm mal klar, Mom, ich zieh das schon durch.«

Inzwischen falle ich darauf nicht mehr rein. Ganz aufhören, ihn mit Fragen nach der Schule zu nerven, kann ich allerdings auch nicht. Muss ein fest installiertes Mütter-Programm sein, das da in mir abläuft. Also habe ich darauf keinen Einfluss.

»Ich muss mal mit dir reden, Marius!«

Jetzt schaut er erschrocken. »Was ist denn los? In fünf Minuten steht Loretti vor der Tür, der wartet nicht gern.«

Loretti ist der Fahrer des Vereins, der am frühen Nachmittag die anderen Jahrhunderttalente der Stadt in einem Mercedes Sprinter einsammelt und ins Sportzentrum am Rande Münchens karrt. Am Abend macht der Frührentner, Erkennungszeichen Pepita-Mütze, die Runde in umgekehrter Reihenfolge. Dann liefert er die Nachwuchs-Messis wieder brav zu Hause in Milbertshofen, Geretsried oder Neufahrn ab, solange sie sich die Grünwald-Villa noch nicht leisten können.

»Dann erklär deinem Loretti, dass du auch noch eine Familie hast, in der es hin und wieder Probleme zu besprechen gibt!«

Jetzt schaut Marius noch erschrockener. »Was für Probleme? Is’ was mit Papa?«

»Wieso, was soll denn mit Papa sein?«

Jetzt schauen wir beide irritiert.

»Na, nix«, sagt Marius verlegen.

»Was soll denn mit Papa sein?«, wiederhole ich stumpf wie eine sprechende Kuh. »Da ist alles in Ordnung.«

»Na dann ist ja gut.« Marius schaut mich fragend an. »Was ist denn dann los? Ist irgendwer krank? Sind wir pleite? Bist du gefeuert worden? Müssen wir die Stadt wechseln?« Marius spult sein persönliches Katastrophen-Szenario ab, die größten Ängste zuerst.

»Nichts von alldem«, beruhige ich ihn. »Es geht um Willy.«

»Ach, um Willy«, sagt Marius, ein einziger Seufzer der Erleichterung.

»Was ist los mit dem Dussel? Hat er wieder in eins unserer Betten gekackt?«

Wir wenden uns synchron zum Flur hin, wo Willy sich seit Marius’ Heimkehr in den verschwitzten Sportklamotten meines Sohnes wälzt. Willy liebt Marius, vermutlich, weil der immer so gut riechende Sachen mit nach Hause bringt. Marius ignoriert Willy, was nur fair ist, denn genau das hatte er schon angekündigt, als das Hunde-Projekt noch ergebnisoffen in der Familie diskutiert wurde.

»Macht, was ihr nicht lassen könnt, aber mein Hund ist das nicht, dazu fehlt mir echt die Zeit.« Willys ungestüme Zuneigung prallte bislang an Marius ab wie ein Basketball an einer Betonmauer, von daher rechnete ich an dieser Front nicht mit großen Schwierigkeiten.

»Nein, der Hund hat nicht wieder in eins der Betten gekackt«, antwortete ich leicht tadelnd. »Es ist nur so: Ich habe heute den Züchter von Willy angerufen, du weißt doch, diesen Kauz, der aussah wie Legolas aus Herr der Ringe

»Ja, weiß ich noch. Ich musste ja bei dieser Hundetour unbedingt dabei sein und hab deshalb das Spiel gegen...

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