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Unsere 50er-Jahre

Heitere Vorlesegeschichten für Senioren. 'So war's' Zeitzeugen erinnern sich

AutorUli Zeller
VerlagSchlütersche
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783842689602
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Die besten Geschichten schreibt immer noch das Leben selbst! Für dieses Buch haben Senioren in Ihrer Erinnerungskiste gekramt und Erlebnisse beigesteuert: schwungvolle Reminiszenen an Rock 'n' Roll und Hula-Hoop, wonnige Urlaubserinnerungen an die erste Fahrt in den Süden, unvergessliche Begeisterungsstürme bei der legendären Fußball-WM von 1954 und und und... Hier sind sie also: Die schönsten Geschichten und Erlebnisse rund um die 1950er-Jahre - zum Vorlesen und Aktivieren in der Betreuungsarbeit mit älteren Menschen. Jede Geschichte natürlich mit einem Quäntchen Hintergrundwissen (damit auch junge Vorleser mitreden können) plus Ratespaß und Gesprächsimpulse! Mit diesem Buch haben Betreuungskräfte eine ideale Vorlage für die Einzel- oder Gruppenarbeit mit Senioren. Das heitere 50er-Jahre-Kaledoskop bietet garantiert für jedes Interesse die passende Geschichte! Das ist positive Erinnerungspflege für zwischendurch.

Uli Zeller ist Theologe und arbeitet in der Sozialen Betreuung. Für dieses Buch hat er viele Senioren nach Ihren Erinnerungen befragt und dabei selbst jede Menge gelernt.

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Leseprobe

Zeitgeschehen


Die Steinschleuder


Klaus H. erinnert sich: »Seit 1953 hatte ich als Bäckergeselle bei einem Bäcker in Stuttgart gearbeitet. Wir haben Stuttgart mit Weckle, Hefezopf und Laugenbrezeln versorgt. Das war harte Arbeit für uns Bäckergesellen – Mehlsäcke schleppen, Ofen anheizen, Brot backen. Klar, das war anstrengend. Aber manchmal hatten wir dafür schon Pause, wenn die Fabrikarbeiter morgens zu Daimler, Bosch und Porsche aufgebrochen sind.

Eines Tages brachte mein Kollege Wolfgang eine Steinschleuder mit zur Arbeit. Die lag künftig immer in der Backstube. Wenn wir Pause hatten, schossen wir aus Spaß im Hinterhof damit – auf Flaschen, verkohlte Weckle und Brote. Eines Tages forderte Wolfgang mich heraus. Er sagte: ›Drei Schuss auf drei Flaschen. Wer gewinnt, bekommt zehn Pfennige. Schau nur, da vorn steht eine ganze Reihe von Flaschen.‹ Wolfgang legte einen Stein in die Schleuder, spannte und traf! Es stand eins zu null für ihn.

Ich schleuderte auf die nächste Flasche. Sie zersprang in tausend Scherben. Es stand eins zu eins. Wir schauten uns verschmitzt an und knufften uns freundschaftlich in die Seite. Bei dieser Gelegenheit vertraute ich Wolfgang meine neueste Nachricht an: Ich hatte eine Frau kennengelernt. Die liebe Monika, die sowohl klug wie auch praktisch veranlagt war. Ich war sehr verliebt und wollte sie heiraten. Da wies mich Wolfgang auf die schwäbische Lebensweisheit ›Schaffe, schaffe, Häusle baue – und net nach de Mädle schaue‹ hin. Dennoch erklärte er mir: ›Bau doch ein Haus für euch. Du bist jung und kräftig. Du kannst dein Häusle ja auf den Monte Scherbelino stellen! Du darfst bloß nicht zu viele Räume in dein Haus bauen. Sonst quartieren sie Flüchtlinge ein.‹ Er grinste, spannte seine Schleuder, schoss – und traf. Jetzt stand es zwei zu eins für ihn. Ich legte wieder einen Stein auf die Schleuder. Zisch. Und die zweite Flasche war kaputt. Es stand zwei zu zwei. Wolfgang bückte sich und hob einen Stein vom Boden auf. Mit voller Wucht schoss er. Und er traf die Flasche – drei zu zwei für ihn. Jetzt war ich wieder dran, zielte – und schoss daneben. Mist! Wolfgang hatte gewonnen.

›Was ist los?‹, fragte Wolfgang, ›du triffst doch sonst immer‹. Ich schaute ihn an: ›Aber heute nicht. Ich habe nämlich gerade eine Entscheidung getroffen. Ich werde tatsächlich ein Haus für Monika und mich bauen.‹

Da kramte Wolfgang in seinem Geldbeutel, grinste mich an, legte zehn Pfennige auf den Tisch und sagte: ›Wohlstand für alle, lautet die Losung dieser Tage. Ich habe zwar gewonnen, aber du hast noch viel vor. Hier hast du einen Groschen. Damit kannst du anfangen, dein Haus zu bezahlen.‹«

Aktivierungen


Quizfrage

Wer war während der gesamten 1950er-Jahre Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland?

(Hinweis: Er war korpulent, trug eine Brille und rauchte Zigarren.)

Konrad Adenauer

Ludwig Erhard

Theodor Heuss

Richtig ist: Ludwig Erhard

Hintergründe

Politiker der 1950er-Jahre

Ludwig Erhard (CDU) war von 1949–1963 Wirtschaftsminister. Sein Slogan als Wirtschaftsminister lautete »Wohlstand für alle«. Bekannt war auch Erhards Vorliebe für Zigarren. Davon rauchte er jeden Tag mehrere. Erhard gilt als Vater des deutschen Wirtschaftswunders.

Konrad Adenauer (CDU) war während dieses Zeitraums der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Er war der »alte Kanzler« der jungen Republik, denn als er das Amt des Bundeskanzlers antrat, war er bereits 73 Jahre alt. Dennoch war er noch 14 Jahre im Amt.

Theodor Heuss (FDP) war von 1949–59 der erste Bundespräsident. Heuss liebte es, seine Reden selbst zu schreiben. Daher wurde Heuss von den Deutschen entsprechend authentisch empfunden und im Volksmund liebevoll Papa Heuss genannt.

Monte Scherbelino

Noch Ende der 1950er-Jahre wurden Scherben, Steine und Ziegel von zerstörten Gebäuden aus dem Krieg zu Hügeln angehäuft. So auch der im Volksmund »Monte Scherbelino« getaufte Berg in Stuttgart. Ihn gibt es noch heute – jetzt »Birkenkopf« genannt und höchster Aussichtspunkt der Stadt. Auch in anderen Städten gab es sogenannte Monte Scherbelinos.

Wohnungszwangswirtschaft bis 1960

»Wohnungszwangswirtschaft« kann man auch mit »Einquartierung« umschreiben. Der Staat baute Wohnungen mit einer Mietpreisbindung. Bis 1950 wurden 500.000 Wohnungen neu gebaut; davon waren 400.000 gefördert.

Unter alliiertem Druck musste Wohnraum und Zwangsleistungen an Flüchtlinge abgegeben werden. Bei den Flüchtlingen, die nach Deutschland kamen, handelte es sich meist um sogenannte Sudentendeutsche, Ostpreußen, Schlesier sowie deutsche Minderheiten vom Balkan.

Gesprächsimpulse

Handwerk als Beruf

In den 1950er-Jahren waren viele Männer in handwerklichen Berufen tätig. Was handwerkeln oder arbeiten Sie gerne?
Mögliche Antworten: malen, backen, kochen, mauern, stricken, sägen, tapezieren, verputzen, gärtnern …

Beruf Bäcker

Welche Zutaten kann man für ein Brot verwenden?
Mögliche Antworten: Mehl, Zucker, Salz, Hefe, Wasser, Milch …

Welche Mehlsorten gibt es?
Mögliche Antworten: Roggen, Weizen, Dinkel, Gerste, Hafer …

Rätsel

Welche Zeitung ist das?

Sie besteht aus vielen Bildern und großen Überschriften. Die Zeitung gibt es in ganz Deutschland. Am 24. Juni 1952 erschien die erste Auflage in Höhe von 250.000 Exemplaren. Sie kostete damals zehn Pfennige. Ihr Name reimt sich auf »wild«. Lösung: Bildzeitung

Bewegung

Dosenwerfen

Mit der Steinschleuder auf Flaschen zu schießen, ist gefährlich. Aber versuchen Sie doch einmal mit den Senioren, mit einem Ball Dosen umzuwerfen. Sie können den Ball werfen oder rollen. Stellen Sie dafür eine oder mehrere Dosen auf. Bei genügend Teilnehmern kann auch ein kleines Turnier gespielt werden.

Bäcker-Pantomime

Wie bewegen Sie die Hände beim Teigkneten und Brötchenbacken? Führen Sie diese Bewegungen in einer Gruppe zusammen pantomimisch aus.

Henry und der Aufstand


Karin B. aus Berlin erinnert sich: »Wir lebten 1953 am Stadtrand und hatten einen kleinen Garten. Dort befand sich ein Gehege aus Maschendrahtzaun. Darin hielt mein Vater Kaninchen. Er war sogar Mitglied im Kleintierzuchtverein.

Ich denke an einen ziemlich heißen Sommertag zurück. Es war der 17. Juni 1953 – ein Tag, der in die Geschichte eingehen sollte. Doch ich ahnte von all dem nichts, sondern schaute morgens aus dem Fenster und sah das Loch unter dem Maschendrahtzaun des Kaninchengeheges. Und, dass unser Hase Henry fehlte, mein Lieblings-Karnickel. Henry hatte weiche, weiße, flauschige Haare – und schöne braune Augen. Nun war er fort. ›Papa, Papa‹, rief ich, ›Henry ist weg‹. Doch meinen Vater schien das nicht zu interessieren. Er saß im Wohnzimmer, hatte einen Kopfhörer auf dem Kopf und hörte konzentriert Radio. Wie ich erst später erfuhr, lauschte er RIAS, dem amerikanischen Sender, der an diesem Tag zum Aufstand im sowjetischen Sektor in Berlin aufrief.

Doch all das war mir egal. Ich hatte nur eine Sorge: Wo ist Henry? Von der brenzligen Stimmung im Osten des Landes bekam ich nichts mit. Erst später erzählte mir meine Tante aus Mecklenburg von einer Kartoffelkäferplage zu dieser Zeit. Und, dass die SED verbreitete, dass die Amerikaner schuld an dieser Plage seien. Angeblich hätten sie nachts im Tiefflug Kartoffelkäfer über den Feldern abgeworfen … Auch ahnte ich nichts davon, dass Walter Ulbrich das Arbeitspensum in der DDR um zehn Prozent angehoben hatte. Ferner war mir nicht bekannt, dass die Menschen in der DDR für freie Wahlen demonstrierten. So wusste ich weder von den brennenden Kiosken am Potsdamer Platz und von den Schüssen vom Dach der Ministerien noch von den sowjetischen Panzern, die den Aufstand schließlich niederwälzten.

In meiner Welt drehte sich die ganze Sorge nur um eins: Ich hatte Angst um meinen Hasen Henry. Wo war er, das Kaninchen mit dem weichen Fell? ›Komm mit, Papa‹, rief ich, ›wir müssen doch Henry finden‹. Schließlich ließ mein Vater seine Kopfhörer sinken und ging mit mir in den Garten. Wir suchten in allen Winkeln. Es war keine Spur von Henry zu entdecken. Irgendwann jedoch begann mein Vater zu lachen. Er deutete in den Garten unserer Nachbarn. Und tatsächlich. Da saß Henry und knabberte in aller Ruhe am fremden Salat. Schnell schlüpfte ich durch den Zaun und fing den Hasen ein. Ich streichelte sein Fell und herzte ihn – mein Tag war gerettet.

Und wenn ich es nicht von den Erzählungen meiner Familie wüsste, würde ich vielleicht noch heute denken, dass die größte Sorge des 17. Juni 1953 ein entlaufenes Karnickel...

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