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Untersuchung in Betreff des menschlichen Verstandes

Vollständige Ausgabe

AutorDavid Hume
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl226 Seiten
ISBN9783849626150
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand ist der Titel, unter dem das Buch An Enquiry Concerning Human Understanding von David Hume im deutschsprachigen Raum bekannt geworden ist. Während Hume für seine Schrift von Seiten der Schulmetaphysik scharf angegriffen wurde, regte er wichtige Veränderungen in der nachfolgenden Philosophie an. Der Herausgeber der deutschsprachigen Erstausgabe, Johann Georg Sulzer, selbst Anhänger Christian Wolffs und keineswegs ein Skeptiker wie Hume, bezeichnete diesen als 'Wohlthäter der Philosophie', nach dessen Kritik das Feld der Metaphysik neu bestellt werden könne. Das Buch, das zu den wichtigsten Werken Humes zählt, besteht aus zwölf Essays, die die Themen aus dem Erstlingswerk Humes, A Treatise of Human Nature (Ein Traktat über die menschliche Natur), wieder aufnehmen. Nachdem die umfangreiche 1739/40 erschienene Schrift wenig Erfolg hatte, vereinfachte Hume für die Enquiry die Form und setzte etwas andere Schwerpunkte. In einer der gängigsten deutschsprachigen Ausgaben werden die zwölf Abschnitte wie folgt überschrieben: Über die verschiedenen Arten der Philosophie Über den Ursprung der Vorstellungen Über die Assoziation der Vorstellungen Skeptische Zweifel in betreff der Verstandestätigkeiten Skeptische Lösung dieser Zweifel Über die Wahrscheinlichkeit Von der Vorstellung der notwendigen Verknüpfung Über Freiheit und Notwendigkeit Über die Vernunft der Tiere Über Wunder Über eine besondere Vorsehung und ein zukünftiges Dasein Über die akademische oder skeptische Philosophie

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Leseprobe

 


Obgleich es in der Welt nichts der Art wie Zufall giebt, so hat doch unsere Unkenntniss der wirklichen Ursache eines Ereignisses denselben Einfluss auf den Verstand und erzeugt eine gleiche Art von Glauben oder Meinung.

 

Es giebt allerdings eine Wahrscheinlichkeit, die aus der Mehrzahl der Fälle auf einer Seite sich bildet, und wenn diese Mehrzahl wächst und die entgegengesetzten übertrifft, so nimmt die Wahrscheinlichkeit verhältnissmässig zu und erzeugt für die Seite, wo die Mehrzahl Statt hat, einen höhern Grad von Glauben oder Zustimmung. Wenn ein Würfel auf vier Seiten mit derselben Figur oder Zahl von Zeichen versehen ist, und auf den zwei andern mit einer andern Figur, so würde das Werfen jener Figur wahrscheinlicher sein als letzterer, und hätte er 1000 Seiten in derselben Weise gezeichnet und nur eine mit einer andern Figur, so würde die Wahrscheinlichkeit noch viel grösser und dieser Glaube oder die Erwartung des Ausganges noch fester und sicherer sein. Diese Art von Denken oder Schliessen scheint vielleicht längst bekannt und selbstverständlich; aber bei näherer Betrachtung bietet sie Stoff zu interessanten Untersuchungen.

 

Offenbar betrachtet die Seele bei Berechnung des Erfolgs eines solchen Würfelns das Werfen jeder einzelnen Seite als gleich wahrscheinlich. Es ist das Wesen des Zweifels, dass er alle einzelnen Fälle, die er einschliesst, völlig gleich macht. Wenn aber eine grössere Zahl von Fällen denselben Erfolg mit sich führen, als die andern, so kommt die Seele öfter auf diese Erfahrung zurück und trifft ihn öfter bei Durchgehung der verschiedenen Möglichkeiten oder Zufälle, von denen das Endergebniss abhängt. Dieses Zusammentreffen mehrerer Erwägungen in demselben Ergebniss erzeugt unmittelbar durch eine unerklärliche Natur-Einrichtung die Wissensart des Glaubens, und giebt diesen Erfolg den Vorzug vor seinem Gegner, der nur von einer geringem Zahl von Erwägungen unterstützt ist, und der Seele sich nicht so oft darbietet. Wenn man zugiebt, dass der Glaube nur eine festere und stärkere Vorstellung eines Gegenstandes in Vergleich mit blossen Erdichtungen der Einbildung ist, so wird dies den hier betrachteten Vorgang erklären. Das wiederholte Eintreten derselben Aussichten oder Einblicke steigert die Vorstellung, giebt ihr eine höhere Stärke und Kraft, macht ihren Einfluss auf Leidenschaften und Erregungen fühlbarer und erzeugt, mit einem Worte, diese Zuversicht oder Gewissheit, welche das Wesen des Glaubens und Dafürhaltens ausmacht.

 

Es verhält sich mit der Wahrscheinlichkeit der Einzelfälle, wie mit dem Zufall. Es giebt Vorgänge, welche in ihrer bestimmten Wirkung völlig gleichförmig und beständig sind, und man kennt kein Beispiel von einem Ausbleiben oder einer Ausnahme bei denselben. Das Feuer hat den Menschen immer verbrannt, und das Wasser immer erstickt. Die Erzeugung der Bewegung durch Stoss und Schwere ist ein allgemeines Gesetz, das bis jetzt keine Ausnahme gestattet hat. Aber es giebt andere Vorgänge, die sich unregelmässiger und unsicherer zeigen; so hat der Rhabarber nicht immer purgirt und das Opium nicht jeden Menschen, der es eingenommen hat, eingeschläfert. Allerdings suchen Philosophen in solchen unregelmässigen Fällen den Grund nicht in der Unregelmässigkeit der Natur, sondern sie nehmen an, dass irgend eine geheime Ursache in der besondern Verbindung der Theile den regelmässigen Vorgang gehemmt hat. Unsere Betrachtungen und Schlüsse bei einem solchen Vorgange werden jedoch durch dieses Prinzip nicht betroffen. Indem man gewöhnt ist, das Vergangene auf das Zukünftige bei allen Schlüssen zu übertragen, so erwartet man da, wo die Vergangenheit ganz regelmässig und gleichförmig gewesen ist, den Erfolg mit der grössten Zuversicht und giebt der entgegengesetzten Annahme keinen Raum. Wo aber verschiedene Wirkungen aus anscheinend genau gleichen Ursachen angetroffen worden sind, da müssen all diese verschiedenen Wirkungen auch der Seele, bei Uebertragung der Vergangenheit auf die Zukunft, vorkommen und in die Betrachtung eintreten, wodurch man die Wahrscheinlichkeit des Ausganges bestimmen will. Obgleich man den, der am häufigsten befunden worden, den Vorzug giebt, und an das Eintreten dieser Wirkung glaubt, so kann man doch die andern Wirkungen nicht übersehen und muss jeder nach Verhältniss ihres öftern oder seltenern Eintretens ein besonderes Gewicht und Ansehn beilegen. So ist es für alle Länder Europa's wahrscheinlicher, dass im Januar einiger Frost eintritt, als dass den ganzen Monat weiches Wetter anhält; obgleich diese Wahrscheinlichkeit nach Verschiedenheit des Klima's wechselt, und in den nördlichen Ländern sich der Gewissheit nähert. Hier zeigt es sich deutlich, dass man bei Uebertragung der Vergangenheit auf die Zukunft, um die Wirkung einer Ursache zu ermessen, alle verschiedenen Folgen in demselben Verhältniss überträgt, wie sie in der Vergangenheit bemerkt worden sind. Man nimmt z.B. an, dass die eine hundertmal, die andere zehnmal und die dritte nur einmal eingetreten ist. Da eine grosse Zahl von Erwägungen hier auf denselben Erfolg zusammentrifft, so verstärken und befestigen sie ihn in dem Vorstellen, erzeugen die Empfindung, welche man Glauben nennt, und geben ihm den Vorzug vor dem entgegengesetzten Erfolg, der nicht durch eine gleiche Zahl von Erfahrungen unterstützt wird und dem Denken bei der Uebertragung der Vergangenheit auf die Zukunft nicht so oft sich darstellt. Wenn Jemand versuchen will, diese Vorgänge der Seele aus irgend einem der vorhandenen philosophischen Systeme zu erklären, so wird er die Schwierigkeit bemerken. Ich bin für meine Person zufrieden, wenn die gegenwärtigen Andeutungen das Interesse der Philosophen erwecken und sie erkennen lassen, wie mangelhaft alle bisherigen Systeme diese interessante und bedeutende Frage behandelt haben.

 

 

Abtheilung VII. Ueber den Begriff der nothwendigen Verknüpfung.


 


Abschnitt I.

 

Der grosse Vortheil, den die mathematischen Wissenschaften über die moralischen haben, ist, dass die Vorstellungen der ersten wahrnehmbar und deshalb immer klar und deutlich sind; deshalb wird der kleinste Unterschied bei ihnen sofort bemerkt, und dieselben Worte bezeichnen immer dieselben Vorstellungen, ohne Zweideutigkeit oder Schwanken. Ein Oval verwechselt man nie mit einem Kreise, und eine Hyperbel nicht mit einer Ellipse. Das gleichseitige und ungleichseitige Dreieck sind durch Grenzbestimmungen getrennt, schärfer, als die zwischen Laster und Tugend, Recht und Unrecht. Wenn ein Ausdruck in der Geometrie erklärt ist, so setzt die Seele leicht und von selbst in jedem Falle die Vorstellung an Stelle des erklärten Wortes. Und selbst da, wo man keine Erklärung anwendet, kann der Gegenstand wahrnehmbar und dadurch fest und klar erfassbar gemacht werden.

 

Aber die feinern Empfindungen der Seele, die Vorgänge im Denken, die mannichfachen Erregungen der Gefühle entgehn uns, trotz ihres wirklichen Unterschiedes, leicht, wenn sie innerlich betrachtet werden; auch können wir hier den ursprünglichen Gegenstand nicht herbeischaffen, wenn die Veranlassung zu seiner Betrachtung vorhanden ist. Deshalb sind solche Erörterungen nach und nach zweideutig geworden; ähnliche Gegenstände werden leicht als gleiche behandelt, und die Schlüsse entfernen sich oft weit von ihren Vordersätzen.

 

Indess kann man dreist behaupten, dass bei genauer Betrachtung die Vortheile und Nachtheile dieser Wissenschaften sich ausgleichen und beide einander gleich stellen. Wenn die Seele die geometrischen Begriffe leichter klar und deutlich erfasst, so muss sie doch eine längere und verwickeltere Kette von Schlüssen ziehn und sehr entfernte Begriffe mit einander vergleichen, um die tiefern Wahrheiten dieser Wissenschaft zu erfassen. Wenn dagegen Moralbegriffe ohne grosse Sorgfalt dunkel und verworren bleiben, so sind doch hier die Folgerungen immer kürzer, und die Mittelsätze, welche zu jenen Schlusssätzen führen, nicht so zahlreich als in den Wissenschaften, welche die Grösse und die Zahl behandeln. In der That giebt es bei Euklid keinen noch so einfachen Lehrsatz, der nicht aus mehr Gliedern bestände, als irgend ein moralischer Satz, mit Ausnahme von Hirngespinnsten und Täuschungen. Wo man nur weniger Mittelsätze für Gewinnung der Prinzipien bedarf, kann man mit dem Fortschritt zufrieden sein, wenn man erwägt, wie bald die Natur einen Schlagbaum vor alle unsere Untersuchungen von Ursachen zieht und uns zum Anerkenntniss unserer Unwissenheit nöthigt. Das Haupthinderniss des Fortschrittes in moralischen und metaphysischen Wissenschaften liegt deshalb in der Dunkelheit der Begriffe und Zweideutigkeit der Worte. Die Hauptschwierigkeit bei der Mathematik liegt dagegen in der Länge der Folgerungen und dem Umfange der Vorstellungen, deren man zum Beweise bedarf. Unser Fortschritt in der Naturwissenschaft ist vielleicht durch den Mangel besonderer Versuche und Erscheinungen gehindert, welche meist zufällig entdeckt werden und selbst durch die emsigste und vorsichtigste Untersuchung dann nicht angetroffen werden, wenn man sie braucht. Da die moralischen Wissenschaften bisher weniger vorgeschritten sind, als Mathematik und Physik, so erhellt, dass, wenn letztere Wissenschaften in dieser Beziehung sich unterscheiden, die Schwierigkeiten, welche sich dem Fortschritt der erstern entgegenstellen, grössere Sorgfalt und...

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