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E-Book

Unterwegs sein ist mein Leben

Geschichten aus aller Welt

AutorCarmen Rohrbach
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783492960519
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
»In der ganzen Welt bin ich zu Hause, und Bayern ist mein Basislager.« Carmen Rohrbach hat unzählige Länder bereist, meist zu Fuß, oftmals begleitet von Kamelen, Eseln oder Pferden. Stets pflegt sie die Sprachen der bereisten Länder zu lernen, um mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen. Mit Adlerjägern im Altai- Gebirge, Sherpas im Himalaja und Bauern in der Eifel. Carmen Rohrbach reist mit unbändiger Neugier, aber nie ohne Respekt vor dem Fremden; furchtlos, aber ohne Leichtsinn. Mit ihren schönsten Geschichten von unterwegs lässt Carmen Rohrbach ferne und nahe Welten in ihrer faszinierenden Vielfalt aufleuchten.

Carmen Rohrbach, geboren in Bischofswerda, ist Entdeckerin aus Leidenschaft. Sie studierte Biologie in Greifswald und Leipzig und schloss mit der Promotion in München ab. Ihre Reisen führten sie unter anderem nach Südamerika, Afrika, Asien und Arabien, auf dem Jakobsweg durch Frankreich und Spanien und entlang der Isar durch Österreich und Bayern, stets auf der Suche nach intensiven Begegnungen und Naturerlebnissen. Heute ist sie eine der beliebtesten Reiseschriftstellerinnen Deutschlands, dreht Dokumentarfilme, schreibt für Zeitschriften und hält Vorträge über ihre Reisen. Mit ihren persönlich geschriebenen Reiseberichten hat sie sich inzwischen eine große Fangemeinde erworben. Bei Malik und National Geographic Malik erschienen mehr als zwanzig Bücher von Carmen Rohrbach, darunter der Spiegel-Bestseller »Unterwegs sein ist mein Leben«.

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Leseprobe

GRIECHENLAND

Klöster, die im Himmel schweben

Die Felsen von Meteora waren in Deutschland nahezu unbekannt, als ich an Ostern im Jahr 1978 dorthin reiste. Kletterfreunde aus München, die diese bizarre Felsenlandschaft erschlossen hatten, luden mich ein, sie zu begleiten. Das Klettern an den bislang unbestiegenen Felswänden war eine spannende Erfahrung und eine ungewöhnliche Herausforderung. Beeindruckt haben mich die Klöster, die auf den Felsgipfeln gebaut wurden, und die einzigartige Pflanzen- und Tierwelt. Ein besonderes Erlebnis war es für mich, die Osterbräuche zusammen mit den Griechen feiern zu dürfen.

Es knistert und glüht im dürren Geäst. Hohe Reisighaufen wurden aufgeschichtet und angezündet. Mit Holzknüppeln schlagen Männer in die Flammen, damit sie nicht zu hoch lodern. Herausleckendes Feuer wird mit Wassergüssen gelöscht. Graue Rauchschwaden schweben über dem kleinen Ort Kastraki und verhüllen die Felskulisse von Meteora. Immer wieder legen die Männer neue Zweige dazu. Es braucht viel Glut, um die Lämmer zu grillen. Balken werden im Geviert gelegt und daran Spieße befestigt, an denen die Osterbraten hängen. Nun beginnt die Hauptarbeit. Drei bis vier Stunden müssen die abgehäuteten Tiere über der glühenden Asche gedreht werden. Jede Familie hat ihren eigenen Bratplatz, an dem die Angehörigen sich beim Drehen des Festschmauses abwechseln.

Der Anblick der aufgespießten Tierkörper erschreckt mich, als würde ich ein archaisches Ritual beobachten, eine kannibalische Opferszene. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich von dem Braten kosten werde; schon der Geruch nach Fett und geschmortem Fleisch verdirbt mir den Appetit. Aber den freundlichen Zurufen der Griechen kann ich mich nicht entziehen. Ich werde eingeladen, beim Drehen mitzuhelfen, und gebe mir Mühe, damit das Osterlamm gleichmäßig goldbraun brät. Zum Lohn schenkt man mir Ouzo ein, den köstlichen Anisschnaps. Die Großmutter trägt einen bis zum Rand mit knallroten Ostereiern gefüllten Korb herbei. Ich soll meine Fähigkeit beim »Kicken« unter Beweis stellen. Sieger wird der, dessen Ei beim Aneinanderschlagen nicht zerbricht. Ringsum frohe Heiterkeit. Die Kofferradios sind auf volle Lautstärke gestellt und dudeln griechische Musik. Und immer wieder Ouzo. Die frische Frühlingsluft, das helle Sonnenlicht, die blühenden Gärten und die fröhlichen Menschen vermischen sich für mich zu einem Erlebnis, das ich für immer mit Griechenland verbinde.

Die Felsen von Meteora, an deren Fuß Kastraki liegt, befinden sich östlich des Pindosgebirges im Nordwesten der Thessalischen Tiefebene. Die höchsten Felsen ragen über 300 Meter empor. Sie bestehen aus Konglomerat, das ist Sandstein, der mit kiesel- bis metergroßen Steinen durchsetzt und fest verbacken ist. Vor etwa 25 Millionen Jahren transportierte ein wilder Bergstrom Massen von Geröll heran und häufte es hier auf. Bei späteren Gebirgsbildungen geriet die Aufschüttung unter Druck und verfestigte sich zu einer einzigen Felsmasse. Durch Spannungen entstanden Bruchlinien, an denen später die Erosion ansetzte. Wasser und Wind zerklüfteten das Gestein und modellierten diese einmalige Felsenlandschaft.

Beim ersten Morgenlicht bin ich unterwegs. Das Dorf Kastraki erwacht gerade. Ältere Frauen in schwarzen Kleidern und mit schwarzen Kopftüchern treten als Erste aus dem Haus. Sie versorgen die Hühner, beladen Esel mit Säcken, Wasserkrügen und Hacken, dann machen sie sich auf zu ihrer Arbeit in den Gärten und auf den Feldern. Die Wege außerhalb der Ortschaft sind gesäumt von blühenden Obstbäumen. Weinfelder dehnen sich über die hügelige Ebene. Aus den knorrigen Wurzelstöcken sprießt schon das frische Laub. Wie eine Fata Morgana liegt Meteora vor mir. Unwirklich ragen die Felsgebilde aus dem Morgendunst. Bodennebel hängt über der Ebene, deshalb scheinen die dunkelgrauen Steinmassen in der Luft zu schweben. Die aufgehende Sonne streift die Felsspitzen, übergießt sie mit goldenem Licht, während sie an ihrer Basis geheimnisvoll in graues Düster getaucht sind.

Ich trete ein in einen steinernen Wald aus gewaltigen Säulen und bizarren Felsnadeln, wandere durch ein Labyrinth enger Schluchten, begrenzt von senkrechten Wänden. Efeuumschlungene alte Eichen krallen sich in den felsigen Boden. Zwischen ihnen murmelt ein Bach. Seine Ufer sind geschmückt mit Anemonen. Die handtellergroßen Blüten leuchten weiß, zartrosa und blutrot bis dunkelviolett. Vogelgezwitscher erfüllt die Luft. Ich erkenne die Lieder von Nachtigall, Zippammer und Mönchsgrasmücke. Einem mit Brombeerranken verwachsenen Pfad folge ich durch den Irrgarten der Felstürme, fühle mich in eine andere Zeit entrückt und kann nachempfinden, warum Eremiten in diese Gegend kamen. Hier konnten sie sich in Stille zurückziehen und ihr Leben Gott weihen.

Ab dem 9. Jahrhundert benutzten Einsiedler die Grotten und Höhlungen in den Felsen als Behausung. Hart und entsagungsvoll muss dieses asketische Dasein gewesen sein. Trotzdem oder gerade deshalb übten die Felsen eine magische Anziehung auf Menschen aus, denen Einsamkeit, Schweigen, Mangel und Entbehrung der Weg zu höchster seelischer Läuterung, Weisheit und ewiger Seligkeit in Gott zu sein schien. Viele verbrachten ihr ganzes Leben in den Felslöchern, die oft gleich Adlerhorsten in luftiger Höhe lagen. Reste verwitterter Leitern, Holzverstrebungen und zerfallene Lagerstätten künden aus dieser Zeit.

Im 12. Jahrhundert begann man mit dem Bau des ersten Klosters, die meisten der damaligen 24 Klöster entstanden im späten 14. Jahrhundert. Die Felsen mit ihren allseits senkrechten Abstürzen wurden von kühnen Mönchen erklommen und dann mit Seilzügen und Strickleitern zugänglich gemacht. Im steinernen Wald von Meteora versuchten sie, einen »Gottesstaat« zu errichten. Damals entstand auch der Name Meteora, »Das im Himmel Schwebende«. Als Gründer und Initiator gilt der heilige Athanasios, der im Jahr 1334 vom heiligen Berg Athos nach Meteora kam. Er gründete das Kloster Metamórphosis und legte die Klosterregeln fest. Nach seinem Tod wurde er seliggesprochen. Trotz der Eroberung durch die Türken konnten die Klöster während der osmanischen Herrschaft mittels Tributzahlungen zunächst weiterexistieren.

Im 17. Jahrhundert setzte der Niedergang der Klöster ein, obwohl sie reich geworden waren. Ausgedehnte Ländereien gehörten den Mönchen, die Bauern mussten hohe Abgaben entrichten. Doch mit dem Reichtum entstanden Neid und Missgunst zwischen den einzelnen Konventen. Sie stritten sich um die fruchtbaren Felder in der Ebene. Kleinere Klöster verfielen, größere übernahmen deren Besitz, wobei neue Zwietracht entstand. Das harte Regiment des Despoten Ali Pascha, der immer höhere Geldforderungen stellte, trug letztlich zum Ruin fast aller Klöster bei.

Von den ehemals 24 Klöstern sind vier als Ruinen zu sehen, drei sind noch intakt und von Mönchen, eines von Nonnen bewohnt. Noch bis in unser Jahrhundert waren sie nahezu unbezwingbar. Strickleitern, die bei Gefahr eingezogen werden konnten, und Seilwinden mit Tragkörben ermöglichten nur dem willkommenen Besucher den Zutritt. Die moderne Zeit drang jedoch auch in diese abgeschiedene Welt ein. Eine asphaltierte Straße führt nun bis zu den Felsen, und über neu erbaute Brücken und Treppen können die Klöster bequem und gefahrlos besichtigt werden.

Das Konglomeratgestein ist hart und eignet sich besonders gut zum Klettern. Große und kleine Kiesel ragen aus der Wand heraus. Sie sind fest im Gestein verankert, als wären sie einzementiert. An ihnen kann man sich immer höher hangeln, indem man sie als Griffe und Tritte benutzt. Schwierig aber ist die Sicherung, denn es gibt kaum Nischen, Löcher, Vertiefungen, in denen man Schlingen oder Keile befestigen könnte. Deshalb müssen Löcher geschlagen und darin Ringe und Haken einbetoniert werden. Entsprechend lange dauert es, bis unsere Seilschaft den Gipfel erreicht. Dort erwartet mich ein Blütenmeer. Im Frühling sind die sonst kahlen Felsgipfel von Blumen und Gräsern bedeckt. Anemonen, Orchideen, Lilien, Hyazinthen und Affodill mit seinen meterhohen weißen Blütendolden gedeihen hier oben geschützt vor hungrigen Schafen und Ziegen.

Vom Gipfel des Doupianifelsen blicke ich hinüber zum Pindosgebirge mit seinen noch schneebedeckten Hängen. Vom Dorf dringt ab und zu der Ruf eines Esels bis auf meine Höhe. Die sanft geschwungenen Hügel um Kastraki sind mit hellen Punkten weidender Schafe gesprenkelt. Die Wasser des Flusses, der in seinem weiten Kiesbett ungestört mäandriert, leuchten herauf. Beim Blick zum Himmel entdecke ich Schmutzgeier, die über den Felsen kreisen. Trotz ihres abschreckenden Namens sind es schöne Vögel mit blendend weißen Federn, eidottergelber Kopfhaube und schwarzer Flügelzeichnung.

Aber man muss nicht unbedingt klettern können, um solche Ausblicke zu genießen. Auch wandernd kann man sich Meteora erschließen. Zahlreiche Steige und schmale Pfade durchqueren und kreuzen das Felsrevier. Bewachsen sind die Schluchten mit immergrüner Macchia aus Stechpalme, Mäusedorn und Ginster.

In den Dörfern scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Das Leben verläuft in friedvoller Stille und einfacher Genügsamkeit. Während Kastraki sich eng an die dunkelgrauen, gewaltigen Felstürme schmiegt, als wolle es unter ihnen Schutz suchen, liegt Kalambaka in der Ebene vor der Felskulisse. Der Name des Landstädtchens mit seinen kaum 8000 Einwohnern ist türkischen Ursprungs und bedeutet »Schwarze Burg«. Den Türken müssen die Felsen wie eine drohende, uneinnehmbare Festung erschienen sein.

In Kalambaka ist jeden Freitag Markt. Die Bewohner der umliegenden...

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