Sie sind hier
E-Book

Ver- und Entschlüsselungsmethoden im Ersten Weltkrieg. Kryptografieeinsatz an der Westfront und in der Nordsee

AutorAndrea Benesch
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl161 Seiten
ISBN9783668109193
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2015 im Fachbereich Geschichte Europa - and. Länder - Zeitalter Weltkriege, Note: 2,1, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Sprache: Deutsch, Abstract: Diese Arbeit setzt sich mit der Leitfrage auseinander, wie sich die Ver- und Entschlüsselungsmethoden an der Westfront und in der Nordsee entwickelten. War es eine kontinuierliche Entwicklung? Gab es Wendepunkte oder Zäsuren? Was für eine Rolle nahm die Verschlüsselung im Ersten Weltkrieg ein? Zunächst wird die Situation zu Kriegsbeginn dargestellt. Anschließend gilt es, sich dem ersten Kriegsschauplatz zuzuwenden: der Westfront. Verschiedene exemplarische Verschlüsselungsmethoden werden vorgestellt, ebenso wie deren Entschlüsselung. Die britische Royal Army wird ebenso behandelt wie das Engagement der amerikanischen Truppen hinsichtlich der 'Trench Codes'. Den Schluss des Kapitels bildet der sogenannte deutsche 'Abhorchdienst'. Darauf folgt der zweite Kriegsschauplatz, die Nordsee. Zuerst wird der Aufbau des britischen Entzifferungsdienstes, Room 40, dargestellt. Anschließend geht es um die Codebücher der 'Magdeburg', welche zwar in der Ostsee in feindliche Hände fielen, jedoch den Briten in der Nordsee zu großen Entschlüsselungserfolgen verhalfen. Selbstverständlich gab es auch einen deutschen E-Dienst. Dieser hatte seinen Ursprung in einer Heereseinheit der 6. (Bayerischen) Armee, die Marine-Funksprüche entschlüsselte. Später war der Marine-Entzifferungsdienst in Neumünster stationiert. Zum Schluss des Kapitels stehen beispielhaft die Gefechte auf der Doggerbank und im Skagerrak für die Auswirkungen von Ver- und Entschlüsselungserfolgen, respektive Misserfolgen, auf den Verlauf einer Seeschlacht. Anschließend gilt es, die Entwicklung der Ver- und Entschlüsselungsmethoden an der Westfront und in der Nordsee miteinander zu vergleichen. Schließlich werden die Ergebnisse dieser Untersuchungen im Fazit zusammengeführt.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

4. Nordsee


 

Der Krieg in der Nordsee begann für das Deutsche Kaiserreich bereits am Morgen des 5. August 1914, als das britische Schiff ‚Telconia‘ die deutschen Transatlantik-kabel kappte.[341]

Für die Kryptographie-Geschichte ist die Nordsee folglich aus zweierlei Gründen sehr interessant. Zum einen als Raum in dem verschlüsselte Botschaften verschickt wurden und zum anderen, da die wichtigen Überseekabel auf dem Grund der Nordsee verliefen. Dadurch konnten auch nicht maritime Nachrichten zur Beute für potenzielle Entschlüssler werden, wie folgender Vorfall eindrucksvoll zeigt: Wie bereits erwähnt, galt der amerikanische ‚War Department Telegraph Code 1915‘ als unsicher. Dieser Eindruck wurde durch eine Nachricht von der britischen Regierung im Juli 1917 noch zusätzlich verstärkt, da jene nachdrücklich darauf hinwies, dass „the Germans were intercepting all messages which passed trough the cables“, damit sind die Unterwasserkabel gemeint.[344] Yardley führt weiter aus:

 

Noch im Jahr 1917 kappten auch die Deutschen diverse Unterwasserkabel, darunter die Kabel Fanö-Calais zwischen Dänemark und Frankreich, die englischen Kabel Söndervig-Newbiggin und ein englisch-holländisches Kabel.[346]

 

Bei Kriegsausbruch besaß die kaiserliche Marine nicht nur keinen Entschlüsselungsdienst, sondern auch niemanden, der die eigenen Systeme auf Herz und Nieren prüfte. Im Gegenteil: Es erfolgte ein ausdrückliches Verbot, ähnlich wie bei der Armee, sich mit der Entschlüsselung von Funksprüchen zu befassen; sogar die Beschäftigung mit eigenen Sprüchen war verboten.[347] Bonatz liefert zu dieser, aus heutiger Sicht unfassbaren Anordnung ein durchaus tragisch komisches Beispiel:

Demnach wurden also selbst eindeutige Hinweise auf mangelnde Funksicherheit ignoriert. Der sogenannte Bord-B-Dienst müsste demnach dem Verbot als Widerspruch gegenüberstehen, allerdings war dieser kein Entschlüsselungsdienst:

 Es wurde keine Entschlüsselung betrieben, sondern lediglich eine Art „Funkbetriebsauswertung“, das heißt, es galt die Zahl der feindlichen Funksprüche, sowie deren Umfang, verwendete „Funknamen, Dringlichkeitszeichen, [und] Wellen“ zu notieren.[350] Darüber hinaus sollte die Entfernung vom Sender, oft nur nach Gehör, geschätzt werden. Dadurch kam es zu vielen falschen Meldungen mit teilweise fatalen Konsequenzen. Abgesehen davon störte der Bord-B-Dienst den feindlichen Funkverkehr und beobachtete, ob dennoch Funksprüche durchkamen. Gleichzeitig überwachte man, ob der Gegner Störfunk verwendete und wenn ja, ob die eigenen Sprüche dennoch ankamen.[351] Da die Funksprüche des Gegners weder entschlüsselt noch auf inhaltlicher Ebene analysiert, sondern lediglich beobachtet wurden, war der Bord-B-Dienst demnach also kein Entschlüsselungsdienst.

 

 

Doch in Kampfsituationen erwiesen sich gerade diese traditionellen optischen Signalmittel als untauglich, wie es im weiteren Verlauf zu zeigen gilt. Die modernen Geschütze sorgten oftmals für sehr dichten Nebel und Rauch, wodurch optische Signalmittel schlicht nicht ausgemacht werden konnten. Der Funkverkehr war in vielen Fällen das einzige Kommunikationsmittel. Aber auch dieses hatte seine Schwächen mit teils verhängnisvollen Folgen. Doch dazu erst an späterer Stelle mehr.[353]

 

Als Alternativen wurden den Militärs immer wieder neu erfundene Chiffren[354] bis hin zu Chiffriermaschinen[355] angeboten, darunter sogar eine Chiffrier-Uhr.[356] Aber auch Militärangehörige selbst entwickelten, teils aus der Not heraus, neue Verschlüsselungsmethoden, darunter zum Beispiel der Schlüssel ,Minu‘, der den Minensuchverbänden die Übermittlung ihrer Ergebnisse via Fernschreibverkehr erleichtern sollte und letztlich sogar von der Marine übernommen wurde.[357]

 

Die Kriegsgegner in der Nordsee waren das Deutsche Kaiserreich und das Vereinigte Königreich, die beide erst im Verlauf des Konflikts einen Entschlüsselungs-dienst einrichteten. Die Verschlüsselungsmethoden waren in der Nordsee grundsätzlich anders als an der Westfront. Hier wurden ausschließlich Codebücher verwendet, manche davon zusätzlich überschlüsselt. Die Entwicklung der Entschlüsselungsmethoden auf diesem Kriegsschauplatz gilt es nun zu veranschaulichen.

 

4.1 Die Einrichtung von Room 40


 

Die britische Royal Navy besaß bei Kriegsausbruch mit Stockton genau eine Station die in der Lage war, feindliche Nachrichten mitzuhören. Diese Station übermittelte die verschlüsselten deutschen Funksprüche immer wieder an den „Director of the Intelligence Division (DID)“, Henry F. Oliver.[358] Schließlich kam ihm bei einem gemeinsamen Essen eine zündende Idee und er fragte den „Director of Naval Education (DNE)“, Sir Alfred Ewing, ob er Interesse daran hätte eine Entschlüsselungseinheit aufzubauen.[359] Ewing, der sich schon länger mit Chiffren beschäftigte, wenn auch nicht professionell, war sofort einverstanden.[360]

 

Es stellte sich jedoch bald heraus, dass die Aufgabe von einem Mann allein nicht bewältigt werden konnte, woraufhin Ewing Mitarbeiter an den „naval colleges at Dartmouth and Osborne“ suchte und es schaffte vier Dozenten, die gerade Semesterferien hatten, zu verpflichten.[361] Leider hatte keiner der nun insgesamt fünf Männer Erfahrung mit Kryptanalyse.[362] Sie arbeiteten zunächst in Ewings Büro, doch schon bald war dieses zu klein, also zog die Gruppe „to Room 40 in the Old Buildings of the Admiralty”.[363] Die als „I.D. 25 (section of the Intelligence Division)” geführte Einheit ist unter dem Namen ihres Büros bekannt: „Room 40, O.B.“ oder schlicht „Room 40“.[364]

 

Bonatz hält fest, dass die Arbeit der englischen Funkaufklärung der Deutschen in vielen Bereichen glich.

Die kaiserliche Marine nutzte bei Kriegsbeginn hauptsächlich drei verschiedene Codebücher; bereits nach vier Monaten Krieg besaß Room 40 alle drei. Das erste fiel am 11. August in britische Hände als das deutsch-australische Handelsschiff ‚Hobart‘ in Australien interniert wurde. Anscheinend wusste keiner an Bord vom Kriegsausbruch, jedenfalls kam niemand auf die Idee, die Geheimsachen zu vernichten und so geriet das HVB, das Handelsverkehrsbuch, das für die Kommunikation zwischen Admiralstab und Handelsschiffen benutzt wurde, in feindliche Hände.[366] Allerdings dauerte es bis Ende Oktober, bis das HVB schließlich in London eintraf. Zu diesem Zeitpunkt besaß Room 40 bereits das noch wichtigere Signalbuch der Kaiserlichen Marine, das SKM.[367] Wie es in deren Besitz kam, soll an späterer Stelle aufgezeigt werden.

 

Das dritte und letzte Codebuch erhielt Room 40 durch einen glücklichen Zufall. Ein Fischerboot fischte am 30. November die geheimen Dokumente des zuvor gesunkenen deutschen Torpedobootes ‚S 119‘ aus dem Wasser. Die Papiere waren zuvor vorschriftsgemäß in einer Metallkiste über Bord geworfen worden. Teil dieses Funds war das VB, das Verkehrsbuch, das „eigentlich nur für Militärattachés und höhere Stäbe bestimmt war.“[368] Durch den Besitz aller drei Marine Codebücher war Room 40 bereits im Dezember 1914 in der Lage, sämtliche gefunkten Nachrichten, die mittels dieser Codebücher verschlüsselt worden waren, zu lesen.[369] Doch von diesen drei Büchern gilt das Signalbuch als das Wertvollste. „Es wird bis zum Kriegsende täglich benutzt und hilft den Gegnern Deutschlands wesentlich, den Krieg zu gewinnen.“[370]

 

Allerdings stellte sich durch den Besitz der Codebücher kein sofortiger Erfolg ein. Die ersten entschlüsselten Nachrichten waren lediglich Wetterberichte und von geringem Wert, die große Mehrheit der verschlüsselten Botschaften konnte trotz der Codebücher noch immer nicht gelesen werden. Paymaster-Commander Rotter gelang es schließlich den Grund dafür herauszufinden: Die wichtigeren Nachrichten waren überschlüsselt. Es handelte sich dabei um eine simple Cäsar-Verschlüsselung.[371]

 

Erste Entschlüsselungserfolge machten sich bald bemerkbar und führten unter anderem zum Gefecht auf der Doggerbank.[372] Doch es wurden auch viele Fehler gemacht. Room 40 war unterbesetzt und bis auf Commander Herbert Hope und Paymaster-Commander C. J. E. Rotter hatten sie keine Mitarbeiter, die sich mit der deutschen Marine-Sprache auskannten.[373] Selbst wenn keine offensichtlichen Fehler gemacht wurden, gab es...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Sonstiges - Geschichte

Der Fluch des neuen Jahrtausends

E-Book Der Fluch des neuen Jahrtausends
Eine Bilanz Format: ePUB/PDF

Als Peter Scholl-Latour in einer Kolumne den 'Steinzeit-Islam' der Taliban anklagte und die CIA beschuldigte, diesen menschenverachtenden 'Horden' die Herrschaft über Afghanistan zugesprochen zu…

Der Fluch des neuen Jahrtausends

E-Book Der Fluch des neuen Jahrtausends
Eine Bilanz Format: ePUB/PDF

Als Peter Scholl-Latour in einer Kolumne den 'Steinzeit-Islam' der Taliban anklagte und die CIA beschuldigte, diesen menschenverachtenden 'Horden' die Herrschaft über Afghanistan zugesprochen zu…

Der Fluch des neuen Jahrtausends

E-Book Der Fluch des neuen Jahrtausends
Eine Bilanz Format: ePUB/PDF

Als Peter Scholl-Latour in einer Kolumne den 'Steinzeit-Islam' der Taliban anklagte und die CIA beschuldigte, diesen menschenverachtenden 'Horden' die Herrschaft über Afghanistan zugesprochen zu…

Der Fluch des neuen Jahrtausends

E-Book Der Fluch des neuen Jahrtausends
Eine Bilanz Format: ePUB/PDF

Als Peter Scholl-Latour in einer Kolumne den 'Steinzeit-Islam' der Taliban anklagte und die CIA beschuldigte, diesen menschenverachtenden 'Horden' die Herrschaft über Afghanistan zugesprochen zu…

Der Fluch des neuen Jahrtausends

E-Book Der Fluch des neuen Jahrtausends
Eine Bilanz Format: ePUB/PDF

Als Peter Scholl-Latour in einer Kolumne den 'Steinzeit-Islam' der Taliban anklagte und die CIA beschuldigte, diesen menschenverachtenden 'Horden' die Herrschaft über Afghanistan zugesprochen zu…

Drei Mal Stunde Null?

E-Book Drei Mal Stunde Null?
1949 - 1969 - 1989 Format: ePUB/PDF

1949 entstanden aus dem Deutschen Reich zwei Republiken. Der tiefste Einschnitt in unserer Geschichte führte uns hart an eine Stunde Null. Für vier Jahrzehnte war die Teilung Deutschlands und Europas…

Drei Mal Stunde Null?

E-Book Drei Mal Stunde Null?
1949 - 1969 - 1989 Format: ePUB/PDF

1949 entstanden aus dem Deutschen Reich zwei Republiken. Der tiefste Einschnitt in unserer Geschichte führte uns hart an eine Stunde Null. Für vier Jahrzehnte war die Teilung Deutschlands und Europas…

Drei Mal Stunde Null?

E-Book Drei Mal Stunde Null?
1949 - 1969 - 1989 Format: ePUB/PDF

1949 entstanden aus dem Deutschen Reich zwei Republiken. Der tiefste Einschnitt in unserer Geschichte führte uns hart an eine Stunde Null. Für vier Jahrzehnte war die Teilung Deutschlands und Europas…

Der Gral

E-Book Der Gral
Mythos und Literatur (Reclam Literaturstudium) Format: PDF

Der Gral ist der faszinierendste, fruchtbarste der aus dem Mittelalter überkommenen Mythen. Sein Ursprung verliert sich im Dunkel der keltischen Vorzeit, was folgte, war eine jahrhundertlange…

Der Gral

E-Book Der Gral
Mythos und Literatur (Reclam Literaturstudium) Format: PDF

Der Gral ist der faszinierendste, fruchtbarste der aus dem Mittelalter überkommenen Mythen. Sein Ursprung verliert sich im Dunkel der keltischen Vorzeit, was folgte, war eine jahrhundertlange…

Weitere Zeitschriften

Arzneimittel Zeitung

Arzneimittel Zeitung

Die Arneimittel Zeitung ist die Zeitung für Entscheider und Mitarbeiter in der Pharmabranche. Sie informiert branchenspezifisch über Gesundheits- und Arzneimittelpolitik, über Unternehmen und ...

Augenblick mal

Augenblick mal

Die Zeitschrift mit den guten Nachrichten "Augenblick mal" ist eine Zeitschrift, die in aktuellen Berichten, Interviews und Reportagen die biblische Botschaft und den christlichen Glauben ...

Baumarkt

Baumarkt

Baumarkt enthält eine ausführliche jährliche Konjunkturanalyse des deutschen Baumarktes und stellt die wichtigsten Ergebnisse des abgelaufenen Baujahres in vielen Zahlen und Fakten zusammen. Auf ...

Burgen und Schlösser

Burgen und Schlösser

aktuelle Berichte zum Thema Burgen, Schlösser, Wehrbauten, Forschungsergebnisse zur Bau- und Kunstgeschichte, Denkmalpflege und Denkmalschutz Seit ihrer Gründung 1899 gibt die Deutsche ...

Das Grundeigentum

Das Grundeigentum

Das Grundeigentum - Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft. Für jeden, der sich gründlich und aktuell informieren will. Zu allen Fragen rund um die Immobilie. Mit ...

DGIP-intern

DGIP-intern

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Individualpsychologie e.V. (DGIP) für ihre Mitglieder Die Mitglieder der DGIP erhalten viermal jährlich das Mitteilungsblatt „DGIP-intern“ ...

FileMaker Magazin

FileMaker Magazin

Das unabhängige Magazin für Anwender und Entwickler, die mit dem Datenbankprogramm Claris FileMaker Pro arbeiten. In jeder Ausgabe finden Sie von kompletten Lösungsschritten bis zu ...