Die elektronische Rechnung für sich genommen erzielt bei den beteiligten Parteien bereits eine große Zeit- und Kostenersparnis, welche unter anderem im Wegfall der Medienbrüche zu sehen ist. Darüber hinaus können Fehleingaben vermieden werden, die bei der manuellen Übernahme der Rechnungsdaten entstehen können. Um den Prozess der Rechnungseingangsbearbeitung jedoch noch weiter zu vereinfachen bzw. zu automatisieren, müssen sämtliche Prozessschritte, die noch ein Papierstück (bzw. einen Ausdruck) erfordern, durch den Einsatz von IT unterstützt werden.
Dieses Kapitel zeigt, wie man den Prozess der elektronischen Rechnungseingangsbearbeitung weiter vereinfachen kann. Es richtet sich speziell an Behörden, die bereits ein ERP-System im Einsatz haben und einen Großteil der Arbeitsschritte, die im Zusammenhang mit der Rechnungseingangsbearbeitung anfallen, noch immer papierbasiert durchführen. Ziel ist es, einen durchgängigen, IT-unterstützten Prozess zu entwickeln.
Aus Gründen der Komplexität des Themas und der überaus großen Tragweite für die gesamte Behörde sieht diese Handlungsempfehlung eine Umsetzung in Projektform vor. Da die Projektplanung und der Projektaufbau für jede Behörde individuell erfolgen müssen, beschränkt sich dieses Kapitel nur auf die beispielhafte Beschreibung der wesentlichsten Punkte des Projektmanagements.
Im Rahmen einer Ist-Analyse soll der aktuelle Stand des Prozesses erfasst werden. Dieser ist Voraussetzung für eine Identifizierung von Schwachstellen.
Um einen möglichst umfassenden Blick auf den Prozess zu erlangen, müssen bei der Modellierung verschiedene Aspekte berücksichtigt werden. Im Fall der Rechnungseingangsbearbeitung sollen nachfolgend die Daten-, die Funktions- und die Organisationssicht genauer beschrieben werden. Das Zusammenführen dieser Sichten erfolgt in der Steuerungssicht.[83] Für diese Zwecke wird die ereignisgesteuerte Prozesskette verwendet. Mit ihr ist die Prozessbeschreibung auch für einen Außenstehenden leicht nachvollziehbar, da der logische und zeitliche Ablauf des Prozesses bei dieser Betrachtungsweise eindeutig ist. Eine Prozessbeschreibung im Fließtext wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
Erst wenn diese Informationen vollständig vorliegen, kann mit einer systematischen Untersuchung des Prozesses auf Schwachstellen und Verbesserungsmöglichkeiten begonnen werden.
Um ein besseres Verständnis für den Prozess der Rechnungseingangsbearbeitung zu erlangen, findet zunächst eine grobe Einordnung auf der Prozesslandkarte der Behörde statt. Anhand der Prozesslandkarte, welche in Abbildung 14 als Wertschöpfungskettendiagramm dargestellt ist, kann man sich einen schnellen Überblick über sämtliche in der Behörde typischerweise anfallenden Prozesse verschaffen.
Hierbei unterscheidet man grundsätzlich zwischen Management-, Kern- und Unterstützungsprozessen.[84] Die Managementprozesse enthalten alle Vorgänge, welche in unmittelbarem Zusammenhang mit der Planung, Kontrolle und der Steuerung der Behörde stehen. Der Kernprozess hingegen umfasst alle Tätigkeiten, die der Wertschöpfung dienen. Er wird durch die Unterstützungsprozesse unterstützt.[85]
Abbildung 14 – Prozesslandkarte
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Bei der Finanzbuchhaltung handelt es sich um einen klassischen Unterstützungsprozess, dessen wesentlicher Bestandteil die Kreditorenbuchhaltung ist. Hier findet sich auch der Prozess der Rechnungseingangsbearbeitung wieder. Dieser wird in Abbildung 15 grafisch dargestellt.
Abbildung 15 - Ist-Prozess
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Für die Modellierung des Ist- und des Soll-Prozesses wird die Software ARIS Express von der Software AG verwendet.
Exemplarische Darstellung: Die Verwaltung XY verfügt über ein hohes Rechnungsaufkommen. Der überwiegende Teil der Rechnungen geht in Papierform ein. Die Bearbeitung und der Genehmigungslauf einer Rechnung erfolgt noch größtenteils papierbasiert und muss daher manuell abgearbeitet werden. Lediglich für eine Verbuchung der Rechnungen wird ein Finanzbuchhaltungsmodul eines ERP verwendet.
Aufgrund mangelnder Transparenz kann der Bearbeitungsstand einer Eingangsrechnung nur sehr schwer nachvollzogen werden. Will ein Mitarbeiter oder ein Rechnungssteller wissen, bei welchem Kollegen sich die Rechnung aktuell befindet oder wieso (noch) kein Geld überwiesen wurde, bleibt oftmals nur der Griff zum Telefon. Ebenso kommt es gelegentlich vor, dass Rechnungen abhandenkommen.
Manche Rechnungssteller versenden vorab eine Kopie der Papierrechnung im PDFFormat, sodass eine Parallelität von Papier- und digitaler Rechnung entstehen kann. Das kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass aufgrund der damit einhergehenden Unübersichtlichkeit im Prozess Rechnungen mehrmals bezahlt werden. Der klassische papiergebundene Prozess erfordert folglich ein hohes Maß an Kommunikation und Koordination.
Die Übertragung von Rechnungsdaten, welche eine Folge des vorliegenden Medienbruchs darstellt, ist nicht nur zeitintensiv, sondern auch sehr fehleranfällig, da diese monotone Arbeit dem Mitarbeiter eine hohe Konzentration abverlangt. Die Bereinigung von Übertragungsfehlern kann je nach Einzelfall viel Zeit in Anspruch nehmen. Schafft es ein Fehler, bis zur Anordnung unentdeckt zu bleiben, so kann es vorkommen, dass das Geld nicht den richtigen Empfänger erreicht. Darüber hinaus kann eine lange Bearbeitungsdauer die Behörde daran hindern, Rechnungen innerhalb des Zahlungsziels anzuweisen. Dies zwingt sie dazu, teure Lieferantenkredite in Kauf zu nehmen, da die Skontofrist häufig schon abgelaufen ist. Kann auch das Zahlungsziel ohne Abzug nicht eingehalten werden, so wäre eine Mahnung - mit den damit verbundenen Kosten - die Folge.
Ein weiteres Manko im papierbasierten Workflow ist in der zu hinterfragenden Fertigung von Rechnungskopien zu sehen. Nach einer aktuellen Studie, welche von Bruno Koch herausgegeben wurde, existieren in einer Behörde durchschnittlich sechs Kopien einer einzigen Rechnung, die dezentral an verschiedenen Stellen aufbewahrt werden.[88] Diese Kopien verursachen nicht nur Kosten, die in direktem Zusammenhang mit der Erstellung stehen. Denn für die dezentrale Archivierung der einzelnen Kopien wird in Summe viel Büroraum benötigt. Darüber hinaus können neben den „verdeckten" Lagerkosten Rechnungskopien, die an unterschiedlichen Stellen im Prozess vorgehalten werden, zu Verwirrung führen. Sollte sich in einem nachgelagerten Prozessschritt herausstellen, dass beispielsweise eine Rechnung sachlich und/oder rechnerisch nicht korrekt ist, so wird häufig die vorgelagerte Instanz davon nicht in Kenntnis gesetzt. Die Rechnungskopie existiert weiterhin und der Mitarbeiter geht davon aus, dass es zur Auszahlung gekommen ist.
Da neben der Auftragserteilung auch die Originalrechnung Bestandteil der zahlungsbegründenden Unterlagen ist, müssen diese im Archiv beispielsweise für Zwecke der Innenrevision schnell aufzufinden sein. Die Recherche im Papierarchiv kann je nach Einzelfall sehr viel Zeit in Anspruch nehmen.
Zusammengefasst lassen sich aus dieser Beschreibung folgende Ziele für das Projekt zur Vereinfachung der Rechnungseingangsbearbeitung ableiten:
Beschleunigung des Rechnungseingangsbearbeitungsprozesses
Vermeidung von Post- und Botenwegen
(teilweise) Automatisierung der anfallenden Bearbeitungsschritte
Abbau der redundanten Datenhaltung zur Schaffung einer einheitlichen Datenbasis
Reduzierung von Archiv- und Raumkosten
Schnelle Zugänglichkeit der Rechnungen für alle zugriffsberechtigten Mitarbeiter
Schaffung von Transparenz hinsichtlich des Bearbeitungsstands einer Rechnung etc. für alle am Prozess beteiligten Mitarbeiter
Einheitlicher bzw. standardisierter Rechnungseingang
Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit.
Ausgehend von den Ergebnissen der Schwachstellenanalyse würde es sich unter Verwendung der elektronischen Rechnung anbieten, die Vorgangsbearbeitung vollständig elektronisch zu unterstützen. Bei der Rechnungseingangsbearbeitung handelt es sich um einen wiederkehrenden Arbeitsprozess, der stets nach einem einheitlichen Schema abgearbeitet werden kann. Zentrales Element der Bearbeitung ist, wie auch im papiergebundenen Prozess, ein Dokument: die Rechnung.
„Ziel der IT-Unterstützung der Vorgangsbearbeitung ist es, die arbeitsteilige, räumlich- und zeitversetzte, kooperative Bearbeitung der Vorgänge einschließlich der dazu erforderlichen Kommunikation, Koordination sowie die gemeinsame Ablage, den Zugriff und die Nutzung der Informationen zu unterstützen."[89]...