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Verflixt und zugenäht! - Die Nähmaschine als Lerngegenstand der technischen Elementarbildung

Die Nähmaschine als Lerngegenstand der technischen Elementarbildung

AutorThordis Seiffert-Hansen
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl71 Seiten
ISBN9783640292646
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2002 im Fachbereich Didaktik - Sachunterricht, Heimatkunde, Note: 1,0, Universität Kassel, 45 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: In dieser Arbeit wird zunächst die technische Elementarbildung im Sachunterricht erläutert. Anschließend wird die haushaltsübliche Nähmaschine behandelt, wobei sowohl ihre Geschichte als auch ihre Funktionen beschrieben werden. Es wird schon hierbei deutlich werden, dass die Nähmaschine als Thema weitaus ergiebiger ist als es der Bereich des Textilen Werkens zu behandeln vermag. Ein gesondertes Kapitel ist im Anschluss daran der Kindernähmaschine mit Ihrer speziellen Geschichte und ihren Verwendungsmöglichkeiten gewidmet. Diesen Kapiteln folgt eines, das ausgewählte Aspekte der technischen Elementarbildung erläutert, die hervorragend am Beispiel der Nähmaschine behandelt werden können. Im Verlauf dieser Arbeit wird deutlich werden, dass die Nähmaschine ein Comeback in die Klassenzimmer und die Lehrmaterialien verdient hat, da sie eine umfassende Beschäftigung mit der Lebensumwelt der Kinder ermöglicht. Um das Lesen des Textes nicht unnötig zu erschweren, wird bei nicht namentlich genannten Personen ausschließlich die männliche Form verwendet. Selbstverständlich sind weibliche Personen hier mit eingeschlossen, sofern nicht explizit anders erläutert.

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Leseprobe

2. Die Nähmaschine


 

2.1 Die Entwicklungsgeschichte der Nähmaschine


 

2.1.1. Am Anfang war die Nadel


 

Die ersten Geräte, die zum Nähen gebraucht wurden, waren archäologischen Funden nach zu urteilen aus Holzstäbchen, Dornen, Knochensplittern und Fischgräten gefertigt. Man bohrte mit den angespitzten Stechwerkzeugen Löcher in das zu bearbeitende Material und zog anschließend Darmstreifen, Lederriemen oder Pflanzenfasern hindurch und verknotete sie. Mit Beginn der Bronze- und der späteren Eisenzeit wurden die Nadeln aus immer widerstandsfähigerem Material gefertigt. (S. Abb. 1.)

 

Aus den gleichen Materialien wurden ca. 3000 v. Chr. die ersten Nähnadeln mit einem Öhr hergestellt. Die Erfindung des Nadelöhrs ermöglichte es, dass die beiden Arbeitsgänge vom Lochen des Materials und dem Durchfädeln des Fadens oder Riemens in einem erledigt werden konnten.

 

 

Abb.1

 

Um 1370 herum wurden die ersten Nadeln in Serie produziert, nachdem man gelernt hatte, aus Stahl Drähte zu ziehen. Die in gleich lange Stücke zerteilten Drähte wurden in reiner Handarbeit durch Walzen und Schmieden gespitzt, mit einem Öhr und Prägestempel versehen, mehrmals geschliffen und vor dem Versand noch poliert. Letztere Arbeitsgänge erforderten viel Fingerspitzengefühl und wurden von Frauen und Kindern ausgeführt. (Vgl. Planton 1990.)

 

2.1.2. Die Geschichte der Nähmaschine


 

Erst Mitte des 18. Jahrhunderts, also fast 400 Jahre nach Beginn der Serienproduktion von Nähnadeln, bemühte man sich um Erfindungen, die das Nähen mit der Nadel erleichtern und vor allem beschleunigen sollten. Ziel war es, die Nadel durch eine Maschine zu bewegen.

 

1755 meldete der in England lebende Deutsche Charles Frederic Weisenthal (*? †?) die von ihm erfundene erste Nähmaschinennadel zum Patent an, das ihm auch erteilt wurde. Diese Nadel hatte zwei Spitzen und das Öhr in der Mitte. Sie wurde von zwei Zangen, der sogenannten „Eisernen Hand“ durch den Stoff hin- und hergeführt. So entstand die erste Maschinennaht. (S. Abb. 2.) (Vgl. Schlegel/Heite, 1997, S. 3 ; Renters, 1961, S. 14.) Solche Nähnadeln werden noch heute in der Stickindustrie verwendet.

 

 

Abb. 2

 

Der erste Nähapparat wurde von dem Engländer Thomas Saint (*? †?) erfunden und 1790 erfolgreich zum Patent angemeldet. Dieser Nähapparat (s. Abb. 3) war aus Holz gefertigt und sollte bei der Lederverarbeitung seine Dienste leisten.

 

 

Abb. 3

 

Die wesentliche technische Verbesserung bei diesem Apparat war die, dass er mit einer Hakennadel arbeitete, mit der der Faden zu einer Kettenstichnaht verschlungen wurde.

 

(S. Abb. 4.) Diese Naht war um ein Vielfaches fester und beständiger als die, die man mit der zweispitzigen Nadel erzielte.

 

Bei beiden der oben beschriebenen Nähtechniken musste der Stofftransport aber nach wie vor per Hand vorgenommen werden. Ein weiterer Nachteil war der, dass die entstandene Naht am Ende von Hand befestigt werden musste, da sich beide Nahtarten auflösten, wenn man an dem Faden zog.

 

 

Abb. 4

 

Den nächsten großen Schritt in der Entwicklung der Nähmaschine tat Balthasar Krems (*1760 †1815) aus Mayen im Rheinland. Krems war von Beruf Strumpfwirker und stellte unter anderem auch Zipfelmützen her, die ein Teil des damaligen Schlafgewandes der Männer waren. Um eben diese Zipfelmützen nicht mehr mit der Hand säumen zu müssen, erfand er um 1800 eine Kettenstichnähmaschine und damit die erste der Welt.

 

Sie enthielt drei bahnbrechende Innovationen. Zum einen, und das war wohl die wertvollste Erfindung Krems´, setzte er das Nadelöhr an die Spitze der Nadel. Diese Form bestimmt bis heute die Form der gebräuchlichen Nähmaschinennadeln.

 

(Vgl. Gebrüder Mey, 1994, S. 2ff.)

 

Desweiteren erfand Krems den Schlingenfänger. Der Schlingenfänger hielt die Schlinge, die der Nähfaden beim Rückzug der Nadel unterhalb des Stoffes bildete, solange fest, bis die Nadel bei der nächsten Schlingenbildung in ihre zuvor gebildete Schlinge stach. So entstand erstmals eine Kettenstichnaht, die unterhalb des Stoffes lag. (Vgl. Renters, 1961, S. 115.)

 

Krems hatte seine Nähmaschine mit einem weiteren innovativen Detail versehen. Diese Nähmaschine hatte erstmals einen Stofftransport. Zur Fixierung wurden die Zipfel-mützen auf ein mit spitzen Stiften besetztes Rad (Stiftrad) gesteckt, das dann, wie die Nadelstange auch, durch eine Kurbel angetrieben wurde.

 

Die Kurbel war mit einem Schwungrad verbunden, das mit Hilfe eines Pedals angetrieben wurde. (S. Abb. 5 und Abb. 6.)

 

 

Abb. 5

 

 

Abb. 6

 

Mit dieser Kettenstichmaschine konnte Krems ca. 300 Stiche in der Minute nähen.[9] Berichten zufolge hat er diese Maschine nur im eigenen Betrieb genutzt. Es lässt sich bis heute nicht nachweisen, dass Krems mit seiner Erfindung je an die Öffentlichkeit gegangen ist. Seine Originalmaschine ist heute noch funktionstüchtig und im Genoveva-Museum in Mayen/Rhld. zu besichtigen. (Vgl. Renters 1961, S. 115.)

 

Verschiedene Konstrukteure trugen in den folgenden Jahren wesentlich zu der Weiterentwicklung der Nähmaschine bei. Namentlich zu nennen sind hier insbesondere der Österreicher Josef Madersperger (*1768 †1850) und der Franzose Barthelemy Thimonnier (*1793 †1857). Madersperger entwickelte 1814 eine Maschine mit zwei Nadeln (s. Abb. 7), die bereits einen Steppstich nähen konnte, der dem heutigen ähnlich war. Auf eine detaillierte Funktionsbeschreibung wird hier bewusst verzichtet, da es ein überaus komplizierter Apparat war und sich die Experten bis heute nicht gänzlich über alle Funktionsweisen im Klaren sind. Bekannt ist, dass die Maschine mit zwei Nadeln nähte, die den Stoff von unten nach oben durchstießen. Die an der Oberseite des Stoffes gebildeten Schlingen wurden mit einem weiteren Faden verschlungen, so dass eine Art Steppstich entstand.

 

 

Abb. 7

 

Thimonnier baute zur gleichen Zeit eine Maschine, mit der man ca. 200 Kettenstiche in der Minute nähen konnte. Seine hölzerne Nähmaschine arbeitete wie die von Saint mit einer Hakennadel. Thimmonier bewegte sie allerdings an einer Nadelstange mit Hilfe eines Trittbretts auf und ab. Der Stofftransport erfolgte per Hand. Nachdem er 1831 das Patent für diese Nähmaschine erhalten hatte, baute er seine Erfindung in Serie und verkaufte sie.[10]

 

Die erste Nähmaschine, die einen Steppstich nähen konnte, wie er auch heute noch verwendet wird, wurde 1845 von dem Amerikaner Elias Howe (*1819 †1867) konstruiert. (S. Abb. 8.) Sie war die erste, die auch für feinere Stoffe und Wäsche geeignet war.

 

 

Abb. 8

 

Zwar hatten andere vor ihm schon den Steppstich erfunden (z. B. Walter Hunt

 

(*1785 †1869)), aber keiner hatte Interesse daran, die Erfindungen bekannt zu machen und so ging Howe als Schöpfer der Nähmaschine in die Geschichte ein.

 

Er hatte als Jugendlicher länger in Webereien gearbeitet und war somit mit den Vorgängen des Webens vertraut. Die erste von ihm entwickelte Nähmaschine hatte wie ihre Vorgängerinnen auch eine öhrspitzige Nadel. Diese war im Gegensatz zu den anderen gebogen und wurde an einem schwingendem Arm waagerecht durch den senkrecht liegenden Stoff geführt. Spätere Modelle nähten wie unsere heutigen Nähmaschinen mit einer geraden Nadel an einer Nadelstange senkrecht durch den waagerecht liegenden Stoff. Gemeinsam hatten sie das Prinzip des Ober- und Unterfadens: Howe wickelte einen zweiten Faden auf eine Spule und spannte diese in eine Metallhülse, das „Schiffchen“ oder „Längsschiffchen“. Als Schlingenfänger fuhr nun auf der Stoffunterseite dieses „Schiffchen“ mit dem zweiten Faden durch die Schlinge des ersten. (S. Abb. 9.)

 

 

Abb. 9

 

Der Stoff wurde auf eine mit spitzen Stiften besetzte Platte gesteckt, die durch ein Zahnrad mit dem gleichen Intervall weiterbewegt wurde wie die Nadel durch den Stoff geführt wurde. War man am Ende der Platte angelangt, musste der Stoff neu auf die Platte geheftet werden. So entstand die erste Steppstichnaht durch die Verschlingung des Ober- und Unterfadens (s. Abb. 10) und fast gleichmäßiger Stichlänge.

 

 

Abb. 10

 

Der maschinell gefertigte Steppstich wird auch als Doppelsteppstich bezeichnet, da sich Ober- und Unteransicht der Naht bei optimaler Fadenspannung[11] nicht unterscheiden. (Vgl. Fontaine, 1986, S. 22.) Howes Nähmaschine war somit die Urform der heutigen Doppelstichnähmaschine. Sie nähte schon 300 Stiche pro Minute. (Vgl. Schlegel/Heite, 1997, S. 4.)

 

Auf der Erfindung von...

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