Mi der zunehmenden Bedeutung von Liefernetzwerken und der Einbeziehung von Lieferanten und Kunden in den gesamten Produktionsprozess entwickelte die SAP im Rahmen ihrer SAP New Dimension Produkte eine SCM-Initiative zur übergreifenden Planung und Steuerung der Logistikkette. Neben dem Business Information Warehouse (BW), dem Logistic Execution System (LES) und dem Business-to-Business Procurement (B2B) bildet der Advanced Planner and Optimizer (APO) das Herzstück dieser SCM-Initiative. Das APO-System dient somit der Verbesserung des Informationsflusses, der fortschrittlichen Planung und Optimierung und der Integration teamorientierter Entscheidungsfindungen in das R/3-System[61].
Der APO ist eine modular aufgebaute Software mit einer Vielzahl innovativer Werkzeuge zur Planung und Optimierung des Logistiknetzwerkes. Im Einzelnen besteht das APO-System aus den Komponenten SCC, ND, DP, SNP, TP/VS, PP/DS und GATP. Die Zielgruppe umfasst nicht nur Nutzer konventioneller R/3-Systeme, sondern auch Nutzer von Fremdsystemen, die mittels offener Schnittsstellen in das APO-System integriert werden können. Abbildung 24 zeigt die einzelnen Module und das Zusammenwirken mit einem angeschlossenen OLTP-System.
Abbildung 24: Planungsmodule des APO[62]
Um den innovativen Planungsansatz des APO verstehen zu können, wird in Kapitel 3.1 zunächst auf die Architektur und Technologie des APO eingegangen. Anschließend werden in Kapitel 3.2 die APO-spezifischen Stammdaten erläutert. Basierend auf den in Kapitel 3.1 und 3.2 gewonnenen Erkenntnissen, werden dann in Kapitel 3.3 die einzelnen Planungsmodule des APO und deren Funktionalitäten detailliert beschrieben.
Die Rechnerarchitektur basiert in allen mySAP SCM-Komponenten auf einer gemeinsamen Internetplattform mit Client-Server-Architektur. Wie in Abbildung 25 dargestellt, baut auch der SAP APO auf dieser skalierbaren Technologiearchitektur mit Präsentationsclients, Anwendungservern, Optimierungsservern und Datenbankservern auf[63].
Um die fortschrittlichen Planungs- und Optimierungsfunktionalitäten des APO nutzen zu können, wurden mit dem liveCache, den Planungs- und Optimierungswerkzeugen, der Data-Mart und dem InfoCube sehr mächtige und innovative Technologien im APO-System implementiert, die im Einzelnen noch genauer erläutert werden.
Abbildung 25: Rechnerarchitektur des APO[64]
Neben den Standardfunktionalitäten einer objektorientierten Datenbank, basiert der liveCache des APO auf einem sehr großen Hauptspeicher, in dem die planungsrelevanten Bewegungsdaten in objektorientierter Form verwaltet und von C++-Routinen bearbeitet werden. Diese von SAP entwickelte Datenbanktechnologie ermöglicht die Ausführung der Anwendungslogik direkt im liveCache, reduziert so den Datentransfer zwischen Applikations- und Datenbankserver und erhöht auf diese Weise die Performance des Systems. Beispielsweise werden Stücklisten im liveCache nicht als Tabellen sondern als Baumstrukturen abgebildet, was die Stücklistenauflösung um ein Wesentliches beschleunigt. Die Daten werden je nach Planungshorizont, in anonymen, d. h. nicht auftragsgebunden, Zeitreihen bzw. in Aufträgen gespeichert, um bei sehr zeitintensiven Rechenalgorithmen wie der globalen Verfügbarkeitsprüfung oder der Auftragsterminierung die hohe Performance des Systems zu gewährleisten[65]. Zusammenfassend weist der liveCache des APO folgende Funktionen und Merkmale auf[66]:
Hauptspeicherverwaltung
hybride Datenverwaltung (relationale und objektorientierte Datenhaltung)
volle Integration von R/3- und Fremdsystemen
hohe Performance durch Reduzierung von Netzwerkzugriffszeiten
simultaner Zugriff auf eine sehr große Datenmenge
Speicherverwaltung mittels optimierten Datenstrukturen
Parallele und verteilte Verarbeitung durch Nutzung von Multiprozessor- Systemen und Multirechner-Technologien
Im APO stehen dem User eine Reihe von Planungs- und Optimierungswerkzeugen zur Verfügung, um in den verschiedenen Ebenen der strategischen, taktischen und operativen Planung Optimierungs- und Terminierungsläufe durchzuführen. Die zur Verfügung stehenden Planungsverfahren lassen sich grob in Heuristiken und Optimierungsfunktionen untergliedern. Die im System implementierten Standardplanungsmethoden können um weitere unternehmensspezifische Verfahren erweitert und problemlos in die APO Planungsumgebung integriert werden. Im Allgemeinen versteht man unter Heuristik eine Strategie zur Lösungsfindung in einem Problembereich, für den keine bekannten Lösungsalgorithmen existieren. Im APO basieren diese Lösungsstrategien auf zuvor definierten Regeln, die als Ansatz zur Lösungsfindung dienen und aus technischer Sicht durch ABAP/4- Funktionsbausteine realisiert werden. Über das Heuristic Framework werden benutzerspezifische Heuristiken und Standardheuristiken wie beispielsweise die mehrstufige Produktionsplanung oder die Reihenfolgeplanung von Vorgängen verwaltet und aufgerufen.
Komplexe Problemstellungen können im APO mit Hilfe geeigneter Optimierungsverfahren gelöst werden. Aus mathematischer Sicht basieren die Optimierungswerkzeuge auf der Minimierung bzw. Maximierung von Zielfunktionen unter der Berücksichtigung verschiedener Restriktionen. Die Verfahren lassen sich auf Zielgrößen wie beispielsweise Rüstkosten oder Durchlaufzeiten anwenden. Bestehende Randbedingungen wie Personal- oder Maschinenkapazitäten werden in Form von Restriktionen im System abgebildet. Benutzerspezifische Optimierungsverfahren können über die APX vom User selbst erstellt und vollständig in die APO-Umgebung integriert werden[67].
Zusammen mit den benutzerspezifischen Methoden bilden die Standardheuristiken und -optimierungsverfahren ein sehr mächtiges und performantes Planungssystem, das fortschrittliche und innovative Methoden nutzt.
Um die teilweise enormen Datenmengen der Absatzplanung sinnvoll verwalten zu können, nutzt der APO eine so genannte Data-Mart, die alle relevanten Planungsdaten enthält und auf der Technologie des BW basiert. Dabei verwendet der APO lediglich die Architektur des BW und verzichtet auf BW-Funktionen wie Reports oder Analysen. Kommt parallel zum APO ein BW-System zum Einsatz, bildet die Data- Mart eine Untermenge des BW. Durch die Nutzung dieser Datenspeicherungstechnologie können umfangreiche Planungsänderungen einer Planungsebene auf die darüber bzw. darunter liegende Ebene in einer akzeptablen Geschwindigkeit aggregiert bzw. disaggregiert werden. Abbildung 26 zeigt die Verwendung der Data-Mart in der Absatzplanung zur Speicherung und Verwaltung von planungsrelevanten Daten.
Abbildung 26: Data-Mart in der Absatzplanung[68]
Die Bausteine der Data-Mart sind InfoCubes, die aus multidimensionalen Datenstrukturen bestehen und Informationen wie Produktlebenszyklen und Saisonstrukturen in Form von Zeitreihen enthalten. Der InfoCube setzt dich aus schneeflockenförmig verknüpften relationalen Tabellen zusammen, die von einer zentralen Faktentabelle mit allen Merkmalen des InfoCubes verwaltet wird. Mehrere Merkmale werden nach betriebswirtschaftlich sinnvollen Aspekten zusammengefasst. Die Merkmale Vertriebsorganisation, Vertriebsweg und Region werden beispielsweise unter der Dimension Vertrieb zusammengefasst. Die Merkmalswerte werden in der zentralen Dimensionstabelle in so genannten Key Figures gespeichert. Jedem InfoCube wird zusätzlich eine Periodizität zugeordnet, die eine zeitliche Periode wie z. B. Tage, Wochen oder Monate definiert, nach der die Key Figures des InfoCubes aggregiert, geplant und gespeichert werden. Der InfoCube stellt eine Reihe von Funktionen zur Verfügung, mit denen eine Planung aus verschiedenen Perspektiven möglich ist. Mit der Slice & Dice-Funktion können Kennzahlen je Dimension und Zeit angezeigt werden. Im Vertrieb werden beispielsweise Umsatzzahlen einer bestimmten Region in einem bestimmten Zeitraum dargestellt[69] . Zur Veranschaulichung ist der Zusammenhang von Dimension, Faktentabelle und Key Figures in der Abbildung 27 am Bespiel des Vertriebes dargestellt.
Abbildung 27: Aufbau eines InfoCubes[70]
Grundsätzlich kann ein APO-System als Stand-alone-System betrieben werden. Um aber die Vorteile des Supply Chain Management nutzen zu können, werden im Regelfall mehrere ERP-Systeme in einer SCM-Systemlandschaft mit dem APO-System integriert. Dies ermöglicht eine Planung und Optimierung der Lieferkette über die einzelnen Systemgrenzen hinaus. Die Kopplung erfolgt über ein Core Interface (CIF), das als Kommunikationsschicht fungiert und bereits bei der Auslieferung des APO implementiert ist.
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