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Vermeidung einer Diskriminierung behinderter Arbeitnehmer insbesondere im Rahmen des Einstellungsverfahrens des öffentlichen Dienstes

Eine Darstellung der Rechtslage und kritische Analyse

AutorMarkus Ort
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl104 Seiten
ISBN9783743144613
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Dieses Buch befasst sich mit der Fragestellung, welche Rechtsvorschriften der öffentliche Dienst bei der Besetzung freier Stellen zu beachten hat, um eine Diskriminierung von (schwer)behinderten Bewerbern zu vermeiden. Im Einzelnen wird dargestellt: Die aktuell bestehenden Schutzvorschriften (inklusive kritischer Analyse). Die Rechte der (schwer)behinderten Bewerber im Falle einer unzulässigen Diskriminierung. Die Rolle der Vertretungsorgane Personalrat, Schwerbehindertenvertretung und Beauftragter des Arbeitgebers bei der Stellenbesetzung und Bewerberauswahl. Ein Handlungsleitfaden für die Praxis in der Personalarbeit. Dieses Buch richtet sich sowohl an schwerbehinderte Menschen, als auch an Arbeitgeber und Personalvertretungsorgane. Da es in der Rechtsdarstellung differenziert zwischen den Vorschriften, die alle Arbeitgeber zu beachten haben und denen, die nur für den öffentlichen Dienst relevant sind, kann es auch von privaten Arbeitgebern mit Gewinn gelesen werden.

Markus Ort absolvierte von 2009 bis 2012 eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten. Seit dem Wintersemester 2013 studiert er an der Fachhochschule Aschaffenburg Betriebswirtschaft und Recht mit den Schwerpunkten Rechtsfragen des Personalmanagements und International Business and Law. Als dualer Student arbeitet er studienbegleitend in einem Landratsamt.

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Leseprobe

2.1.2. Beamten vorbehalten: Stellen des Funktionsvorbehaltes


Stellen des Funktionsvorbehaltes sind dem Berufsbeamten vorbehalten.36 Es handelt sich bei diesen Stellen allein um solche, bei denen hoheitsrechtliche Befugnisse ausgeübt werden. Das BVerwG subsumiert unter den Funktionsvorbehalt die Stellen des Militärs, der Ordnungskräfte und Polizei, der Justiz, der Fiskalverwaltung, der Diplomatie und der Verwaltungsstellen der Gebietskörperschaften, die Rechtsakte ausarbeiten, durchführen und die mit einer Aufsichtsfunktion hoheitlicher Natur betraut sind.37

Die unter den Funktionsvorbehalt fallenden Stellen sind von den Ausführungen dieser Arbeit nicht betroffen, da sie durch Arbeitnehmer nicht besetzt werden können.

2.1.3. Das Leistungsprinzip und seine Kriterien


Für alle Stellen gilt jedoch, dass gem. Leistungsprinzip der bestgeeignete Kandidat die Stelle zu erhalten hat. Vom bestgeeigneten Kandidaten spricht man dann, wenn er im vorliegenden Einzelfall in Relation zu den Mitbewerbern absolut und in jeder Hinsicht am besten dem Anforderungsprofil entspricht.38

Ziel dieser Auswahl nach dem Bestengrundsatz ist es, den öffentlichen Dienst leistungsfähig zu erhalten, in dem seine Stellen bestmöglich besetzt werden.39

Bei der Ermittlung des besten Kandidaten wird auf die Eignung im weiteren Sinn abgestellt. Diese umfasst die Einzelkriterien der Befähigung, der fachlichen Leistung und der Eignung im engeren Sinn.40 Sie ist abzustellen auf die jeweils zu besetzende Stelle.41

Die Befähigung (auch Fachlichkeit42) hängt ab, von der laufbahnrechtlichen Vorbildung, der Allgemeinbildung, soweit sie für das entsprechende öffentliche Amt von Bedeutung ist, der Lebenserfahrung und der allgemeinen Begabung.43

Die fachliche Leistung (auch praktische Bewährung44) bezieht sich auf die Fachkompetenz bestehend aus der praktischen Bewährung in diesem Fach, den fachlichen Fertigkeiten und den Fachkenntnissen.45

Die Eignung im engeren Sinn (auch Gesamtanforderungen46) erfasst alle Eigenschaften bezogen auf Körper, Psyche, Geist und Charakter, die nicht von den Bereichen der Befähigung und der fachlichen Leistung mit erfasst werden und dennoch von Bedeutung für die Einstellung und spätere Amtsausübung sind.47

Über die Eignung wird aufgrund des als Maßstab zugrundeliegenden Anforderungsprofils durch den Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes selbst entschieden.48 Hierbei steht ihm ein großer Handlungs- und Entscheidungsspielraum zu.49

Entscheidet sich der suchende Arbeitgeber nach Abgleich der Bewerber mit dem Anforderungsprofil für einen Kandidaten, der nicht der bestgeeignete ist, so ist diese Entscheidung rechtswidrig oder zumindest ermessensfehlerhaft. Daraus folgt für den bestgeeigneten Kandidaten, dass er u. U. einen Anspruch auf Einstellung oder Beförderung hat, wenn allein seine Einstellung/Beförderung unter Beachtung der Bestenauslese rechtmäßig und ermessensfehlerfrei wäre.50 Näheres hierzu in Kapitel 5.2.1.

2.1.4. Pflicht zur Stellenausschreibung für den Öffentlichen Dienst


Im Zuge der Diskussion um den Grundsatz der Bestenauslese wird häufig betont, dass Art. 33 II GG eine Verpflichtung zur Stellenausschreibung für den öffentlichen Dienst begründet. Ohne eine Ausschreibung wäre nicht gewährleistet, dass geeignete interessierte Bewerber sich um ein öffentliches Amt bewerben könnten. Dadurch wird das grundrechtsgleiche Recht auf Zugang zum öffentlichen Amt verletzt, so das entsprechende Hauptargument der Befürworter einer Ausschreibungspflicht.51

Dem wird entgegengehalten, dass das BVerwG in seiner Entscheidung vom 16.10.1975 festhielt, dass es Sache des Gesetzgebers sei, dafür zu sorgen, dass jedem der gleiche Zugang zu öffentlichem Amte gewährleistet wird. Da nach diesem Urteil das BVerfG in seiner Rechtsprechung vom 18.06.1986 die effektive Durchsetzung eines Rechts als wesentliches Element des Grundrechtsschutzes ausgedehnt hat, dürfte wohl auch das BVerwG seine damalige Rechtsprechung ändern.52

Daraus folgt, dass sich aus Art. 33 II GG eine Ausschreibungspflicht ableiten lässt. Diese betrifft alle öffentlichen Ämter, also auch die Stellen von Arbeitnehmern. Über die einzelnen Modalitäten zum Ausschreibungsprozedere schweigt Art. 33 II GG. Dies liegt daran, dass diese für die spezifische Stelle individuell festzulegen sind.53

Ein weiteres Argument für die Existenz einer allgemeinen Stellenausschreibung könnte in der Vorschrift des § 82 SGB IX zu sehen sein. Dieser verpflichtet die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, alle freien und frei werdenden Stellen, die besetzt werden sollen, an die Bundesagentur für Arbeit zu melden, damit diese Vermittlungsvorschläge abgeben kann.54 Dies führt zumindest dazu, dass die vakante Stelle nach außen kommuniziert werden muss.

2.2. Zusätzlicher Behindertenschutz aus Art. 3 III 2 GG als unmittelbar geltendem Recht


„Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.“55 Dieser Formulierung folgen die einzelnen Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte im GG. Sie stellt zunächst einmal fest, dass die Grundrechte nicht erst in Gesetzen ausgeführt und umgesetzt werden müssen, um gelten zu können. Stattdessen gelten sie, entsprechend ihren Formulierungen, direkt und zwingend als unmittelbares Recht.56

Hierbei werden alle öffentlich-rechtlichen Einrichtungen von Art. 1 III GG erfasst. Entsprechend haben sie unabhängig davon, ob sie privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich agieren die Grundrechte zu achten.57 Folglich haben die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes die Grundrechte auch immer dann zu beachten, wenn sie einen Angestellten für eine neu zu besetzende Stelle auswählen.

Noch vor den Diskriminierungsverboten des AGG gilt hinsichtlich des Benachteiligungsverbots Behinderter also Art. 3 III 2 GG („Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“).

Diese Ergänzung des bisherigen Art. 3 III GG wurde im am 15.11.1994 für das geeinte Deutschland in Kraft tretenden Grundgesetz aufgenommen, nachdem Sozialverbände und Behindertenorganisationen auf ein grundrechtliches Diskriminierungsverbot Behinderter (nach amerikanischem Vorbild) hingewirkt hatten.58

Aus dieser Norm folgt die Verpflichtung der Träger der öffentlichen Gewalt, die Behinderten in der Gesellschaft und im geltenden Recht zu stärken und ihre Teilhabe am Leben zu fördern.59

Als Behinderter ist hier anzusehen, wer sich in einem Zustand dauerhafter Beeinträchtigung von Körper, Geist oder Seele befindet.60

Eine Ungleichbehandlung aufgrund des Vorliegens einer Behinderung durch eine öffentlich-rechtliche Einrichtung ist somit verboten,61 wenn sie nicht aufgrund gesetzlicher Grundlagen erfolgt, um den Besonderheiten, die sich aus der Behinderung ergeben gerecht zu werden.62

Hinsichtlich der Personalauswahl für eine Stellenbesetzung heißt dies also, dass ein Behinderter nicht grundlos schlechter gestellt werden darf als ein Nichtbehinderter.63

Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob es möglich ist, Behinderte grds. zu bevorzugen. Aus der Formulierung des Art. 3 III 2 GG ergibt sich in Abweichung zu Art. 3 III 1 GG, dass eine Bevorzugung nicht verboten ist. Dies erschließt sich aus dem in Satz zwei fehlenden Wort „bevorzugt“, welches in Satz eins ausdrückliche Erwähnung findet. Nach Auslegung der Norm ergibt sich daher, dass eine Bevorzugung nicht per se verboten ist.64

Demnach ist es bspw. insbesondere möglich, Schwerbehinderte bevorzugt einzustellen, wenn

  1. diese die gleiche Eignung vorweisen können, wie der beste nicht schwerbehinderte Bewerber, oder
  2. dies der Erreichung der Beschäftigungspflichtquote von Schwerbehinderten dient, da diese zum Einstellungszeitpunkt noch nicht erfüllt ist.65

Dies scheint gerade bei Stellenausschreibungen des öffentlichen Dienstes weit verbreitet, wie Formulierungen wie „Bei gleicher Qualifikation werden schwerbehinderte Menschen oder diesen Gleichgestellte bevorzugt eingestellt.“66 o. Ä. in Stellenausschreibungen deutlich machen.

36 vgl. Art. 33 IV GG

37 vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Kommentar, Art. 33 Rn. 43

38 vgl. Groeger et al, Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst, Hauck-Scholz, Teil 2 Rn. 16

39 vgl. BVerwG, 2 C 16.09, Rn. 21

40 vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Kommentar, Art. 33 Rn. 14

41 vgl. Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Kommentar, Art. 33 Rn. 15

42 vgl. Richter et al, Das Recht der Personalauswahl im öffentlichen und kirchlichen Dienst, Seite 22

43 vgl. Groeger et al, Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst, Hauck-Scholz, Teil 2 Rn. 23

44 vgl. Richter et al, Das Recht der Personalauswahl im öffentlichen und kirchlichen Dienst, Seite 22

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