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Vernachlässigung in der frühen Kindheit

Ursachen, Folgen, Hilfsmaßnahmen

AutorElvira Rein
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl98 Seiten
ISBN9783638060301
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,7, Universität Kassel, 40 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Was ist Vernachlässigung? Wie entsteht und verläuft sie? Wie wirkt sich Vernachlässigung auf das Kind aus? Wie kann man Vernachlässigung vermeiden? Wie kann man betroffenen Familien helfen? Vernachlässigung ist ein schleichender Prozess, der sich meist im Privatbereich der Familie vollzieht und nur schwer erkennbar ist. Ich untersuche Vernachlässigung in Bezug auf mögliche Hintergründe, Risikofaktoren und Folgen für das Kind. Anschließend beschäftige mich ausführlich mit der Frage welche Handlungsmöglichkeiten, aus sozialpädagogischer Sicht, zur Verfügung stehen.

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Leseprobe

4. Formen, Erscheinungen und Folgen der Vernachlässigung

 

4. 1 Welche Formen der Kindesvernachlässigung gibt es?

 

Kinder entwickeln sich Tag für Tag weiter und benötigen deshalb zu jedem Zeitpunkt der Entwicklung entsprechende Fürsorge. Die kindliche Entwicklung ist sehr vielfältig hinsichtlich des zeitlichen Auftretens und dem Grad bestimmter Verhaltensmerkmale. Um sich also altersgerecht entwickeln zu können, braucht jedes Kind das ihm entsprechende Maß an Nahrung, Pflege, körperlicher Nähe und Zuwendung. (vgl. Largo 2000, S. 28)

 

Kindler (2006, Kapitel 3, S. 2) darauf hin, dass eine verbindliche und einheitliche Kategorisierung von Vernachlässigungsformen sich bislang nicht herausgebildet hat. In der Regel werden folgende Unterkategorien der Vernachlässigung genannt:

 

körperliche Vernachlässigung (z. B. unzureichende Versorgung mit Nahrung und Flüssigkeit, mangelnde Hygiene (das Kind wird nicht gesäubert und bleibt in Urin und Kot liegen) und medizinische Versorgung. Trube-Becker (1987, S. 84) benennt außerdem das Frierenlassen und Unterkühlungen aller Art (z. B. in kaltem Wasser liegen lassen)

 

kognitive und erzieherische Vernachlässigung (z. B. Mangel an Spiel, Anregung und Konversation, fehlende Einflussnahme auf einen regelmäßigen Schulbesuch)

 

emotionale Vernachlässigung (z. B. Mangel an Wärme, fehlende Reaktion auf die Signale des Kindes)

 

unzureichende Beaufsichtigung (z. B. wenn das Kind längere Zeit auf sich alleine gestellt ist, keine Reaktion auf das Wegbleiben des Kindes)

 

4. 2  Erscheinungen und Folgen der Vernachlässigung

 

Vernachlässigung ist in der ganzen Bandbreite ihrer Formen ein zentrales Risiko in der frühen Kindheit. Säuglinge und Kleinkinder sind der Vernachlässigung hilflos ausgeliefert, dabei gilt: je junger das Kind und je stärker die körperliche, geistige und seelische Entwicklung beeinträchtigt ist, desto gravierender sind die Folgenschäden. Das Ausmaß der Vernachlässigung und deren Folgen hängen laut Blum-Maurice (in: Zenz, Bächer, Blum-Maurice 2007, S. 113) davon ab, ob die mangelnde Versorgung des Kinder begrenzt auf bestimmte Bereiche (z. B. körperliche Verwahrlosung) bleibt oder die gesamten Versorgungsbereiche umfasst; situativ (vorübergehende Lebenskrisen) oder chronisch ist (z. B. bei suchtabhängigen, psychisch kranken oder geistig behinderten Eltern).

 

Die Lebensrealität vernachlässigter Kinder ist von materiellen und sozialen Notlagen der Familien und von eingeschränkten Lebensbedingungen bestimmt. Defizite dieser Mangelsituationen erleiden Säuglinge und Kleinkinder direkt, ohne dass sie ihnen ausweichen oder sie aus eigenen Ressourcen kompensieren können. Um die Auswirkungen der Vernachlässigung einschätzen zu können, müssen einige Faktoren berücksichtigt werden:

 

das Alter der Kinder: je früher die Vernachlässigung beginnt, umso schwerwiegender sind die Folgen.

 

Dauer der Vernachlässigung: je länger sie andauert, umso stärker wirkt sie.

 

Häufigkeit bzw. Intensität der Vernachlässigung: hier spielt eine Rolle welche Formen der Vernachlässigung und über welchen Zeitraum diese dem Kind zugemutet wurde. Es kann sein, dass ein Kind angemessen ernährt und gepflegt wird, es aber in seiner emotionalen Entwicklung nicht unterstützt wird.

 

Von den kompensatorischen Beziehungen (z. B. durch Großeltern oder Verwandte), die dem Kind unter Umständen zur Verfügung stehen, hängt die Schwere der Schädigung zusätzlich ab.

 

Die Konstitution des Kindes ist außerdem für die Folgen entscheidend. So wird ein robustes Kind weniger betroffen sein, als ein empfindliches, schwächeres zarteres Kind.

 

(vgl. Blum-Maurice in: Zenz, Bächer, Blum-Maurice 2007, S. 114f.)

 

In Vernachlässigungsfällen ist laut Frank (in: Ziegenhain, Fegert, S. 84) mit vermehrtem Auftreten von Verhaltensauffälligkeiten und Entwicklungsverzögerungen zu rechnen.

 

Die wissenschaftliche Beschäftigung mit möglichen Folgen von Vernachlässigung beginnt mit der Frage, inwieweit ursächliche Zusammenhänge zwischen Vernachlässigung und Beeinträchtigungen kindlicher Entwicklung methodisch als gut belegt gelten können. Zwar ist vor allem in schwerwiegenden Fällen (z.B. beim Verhungern eines Kindes) der ursächliche, schädigende Einfluss von Vernachlässigung mitunter offenkundig, im Bereich weniger schwerwiegender Fälle aber ist die kritische Prüfung der Belegbarkeit schädlicher Auswirkungen von Vernachlässigung von Bedeutung. Die Aufklärung über gesicherte Erkenntnisse zu den Folgen von Vernachlässigung ist zudem besonders bedeutsam, da hier ablaufende Schädigungsprozesse häufig schleichenden Charakter haben und nicht eindrücklich genug erscheinen.

 

Es ist deshalb wichtig festzustellen, dass die Aussagekraft der vorliegenden Studien zu den Folgen von Vernachlässigung insgesamt in den vergangenen Jahren stetig zugenommen hat. Zunächst liegen mittlerweile mehr als 90 Studien vor, in denen Entwicklungsbeeinträchtigungen bei vernachlässigten Kindern untersucht wurden. Für sich genommen zeigen die Ergebnisse dieser Studien zunächst nur, dass vernachlässigte Kinder eine besonders belastete Gruppe darstellen. Die ursächliche Rolle von Vernachlässigung ist jedoch durch weitere Arten von Studien untermauert worden.[4]

 

4. 2. 1 Vernachlässigung, körperliche Entwicklung und gesundheitliche Beeinträchtigungen

 

Vernachlässigung kann zum Tod eines Säuglings oder eines Kleinkindes führen. Laut Kindler (2006, Kapitel 24, S. 3) sterben in Deutschland jährlich 4-7, zumeist sehr junge Kinder und Säuglinge, an Unterernährung und Verdursten. Es ist weitgehend bekannt, dass nicht nur die Menge, sondern auch die Qualität der Nahrung eine große Rolle für das kindliche Gedeihen spielt. Trube-Becker (1987, S. 103) weist darauf hin, dass sich mangelnde Ernährung  gut verschleiern lässt, denn in der Regel wird die Nahrung dem Kind nicht vollständig entzogen, sondern oft nur geringe Mengen gegeben. Es folgt eine Anpassung an die verringerte Kalorienzufuhr und der Stoffwechselvorgang verlangsamt sich. Zunächst werden Fett und Muskulatur abgebaut, nach mehreren Wochen dauerhafter Unterernährung wird auch das Längenwachstum reduziert.

 

Mangel – oder Fehlernährung sind häufige Ursachen für Unter- bzw. Übergewicht. Unterernährung führt langfristig zu Veränderungen des Stoffwechsels, was später bei einer normalen Ernährung  Stoffwechselerkrankungen und Fettsucht begünstigt. (Kindler 2006, Kapitel 24, S. 3).

 

Zu möglichen körperlichen Beeinträchtigungen zählen außerdem Entzündungen und Hauterkrankungen (insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern im Windelbereich) sowie Befall von Ungeziefer, die aufgrund mangelnder Hygiene entstehen. Verzögerungen im körperlichen Wachstum, körperliche Fehlentwicklungen bis hin zu Behinderungen, Minderwuchs, verzögerte motorische Entwicklung sind mögliche Folgen von Mangelernährung und fehlender Anregungsbedingungen. Außerdem zählen hohe Infektanfälligkeit, häufige Atemwegserkrankungen, Ohrenerkrankungen, Allergien, internistische und neurologische Erkrankungen, die aus nicht ausreichender Gesundheitsvorsorge folgen. Durch Unfälle verursachte Verletzungen entstehen besonders häufig, wenn das Kind nicht/zu wenig beaufsichtigt wird.[5]

 

4. 2. 2 Vernachlässigung und Beeinträchtigungen der kognitiven Entwicklung

 

Wahrnehmung, Lernen, Erinnern und Denken zählen zu den Funktionen des Menschen, die mit der menschlichen Erkenntnis- und Informationsverarbeitung in Zusammenhang stehen. Diese Funktionen erlangt ein Kind durch Nachahmung. Es braucht die Anregung und den Umgang mit vertrauten Personen, um sich sozial, sprachlich und auch geistig entwickeln zu können. (vgl. Largo, S. 28)

 

Vernachlässigten Kindern fehlt es an Anregung und Konversation. Im kognitiven Bereich zeigen sich aus diesem Grund häufig Sprachprobleme, eine retardierte Sprachentwicklung, Konzentrationsschwierigkeiten, geistige Fehlentwicklung bzw. Verlangsamung, eine verminderte Intelligenz- und Interessensentwicklung. (vgl. Blum-Maurice, in: Zenz, Bächer, Blum-Maurice 2007, S. 114)  Schulleistungsprobleme und Lernstörungen sind die Dauerfolgen der kognitiven Vernachlässigung, die sowohl bei unterernährten,  körperlich als auch emotional vernachlässigten Kindern entstehen. Die Störungen des Sozialverhaltens sind die Folgen einer mangelnden Erziehung (z. B. Fehlen von Regeln, fehlende Konsequenz). Das Selbstvertrauen und das natürliche Interesse eines Kindes sind aufgrund der kognitiven Vernachlässigung massiv unterentwickelt.

 

4. 2. 3 Vernachlässigung und Beeinträchtigungen der sozialen/emotionalen Entwicklung

 

Jedes Kind braucht das Erleben existenzieller Geborgenheit, also eine emotional geborgene und vertraute Atmosphäre. Es braucht Erfahrungen wie „Wenn ich die Mama anschaue, schaut sie auch und lächelt, dann lächle ich auch.“ Vernachlässigtes Kind erfährt dies nicht, denn vernachlässigende Eltern reagieren...

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