Bevor mit der Entwicklung der Balanced Scorecard begonnen werden kann, ist es wichtig, ihre Position in der Unternehmensplanung zu betrachten (siehe Anlage 1). Dabei lassen sich anhand der Darstellung im Anhang schon mehrere Phasen der Implementierung erkennen. Die strategische Vorbereitung, das heißt Ziele, Strategien und auch schon Maßnahmen erarbeiten, ist dabei der erste Schritt.[106] Die Erarbeitung von Zielen und Strategien ist nach Steger die erste von fünf Phasen:[107]
Abb. 3: Phasen der Balanced Scorecard Implementierung[108]
Phase 1: Die Balanced Scorecard soll die vorhandenen Strategien im Unternehmen unterstützen und keine neuen Strategien entwickeln. Vor der Implementierung wird daher anhand von strategischen Analysen, die über Stärken und Schwächen sowie über Chancen und Risiken informieren, die strategische Stoßrichtung[109] festgelegt.[110]
Phase 2: Im Anschluss werden für alle an der Einführung Beteiligten konzeptionelle Regeln aufgestellt. Es wird geregelt, für welche Organisationseinheit die Balanced Scorecard erstellt werden soll und welche unternehmensindividuellen Perspektiven verwendet werden sollen. Projektmanager, Ablauf, Projektteam und Dokumentation werden ebenfalls bestimmt.
Phase 3: In dieser Phase wird die Balanced Scorecard konkret erstellt. Begonnen wird mit der Ableitung der konkreten Ziele und dem anschließenden Aufbau der Ur- sache-Wirkungs-Beziehungen zwischen den einzelnen Zielen und den Perspektiven. Kennzahlen werden bestimmt und die Zielwerte der einzelnen Kennzahlen in den Perspektiven erarbeitet, anschließend folgt die Bestimmung der Maßnahmen, mit denen die gesteckten Ziele erreicht werden sollen.
Phase 4: Zunächst wird die in Phase 3 entwickelte Balanced Scorecard in Form eines Pilotprojekts in die Unternehmenseinheit eingeführt. In der vorliegenden Arbeit ist dies der Vertrieb der XY GmbH in Homburg. Nach der Pilotierung erfolgt die Umsetzung für das gesamte Unternehmen, sodass am Ende eine für das gesamte Unternehmen umfassende, alle Unternehmenseinheiten integrierende und aufeinander abgestimmte Balanced Scorecard steht.
Phase 5: Der kontinuierliche Einsatz der Balanced Scorecard sollte gewährleistet sein, da sie erst durch die durchgehende Anwendung ihren Nutzen als Controllinginstrument im Managementprozess entfaltet. Die Balanced Scorecard sollte gelebt werden, sie ist daher in den Planungs- und Budgetierungsprozess, in das Qualitätsmanagement sowie in das Berichts- und Informationssystem des Unternehmens einzupflegen. Darüber hinaus sollte sie in die Gestaltung von Zielvereinbarungen für Mitarbeiter und in die Anreiz- und Vergütungssystemen miteinbezogen werden.
Für Preißner gibt es zwei Ansätze für die Projektdurchführung:[111] das Versionenkonzept und das Phasenkonzept.
Abb. 4: Versionenkonzept (links) und Phasenkonzept (rechts)[112]
Beim Phasenkonzept wird zunächst nur eine Perspektive realisiert, diese aber dann endgültig und nicht als Version. Bewährt sich dieses Kennzahlensystem, wird die nächste Perspektive eingeführt. Das wird so oft wiederholt, bis alle Perspektiven eingeführt sind. So besteht die Möglichkeit, die Projektkomplexität zu verringern und es kann aus den Erfahrungen der vorherigen Perspektiven gelernt werden. Die XY GmbH hat sich hingegen für das Versionenkonzept entschieden, das bedeutet, dass eine vollständige Balanced Scorecard in der Realität eingeführt und getestet wird. Dabei ist aber von Anfang an klar, dass es sich um eine Version handelt und nicht um eine endgültige Fassung. So können mit der Version Erfahrungen gesammelt werden und diese dann in der nächsten Version eingearbeitet werden, um die Balanced Scorecard kontinuierlich zu verbessern.
Die Messgrößen, Zielwerte und strategische Aktionen, die aus den definierten strategischen Zielen hervorgehen, stehen nicht einfach nur nebeneinander, sondern werden durch den Background der Ursache-Wirkungsdiagramme und den sogenannten Strategy Maps miteinander verbunden.[113] Bevor die Ursache-Wirkungsdiagramme in Kapitel 3.4 und die Strategy Map in Kapitel 3.5 beschrieben werden, geht das Kapitel 3.2 auf den Unterschied zwischen der Balanced Scorecard und einem normalen Kennzahlensystem ein.
Das Konzept der Balanced Scorecard fand erstmalig 1992 in der Zeitschrift Harvard Business Review Erwähnung.[114] Der Artikel mit der Überschrift „The Balanced Scorecard - Measures that drive Performance“[115] entstammt der Feder der Amerikaner Robert S. Kaplan[116] und David P. Norton[117], die sich beide mit Steuerungskonzepten in Unternehmen beschäftigen. Sie beschreiben ein stark praxisbezogenes Konzept, das sie in Zusammenarbeit mit Industrie-, Beratungsunternehmen und Forschungseinrichtungen erarbeitet haben.[118] Die Balanced Scorecard kann mehr als 20 Jahre nach der Veröffentlichung auch im deutschsprachigen Raum als ein etabliertes Instrument angesehen werden.[119] Manche verstehen die Balanced Scorecard als ein neues Kennzahlensystem, in das auch nichtmonetäre Kennzahlen einbezogen werden, doch das ist die Balanced Scorecard nicht, sie bezieht neben den nichtfinanziellen Kennzahlen auch weitere Faktoren mit ein, die sie deutlich von anderen Kennzahlensystemen abhebt.[120]
Abb. 5: Die Balanced Scorecard mehr als ein Kennzahlensystem[121]
Die vorherige Abbildung 5 zeigt, dass zur Balanced Scorecard mehr als nur die nichtfinanziellen Kennzahlen gehören. Für die Entwickler der Balanced Scorecard, Robert S. Kaplan und David P. Norton, war das System von Anfang an ein strategisches Instrument zur zukunftsorientierten Führung mit messbaren Zielen, also weit mehr als ein Kennzahlensystem.[122] Die Balanced Scorecard ist ein Managementsystem, das den gesamten Planungs-, Steuerungs- und Kontrollprozess der Organisation gestaltet.[123] Sie geht einen Schritt weiter als traditionelle Kennzahlensysteme und fragt nach der Entstehung der Werte. Traditionelle Kennzahlensysteme hingegen spiegeln lediglich den Niederschlag im Rechnungswesen wider.[124] In der Balanced Scorecard werden Kennzahlen, die ein finanzielles Ziel haben und Strategien gekoppelt.[125] Der Grundgedanke des Konzepts war, dass zur Bewertung der Leistung die verschiedenen relevanten Unternehmensinhalte, beispielsweise Finanzen, Kunden oder Prozesse, insgesamt betrachtet werden müssen. Die Balanced Scorecard verdeutlicht bei der richtigen Auswahl der Ziele und Messgrößen die strategische Stoßrichtung der Organisation und macht gleichzeitig eine Messung möglich.[126] Ob die Verwirklichung und Ausführung der Unternehmensstrategie eine Ergebnisverbesserung bewirkt, zeigen die Finanzkennzahlen in der Balanced Scorecard an.[127] Die folgende Tabelle 3 gibt einen kurzen Überblick über einige Unterschiede zwischen der Balanced Scorecard und einem Kennzahlensystem und fasst sie zusammen.
Tab. 3: Einige Unterschiede zwischen Kennzahlensystemen und Balanced Scorecard[128]
Ergänzend zu den genannten Aufgaben soll die Balanced Scorecard nicht als Kontrollsystem, sondern vielmehr als Kommunikations-, Informations-, und Lernsystem verwendet werden.[129] Kudernatsch beschreibt die Balanced Scorecard wie folgt:[130] Als System miteinander verbundener Zielsetzungen und Messgrößen beschreibt die Balanced Scorecard in ihrer Gesamtheit die Strategie eines Unternehmens und stellt dabei Hypothesen auf, wie diese Strategie umgesetzt werden soll. Als Führungssystem kommuniziert die Balanced Scorecard die Unternehmensstrategie, entwickelt eine Geschäftsplanung und gibt Feedback bezüglich notwendiger Korrekturen an der Strategie.
Die Ausführungen machen deutlich, dass es sich bei der Einführung einer Balanced Scorecard nicht einfach nur um ein weiteres technokratisches Controllinginstrument handelt. Genauer gesagt ist von ihrer Implementierung der Prozessablauf der gesamten strategischen Unternehmensführung betroffen.[131] Durch die Balanced Scorecard sollen die Kennzahlensysteme nicht zu Kennzahlenfriedhöfen erweitert werden, sondern die Strategieumsetzung und Zielorientierung soll in alle Unternehmensebenen und Funktionsbereiche eingesetzt werden.[132]
Die vier-Perspektiven-Sicht ist eines der entscheidenden Merkmale der Balanced Scorecard, wie die einzelnen Perspektiven zu verstehen sind und was sie Aussagen, verdeutlicht das folgende Kapitel 3.3.
Flugzeugpiloten benötigen mehr als ein Instrument, um ein Flugzeug zu steuern. Damit die Geschäftsleitung ein Unternehmen in Richtung Unternehmenserfolg führen kann, benötigt sie, wie die Piloten, ein Instrumentarium, das sowohl die Aspekte der Umgebung als auch die Unternehmensleistung anzeigen kann.[133] Die traditionellen...