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Verweilt Deutschland in einem Migrationsmärchen? Migranten als Arbeitskräftepotenzial im demographischen Wandel

AutorAlice Kruligk
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl69 Seiten
ISBN9783656703204
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Soziologie - Arbeit, Beruf, Ausbildung, Organisation, Note: 1,7, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, Sprache: Deutsch, Abstract: Ziel dieser Arbeit ist es, zu hinterfragen, ob langfristig gesehen der Fachkräftemängel durch Migranten/Migrantinnen behoben werden kann. Dabei wird neben der Untersuchung des Arbeitskräftepotenzials von Migranten/Migrantinnen erforscht, ob und welche Barrieren bestehen, die den Prozess der Integration beeinträchtigen und erschweren. Hierzu wird der Arbeitsmarkt und der damit verbundene Bildungssektor zur Untersuchung herangezogen und mögliche Konsequenzen der Folgegenerationen von Migranten/Migrantinnen analysiert. Es werden dabei sowohl Beeinträchtigungen auf Grund sprachlicher und kultureller Hindernisse in Bezug auf die Qualifikationen, gesellschaftliche Integration und langfristige Migration in den Arbeitsmarkt näher beleuchtet, als auch der Einfluss der Familie auf die nachfolgenden Generationen hinterfragt.

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Leseprobe

2 Einwanderungskontinent Europa – historischer Kontext ab 1950


 

In diesem Kapitel wird ein Einblick über die historische Entwicklung des Einwanderungskontinents Europa ab 1950 vorgenommen und ein möglicher Einfluss auf Deutschland hinterfragt. Ebenfalls erfolgt eine Beschreibung der aktuellen Situation Europas. Dabei wird auf die Auswirkungen der Einführung der Freizügigkeit von EU-Bürger/Bürgerinnen auf die Europäische Union und Deutschland eingegangen sowie auf die Verpflichtung der EU-Beitrittsländer, eine Vereinfachung der Mobilität für hochqualifizierte Arbeitnehmer/Arbeitsnehmerinnen herbeizuführen, welche in Deutschland durch die Einführung der EU-Blue Card realisiert wurde.

 

Obwohl Migration ein wesentlicher Bestandteil der europäischen Gesellschaftsgeschichte ist, werden Europas Wanderungsbewegungen heute nicht mehr als traditioneller, natürlicher Prozess wahrgenommen. Vielmehr werden Zuwanderer/Zuwanderinnen als Fremde gekennzeichnet, unabhängig davon, welche Hintergründe für die Migration bestehen.[57]

 

Noch im 19. Jahrhundert zählte Europa zu den Auswanderungskontinenten. Rund 100 Mio. Europäer verließen während dieses Jahrhunderts ihre Herkunftsländer, in Folge der Auswirkungen der industriellen Revolution und des rapiden Anstiegs der Bevölkerung.[58] Im Zuge des Wirtschaftsaufschwungs und der damit verbundenen Rekrutierung gering qualifizierter Arbeitskräfte ab Mitte der 1950er Jahre Westeuropas[59], durchzog sich Anfang der 1960er Jahre der Wandel zu einem neuen Einwanderungskontinent.[60] Neben Frankreich und der Schweiz, welche bereits traditionell bedingt seit Beginn des 19. Jahrhunderts auf die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte zurückgriffen, begannen Mitte der 1950er Jahre auch andere Länder Westeuropas mit der Rekrutierung.[61] Diese wurde zumeist durch den Abschluss bilateraler Anwerbeabkommen begründet, welche aufgrund der zunehmend geringer werdenden Arbeitnehmerzahl der Anwerbestaaten zurückzuführen waren. Überwiegend wurden junge Männer mit niedrigem schulischen und beruflichen Qualifizierungsgrad angeworben,[62] welche anfangs aus Italien, Spanien, Portugal und Griechenland, später auch aus Nordafrika, der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien kamen.[63]

 

Diese wurden insbesondere als un- oder angelernte Arbeiter in den Bereichen des verarbeitenden Gewerbes, in Land- und Bauwirtschaft und im Reinigungs- und Gaststättengewerbe eingesetzt.[64] Die Rekrutierung hatte zur Folge, dass Anfang der 1970er Jahre die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte in Westeuropa den ersten Höchststand erreichte.[65] Dies führte schließlich dazu, dass bis Ende der 1980er Jahre sich Westeuropa in einen Einwanderungskontinent verwandelte.[66]

 

Von 1950 bis 1990 war die ausländische Wohnbevölkerung in Westeuropa von ca. 3,79 Mio. (entspricht ca. 1,3 %) um mehr als das Vierfache auf 16,09 Mio. (entspricht ca. 4,5 %) gewachsen.[67] Das Thema der Einwanderung wurde daher in den betroffenen europäischen Staaten zu einem zentralen politischen Thema. Die Verteilung auf einzelne Staaten der Europäischen Union (EU) war dabei sehr unterschiedlich. Überwiegend ließen sich die Einwanderer/Einwanderinnen in Städten nieder mit Konzentration auf bestimmte Stadtviertel und Vorstädte von Ballungsräumen.[68] Durch die Internationalisierung des europäischen Arbeitsmarktes migrierten über 30 Mio. Menschen nach Westeuropa in die industriellen Zentren und Großstädte, von denen jedoch ein Großteil in die Herkunftsländer zurückging.[69] Diese Entwicklung ist auch heute noch zu erkennen. Als Beispiel können hier die Bezirke Kreuzberg, Neukölln und Wedding der Stadt Berlin genannt werden.

 

Im Zuge des ersten Ölpreisschocks im Jahr 1973 erfolgte, begründet durch die wirtschaftliche Rezession und der damit verbundenen Verringerung der Arbeitnehmerkapazität des Arbeitsmarktes, ein Anwerberstopp der ausländischen Arbeitskräfte und eine Verschärfung der Bestimmungen für den Zuzug von ehemaligen Personen aus den Kolonialgebieten.[70] Jedoch kam es weiterhin durch Nachzug von Familienangehörigen und „Netzwerkmigration“ zu einer Erhöhung der Migration.[71]

 

Ein internationaler Vergleich von Migration innerhalb der Europäischen Union ist aufgrund der differenzierten Führung der Statistik und der nicht einheitlichen Regelung der Aufenthaltstitulierungen ausländischer Staatsangehöriger nicht möglich. Im Vergleich zu Deutschland wird bspw. in Frankreich ein schnelleres Einbürgerungsverfahren praktiziert.[72]

 

Woher stammen jedoch aktuell die Zuwanderer/Zuwanderinnen Europas und welche Länder werden als Ziele favorisiert? Gemäß den Daten des statistischen Amtes der europäischen Union (Eurostat), lebten im Jahr 2012 insgesamt 34,3 Mio. ausländische Staatsangehörige in den 27 EU-Mitgliedsstaaten. Dies entspricht einem Anteil von 6,8 % der Bevölkerung. Von diesem Anteil waren 13,6 % EU-Staatsangehörige, welche in einem anderen Mitgliedsstaat lebten. Gemessen an der Bevölkerung ist dies ein Anteil von 2,7 %. Mehr als drei Viertel aller ausländischen Staatsangehörigen leben in Deutschland (mit 7,4 Mio. Personen bzw. 9 % der Gesamtbevölkerung), Spanien (5,6 Mio. bzw. 12 %), Italien und dem Vereinigten Königreich (je 4,8 Mio. bzw. 8 %) sowie in Frankreich (3,9 Mio. bzw. 6 %).[73]

 

Neben den bisherigen Ausführungen, dass Migration in Europa nicht mehr als natürlicher Prozess und Zuwanderer/Zuwanderinnen als Fremde wahrgenommen werden, kommt, wie bereits ausgeführt, hinzu, dass in Folge einer geringeren Wertigkeit von Migranten/Migrantinnen, begründet dadurch, dass Migration häufig mit Prozessen der Unterschichtung verbunden ist, in einer negativen Personifizierungen mündet.[74] Dies steht jedoch in Kollision mit der Vision eines integrierten Europas, indem es als politisches Vorbild und zukunftsträchtiges Gesellschaftsmodell fungiert, das aus der kulturellen Vielfalt Produktivität schöpft.[75] Die Umsetzung der Integrationsbereitschaft Europas ist aufgrund unterschiedlicher Zielsetzungen von Nationalstaaten und Europa nur schwer realisierbar. So führt bspw. die Angst der Bevölkerung vor Parallelgesellschaften dazu, dass die Mehrheit der Europäer die Grenzen einer multikulturellen Gesellschaft als erreicht ansieht.[76] Hierbei ist jedoch nicht außer Acht zu lassen, dass die Wanderungen in Europa zwar im Zuge der Globalisierung stark zugenommen haben (z. B. in Folge der Erweitung in der EU), dies aber langfristig zu einer wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Heterogenität führen kann.[77] Diese Verschiedenartigkeit, welche bereits im Vergleich der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten besteht, führt auch im Bereich der Bildung zu wesentlichen Unterschieden. Vor dem Hintergrund der Vereinigung und des Zusammenwachsens der EU und der Schaffung von gleichen Zugangsvoraussetzungen von Migranten/Migrantinnen ist jedoch eine Vereinheitlichung des Bildungssystems wünschenswert.[78] Die Thematik der Ungleichheiten in der Bildung wird in Kapitel 3 weitergehend betrachtet.

 

Wie bereits ausgeführt wird die Entwicklung Europas in Hinblick auf das soziale und wirtschaftliche Gefälle kritisch betrachtet, da, in Folge von Staatsschuldenkrisen und unterdurchschnittlicher Wirtschaftsleistung einzelner EU-Länder, Sozialtransfer-Migration begünstigt wird.[79]

 

Die ungleiche Verteilung von Wohlstand innerhalb der EU kann den Zuzug in die wohlstandsreicheren europäischen Länder begünstigen. Dies gilt insbesondere für den Personenkreis, welcher von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht ist. In Folge dessen auch die Höhe der Sozialausgaben in den wohlstandsreicheren EU-Mitgliedsstaaten (wie bspw. Deutschland oder Frankreich) beeinflusst werden. Der höchste Anteil von Personen, welche von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen sind, wurde in den Ländern Bulgarien (49 %), Rumänien (42 %), Lettland (37 %) und Griechenland (35 %) festgestellt.[80] Bezieht man diese Daten auf Deutschland, so bleibt festzuhalten, dass der Anteil der Personen aus Bulgarien und Rumänien stark angestiegen ist.[81] Demnach kann darauf geschlossen werden, dass auch das Wohlstandsgefälle innerhalb der EU eine Zuwanderung in die wohlstandsreicheren EU-Länder begünstigt.

 

Trotz aktiver Anwerbungspolitik und zwischen den 1970er und 1980er Jahren europäisches Haupteinwanderungsland, identifizierte sich Deutschland erst spät als Einwanderungsland. Durch die Weigerung der Anerkennung der dauerhaften Niederlassung einer Vielzahl von Arbeitsmigranten/Arbeitsmigrantinnen und ihrer Familienangehörigen wurde die Sicht auf Integrationsdefizite verschleiert.[82] Erst nach dem Regierungswechsel im Jahr 1998 erfolgte nach langen Debatten ein Umdenken. Deutschland wurde nun nicht nur als Einwanderungsland betrachtet, sondern auch ein Bedarf an qualifizierten Fachkräften aus dem Ausland...

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