Die Installation von Videoüberwachungstechnik auf öffentlichen Plätzen wird vielfach damit begründet, dass das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung gesteigert wird. Ob dies tatsächlich der Realität entspricht, soll diese vergleichende Untersuchung von Großbritannien, Deutschland und Österreich zeigen. Weiterhin soll geklärt werden, warum es einen so großen Rückhalt in der Bevölkerung für Videoüberwachung gibt, obgleich Studien beweisen, dass der Erfolg sehr gering ausfällt.[7] Im Kern des Interesses steht die Wirkungsfrage, ob das Sicherheitsgefühl durch die Installation von Videoüberwachung tatsächlich gesteigert wird.
Der erste Teil der Arbeit bietet eine Einführung in die terminologischen Grundlagen der Videoüberwachung. Da diese im öffentlichen Raum stattfindet, stellt sich die Frage, was darunter im Einzelnen zu verstehen ist. Es wird neben der juristischen Seite auch auf die soziologische Sichtweise eingegangen. Weiterhin wird das Sicherheitsgefühl näher betrachtet, wie es sich durch Kriminalitätsfurcht verändert und welche Erklärungen es dafür gibt.
Der zweite Teil der Arbeit besteht aus der Bestandsaufnahme der Videoüberwachungsanlagen in den Vergleichsländern und soll neben der Geschichte der Implementierung auch einen Überblick über die momentane Situation geben.
Der dritte Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der Empirie. Es wird mittels Sekundäranalyse verschiedener Studien untersucht, ob das länderspezifische Erscheinungsbild der Videoüberwachung zur Steigerung des subjektiven Sicherheitsgefühls beiträgt, vor dem Hintergrund der Akzeptanz und der Kenntnis von Videoüberwachungsanlagen.
Schließlich fasst der vierte Teil der Arbeit die Ergebnisse der Untersuchung zu einem Gesamtfazit zusammen und gibt einen kurzen Ausblick auf die Möglichkeiten weiterer Untersuchungen.
Als Gründe für die Einführung von Videoüberwachung im öffentlichen Raum werden offiziell sicherheitspolitische, polizei- und strafrechtliche Intentionen zur Kontrolle der Straßen[8]- und Drogenkriminalität genannt. Der Videoüberwachung werden dabei drei verschiedenartige Funktionen bzw. Ziele zugeschrieben. Sie soll eine präventive Wirkung entfalten, indem tatsächlich bestehende Gefahren abgewehrt und potentielle Straftäter abgeschreckt bzw. im Voraus diszipliniert (vorbeugende Verbrechensbekämpfung) werden[9], in deren Folge Kriminalitätsschwerpunkte entschärft werden. Weiterhin sollen die getätigten Bildaufzeichnungen nach erfolgten Straftaten als Beweismittel dienen und die Aufklärung und Verfolgung der Taten erleichtern (Repression). Darüber hinaus soll die Videoüberwachung, als Ergebnis der beiden anderen Ziele, das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger stärken.[10]
Eine durchgeführte Studie des Europäischen Zentrums für Kriminalprävention e.V. (EZK) ergab, dass von der Polizei und den Kommunen als häufigster Grund für die Anschaffung von Videoüberwachungsanlagen kein konkret aufgetretenes Kriminalitätsproblem genannt wird, sondern die Steigerung des subjektiven Sicherheitsgefühls der Bürger.[11] Ob dieses angeblich vorrangige Ziel mit Videoüberwachung überhaupt erreicht werden kann, oder ob die Videoüberwachung nur als Teil eines Stadtmarketingkonzepts genutzt wird, um den öffentlichen Raum attraktiver zu gestalten und die Einheimischen und Touristen in Stadt zu den Einkaufsmöglichkeiten zu locken, soll die weitere Untersuchung klären.
Die vorliegende Untersuchung beleuchtet in einer Sekundäranalyse den Stand der empirischen Forschung hinsichtlich der Videoüberwachung öffentlicher Plätze zur Steigerung des subjektiven Sicherheitsgefühls in den Vergleichsländern. Für Großbritannien, Deutschland und Österreich liegen bisher wenige unabhängige Vergleichsstudien vor, die die Wirksamkeit der Videoüberwachung in Bezug auf das Sicherheitsgefühl be- oder widerlegen. Das Forschungsgebiet erstreckt sich größtenteils auf die rechtliche Betrachtung[12] sowie die Untersuchung der Effektivität der Videoüberwachung als Instrument zur Kriminalitätsbekämpfung. Obwohl dieses Gebiet wissenschaftlich eingehend evaluiert wurde, gibt es keine eindeutigen Aussagen über die Effektivität der Videoüberwachung.[13] Die Ergebnisse erstrecken sich vom messbaren Kriminalitätsrückgang, über keine Änderungen bis hin zur Kriminalitätszunahme.[14] Dennoch lassen sich in neueren, empirischen Studien aus den Vergleichsländern, hier im Vorgriff mit dem Ziel der thematischen Einführung, Tendenzen wie folgend zusammenfassen: Überwiegend entfaltet die Videoüberwachung eine Präventivwirkung auf Eigentumskriminalität (insbesondere Diebstahl von/aus/an Kfz sowie Sachbeschädigungen und Einbruchsdiebstahl). Schwächer ausgeprägt bis hin zu nicht messbar sind Präventionserfolge bei Raub- und Rohheitsdelikten.
Videoüberwachungsnetze, die zum Teil weit mehr als 100 Kameras umfassen und heute bereits große Teile des öffentlichen Raums abdecken, existieren seit ca. 25 Jahren bspw. in Großbritannien[15], den USA sowie in den Stadtstaaten Singapur und Monaco.[16] Mit Beginn der 1990er Jahre erlebte die Videoüberwachung öffentlicher Räume auch im Rest Europas einen Aufschwung.[17]
Großbritannien[18] setzt sich durch eine beispiellos ausgeprägte Videoüberwachung der Städte von allen anderen Ländern der Welt ab. Im Jahr 1999 überstieg die Anzahl der installierten Kameras bereits die Grenze von einer Million.[19] Bereits im August 2001 waren es fast zwei Millionen Kameras.[20] Kein anderes Land besitzt mehr Kameras als Großbritannien, sowohl relativ zur Bevölkerungszahl als auch in absoluten Zahlen gemessen. Im Jahr 2006 überwachten 20 % der geschätzten weltweit vorhandenen Videoüberwachungsanlagen Großbritannien[21], obwohl der Anteil der Einwohner an der Weltbevölkerung lediglich 0,92 % betrug.[22] Heute geht man von einer Anzahl zwischen 4,2 Millionen[23] und 4,5 Millionen[24] Videokameras in Großbritannien aus, wobei zwischen 500.000 und eine Million Kameras den öffentlichen Raum überwachen.[25] Dass diese Zahl auf bloßen Schätzungen beruht[26], bekräftigt auch Prof. Clive Norris mit der Aussage: „It's interesting to see those numbers repeated in the media, because they can be described only as guestimates”[27]. Daher kann die Anzahl der Überwachungskameras heute durchaus wesentlich höher liegen. Für die Installation und Wartung der Videoanlagen wurden allein in den 1990er Jahren jährlich zwischen 150 und 300 Millionen Pfund ausgegeben.[28] Während dieser Zeit investierte das britische Innenministerium[29] ca. 250 Millionen Pfund öffentliche Gelder in die Videoüberwachungstechnik, was zwei Drittel des gesamten Budgets für Kriminalitätsprävention entspricht.[30] Die flächendeckende Videoüberwachung ist in Großbritannien zum Alltag geworden. Mehr als 95 % der britischen Städte sind mit Videoüberwachungsanlagen ausgerüstet.[31]
Deutschland ist von diesen „britischen Verhältnissen“ hinsichtlich des umfangreichen Einsatzes von Videoüberwachungsanlagen derzeit noch weit entfernt, auch wenn Experten davon ausgehen, dass die Videoüberwachung auch in Deutschland zukünftig deutlich zunehmen wird.[32] Da in Deutschland keine Anmeldepflicht für Videoüberwachungssysteme existiert, kann die Anzahl der Überwachungskameras lediglich geschätzt werden. Derzeit videografieren zwischen 300.000[33] und 500.000[34] Kameras den öffentlichen und privaten Raum Deutschlands. Der Einsatz der Videotechnik etablierte sich vor allem durch private Betreiber in öffentlich zugänglichen Bereichen. So werden u.a. Tankstellen, Kaufhäuser, Kinos, Cafés, Hotels, Restaurants und Parkhäuser überwacht.[35] Gerade die Verkaufsräumlichkeiten der Einkaufscenter bildeten das Testfeld für Möglichkeiten der Alltagsüberwachung. Basierend auf dem Hausrecht der Eigentümer und Besitzer werden Bürger zunehmend mit Überwachungskameras konfrontiert.[36] Daher kommt auch die vorliegende Untersuchung, trotz des thematischen Schwerpunkts auf öffentliche Plätze, nicht ohne gelegentliche Bezugnahme auf die Handhabung der Videoüberwachung im privaten Bereich aus.[37] Nicht nur im privaten Bereich, sondern auch im und öffentlichen Bereich[38], wie auf Flughäfen, Bahnhöfen, in Ämtern, Schulen, Parkanlagen, Museen, Rathäuser und sogar in Gotteshäusern steigt die Wahrscheinlichkeit zu mindestens beim Betreten und Verlassen gefilmt zu werden.[39] Der Einsatz der Videoüberwachung öffentlicher Straßen und Plätze seitens der Polizei und/oder der Kommunen steckt im Vergleich zu Großbritannien „gleichsam noch in den...